LvB Sonate op. 27 Nr. 2

Zur allgemeinen Erheiterung hier mal eine mit Dauervollgas interpretierte Version auf einem historischen Instrument:

 
Mit Vollgas und kommt nicht vom Fleck.
Das ist eine Parodie, oder?
 
@FünfTon , wenn ich mir diese Aufnahme anhöre, stelle ich mir vor, wie die Zeit verlief, als Beethoven lebte, es keine Smartphones, keine schnellen Autos, keine Flugzeuge und Dauerberieselung durch Musik aus Lautsprechern gab. Eine wunderbare Entschleunigung. Nur der Klang zählt. Und jeder Ton darf singen. Mir gefällt das, der Pianist ist auch innerlich völlig ruhig.
Wohltat:-)
 
@FünfTon , wenn ich mir diese Aufnahme anhöre, stelle ich mir vor, wie die Zeit verlief, als Beethoven lebte, es keine Smartphones, keine schnellen Autos, keine Flugzeuge und Dauerberieselung durch Musik aus Lautsprechern gab. Eine wunderbare Entschleunigung. Nur der Klang zählt. Und jeder Ton darf singen. Mir gefällt das, der Pianist ist auch innerlich völlig ruhig.
Wohltat:-)

Sind die Menschen auch halb so schnell auf der Straße gelaufen, haben halb so schnell die Suppe gelöffelt, und halb so schnell geredet? Das ist nämlich das Bild, das sich in meiner Vorstellung bei solchen Schlafmützeninterpretationen entwickelt.
 
Ich hab mal ein kurzes Review auf YouTube gemacht. Natürlich unvollständig. Dennoch: Das Gesamtbild ist unglaublich. Fast niemand scheint das Alla-Breve-Zeichen zu respektieren. Schiff ist etwas zu schnell. Pires ist leider im Zugriff zu zart, da müsste mehr Kernigkeit rein, aber über das Tempo lässt sich reden:


View: https://www.youtube.com/watch?v=oOkXTgdNYK0

Ähnlich Kempff (noch zarter):


View: https://www.youtube.com/watch?v=Q3X5ZpLNILI

Barenboim, Pletnev, Kissin und viele andere brauchen 25% länger. Wie Schiff sagt: You can have breakfast, and lunch, and dinner - and the poor pianist still plays the first movement.

[Bearbeitung: Pires-Video in eigener Zeile platziert.]
 
Zuletzt bearbeitet:
Mir gefällt Pires sehr gut. Das ist ruhig fließend, wobei die Melodie in den Gesamtklang gebettet ist und keine allzu deutliche Akzentuierung stört. Das Tempo ist mir so genau richtig.
Sorry, ist halt Geschmacksache.:-)
 
Beethoven op27 No 2 (i), Adagio, sollte nach Angaben von Czerny und Moscheles mit 60 gespielt werden, gestoppt habe ich 75.
Sags ja, zu schnell.
 

Das ist zu schnell für mich. Klingt unruhig und trifft nicht mehr den Charakter des Stücks ...
Kann daher, für meine Ohren, nicht richtig sein.
@playitagain woher kommt dein Eindruck?
Bevor du vorschnell antwortest: denkbar sind eigentlich nur zwei Möglichkeiten. Da interessiert mich, welche zutrifft:
a) du hast op.27,2 nie gehört, dir mittels der Noten eine Meinung gebildet (sehr ruhiges Tempo, eher 4/4 als alla breve) und später verschiedene Aufnahmen gehört (und mit deiner Ansicht verglichen)
b) du hast op.27,2 übers anhören kennen gelernt, das mit eher ruhigen Tempi (Kempff beispielsweise) und diese hören sich für dich halt angemessen an.
Im ersten Fall wäre dein Eindruck deine Deutung des Notentextes, im zweiten Fall wäre dein Eindruck geprägt von Hörerlebnissen.

