Klavierbauer ohne Qualifikationsnachweis?

@Stilblüte Du hast völlig recht mit deinen Aussagen. Das Arbeitsgebiet ist so vielfältig, dass es sicher wenige gibt, die alles gleichermaßen beherrschen. Das ist aus Kundensicht auch nicht notwendig.
 
Für mich nicht.
Für mich ist "Klavierbauer" ein Oberbegriff (wie alle Handwerksberufe*). Die meisten haben sich auf 1-2 Teilgebiete spezialisiert (Konzerttechniker, Restauration, Wartung, Neubau....). Ein guter Klavierbauer ist für mich jemand, der in dem gut ist, was er (für Geld) anbietet und macht.

*) Fragt mich mal nach nem wilden Schiefer-, Reet-, Holzschindel- oder Bleidach. :022:
 
Man muss paar Begriffe unterscheiden:
Meisterzwang, Innungszwang, Zwang zur Beteiligung an der IHK.
Meisterzwang bedeutet in D, dass du nicht gewerblich tätig sein darfst, wenn du nicht den entsprechenden Meisterbrief in der Tasche hast. (Oder eine Ausbildung, die von bestimmten Institutionen als dem Meisterbrief vergleichbar anerkannt sind.)

Innungszwang bedeutet, du musst Pflichtmitglied in einer Innung sein, sonst drfen die zum Regierungspräsidenten oder sonstwohin rennen und dich verklagen.
Gleiches gilt mit der IHK-Bindung, in der regel entweder das eine (Handwerk) oder das andere (Gewerbe).

Du darfst auch in D niemanden ausbilden, wenn du nicht selber über z.B. den Meisterbrief AUCH - neben dem fachlichen Krams - dir die Eignung zu lehren mit erwarbst.

Es gibt zum Beispiel Industriemeister (abseits Handwerk), Betriebsschlosser oder Industrieanlagen-Elektroniker z.B., deren Meisterausbildung das Lehrlinge-Ausbilden erstmal NICHT inkludiert. Da gibt es dann eigene Ausbildereignungs-Seminare mit Abschlusszertifikat zum Lehrlinge-Fitmachendürfen.

Ich z.B. (Diplom-Ingenieur Maschinenbau) hätte damals den Handwerksbetrieb meines Onkels nicht ohne weiteres übernehmen dürfen, weil mich die Handwerksinnung mit meiner Ausbildung nicht akzeptiert hätte. Ich hätte auch nicht eine Autowerkstatt leiten dürfen - erst, nachdem ich der Handwerkskammer umfänglich dargetan hätte, dass ich neben dem fachlich-theoretischen Kram auch das Praktische drauf habe, UND AUCH es verstehe, anderen etwas beizubringen.

Hier zu Claviolanden gab und gibt es den Fall, dass ein in Österreich residiert habender Klaviermacher (gelernter Experte vom Bösendorfer in Wien, aber kein Meister, fachlich ja, aber nicht nach Pappe...) herumreiste und hierzulande "Klaviere machte" - das hätte nach alten dt. Handwerks- und Gesetzesregeln durchaus Ärger geben können. Aber Klaviere zu machen ist eben nicht mehr gesetzlich gebunden an den Besitz des Meistertitels. (Dem alten deutschen Recht und den Innungen wäre sogar zuzutrauen gewesen, dass ein in Österreich ausgebildeter Klaviermachermeister erst noch der deutschen Innung hätte darlegen müssen, dass und inwieweit der österreichische Meisterbrief dem deutschen gleichwertig sei... Aber, alles Schnee von gestern.) Sein hiesiger Nachfolger, kein gelernter Klavierbauer, darf sein Geschäft "Klavierbau" nennen, aber sich selber nicht "Klavierbauer", denn die Berufsbezeichnung des Handwerks ist geschützt.

