Sind sehr gute Organisten auch virtose Klavierspieler?

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Es gibt auch Leute, die meinen, man versaue sich mit Orgelspiel die "Klaviertechnik" und umgekehrt (wie gesagt, es geht hier um hohes Konzertniveau). Keine Ahnung, ob das zutreffen kann...

Oh ja, diese Geschichten gibt es zu hauf. Fang bloss nicht mit Saxophon an, Du verdirbst Dir Deinen Ansatz für die Querflöte. Märchenstunde.

Lern erst einmal Klarinette, das ist das schwierigere Instrument. Danach kannst Du automatisch Saxophon. Märchenstunde.

Trompete und Saxophon glecihzeitig, das geht nicht. Märchenstunde.

Spiel keinen Synthesizer, Du macht Dir den Klavieranschlag kaputt. Märchenstunde.

Deutschland, Land der Märchen! :-)

Grüße
Häretiker
 
Es ist natürlich etwas mühsam, wenn Menschen von Orgelmenschen auf dem Klavier unterrichtet worden sind und ihnen die typischen Anforderungen des Klavieres nie vermittelt worden sind, ihnen diese andere Welt zu eröffnen. Manche brauchen sehr lange, ihre Angewohnheiten zu ändern. Das ist menschlich. Den Begriff "versauen" würde ich nicht benutzen. Es liegt am Lehrer, Aufklärung zu leisten und umzuerziehen. Aber es geht.
Ich finde auch, beide Instrumente sind höchst unterschiedlich und man sollte immer mit diesem Respekt an das jeweils andere gehen. Der größte Fehler ist, wenn jemand sagt: "Isch kann Orjel, dann kann isch auch Klavier!" oder andersherum.
 
Glenn Gould beherrschte beide Instrumente und hatte beide notwendigerweise erlernt, da man wie oben erwähnt, das jeweils andere nicht automatisch auf gleichem Niveau spielen kann. Allerdings sagte er mal, dass er eine gewisse Zeit brauch(t)e, um sich auf das jeweilige andere Instrument umzustellen.

 
Wolfgang Rübsam, sicherlich ein Organist von Weltruf, hat nicht nur 2x das ganze Orgelwerk von Bach eingespielt, sondern auch eine ganze Menge von dessen Klavierwerken. Außerdem ist er Meister (o. ä.) im Friseurhandwerk ....

Den Stuttgarter Orgelprofessor Helmut Deutsch habe ich einmal als Pianist in einem Konzert erlebt, wo mich sein Klavierspiel allerdings wenig überzeugt hat. Dagegen ist er wirklich ein exzellenter Organist.

Oh ja, diese Geschichten gibt es zu hauf. Fang bloss nicht mit Saxophon an, Du verdirbst Dir Deinen Ansatz für die Querflöte. Märchenstunde.
Deutschland, Land der Märchen! :-)

Lern erst mal Latein, dann lernen sich die anderen (romanischen) Fremdsprachen ganz leicht. Märchenstunde.
 
Ich kenne wenige, die überhaupt so etwas versuchen. Der kürzlich verstorbene J. Guillou hat z.B. Reubkes Klaviersonate aufgenommen. Die Orgelsonate gelang besser. Ein Tag hat halt nur 24 Stunden, für 2 Instrumente zu üben ist schwierig. Ich würde nicht öffentlich Klavier spielen. Ich fürchte, man hört mir den Organisten an. Das ist genauso schlimm wie orgelspielende Pianisten, die sich vor allem an mechanischen Orgeln eben auch regelmäßig blamieren.
 
GG hatte allerdings kein echtes Orgelrepertoire. Die Kunst der Fuge ist etwas merkwürdig gespielt, offenbar nach Czernys Klavierausgabe. Dazu gab es in Organ mal eine Analyse, ich glaube vom Kollegen Pelster.
 