Und jetzt darfst du nicht anfangen, zu zetern oder zu wüten. Beides ist völlig ok! Die meisten von uns haben Musik, die uns fasziniert, übers hören kennen gelernt. Und was uns gefällt, berührt, das hören wir öfter und das prägt unsere Eindrücke: wir vergleichen automatisch abweichende Versionen mit den liebgewonnenen und meistens lehnen wir erstmal das ab, was unserer rein zufälligen Präferenz widerspricht (es ist Zufall, ob jemand den ersten Satz von Kempff oder von Sokolov gespielt hört)
...und gerade heutzutage ist es unausweichlich, dass man Musikstücke übers anhören kennenlernt: CD, YT usw sind permanent verfügbar. Das geht mir genauso: das meiste habe ich übers hören kennen gelernt, und was mir gefallen hat, das hatte dann Präferenz.

Ich habe nur sehr wenig Klaviermusik allein aus den Noten kennen gelernt: Beethoven c-moll Variationen, Prokovev Romeo und Julia Transkription, Albeniz span. Suite, Chopin Fantasie, Moszkowski Etüden - das sollte ich als Schulbub lernen, aber ich kam an keine Platten davon ran (gabs nicht oder mir zu teuer)... und mir wurde das NICHT vorgespielt, ich musste das ohne vorab Höreindruck lernen --- dafür bin ich ewig dankbar!!!

Warum? Das hat mich gelehrt, unabhängig von mehr oder weniger als Referenzen eingestuften Aufnahmen die Partituren ernst zu nehmen und einzusehen, dass Interpretationen nicht (oder nur sehr wenige) endgültig sind.

(...ok...um sich eine Meinung allein aus einem Notentext bilden zu können, bedarf es wirklich sehr umfangreicher musikalischer Kenntnisse - ohne diese kommt wohl nur Mumpitz heraus)

op.27,2 hab ich als Kind hörend kennen gelernt: Kempff. War eine kleine Platte mit der Sonate und der Groschenwut. Fand ich total faszinierend, hat sich mir lange eingeprägt. Gelernt habe ich beide nicht, aber gelegentlich selber gespielt: sie kamen ab und zu im Unterricht vor, da muss man manchmal zeigen, wie dies oder das geht - sich das zu merken ist kein Wunderwerk*). Und natürlich kenne ich den Notentext. Und natürlich kenne ich mittlerweile viele Interpretationen der Mondscheinsonate.

Trotz Kempff und Rubinstein - beide spielen den ersten Satz sehr schön, aber mit 4/4 Puls - bin ich für alla breve! Und ich bin gegen eine zu dicke, zudeckende Pedalisierung. Sokolovs Tempo finde ich angemessen.

Zum Pedal: das erste Thema endet mit einer Wendung nach E-Dur. Der letzte Melodieton ist ein e1 Viertel auf der 1. Zählzeit (man beachte die Pausenzeichen!), im folgenden Takt kommt überraschend e-moll. Ich halte es für richtig, auf dem 2. Viertel des E-Dur Takts das Pedal zu wechseln, damit das Melodie-e nicht wie eine Ganze durchklingt. So steht es in den Noten, und diese widersprechen in diesem Detail dem skurrilen Pedal-immer-weil-senza-sordini... tatsächlich (Noten) bricht im alla breve Takt die Melodie mit einem lapidar kurzen e1 ab, bevor man die zweite Zählzeit erreicht. (jetzt bitte kein blabla: exakt das steht in allen Urtextnoten!)

Meine Ansicht dazu: sich nicht vertrauensselig und unkritisch auf eine "Referenzaufnahme" festlegen, sondern immer mit der Partitur vergleichen.

_________
*) wer auch unterrichtet, der weiß, dass man viele Sachen quasi mitlernt, die zu spielen man lehrt. Ich hätte nie Chopins 2. und 4. Scherzo gespielt, wenn es niemand bei mir gelernt hätte (hoffen wir mal, dass das kein Anlass für dumm-unnötiges Blabla wird)
 
Zuletzt bearbeitet:
@rolf
Besten Dank für deine Gedanken und Ausführungen.

Es ist dann Variante b)
Die Mondscheinsonate kenne ich vom Hören her (Fernsehen), allerdings auch nicht so oft gehört. Weiß daher nicht welche Versionen es waren.

