Vom Blatt und Fingerpedal

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Alter Tastendrücker

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31. Aug. 2018
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In etlichen Fäden sind diese beiden Begriffe recht frei benutzt worden.
Ich möchte hier die Bedeutung beider, so wie ich sie verstehe notieren und fragen ob es da wirklich einen Interpretationsspielraum gibt!?

Vom Blatt habe ich immer so verstanden, dass man mit keiner (oder sehr kurzer) Vorbereitung ein Stück - normalerweise nicht öffentlich - aus den zuvor noch nicht bekannten Noten spielt. Dabei spielt es keine Rolle, ob man das Werk zuvor schon Mal gehört hat (vereinfacht die Sache erheblich!) oder nicht. Prima Vista wäre also ein Synonym.
Wenn man (Kammermusik, neue Musik, fortgeschrittenes Alter, ...) einstudierte Werke aus den Noten spielt, so sagt man genau das: 'Ich spiele mit/von Noten.'

Fingerpedal ist das absichtliche Liegenlassen (gedrückt halten) und weiterklingenlassen von Tönen über die notierte Dauer hinaus mit den Fingern, quasi als Ersatz für das rechte Pedal. Das können Basstöne sein, aber auch Mittelstimmen oder gebrochene Harmonien oder was auch immer. Zuweilen notieren Komponisten das Fingerpedal selbst ( instruktiv ist hier Beethoven op. 2,3 1. Satz Takte 222ff, oder Mozart KV 283 2. Satz Anfang Basslinie),
Gerade bei den häufigen Mozartschen LH 16tel Figurationen vom Typ c-g-e-g ist es oft reizvoll sich zu überlegen, ob man das Viertel c hält (ruhig) oder die Achtel c-e als Basslinie zeigt (gerade in schnelleren Tempi oft mit guter rhythmisch treibender Wirkung)!
CPE Bach erlaubt das Liegenlassen der Finger bei gebrochenen Akkorden explizit.
 
@Alter Tastendrücker , Ich finde Deine Beschreibung sehr adäquat! Nie würde mir in den Sinn kommen, die Dinge anders zu bezeichnen.
 
Sagen wir mal so, vom "Blatt singen " meint, dass man nach den Noten singt, ohne dass jemand einem die Melodie vorgesungen hätte. Dabei ist unwichtig, ob man das prima vista oder überhaupt tut (Chorsingen etwa). (Wie vorlesen /lesen)

Wenn ich beim Klavierspiel an das Vom-Blattspielen denke, ist es das gleiche. Die sportliche Prüfungssituation prima vista ist ein Sonderfall. Ein Dirigent/Korrepetitor etwa spielt den Klavierauszug vom Blatt, aber es ist nicht der Anspruch da prima vista ein perfektes Spiel abzulegen, sondern vom Blatt die Musik zu Gehör zu bringen - und das wiederholt.

Prima vista ist eigentlich ein zum Musikmachen unnötiger Vorgang, da auch Vom-Blattspieler, Vom-Blattsinger das vom Blattgesungene üben und mehrfach tun. Oder gab es schon mal ein Prima Vista Konzert?:teufel:(Guiness Buch...)
 
@Ellizza, da möchte ich widersprechen: Vom Blatt singen bedeutet für mich seitdem ich denken kann, daß man es vorher nicht geübt hat in irgendeiner Weise.
Niemals würde ein Musiker sagen, wenn er im Konzert aus den Noten spielt, daß er "vom Blatt" spiele. Dieser Begriff ist ganz klar auf prima vista festgelegt.
Natürlich gibt es "Prima vista " Konzerte. Unlängst erzählte mir mal ein Kollege, daß er für ein kleines Konzert das falsche Stück vorbereitet hatte. Dann geht der Adrenalinspiegel hoch und dann muß man den sauren Apfel futtern.
Manche Orchestermusiker spielen zumindest in der ersten gemeinsamen Probe schonmal vom Blatt, weil sie es sich vorher nicht angeschaut haben.
Und nett ist, wenn man einen Hausmusikabend macht und jeder mit jedem aus purem Spaß an der Freude fröhlich vom Blatt spielt. Da weiß man vorher nicht, was kommt.:026:
 
Ein Dirigent/Korrepetitor etwa spielt den Klavierauszug vom Blatt, aber es ist nicht der Anspruch da prima vista ein perfektes Spiel abzulegen, sondern vom Blatt die Musik zu Gehör zu bringen - und das wiederholt.
Der Anspruch ist immer, so perfekt wie möglich zu spielen. Selbst auf einer Stellprobe nach 4 Stunden Gelaber vom Regisseur. Wer das nicht will oder kann, hat den falschen Beruf.
 
