Objektive Qualitätskriterien dür Premiuminstrumente

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27. Juni 2018
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Liebe Freunde, kennt Ihr das auch, diese Euphorie, die man empfindet, wenn man in einem Klavierhaus an einem Premiuminstrument sitzt? Ich frage mich nach objektiven Kriterien, die man testen könnte, um rauszufinden, ob das Instrument im Vergleich mit einem anderen wirklich überlegen ist, oder ob das nur das Ambiente des Klavierhauses ist, oder der nette Verkäufer, oder...viel wichtiger: die eigene Verfassung
Natürlich spielt der subjektive Klang eine enorme Rolle, das ist ja völlig klar. Aber dieser Eindruck ist eben subjektiv und stark von der aktuellen Tagesfassung des Spielers abhängig. Wenn ich gut drauf bin gefallen mir andere Klaviere/Flügel wie wenn ich traurig bin. Ich probiere nun schon seit lamgem rum und mach mal ein paar Vorschläge für zumindest ansatzweise objektive Kriterien, die man prüfen könnte, jenseits des subjektiven Klangeindruckes:
- Vor allem: Dauer der Töne, also Schwingumgsverhalten des Resonanzbodens in verschiedenen Tonhöhen. Denkbar wäre, das mit einem Gewicht zu machen und zu stoppen.
- Verschiedene Register auf Obertonreichtum abhören. Klingt was schrill? Mein Klavier z.B. klingt schon gut, aber im Diskant bei Forte...das wirds jämmerlich (deshalb s.u.)
- Nachhall bei Staccato.
Ziel des Ganzen ist, dass ich sehr die neuen Bösendorfer VC Modelle mag (insbesondere das 130 als Klavier und das 185 als Flügel). Ich frage mich aber, ob und wieviel da zB auch der Name klingt, statt des Klaviers/Flügel.
Bitte kommt jetzt nicht mit sowas wie „man hört das, wenn es das richtige Instrument ist“ und „der Klang, der Klang“ das stimmt nämlich zumindest bei mir nicht und ich spiel schon sehr (!) lange Klavier und hab schon sehr viele Instrumente getestet. Ich habe ein Schimmel K132, nicht schlecht, ich mags sehr, aber ist das Bösendorfer wirklich auch objektiv besser? Bei meinem Schwager stimmts auch nicht und der ist immerhin Klavierprofessor, der berichtet mir von seinem S&S Modell C im Vergleich zu einem Fazioli, den er sich kaufen möchte dasselbe.
Also raus mit der Sprache, Ihr Experten: gibt es objektive Unterscheidungskriterien für Premiuminstrumente?
Ich bin vor allem auf die Meinung der hier herumschleichenden Klavierbauer gespannt.
 
Lieber @Ogerich

Bin kein herumschleichender Klavierbauer, sondern nur Klavieramateur.

Einges lässt sich sicher objektivieren. Im Bereich der Mechanik zum Beispiel die Repetitionseigenschaften. Die Frage des Auf- und des Niedergewichts (da gibt es Minimal- und Maximalwerte). Reagiert die eine Mechanik träger als die andere? Bei Klangeigenschaften wird es schwieriger. Das Problem dabei: Du müsstest alle Instrumente unter exakt denselben Rahmenbedingungen testen und das ist praktisch kaum umsetzbar. Die Hersteller produzieren Instrumente in unterschiedlichen Größen, Saitenlängen und Resonanzböden sind unterschiedlich dimensioniert. Auch bei gleich langen/hohen Instrumenten verschiedener Hersteller sind diese Werte unterschiedlich. Wie vergleicht man dann die Ergebnisse? Und letztlich geht es nicht um das, was physikalisch messbar ist, sondern darum, wir man den Klang wahrnimmt.

Ich frage mich auch, was würde es Dir wirklich bringen zu wissen, dass bei Instrument X in Raum A ein g bei der und der Hammergeschwindigkeit um 1,5 Sekunden länger hörbar ist als bei Instrument Z? Es wird kaum Stücke geben, in denen nur der eine Ton zu hören ist.

Entscheidend ist doch letztlich der persönliche Gesamteindruck. Und der hängt von vielen persönlichen, subjektiven Faktoren ab. Spielgefühl und Klangvorlieben sind bei jedem Pianisten anders ausgeprägt. Überspitzt ausgedrückt: Was dem einen ein Traum, ist des anderen ein Albtraum.

Bösendorfer stellt tolle Instrumente her. Andere Hersteller in dieser Liga tun das auch. Übrigens VC gibt es, glaube ich, nur bei den Flügeln, nicht bei den Klavieren. Ich durfte mal auf einem 214 VC spielen. Trauminstrument.