..obgleich ein gewisser "Sakro-Sound" eine originelle, persönliche Note verleihen kann...;-)
 

@frosch ...da gab es mal einen aus Ungarland, der konnte Klavier und Orgel bespaßen, hat sogar Zeugs für beide Instrumente verzapft

Falls Du den Liszt Ferenc meinst: Der konnte Klavier sehr ordentlich bespaßen, Orgel eher naja...

"Liszt hatte eine große Vorliebe für die Orgel. Wenn er auch kein virtuoser Orgelspieler war, so äußerte er aber über richtigen Vortrag, Fingersatz und Klangfarben öfters die vortrefflichsten Ansichten" - schreibt ein Liszt-Schüler: https://archive.org/details/franzlisztinweim00gott/page/28
 
Schaut euch doch mal einen gewissen Kit Armstrong an.
Als Pianist gehört er sicher zu den Großen.
Im April 2018 habe ich ihn in der Philharmonie in Berlin an der großen Schuke-Orgel gehört.

Sir Edward Elgar
Orgelsonate G-Dur op. 28
Franz Liszt Fantasie und Fuge über den Choral »Ad nos, ad salutarem undam«

Das sind bestimmt keine Anfängerstücke.:super::-D

PS: Kit Armstrong ist Mitglied bei Clavio!
 
Falls Du den Liszt Ferenc meinst: Der konnte Klavier sehr ordentlich bespaßen, Orgel eher naja...

"Liszt hatte eine große Vorliebe für die Orgel. Wenn er auch kein virtuoser Orgelspieler war, so äußerte er aber über richtigen Vortrag, Fingersatz und Klangfarben öfters die vortrefflichsten Ansichten" - schreibt ein Liszt-Schüler: https://archive.org/details/franzlisztinweim00gott/page/28
Dieser nicht ganz unbekannte Franzose soll auch ein beachtlicher Organist gewesen sein:

camillestsaens.jpg


Akustisch belegbar ist das allerdings nicht. Während Camille Saint-Saëns nach 1900 etliche Aufnahmen als Pianist einspielte, ist mir nichts von irgendwelchen Orgelaufnahmen bekannt. Das hängt natürlich auch mit den aufnahmetechnischen Gegebenheiten in der Frühzeit der Schallaufzeichnungen zusammen, die eine akustisch befriedigende Konservierung des Klanges großer Orgeln nicht zuließen. Erst ab den mittleren 1920ern änderte sich das soweit, dass immerhin Louis Vierne oder Marcel Dupré Aufnahmen einspielen konnten.

Ich kenne wenige, die überhaupt so etwas versuchen. Der kürzlich verstorbene J. Guillou hat z.B. Reubkes Klaviersonate aufgenommen. Die Orgelsonate gelang besser. Ein Tag hat halt nur 24 Stunden, für 2 Instrumente zu üben ist schwierig. Ich würde nicht öffentlich Klavier spielen. Ich fürchte, man hört mir den Organisten an.
Absolut nachvollziehbar. Generell dürften die allermeisten A- und B-Kirchenmusiker nicht ausschließlich oder weitgehend als Konzertorganist unterwegs, sondern eher in Festanstellung an einer Gemeinde tätig sein. Damit verbunden ist ein großes und vielfältiges Arbeitspensum, das weit über das Spielen von Orgeldiensten hinausgeht: Meist sind Vokal- und Instrumentalensembles zu leiten und organisatorisch aufwändige Großprojekte zu realisieren, dazu ist man womöglich unterrichtend und ausbildend tätig... - wer kann da noch schnell mal eine Solistenkarriere als Organist UND Pianist draufsatteln?

