Immer zur gleichen Tageszeit üben?

  • Ersteller des Themas Tastimo
  • Erstellungsdatum

T

Tastimo

Guest
Liebe Mitforist*innen,

in einem Buch, ich glaube es war „Klavierspiel und Improvisation“ von Günter Philipp, habe ich mal gelesen, dass empfohlen wird, immer zur ungefähr gleichen Tageszeit zu üben. Dies sei für das Gehirn am besten, um effektiv Lernfortschritte zu erzielen. Eine Begründung wurde m.E. nicht mitgeliefert.

Ich kann mir vorstellen, dass die stets gleiche Tageszeit dazu führt, dass sich das Gehirn besser auf das Lernen einstellt.

Auf der anderen Seite besteht aber möglicherweise auch die Gefahr der fehlenden Flexibilität. Dann verbindet man das Klavierspielen z. B. mit dem Vormittag und ist beim abendlichen Konzert irritiert. Das wäre dann eine Konditionierung, die ja auch z.B. dann entsteht, wenn man beim Klavierüben immer Pfefferminzbonbons lutscht. Irgendwann ist man irritiert, wenn die beim Üben fehlen.

Was meint ihr dazu?
Wie sind eure Erfahrungen?
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Ich übe dann wenn es mir gerade gefällt. Mal Morgens mal Nachmittags mal Abends. Wobei, Abends nur wenn Müll im Fernsehen ist und da ist meistens Müll drin.
 
Sofern Dir Dein Tagesablauf zeitliche Flexibilität erlaubt, ist es lernpsychologisch sinnvoll, direkt vor dem Schlafengehen und am nächsten Morgen sehr bald nach dem Aufstehen zu Üben, da das Gehirn buchstäblich im Schlaf lernt, dabei vor allem die letzten Eindrücke des Tages mitnimmt, und das Gelernte dann am Morgen direkt gefestigt werden kann. Sofern Du zusätzlich tagsüber üben möchtest, macht es wahrscheinlich wenig Sinn, dann ausgerechnet eine Phase des persönlichen Tiefpunktes zu wählen, der in der Regel nach dem Mittagessen eintritt. Die meisten Menschen haben ihr stärkste Leistungsfähigkeit am späten Vormittag gegen 10/11 Uhr und am späten Nachmittag gegen 17/18 Uhr.

Und solltest Du dich auf ein Vorspiel vorbereiten, würde ich die letzten Tage vor dem Ereignis auch die dafür geplante Tageszeit zum Üben nutzen, zumindest das Stück durchspielen. So zumindest wird es im Sport gern gehandhabt.
 
Ich übe dann, wenn ich es neben Beruf und Familie einrichten kann. Und ich mache grundsätzlich Platz am Klavier, wenn meine Tochter (9 Jahre) üben möchte. :004:
Insofern vermag ich es nicht aus eigener Erfahrung zu beurteilen, ob das hilft oder vielleicht ungünstig konditioniert, immer zur gleichen Tageszeit zu üben.
Als Kind habe ich immer gleich nach den Hausaufgaben nachmittags geübt - quasi als letzter Hausaufgaben-Punkt. Das liegt aber schon zu lange zurück.
 
Und ich mache grundsätzlich Platz am Klavier, wenn meine Tochter (9 Jahre) üben möchte. :004:
Na, die Mama hat auch Rechte....

Als Kind habe ich immer gleich nach den Hausaufgaben nachmittags geübt - quasi als letzter Hausaufgaben-Punkt.
Letzterer Punkt, für Kinder feste Abläufe und damit geregeltes Üben halte ich für unabdingar. Bei meinen Kindern habe ich das Üben vor den Hausaufgaben, z. T. sogar vor der Schule angesetzt, Spielen mit Freunden ec. wurde dadurch nicht beeinträchtigt.
Mit Schule hatte ich allerdings Glück, meine Kinder haben selbständig mit Minimalaufwand Hausaufgaben erledigt (und sehr gute Abis hingelegt ) Die Konzentration dazu haben sie beim Instrumentespielen erworben (behaupte ich mal:005:)
 
in einem Buch, ich glaube es war „Klavierspiel und Improvisation“ von Günter Philipp, habe ich mal gelesen, dass empfohlen wird, immer zur ungefähr gleichen Tageszeit zu üben. Dies sei für das Gehirn am besten, um effektiv Lernfortschritte zu erzielen. Eine Begründung wurde m.E. nicht mitgeliefert.