Liebe Grüße
Gernot
 
lieber gernot, danke für deine antwort. das 130 bösendorfer klavier ist auch ein vc (es steht nur nicht dran, ist aber seit 2018 auch vc, vom chefklavierbauer in wien ist diese info). aber doch, in allen stücken schlägt man akkorde an: wenn da einer der beispielsweise drei töne nicht so lange klingt wie die anderen beiden kann das ganz schön stören (in meinem fall zB beim zweiten liebestraum von liszt). bei meinem klavier ist das der fall, deshalb werde ich auf jeden fall bei einem neuen klavier jeden einzelnen ton auf seine dauer hin überprüfen.
 
Es gibt sicher einige messbare Kriterien, beispielsweise wie schnell die Töne in unterschiedlichen Lagen verklingen. Dann gibt es sowas wie Klangcharakter, Obertonreichtum etc. Wie leise man spielen kann. Wie präzise sich die Mechanik anfühlt. Aber ich finde, das wichtigste Merkmal eines Premium Instruments ist nicht so leicht messbar, nämlich wie es sich anhört, wenn viele Töne aus vielen Lagen gleichzeitig erklingen, so wie es bei Stücken aus der Romantik oft vorkommt. Kann man noch jeden einzelnen Ton hören oder hört es sich wie ein diffuser Matsch an?

Mein Tip um den Einfluss von Marken und Preisen auf den Höreindruck zu vermeiden: Freund mitnehmen und blind testen
 
Bei den Top Herstellern sind die physikalischen Ekdaten kaum unterschiedlich. Die neue VC Mechanik soll allerdings etwas besser sein, als die Bösi Mechanik vorher. Computerberechnunge und diverse optimierungen haben doch nocht Verbesserunge gebracht. Allerdins ist es teilweise erstaunlich wie wunderbar selbst hunderjährige Instrumente sein können.
Intonation und Spielgefühl: da kann ein Techniker viel optimieren, dein Klavier bräuchte wahrscheinlich mal einen Service.
Entscheidend ist nicht die Länge des Tons, sondern seine Qualität (Obertonspektrum, Klangentfaltung). Ein Bechstein klingt völlig anders als ein Bösendorfer, aber was besser klingt ist natürlich subjektiv. Bösendorfer hat aufgrund seines Designs, der Resonanzbodenfertigung, der Holzauswahl, der super Bassaiten etc. einen einmaligen Klang. Ganz genau kann (oder darf) dir das natürlich keiner erklären weil da auch Betriebsgeheimnisse dahinter sind.
 
deshalb werde ich auf jeden fall bei einem neuen klavier jeden einzelnen ton auf seine dauer hin überprüfen.
...wäre da nicht die Kirchenorgel dein ideales Instrument? ;-)
Je höher die Töne, umso rascher verklingen sie, egal ob Gurke oder Premium. Da irgendwelche Klavierakkorde selten länger als 15sec gehalten werden, fällt das in der Praxis kaum ins Gewicht.
 
wie es sich anhört, wenn viele Töne aus vielen Lagen gleichzeitig erklingen, so wie es bei Stücken aus der Romantik oft vorkommt. Kann man noch jeden einzelnen Ton hören oder hört es sich wie ein diffuser Matsch an
...das ist interessant! Das müsste man dann mit Blindtest herausfinden (und am besten ein Spirio einbauen...)
Die Obertöne, die im Resonanzboden erzeugt werden, müssten dann im Ganzen auch noch harmonisch sein. Das erklärt, warum die bei Bösendorfer jetzt offensichtlich die Dicke des Resonanzbodens mit Computermessungen abstimmen. Etwas, das jeder Geigen- und Gitarrenbauer sowieso macht (und zwar bei jedem einzelnen Instrument extra). Aber das machen die bei Schimmel auch. Warum also klingt das besser oder warum wird das zumindest doppelt so gut bezahlt?
Ist es das Resonanzkastenprinzip von Bösendorfer?
Ich werde auf jeden Fall mal die Länge der angeschlagenen Töne vergleichen. @rolf: Es ist ja so, dass man aus der Länge des Tones auch Rückschlüsse für kurz angeschlagene Töne ziehen kann: da baut sich auch im schnellen Anschlag mehr auf. Das mit der Kirchenorgel muss nicht sein.
 
Ich habe vor kurzem eine E-Mail an Schimmel geschrieben mit der Bitte mir zu erklären, wieso ein Konzert-Instrument 2012 soviel gekostet hat wie heute ein Classic-Instrument, die heutigen Konzert-Instrumente dafür innerhalb von wenigen Jahren so eine immense Preissteigerung hatten und was die objektiv qualitativen Unterschiede zwischen diesen beiden Serien sind.

Als Antwort bekam ich folgendes:
vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihr Interesse an unseren Instrumenten.

Um Ihre detaillierten Fragen ausreichend beantworten zu können, möchte ich Sie bitten, sich an einen unsrer Fachhandelspartner zu wenden. Der Idealfall ist dabei natürlich, dass man Ihnen die serienspezifischen Unterschiede zwischen den heutigen Flügelmodellen der Classic und der Konzert Serie direkt am Instrument zeigen kann.