@Alter Tastendrücker @Tastatula

Ich habe die Begriffe auch niemals in anderer Bedeutung gehört. Fingerpedal habe ich exakt so vermittelt bekommen.
Kann man die Begriffe wirklich falsch verstehen? (Ich habe die entsprechenden Fäden offensichtlich nicht verfolgt.)
 
Fingerpedal weiß ich nicht, aber der Begriff „vom Blatt spielen“ wird hier im Forum sehr häufig falsch verwendet,
 

da auch Vom-Blattspieler, Vom-Blattsinger das vom Blattgesungene üben und mehrfach tun. Oder gab es schon mal ein Prima Vista Konzert?:teufel:(Guiness Buch...)

Hallo Ellizza,

"Vom- Blatt- Spiel" heißt definitiv, dass man die Noten zuvor noch nicht gesehen hat, und prima vista vom Blatt spielt und nicht, dass man ein Stück mit Notenvorlage spielt.
 
Sagen wir mal so, vom "Blatt singen " meint, dass man nach den Noten singt, ohne dass jemand einem die Melodie vorgesungen hätte. Dabei ist unwichtig, ob man das prima vista oder überhaupt tut (Chorsingen etwa). (Wie vorlesen /lesen)
Also ich kenne auch im Chorbereich "Blattsingen" oder "vom Blatt singen" nur als Synonym zu "prima vista". Man kann vielleicht zwei, drei Mail dasselbe Stück vom Blatt singen, aber sobald Lerneffekte einsetzen, würde ich nicht mehr vom "Blattsingen" sprechen. Bei den meisten Konzerten brauche ich die Noten als Gedächtnisstütze, singe aber vieles defacto auswendig und kann dadurch voll beim Dirigenten sein. Das hat mit "Blattsingen" nichts mehr zu tun.

Liebe Grüße
Gernot
 
Der Begriff "Fingerpedal" ist nicht nur per se völlig absurd, sondern birgt auch Gefahren für ein sauberes Klavierspiel. Ich verbiete vor allem Anfänger- Schülern, Noten länger als notiert liegen zu lassen bei Werken, die z.B. auf Klangpedal hin komponiert sind, solange sie erst einmal ohne Pedal üben. Solche Unarten schleifen sich sonst ein, und wirken destruktiv auf auch andere Werke, wo man dies eben nicht kann, ohne den Text zu entstellen.
 
Der Begriff "Fingerpedal" ist nicht nur per se völlig absurd, sondern birgt auch Gefahren für ein sauberes Klavierspiel.
Im Video handelt es sich zwar nur um ein einfaches Keyboard und nicht um ein Piano, doch ab 1:28 ist gut zusehen, was ich bisher unter diesem Begriff verstehe. Also wenn er da z.B. CGC nacheinander anschlägt, doch alle 3 hält. Ein sauberes Spiel ist davon nicht betroffen und wird auch nicht davon verhunzt, würde ich meinen.


View: https://www.youtube.com/watch?v=4rYcutzF5DU

Oder ein aufgebrochener und dennoch gehaltener Akkord in Noten.

Beispiel-Akkord.jpg

Falls ich falsch liege mit meinem Verständnis des Begriffes, dann ist es gut, dann habe ich halt etwas dazugelernt. Nur bisher habe ich darunter noch nichts anderes verstanden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Der Begriff "Fingerpedal" ist nicht nur per se völlig absurd,

Warum? Why? Pourquoi? Porqué?
Er beschreibt doch genau was Sache ist, mit den Finger Pedalwirkungen hervorbringen!
Im Weiteren muss man Dir aus methodischer Sicht zum Mindesten teilweise Recht geben. Jeder KL kämpft - nicht nur bei Anfängern! - einen recht aufwändigen Kampf gegen 'faule Finger' die auf den Tasten liegen bleiben und auch ganz ohne, das der Fuss mit dem rechten Pedal in Berührung kommt, schmutzige Pedaleffekte erzeugen!
Im weiteren Verlauf des Unterrichts aber sollte dann doch irgendwann der Punkt erreicht werden, wo dann ein gezielter Einsatz des Fingerpedal hilfreich und nötig wird.
 