Um ehrlich zu sein habe ich zunächst das Tempo vom Gefühl heraus beurteilt. Dein Text hat mich aber zum Nachdenken angeregt und ich habe erkannt dass es bei mir die Herzfrequenz, also der Puls ist, der mich zu dieser Empfindung geführt hat.
60 Schläge/ Minute entspricht dem Herzschlag in Ruhe (in etwa, mir ist bekannt dass dies abweichen kann).

Die Intention des Stückes ist für mich daher ein pochendes Herz welches zunächst in Ruhefrequenz schlägt (60).

Das Tempo von Sokolov (ca. 75 auf die Viertel) entspricht nicht dem typischen Ruhepuls des Herzens. Es wirkt daher unruhig auf mich und trifft nicht den Charakter des Stückes.

Zusätzlich gefunden habe ich diese Tempoangaben im Internet (Universität of Manchester) wie bereits schon gepostet. Diese stützen meine Empfindung (60).
https://www.research.manchester.ac.uk/portal/files/54586757/FULL_TEXT.PDF

So sehr ich deine fachliche Kompetenz schätze, so denke ich dass du hier in diesem Fall falsch liegst.
 
Jeder Musiker hat sein eigenes Tempo. Einzig entscheidend ist, dass das gewählte Tempo im Zusammenspiel mit den anderen Parametern einer Interpretation stimmig ist.

Allerdings müssen die Rahmenbedingungen beachtet werden:

Es gibt Musik, die gegenüber sehr unterschiedlichen Tempi sehr resistent ist, z. B. vieles von Bach. Chopin dagegen beispielsweise verträgt meistens nur einen Tempobereich, Debussy erst recht, weil hier die Klangfarben sonst nicht wirken.
Beethovens Werke sind da relativ tolerant, aber nicht so tempo-flexibel wie Bach.

Ich wage einmal die These: Je mehr die Wirkung der Musik von Strukturen abhängt (Extremfall Bach), desto mehr kann das Tempo verändert werden. Je stärker die Musik durch Klangfarben lebt, desto weniger Tempo-Spielräume hat der Interpret.
 
Die meisten von uns haben Musik, die uns fasziniert, übers hören kennen gelernt. Und was uns gefällt, berührt, das hören wir öfter und das prägt unsere Eindrücke: wir vergleichen automatisch abweichende Versionen mit den liebgewonnenen und meistens lehnen wir erstmal das ab, was unserer rein zufälligen Präferenz widerspricht (es ist Zufall, ob jemand den ersten Satz von Kempff oder von Sokolov gespielt hört)

Das entspricht genau meiner Erfahrung - meistens. Gerade in diesem Fall, Op. 27 Nr. 2, ist es anders. Ich habe sie "vor Ewigkeiten" gehört, immer mal wieder, weiß nicht von wem, aber in den ganz langsamen Varianten, wie bei Kissin oder Arrau.Ich fand die wunderbar. Seit ich aber andere gehört habe, auch Kempff gehört ja schon zu den schnelleren, kann ich die ganz langsamen nicht mehr recht hören, ich empfinde sie, Verzeihung, als regelrecht pomadig.
 
Was das Tempo im 1. Satz betrifft: je langsamer dieser gespielt wird, umso mehr entfernt man sich von der originalen Taktvorgabe. Wenn ein Viertel ungefähr eine Sekunde dauert (Viertel = 50-70MM) kann niemand einen Zwei Halbe Takt (alla breve) wahrnehmen.
Entscheidet man sich für ein langsames Tempo, wird das unweigerlich zu einem 4/4 Takt führen - diesen hat Beethoven allerdings nicht notiert.

Damit das nicht falsch verstanden wird: es geht nicht darum, welches Tempo irgendwer für "richtig oder falsch" hält, es geht auch gar nicht darum, ob und welche Hörgewohnheiten "richtig oder falsch" sind.

Am besten versucht man mal probehalber, sich von allen subjektiven Gewohnheiten zu distanzieren, und überlegt sich, was ein wahrnehmbare ruhiger Zwei Halbe Puls ist. Zum Vergleich könnte man andere ruhige Stücke im alla breve Takt heranziehen. Dann könnte man die Basslinie und die Melodie in einem ruhigen Tempo probieren (Halbe 40-50 MM ist sehr ruhig) und das auf sich wirken lassen.

