Das Handgelenk: Statisch gerade oder "ostslawische Welle"?

Marlene

Marlene

Dabei seit
4. Aug. 2011
Beiträge
17.610
Reaktionen
16.006
Meinem neuen KL ist sofort meine „statische Sitzhaltung“ aufgefallen, der Oberkörper bewegt sich kaum zur Seite, die Handgelenke sind zu fest und unbeweglich, die Ellenbogen zu nah am Körper.

Ich habe gelernt mit geraden Handgelenken zu spielen. Wenn ich sie zu sehr angehoben habe, hat mahnend die Fingerkuppe meines Ex-KL das Handgelenk sanft aber bestimmend in die gerade Haltung hinabgedrängt.

Bei russischen oder ukrainischen Pianistinnen (bei Pianisten aus diesen Ländern ist es mir noch nicht aufgefallen) sehe ich des Öfteren, dass sie oft mit hohen Handgelenken spielen und mit diesen beim Spielen eine Wellenbewegung ausführen. Das möchte mein neuer KL (in Russland geboren) auch sehen.

Mein Ex-KL war kompetent und ich denke, dass er einen Grund darin gesehen hat, mich mit geraden Handgelenken spielen zu lassen. Ich habe dabei nichts unangenehmes empfunden. Mein neuer Lehrer findet es zu statisch so zu spielen, es würde den Klang abschwächen.

Welchen Sinn haben diese Wellenbewegung der Pianistinnen ostslawischer Staaten? Wenn ich das sehe muss ich unweigerlich an die Signatur von @rolf denken. Und warum sehe ich das selten bei z.B. deutschen Künstlern?
 
Bitte poste doch mal Videos dazu, wenn möglich. Können auch Beispielvideos von irgendwelchen anderen Pianisten sein.
 
Nun schau hin, in welchem Moment des Anschlags bzw. Spielens das HG hoch ist!
 
Marlene, Du liest doch so viel hier mit bzw. diskutierst mit.

Ich bin wirklich etwas sehr erstaunt, dass nach all den Jahren, die Du hier bist und Dich als sehr wissbegierige, intelligente Person erwiesen hast, SOLCH eine Frage kommt.

Es ist, als hättest Du noch nie gelesen, geschweige denn verstanden, was Leute wie Rolf, Stilblüte, Chiarina, ich und andere hier zur Spieltechnik und darüber, wie die unterschiedlichen Armsegmente und Gelenke (und der ganze Körper) zusammenwirken, geschrieben haben.

Wirklich verblüffend. Sorry.
 
Ich habe gerade bei meinem Klavierstück gelernt, wie man mit einer Bewegung des Ellenbogens einen wunderbar leisen und warmen Ton "erzeugen" kann. Dadurch bewege ich natürlich auch den Körper ein Stück mit.
So etwas wurde früher eher nicht gelehrt. Ich bin so froh, dass ich da jetzt lernen darf und damit ausdrücken kann, was ich möchte.:-)
 
Mein Tipp: Probiere verschiedene Varianten aus, nimm dich auf, höre es dir an und entscheide dann, welche Bewegungen für den Ton-Klang am besten ist. Selbst wenn dir jemand zu Bewegungen rät, kannst alleine du (ggf. mit deinem Lehrer) entscheiden, wie stark die Bewegung sein muss, damit der Klang deinen Vorstellungen entspricht.
Aufnehmen und anhören sind sowieso mit die besten und mit am meisten vernachlässigten Methoden.
 
ich bin ja nun wirklich kein Profi, aber da muss ich hasenbein 100℅ zustimmen.
Wenn hier von den Profis eine Sache immer wieder propagiert wird, dann ist es doch gerade das Spiel mit "durchlässigem" Handgelenk, was ja das Gegenteil vom starren "festbetonierten" Handgelenk ist.
Zu dem Thema gibt es doch auch unzählige Youtube-Videos diverser Lehrer.
Man muss doch nur sowas wie "wrist piano" oder "Handgelenk piano" eingeben, und schon findet man Lehrstücke von Leuten wie Josh Wright, Thorsten Eil, Graham Fitch etc, wo die Sache mit dem beweglichen Handgelenk sehr gut und nachvillziehbar erklärt wird.
Mein Lesetipp: Klavier-Choreographie" von Seymour Bernstein.
İch finde, viel anschaulicher kann man in gedruckter Form den sinnvollen Einsatz von Oberkörper bis hin zu den Fingerspitzen nicht vermitteln.
Wenn Du Dir seine Einspielungen anhörst, wirst Du verstehen, wie wichtig der korrekte Einsatz des gesamten Bewegungsapparates ist.
Ich wundere mich ehrlich gesagt doch ziemlich über Deinen bisherigen KL, der anscheinend nicht vermitteln kann, was ich mir als Autodidakt unter Zuhilfenahme von Büchern, Foren und Youtube und fem Reflektieren dieser Informationen einigermaßen erarbeitet habe.
 