Üblich sind freilich pianistische Aktivitäten praktischer Natur, bei denen die "Öffentlichkeit" kaum komplett auszuschließen ist: Chorproben vom Klavier aus leiten, beim "Neuen Geistlichen Lied" am E-Piano Platz zu nehmen, Andachten oder Schulgottesdienste im Gemeindezentrum am Flügel oder Klavier gestalten..., was aber nichts mit solistischem Konzertieren zu tun hat. Mir sind hauptamtliche Kollegen bekannt, die bei weltlichen Chorkonzerten oder bei Liederabenden mit Gesangssolisten oder bei Klavierkammermusik durchaus überzeugend agieren können. Bezogen auf das Fadenthema heißt das: Wenn entsprechende Aktivitäten im gemeindeeigenen Pfarrzentrum stattfinden, gibt es diese Kombination des Öfteren. Eine nationale oder gar internationale Karriere als Doppelsolist ist aus Kapazitätsgründen so gut wie ausgeschlossen.

LG von Rheinkultur
 
Ich habe seid heuer Orgel und Cembalo als festen Bestandteil im Unterricht integriert und sehe, wie unterschiedlich beide Instrumente sind und wie anders man beim Üben an die Musik und an die "Klanggestaltung" herangehen muss.
Cembalo und Orgel haben mehr Gemeinsamkeiten als Cembalo und Klavier, da bei der ersten Kombination auch Modifikationsmöglichkeiten des Klanges durch den Gebrauch von Registern bestehen. Vergleichbares gilt für weitere Tasteninstrumente wie Harmonium und Pianoakkordeon, wo der Einstieg für Pianisten auch keineswegs leichter fällt.

Als Spezialist für die Werke überwiegend deutscher und französischer Komponisten für den Pedalflügel oder das Pedalklavier (Schumann, Gounod, Alkan, Liszt, Saint-Saëns…) fühlen sich ebenfalls eher Organisten als Pianisten berufen:



LG von Rheinkultur
 
Cembalo und Orgel haben mehr Gemeinsamkeiten als Cembalo und Klavier, da bei der ersten Kombination auch Modifikationsmöglichkeiten des Klanges durch den Gebrauch von Registern bestehen.

...ja, das stimmt. Wobei ich aber doch zugeben muss, dass selbst Orgel und Cembalo für mich persönlich zwei vollkommen unterschiedliche Instrumente sind. Kann aber auch sein, dass ich das so sehe, weil ich, grade beim Cembalo, immer noch in den Anfängen stehe. Aber grade im Hinblick auf Anschlag und Artikulation fällt mir das auf. Wenn es zB. nur darum geht, zu "erfühlen" wann die Saite "nachgibt" und wie schnell und das dann widerum mit den vielen Gestalungsmöglichkeiten, die man hat, in Beziehung zu bringen und "umzusetzen". Ich muss mich da jedes Mal wieder auf´s neue drauf einstellen.

Noch größer stelle ich mir den Unterschied zwischen Cembalo/Orgel und Klavier vor. Müsste ich ein Stück auf dem Klavier spielen... würde ich scheitern. Weil es wieder eine Welt für sich ist. Eine schöne, aber eben vollkommen andere, mir unbekannte. Deshalb: wenn Musiker beides gut können... dann bewunder ich das schon! Ich kenne einen Musiker, der hervorragend Orgel und Cembalo spielt... und das auf wirklich hohem Niveau. Oder wenn solide Leistungen am Klavier und an der Orgel gezeigt werden...ja, ich denke, dass das schon möglich ist, wenn Begabung, Zeit und viel Erfahrung vorhanden sind.

Auch recht interessant: hier eine Aufnahme von Harald Vogel auf einem Pedalchlavichord:


View: https://www.youtube.com/watch?v=Ugp1GpakRlI
 
@frosch ...da gab es mal einen aus Ungarland, der konnte Klavier und Orgel bespaßen, hat sogar Zeugs für beide Instrumente verzapft (aber der unseriöse Kerl zählt nicht, sein Schwiegersohn erfand die Nazis) ;-):-D:drink:

Die großen Orgelwerke hat er mWn nicht selbst gespielt. Sie sind von Alexander Winterberger an der heute noch hervorragend erhaltenen Ladegastorgel des Merseburger Doms uraufgeführt


View: https://www.youtube.com/watch?v=ow1JqcnINs0
worden.
 

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