Ich kann mir vorstellen, dass die stets gleiche Tageszeit dazu führt, dass sich das Gehirn besser auf das Lernen einstellt.

Das glaube ich nicht. Vielleicht fehlt deswegen die Begründung.

Lernen funktioniert optimal bei optimaler Aufmerksamkeit.

Die ist bei mir am Morgen nach dem Aufstehen gegeben (wo ich aber leider nicht immer üben kann) sowie am Nachmittag und frühen Abend.
 
Hm. Bei mir hat sich so was wie ein "typischer Rhythmus" ergeben: Cello an arbeitsfreien Tagen nach dem Frühstück, Klavier an Arbeitstagen nach dem Frühstück vor der Fahrt zur Arbeit, Gitarre am Abend. Nicht ganz fest, aber doch typisch. Da das Klavier dabei recht kurz kommt, sind da meine Fortschritte am geringsten.
 
Vielen Dank erstmal für die Antworten. Was sagen denn die Methodik-Experten dazu?
 
Üben ist am Ersprießlichsten, wenn man richtig heiß drauf ist. Das kann dann zu jeder Zeit sein.
Immer zur gleichen Zeit hat vielleicht (irgendwann, nachdem man es lange genug durchexerziert hat) den Gewöhnungseffekt ähnlich einer Zigarette, dass man es dann zur angewöhnten Zeit "braucht".
 
in einem Buch, ich glaube es war „Klavierspiel und Improvisation“ von Günter Philipp, habe ich mal gelesen, dass empfohlen wird, immer zur ungefähr gleichen Tageszeit zu üben. Dies sei für das Gehirn am besten, um effektiv Lernfortschritte zu erzielen. Eine Begründung wurde m.E. nicht mitgeliefert.

Lieber Tastimo,

das wundert mich! Kannst du die Seitenzahl nennen, das wäre sehr hilfreich! Ich habe nur folgendes gefunden im Kontext eines sinnvollen Übungsplan (S. 135):

"Eine solche Planung hat nichts gemein mit jeder oben erwähnten primitiven Forderung, der Schüler müsse an bestimmten Tagen zu bestimmten Uhrzeiten am Klavier sitzen - ganz gleich, ob er Lust hat oder nicht, ob er müde oder abgespannt ist, ob er Bach langsam übt oder einen kompletten Zyklus von Chopin-Etüden im Tempo. Die vielzitierte Disziplin sollte doch in der strengsten Selbstkontrolle der Qualität des Übens liegen, in der Konzentration auf die technischen, gestalterischen und klanglichen Vorgänge."

Hilfreich vor allem für Kinder ist allerdings, das Üben als Ritual zu etablieren. Es also zur Regel zu machen, beispielsweise vor dem Abendessen oder nach/vor den Hausaufgaben o.ä. zu musizieren. Das hilft Kindern, ihren Alltag zu strukturieren und das Üben als alltäglichen Bestandteil ohne Diskussion darin zu integrieren.

Sogar manchen Erwachsenen hilft eine solche Regelmäßigkeit. :)

Liebe Grüße

chiarina
 

@chiarina
Ich bin mir nicht sicher, ob das bei Günter Philipp steht. Ich hab es so jetzt jedenfalls nicht gefunden.

Es könnte auch sein, dass es in einem Methodik-Buch von Gerhard Mantel geschrieben stand. Und zwar in dem, wo er u.a. das Prinzip der rotierenden Aufmerksamkeit erläutert.

Ich dachte nur, vielleicht ist der Sachverhalt und die dazugehörige Erklärung hier irgendjemandem bekannt.

Das Üben zu festen Zeiten für Kinder ist natürlich absolut sinnvoll, damit es ein fester Bestandteil des Lebens wird und einen festen Platz im Tagesablauf bekommt. Sonst wird es halt gerne mal vergessen.

Aber ich dachte an mögliche hirnphysiologische und/oder psychologische Zusammenhänge.
 
Vielleicht liegt der Vorteil eher darin, dass das Üben einen sicheren, festen Platz in der Tagesstruktur erhält und man also überhaupt übt. Weniger darin, dass das Hirn so besser arbeiten würde...
 
Das Üben zu festen Zeiten für Kinder ist natürlich absolut sinnvoll, damit es ein fester Bestandteil des Lebens wird und einen festen Platz im Tagesablauf bekommt. Sonst wird es halt gerne mal vergessen.