Nur Stücke wie der Trauermarsch von Liszt müssen mit festem Handgelenk gespielt werden. Und schnelle Akkord-Repetitionen wie in Schuberts Erlkönig. Da werden die Akkorde vom Arm aus gestoßen.
 
Ich wundere mich ehrlich gesagt doch ziemlich über Deinen bisherigen KL, der anscheinend nicht vermitteln kann, was
...was offenbar auch sonst bisher niemand vermitteln konnte, einschließlich der "Profis" hier im Forum. Das heißt noch lange nicht, dass der KL oder irgendwelche Profis schlecht sind oder etwas falsch machen. Es heißt nur, dass @Marlene es noch nicht verstanden hat, oder dass sie einfach ihre Frage blöd formuliert hat und wir daraus falsche Schlüsse gezogen haben.
Im Übrigen haben die meisten irgendwelche "blinden Flecken", bei denen man sich wundert, dass etwas vermeintlich Einfaches nicht kapiert wird. Das kann alle möglichen Ursachen haben. Marlene hat jetzt kapiert, dass ihre Frage hier Verwunderung ausgelöst hat.

Um mal meine eigene Frage an Marlene zu beantworten: Die Pianistinnen im Video nehmen das Handgelenk "hoch" nicht während des Spielvorgangs, sondern immer dann, wenn sie die Hand von den Tasten heben. Die Idee ist ähnlich wie die Vorstellung, dass der Arm einer Marionette gehört, die einen Faden nur am Handgelenk hat (und nicht etwa auch noch am Handrücken). Wenn man dort zieht, ist es automatisch der höchste Punkt des Unterarms. Ziel ist eine besondere Geschmeidigkeit und Durchlässigkeit des (Unter-)Armes und Handgelenks.
Weiterhin resultiert diese Art der Bewegung aus einer besonderen Art und Weise, Töne anzuschlagen und miteinander zu verbinden, das kann ich jetzt nicht weiter erklären.

In jedem Fall halte ich die Geste weder für übertrieben, noch für absolut notwendig. Man kann so spielen oder auch anders. Für dich Marlene spielt das im Prinzip gar keine Rolle, weil dieses HG-Bild nur das "Symptom" von bestimmten Anschlagsweisen ist. Viel wichtiger ist das Gefühl vor, während und nach des Anschlags, die Armführung und vor allem das Verständnis, wie alles zusammenhängt. Was dann das Handgelenk macht und wie es aussieht, hängt auch ein bisschen von der Anatomie ab.

Wenn dir jemand gepredigt hat, dein Handgelenk soll gerader sein, liegt die Vermutung nahe, dass es vorher unwillkürlich in die eine oder andere Richtung abgeknickt war, was die Bewegungsenergie aus dem Arm bremst oder verkehrt leitet. Damit, was in den Videos zu sehen ist, hat das aber gar nichts zu tun. Eine genauere Antwort ist leider bei so einer Ferndiagnose schwierig.
 

Und schnelle Akkord-Repetitionen wie in Schuberts Erlkönig. Da werden die Akkorde vom Arm aus gestoßen.
Da wirst du auch andere Meinungen zu hören bekommen. Genau genommen ist "aus dem Arm" auch keine sinnvolle Aussage, denn der Arm ist kein Gelenk und hat auch keine eindeutige Bewegungsrichtung. Ich weiß somit nicht mal, was du meinst. Meinst du ein Auf und Ab aus dem Ellebogen? Ein Vor und Zurück, das der Oberarm aus dem Schultergelenk führt? Also wenn ich sowas spiele, sind immer alle Teile des Arms beteiligt. Je schneller die Repetition, desto kleiner wird allerdings die Bewegung, so dass es so aussehen könnte, als sei der ganze Arm weitestgehend unbeweglich. Aber das ist ja ein Phänomen, was grundsätzlich in hohem Tempo auftritt - man sieht nicht mehr, was eigentlich passiert, und zieht daraus fataler Weise den Schluss, es würde gar nichts passieren (= fest, Anspannung, Fixierung etc.).
 
@Stilblüte
Hab‘s gerade noch mal ausprobiert: Es ist ein Auf-und-Ab des Ellenbogens. Und dabei ist mir aufgefallen, dass sich das Handgelenk unwillkürlich sogar mitbewegt. Aber natürlich nicht wie sonst, sondern als (noch passivere) Folge der Ellenbogen-Bewegungen.
 