Exakt! Alles andere kommt frühestens mit der Mittelstufe, durch Aufführungspraktiken, etc. Aber zu Beginn ist saubere Stimmführung wirklich das A und O.
 
Wer die Bedeutung der als "Fingerpedal" üblicherweise bezeichneten Spieltechnik in Frage stellt, ist sich offensichtlich einer ganz bedeutsamen Eigenheit der Klaviernotation NICHT bewusst:
Allein wann ein Ton zu spielen sei, wird schon relativ rasterartig, also ungenau angegeben.
Wann ein Ton auf dem Klavier beendet werden soll ist oft noch viel ungenauer notiert.

Ganz eindeutig: das Klavier ist kein einstimmiges Instrument und es besteht keine Notwendigkeit eine gedrückte Taste loszulassen, nur weil man die nächste drückt- ausser, man ist spieltechnisch überfordert.Dies dürfte auch der Grund sein, warum das Thema Fingerpedal häufig unter den Tisch gekehrt , bzw. seine Bedeutung in Frage gestellt wird.

Saubere Stimmführung wird gerade durch das Fingerpedal manchmal erst ermöglicht! Stichwort: Versteckte Zweistimmigkeit.
Legatospiel, Phrasierung, Harmonische Unterbauten erzeugen ( Albertibässe ) sind nur die alltäglichsten Einsatzbereiche dieser Fähigkeit der Finger, einmal gedrückte Tasten weiter klingen zu lassen- und zu beenden! Und diese BEIDEN Fähigkeiten müssen, wenn einem daran gelegen ist die klanglichen Möglichkeiten des Klaviers völlig zu nützen, geschult werden

Und gerade, da man im Klavierunterricht erst langsam damit beginnt das Dämpferpedal möglichst von Anfang an zu integrieren, sollte man dem Fingerpedal von Beginn an eine wichtige Rolle zuweisen.
 
@ClaviClimber:..na, da muss man aber doch im Anfängerunterricht, besonders bei Kindern, erst einmal die korrekte Einhaltung von Notenwerten in den Vordergrund stellen. Ich kann es weder durchgehen lassen, dass eine Viertel 3 Schläge lang gehalten wird, noch, das eine punktierte Halbe nach einer Achtel beendet wird. Fernerhin differiert doch die technische und die gemeinte musikalische Notation weder bei Anfängerstückchen, noch z.B. in der Regel bei J.S. Bach. Daher ist mir diese deine Erklärung zu indifferent. Die aufführungspraktischen Sachverhalte, wie z.B. bei Mozartschen Albertis, hat Tastendrücker ja hier dieser Tage schon angesprochen.
 
Oder ein aufgebrochener und dennoch gehaltener Akkord in Noten.

beispiel-akkord-jpg.22865


Falls ich falsch liege
Naja bei diesem Beispiel ist die Notation etwas ungenau, will sagen, es sind 3 Stimmen notiert, aber die Pausen nicht eingezeichnet. Der 2. Takt soll wohl eine Erklärung zur Ausführung des ersten sein?! Fingerpedal hieße es ja nur, wenn die Taste entgegen der Notation gedrückt/gehalten wird.

Aber trotzdem ist das Beispiel gut, weil es die Funktion des Fingerpedals beim "Durchklingenlassen von Begleitharmonien" (frei zitiert nach Gedan 2005,kleine Lehre des Pedalspiels Heft 1 Seite 10, www.pian-e-forte.de) "ausformuliert sozusagen". Es geht darum, dass der Fuß-Pedaleinsatz ja auch die Melodiestimme verschmieren würde. Beispiel im Heft, Andante KV 545, wo sein Vorschlag Kombination von Fuß- Fingerpedal erfordert.
 

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