Aber ich dachte an mögliche hirnphysiologische und/oder psychologische Zusammenhänge.

Nicht nur für Kinder. Ich erwähne die (mir eigentlich widerstrebende) Binse: "Das Gehirn ist ein Gewohnheitstier". Man kann es, falls man das Prinzip durchschaut, auf alles mögliche konditionieren, ähnlich wie @Klavirus es formulierte. Dann wird es ein "Ritual", und Rituale haben den Vorteil, dass man das Gefühl hat, man brauche es / es tue einem gut / es müsse so sein /es wird gar nicht mehr hinterfragt.

Dieses Prinzip bei Kindern mit noch unausgeprägter Selbstregulierung zu implantieren, hat den Vorteil, dass es nicht hinterfragt, sondern selbstverständlich gemacht wird.

Sogar manchen Erwachsenen hilft eine solche Regelmäßigkeit. :)

Bei Erwachsenen nicht weniger. Zwar verfügen Erwachsene theoretisch über eine ("hirnphysiologisch") ausgereifte Selbstkontrolle, sind aber gleichzeitig ("psychologisch") erheblich mehr konkurrierenden Verpflichtungen und Verlockungen ausgesetzt.

Das Gehirn baut bei festen Abläufen bereits vor der eigentlichen Aktivität ein Aktionspotenzial auf, und sobald dann der Startschuss kommt ("Jetzt DARFST Du endlich üben"), legt es willig los, subbewusst schon eingestellt auf die Aufgabe. Es muss keine Energie in eine bewusste Entscheidung stecken. Diese Art von Selbstkonditionierung macht sich einen evolutionär primitiven (im Sinne von "lebeweslichen" / nicht intellektuell überformten) Mechanismus zunutze.


Der Nachteil von Ritualen ist, dass man außerhalb eingeschwungener Abläufe mehr Schwierigkeiten bekommt, sich auf die Tätigkeit einzulassen.

Falls das Gehirn Rituale gewöhnt ist und das abendliche Konzert bzw. Vorspiel nicht auch in ein Ritual eingebunden wird, treffen die bereits genannten Nachteile zu: Das Gehirn muss eine Zusatzleistung aufbringen, die Kapazitäten bindet. Das kann so weit gehen, dass es akzidenziell tatsächlich weniger Leistung bringt.

Aber hallo, es absolviert ja nicht jeder abends Vorspiele / Konzerte. Ich funktioniere (früh) morgens am besten, abends bin ich müde = ein fest etablierter Tagesablauf. Wäre es erforderlich, würde ich mir mehr Flexibilität ankonditionieren. :007: Das funktioniert auch (q.e.d.), kostet zunächst aber zusätzliche Energie. Junge, gesunde Menschen merken das wahrscheinlich kaum, weil sie sowieso freie Kapazitäten haben.
 
Zwar verfügen Erwachsene theoretisch über eine ("hirnphysiologisch") ausgereifte Selbstkontrolle, sind aber gleichzeitig ("psychologisch") erheblich mehr konkurrierenden Verpflichtungen und Verlockungen ausgesetzt.
Allerdings:-D
Im Unterschied zu meinen Kindern dazumal , spiele/übe ich über den Tag verteilt (obwohl die Idee, das Üben nach dem Frühstück zur Regel zu machen (wie @Joh) eigentlich für mich sehr überzeugend ist. Morgens Pflicht, ansonsten nach Lust und Laune) Vor dem Schlafengehen nochmal was durchspielen aus Freude, nicht wegen der Nützlichkeit kommt auch öfter vor.
 
Wohl dem, der es sich leisten kann über diese Frage nachzudenken. Bei den Meisten wird ein durchgetakteter Stundenplan mit regelmäßigen zu bestimmten Zeiten geplanten Übeeinheiten trotz der durchaus wünschenswerten Organisiertheit an der chaotischen Realität scheitern.
"Ja mach nur einen Plan,
....
und mach dann noch nen zweiten Plan
gehn tun se beide nicht!"
 
Vielleicht ist der Grund für diese Behauptung im Buch auch total banal und simpel:

Es gibt ja Morgenmenschen und Abendmenschen. Dementsprechend wird man sich, sofern man kann, immer die Zeit seiner besten Leistungskurve zum Üben suchen, je nach Typ eher morgens oder eher abends.
 
@Joh probiere mal nach den 4h am vormittag mit einem Power nap nach mittag ....
 

Zurück
Top Bottom