Nur Stücke wie der Trauermarsch von Liszt müssen mit festem Handgelenk gespielt werden. Und schnelle Akkord-Repetitionen wie in Schuberts Erlkönig. Da werden die Akkorde vom Arm aus gestoßen.
Das gilt vielleicht für einzelne, schnelle und wiederholte Akkordanschläge - aber wenn die Repetitionen über eine lange Strecke durchgehalten werden müssen und zudem nicht durchgehend im fortissimo erklingen sollen, ist erheblich mehr Variabilität in der Anschlagsart notwendig.
Ich habe den Erlkönig nicht gespielt (weder als Begleitung noch in der Liszt-Bearbeitung), aber die 6. Ungarische Rhapsodie. Da sind die Oktavrepetitionen über die lange Strecke nicht durchzuhalten, wenn man sie immer mit demselben Bewegungsmuster spielt. Beteiligt sind natürlich immer alle Gelenke (keines darf fixiert werden!), aber der Bewegungsimpuls muss "wandern" - mal entsteht er im Handrücken/Handgelenk, mal im Unterarm/Ellenbogen und - vor allem im ff - in der Schulter. Das muss sehr klug variiert werden, sonst kommt man physisch schnell an seine Grenzen.
 
Nun schau hin, in welchem Moment des Anschlags bzw. Spielens das HG hoch ist!

Oft zwischen dem Anschlag, aber ich habe auch erwähnt, dass ich das „Dromedar-Handgelenk“ beim Anschlag gesehen habe, meiner Erinnerung nach bei ff-Akorden.

Probiere verschiedene Varianten aus, nimm dich auf, höre es dir an und entscheide dann, welche Bewegungen für den Ton-Klang am besten ist.

Über den Klang meiner Stücke hat sich bisher kein Zuhörer beklagt – im Gegenteil.

Bei einem KL und Fachmann für Dispokinesis habe ich vor einiger Zeit Unterricht in Musiktheorie genommen. Er hatte keinerlei Einwände in der Art wie ich spiele.

Ich wundere mich ehrlich gesagt doch ziemlich über Deinen bisherigen KL, der anscheinend nicht vermitteln kann, was ich mir als Autodidakt unter Zuhilfenahme von Büchern, Foren und Youtube und fem Reflektieren dieser Informationen einigermaßen erarbeitet habe.

Bei meinem letzten Treffen hat ein weit fortgeschrittener Clavionist noch nach Jahren seine Begeisterung in Anbetracht einer längeren Probestunde bei diesem KL zum Ausdruck gebracht.

Ich wundere mich nicht über ihn, er ist kompetent und hat zurecht einen sehr guten Ruf. Als ich gestern Abend ins Bett geschlüpft bin habe ich noch gedacht, dass meine Frage vielleicht falsch verstanden werden könnte nach der Devise: „Kack-KL hat das nicht richtig gezeigt“. Aber er kannte mich und meinen Bewegungsapparat fünf Jahre lang. Fast während des gesamten ersten Jahres hat er mit Engelsgeduld die Fehler aufgelöst, die sich durch den ersten KL festgesetzt haben. Hinzu kamen die Probleme meines Bewegungsapparates. Vielleicht vermag ich es tatsächlich nicht, „durchlässig“ zu spielen, weil es zu viele Blockaden gibt (Impingement). Vielleicht hat er mich mit geradem Handgelenk spielen lassen weil er das – in Anbetracht meiner Probleme – für die bestmögliche Haltung gehalten hat.

Bei meinem neuen KL hatte ich erst dreimal Unterricht, er muss mich und meinen Bewegungsapparat erst kennenlernen. Vielleicht wird er nach weiteren Stunden auch feststellen, dass ich diese Wellenbewegung nicht zu spielen vermag.

@chiarina hat mal versucht, mir die „Ellipse“ zu erklären, ich habe es aber nicht lange geschafft so zu spielen, es hat sich unangenehm angefühlt. Hier fehlt anscheinend tatsächlich die Durchlässigkeit und die konnte mein Ex-KL – trotz aller Kompetenz – nicht erzeugen, weil meine Gelenke es wahrscheinlich nicht hergeben.

Es kommt oft vor, dass meine Handgelenke (auch beim Spielen) blockieren und ich sie dann durch eine spezielle Bewegung frei machen muss (verbunden mit einem unangenehmen Knirschen oder Knacken).

Es heißt nur, dass @Marlene es noch nicht verstanden hat, oder dass sie einfach ihre Frage blöd formuliert hat und wir daraus falsche Schlüsse gezogen haben.