Die Anerkennung von Berufsabschlüssen ist ein eminent umfangreiches und ärgerhaltiges Thema - die Deutschen haben da international "schon so ihren Ruf"... Nur mal zwei Beispiele. Ich habe einen Freund in Oberhausen, Firas, Syrer, der hat Anaesthesiologie gelernt in Syrien, also im Krankenhaus einen Patienten zur OP "schlafen zu legen". Er macht das wohl toll, kann das gut, aaaber ... er ist kein Arzt. Er hat das dort als eine Art Handwerk erlernt. So wie hierzulande früher die Dentisten, die irgendwann in den 70ern gesetzlich übergeleitet wurden zu Zahnärzten. Als Dentist bildet schon seit Jahrzehnten niemand mehr aus. Da wurden also Dentisten, Handwerker, zu (Zahn-)Ärzten, ohne Abitur zu haben und ohne studiert zu haben.
Da ist jetzt Tod und Teufel in Bewegung, ob der liebe Firas das auch in D machen dürfe, oder nicht, oder in welchen genau zu bestimmenden Grenzen. Firas dürfte mich schlafen legen, kein Thema, aber die Ärztekammer Oberhausen sieht das etwas anders.

Die Putzfrau in meiner alten Firma, patente Kasachstan-Russendeutsche in ihren 50ern, war in der UdSSR Betriebsleiterin einer Maschinenfabrik mit 80 Mitarbeitern. Diplom-Ingenieurin. Qualifikation wie ich auch sie habe. Aber ihr Versuch, ihren Berufsabschluss in D anerkannt zu bekommen, geriet zum Spießrutenlaufen in Kafkas Schloss - irgendwann zog sie entnervt die Bremse und ging putzen. Berufsabschlüsse zu haben oder nicht zu haben und sie anzuerkennen oder nicht anzuerkennen wird in vielerlei Ecken Deutschlands durchaus noch von teils sachfremden Überlegungen mit beeinflusst und überlagert.
Man fürchtet Konkurrenz...

Es ist so, wie es überall ist. Es drittelt sich. Du hast entweder Lehrer, die solala alles einigermaßen drauf haben, Durchschnitt..., oder du hast den begnadeten Menschen vor dir, der für nichts anderes einst geboren wurde, als Lehrer zu sein, ein Drittel - und du hast das Drittel Idioten und Pappnasen, die den Lehrerberuf eher ob seiner Privilegien ansteuerten, verbeamtet zu werden, morgens recht, und mittags frei zu haben.

So ist das auch beim Klavierbau. Die meisten wissen, was sie tun. Gelegentlich kommst du an einen begeisterten Menschen, auch begeisternden, der für nichts anderes geschaffen wurde als Klaviere zu fitten. Oder du gerätst bei Pech an Pappnasen, Blödmänner und andere, die sich einen auf ihre Pappe abreiben, einst die Prüfung in Ludwigsburg bestanden zu haben, die dir aber dein Portemonnaie oder den Flügel (und manchmal beides) zielgerichtet zu ruinieren verstehen. Oder "selektiv begabt" sind. Ich habe hier nachbarschaftlich einen Betrieb, die es verstehen, klasse Flügel von dollem Klang zu renovieren - mit einem Dunkelfeld: nicht ein einziger Flügel war zu finden, der eine wirklich gute Mechanik vorzeigt. Auf diesem Gebiet sind sie alle, alle, wie sie da sind, leider, irgendwie doppelt linkswurstfingrig unterwegs, mochte ich meinen. Aber: Meisterbetrieb. Ähm, nee: Es ist anders. DIE arbeiten normal gut. ICH bin der dumme Hund. ICH bin einst verwöhnt worden. Von eben dem besagten Klaviermacher, der nun ausgerechnet dieses Gebiet so exzellent betreute. Ich bin da nun wohl irgendwie "heroinsüchtig", erwartungstechnisch auf immer versaut. Ich werde vielleicht niemals mehr in meinem Leben mit wem zufrieden sein, der sich meine Flügelmechanik zur Brust nimmt. Meine Maßstäbe sind verschoben. Du kannst jedoch nicht von allen 20 Meistern drumherum das erwarten, was EIN überragender Mann verstand.

Die meisten aber wissen schon, was sie tun.

Und: Trau, schau, wem. Ich hatte leider schon reichlich Kommunikation mit teils überhobenen Klavierbauern, die ein derart unsympathisches, arrogantes Verhalten an den Tag legten, dass ihnen die Schwelle meiner Haustüre min. fünf Meter hoch gelegt würde... Und das ist dann nicht die Pappe aus Ludwigsburg, das ist eine verschixxene Kindheit. Menschlich unzulänglich. Kommunikativ minderbegabt. Hoher IQ, niedriger EQ, Emotional qualification. Können nicht mit Menschen. Oder nur von oben. Sich die Füße küssen lassen, und Horror-Rechungen schreiben dürfen, jaa ja...
 

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