Wenn man partout rechthaberisch diskutieren will, also mitteilt, was falsch und was richtig ist, sollte man dafür andere Argumente als private Höreindrücke einsetzen. Der beste Fundort für Argumente ist der Notentext! Wenn der Notentext Argumente für langsame Viertel liefern sollte, wäre Beethovens Taktvorgabe ein Irrtum des Komponisten - das allerdings erscheint mir unwahrscheinlich.
 
Der beste Fundort für Argumente ist der Notentext! Wenn der Notentext Argumente für langsame Viertel liefern sollte, wäre Beethovens Taktvorgabe ein Irrtum des Komponisten - das allerdings erscheint mir unwahrscheinlich.
Neben dem Notentext darf man allerdings die damalige Konvention nicht aus dem Auge verlieren. In der Klassik bedeutet die Allabreve-Vorzeichnung in Adagios meist nur, dass der Grundpuls etwas schneller ist als der Grundpuls im 4/4. Im 4/4-Adagio bilden oft Achtel - nicht Viertel! - den Puls (abhängig von den verwendeten Notenwerten), im Allabreve sind es meistens die Viertel (auch wieder abhängig von den Notenwerten). Ein Beispiel wäre die Einleitung zur Zauberflöten-Ouvertüre. Die steht auch im Allabreve - aber niemand würde hier ernsthaft einen Puls in halben Takten vermuten. Schon in Viertel dirigiert wird das recht flott - verglichen mit alten Aufnahmen (Klemperer, Karajan), die noch in Achteln (sic!) dirigiert wurden.
 
Zuletzt bearbeitet:
niemand würde hier ernsthaft einen Puls in halben Takten vermuten.
Dem kann ich nur zustimmen, gilt für mich auch hier für diese Mondscheinsonate. (siehe auch Kommentar @Monte)

Der beste Fundort für Argumente ist der Notentext!
Wurde erbracht von mir. Gugst du nochmal meinen Post
Für dich auf Seite 309. Viel schöner ist das wohl kaum auflistbar. Pickfein analysiert.

Wenn man partout rechthaberisch diskutieren will, also mitteilt, was falsch und was richtig ist, sollte man dafür andere Argumente als private Höreindrücke einsetzen.
Persönlich solltest das nicht nehmen, ist nicht böse gemeint. (1)
Ich kann auch sagen das Tempo von 60 (für die Viertel) ist richtiger als 75. ;-)


(1) Auch wenn es fast nichts schöneres gibt wie einen Lehrer zu belehren.:-D
 
Wurde erbracht von mir. Gugst du nochmal meinen Post
Das ist mir nicht unbekannt, viel "gugen" muss ich da nicht; dort werden Metronomangaben für Viertel (sic!) in alla breve Adagios aufgelistet ;-)

Wenn dich @playitagain mehr zu diesem Thema interessieren sollte, wirst du bzgl authentischer Tempovorstellungen von Beethoven bei A. Kolisch fündig (wobei auch diese verdienstreiche Publikation mit Vorsicht zu genießen ist - gut dargestellt ist das in einem Band der Reihe Musik Konzepte) Kolisch hatte die originalen Metronomangaben Beethovens verwendet, um aus diesen für alle Takt- und Tempoangaben Beethovens Tempovorstellung zu erschließen (was freilich teilweise spekulativ mangels Quellen bleibt)

Aber ich habe den Eindruck, dass du noch nicht verstanden hast, worum es geht. Es geht nicht darum, irgendeine Tempofestlegung in irgendeiner Publikation zu finden und Hurra zu rufen - es geht um die Begründung, um die Argumentation. Kannst du freundlicherweise darlegen, wie und warum (Begründungen!) dein Fund Viertel = 60 MM für Beethovens alla breve adagio empfiehlt und warum Viertel statt Halben gewählt werden?
Eine gut überlegte Darstellung würde mich interessieren! (ein small talk gugen-blabla interessiert mich nicht)
 

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