Daher möchte ich Ihnen einen Ansprechpartner nennen, bei dem dies möglich ist:
[...]

Wir wünschen Ihnen schon jetzt viel Freude beim Spielen auf dem für Sie passenden Instrument.
 
@Curby , die Reaktion von Schimmel ist nicht weiter verwunderlich. Schimmel will und muss ordentlich Geld verdienen, die schlechten Jahre mit drohender Pleite liegen noch gar nicht so lange zurück.
Schimmel verlangt, was der Markt hergibt. Das wird Dir so deutlich aber niemand sagen wollen, daher diese nichtssagende/vielsagende Mail.
Vor einigen Jahren habe ich die damals noch frischen Konzert-Instrumente probegespielt und fand sie ausgezeichnet und "preisgünstig". Die Zielgruppe besteht nicht aus Konzertpianisten -die bleiben bei Steinway, Yamaha, Fazioli- sondern aus den vielen Musikern mit gut bezahlten festen Stellen, zB. Musiklehrern, die sich ein ausgezeichnetes Instrument gönnen möchten. Diese Zielgruppe ist finanziell "willig", aber nicht exzentrisch.
 
Der Klavierstimmer hat es mir so erklärt:
Ein Ton besteht aus der angeschlagenen Saite und den mitschwingenden Saiten. Je deutlicher und klarer man die angeschlagene Saite vor dem Hintergrund der mitschwingenden hört, desto höherwertiger ist das Klavier.
 

Der Klavierstimmer hat es mir so erklärt:
Ein Ton besteht aus der angeschlagenen Saite und den mitschwingenden Saiten. Je deutlicher und klarer man die angeschlagene Saite vor dem Hintergrund der mitschwingenden hört, desto höherwertiger ist das Klavier.
Bei Digitalpianos ist es umgekehrt: Je mehr da mitschwingt und in Resonanz gerät, desto hochwertiger ist das Digitalpiano.

Bei den ganz einfachen hört man nur den angeschlagenen Ton und sonst nichts.:lol:
 
Der Hammer schlägt zwar nur 3 Saiten an, aber es werden alle Saiten des Klaviers in Schwingungen versetzt. Ein Ton auf einem Klavier mit 92 Tasten klingt darum anders als auf einem mit 88 oder 85 Tasten: Die zusätzlichen Saiten beeinflussen den Klang, auch wenn sie nicht gespielt werden.

Bei einem Klavier mit schlechter Dämpfung geht der angespielte Ton unter, er wird von den mitschwingenden Saiten überhallt. Zu starke Dämpfung ist auch unerwünscht.
 
"Das hätten sie besser machen können", sagte er über die Dämpfung meines Klaviers und meinte mit "sie" offensichtlich nicht den Restaurator (das Klavier ist restauriert) sondern den Hersteller.

Habe ihn so verstanden, dass es an der Konstruktion des Rahmens liegt.
 
@rolf: Es ist ja so, dass man aus der Länge des Tones auch Rückschlüsse für kurz angeschlagene Töne ziehen kann: da baut sich auch im schnellen Anschlag mehr auf.
...das ist ein erstaunliches Novum! Kannst du das ein wenig genauer erklären @Ogerich ?
Und dann wüsste ich gerne noch, wo in der Klavierliteratur ein Ton vorkommt, der länger als 20sec dauert (abgesehen von skurril-witzigen Orgelpunkten a la Papillons)

Ganz allgemein: je höher der Ton, umso rascher wird er leiser und umso eher verklingt er. Das ist bei allen Klavieren so. Je kleiner das Instrument wird, umso kürzer sind seine Saiten - je kürzer die Saiten, umso kurzlebiger der Ton.

Ein viergestrichenes c ist auch dann schnell weg, wenn man es fff auf einem sündhaft teueren Konzertflügel anschlägt.
 
Ein exzellentes Piano geht los damit, dass die Klaviatur exzellent ist. Dass man pianissississimo spielen kann und fortissississimo. Dass man das feinst abstufen kann.

Der Klang hat präzise zu sein.

Für mich ist ein exzellentes Piano darüber hinaus markant, dass es einen langen Sustain bietet.

Vor allem anderen aber hat es eine Seele, die die meine ins Schwingen bringt. So, dass ich mich hinterher im Stillen entschuldige, "So, tut mir leid mein liebes feines Ding, aber ich kann dich leider leider nicht mitnehmen, obwohl ich es schon sehr möchte."

Das ist dann die subjektive Komponente. Die im Ultra-Bereich noch mal ausdifferenziert. D.h. kaum ein "nicht-brüllender" Namen zeigt das, die fallen praktisch alle durchs Raster. Aber auch noch lange nicht jedes Klavier aus dem top Range hat das.
 

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