Ich finde nicht, dass ich meine Frage blöd formuliert habe, denn sie war eindeutig:

Welchen Sinn haben diese Wellenbewegung der Pianistinnen ostslawischer Staaten?

Kapieren kann ich tatsächlich nicht, dass man „Anlauf“ nimmt um pp zu spielen. Richtig ist, dass ich nicht verstanden habe, was die Wellenbewegung bewirken soll.
Daher meine Frage. Du, @Stilblüte hast die Antwort eigentlich in einem Satz gegeben:

Weiterhin resultiert diese Art der Bewegung aus einer besonderen Art und Weise, Töne anzuschlagen und miteinander zu verbinden
 
Zuletzt bearbeitet:
Das gilt vielleicht für einzelne, schnelle und wiederholte Akkordanschläge - aber wenn die Repetitionen über eine lange Strecke durchgehalten werden müssen und zudem nicht durchgehend im fortissimo erklingen sollen, ist erheblich mehr Variabilität in der Anschlagsart notwendig.
[...] die 6. Ungarische Rhapsodie. Da sind die Oktavrepetitionen über die lange Strecke nicht durchzuhalten, wenn man sie immer mit demselben Bewegungsmuster spielt. Beteiligt sind natürlich immer alle Gelenke (keines darf fixiert werden!), aber der Bewegungsimpuls muss "wandern" - mal entsteht er im Handrücken/Handgelenk, mal im Unterarm/Ellenbogen und - vor allem im ff - in der Schulter. Das muss sehr klug variiert werden, sonst kommt man physisch schnell an seine Grenzen.

Genau so ist es.

Wer meint, man könne lange Strecken von Oktaven wie in der 6. Rhapsodie tatsächlich mit einem statisch-geraden Handgelenk (oder irgendeiner anderen statisch antrainierten Handhaltung) spielen, der wird schnell an seine körperlichen Grenzen stoßen.

Variabilität und Lockerheit sind das Zauberwort.

Wenn ich den Oktaventeil der 6. Rhapsodie spiele, erinnert mich das immer irgendwie an eine Art Tanzchoreographie der rechten Hand. Gerade und statisch ist das genaue Gegenteil von dem, was da passiert.
 
Genau so ist es.

Wer meint, man könne lange Strecken von Oktaven wie in der 6. Rhapsodie tatsächlich mit einem statisch-geraden Handgelenk (oder irgendeiner anderen statisch antrainierten Handhaltung) spielen, der wird schnell an seine körperlichen Grenzen stoßen.

Variabilität und Lockerheit sind das Zauberwort.

Wenn ich den Oktaventeil der 6. Rhapsodie spiele, erinnert mich das immer irgendwie an eine Art Tanzchoreographie der rechten Hand. Gerade und statisch ist das genaue Gegenteil von dem, was da passiert.
Interessant ist aber, dass man sich vorstellen kann, dass das HG bei solchen Stellen fest ist, in Wirklichkeit ist es das aber gar nicht. Ohne die Vorstellung wäre es aber schwieriger.
 
Interessant ist aber, dass man sich vorstellen kann, dass das HG bei solchen Stellen fest ist, in Wirklichkeit ist es das aber gar nicht. Ohne die Vorstellung wäre es aber schwieriger.

Ich glaube, ich verstehe nicht so ganz was du meinst.

Wenn ich mir beim spielen vorstelle, ich hätte ein festes (steifes?) Handgelenk, dann bekomme ich alleine durch diese Vorstellung im Gehirn tatsächlich automatisch ein steifes Handgelenk. Das ist höchst kontraproduktiv.

Es sollte genau umgekehrt sein. Wenn ich im Gehirn die Vorstellung von einem lockeren Spiel abgespeichert bzw. verinnerlicht habe, dann kann ich diese Vorstellung in den Körper und auf die Tasten übertragen.
 
Ich glaube, ich verstehe nicht so ganz was du meinst.
Tastimo meinte doch nur die Anwendung, wo zwecks Kraft und Akkordgriff, das Handgelenk mit Unterarm eine Einheit bildet, die Abfederung geschieht im Ellbogen z. B.. Wenn man sich halt nicht nur steif im Handgelenk macht, sondern auch zusätzlich mentalverstärkt auf dieses Steifmachen konzentriert, man trotzdem das Gelenk nicht einbetoniert kriegt, es ist - unfreiwillig- immer eine "Federung" im Handgelenk da. (Vielleicht sollte man im Bild von harten und weichen Spiralfederungen denken...)
 

Zurück
Top Bottom