Qualität gebrauchter vs neuer Klaviere/Flügel

  • Ersteller des Themas playitagain
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....wenn sie die Dynamik und die Präzision von neuen hätten, ja. Haben Sie aber nicht.
Im Verleihbestand von Ron Coners und Nachfolger, Konzerttechniker bei Steinway in New York, befindet sich seit Jahren der Flügel mit der kennzeichnung "CD 1". "Concert D size".

Es ist der allererste, von Steinway nach dem Theodore-Redesign des D-Modelles gebaute "moderne" D-274.

Nr. 51.xxxx irgendwas.

Von 1884.

Sehr nachgefragt, vor allem für Studio-Aufnahmen. Eigentlich immer ausgebucht, diese Karre...

Zu der Frage, ob heutige Flügel besser seien als alte, eine differenziertere Betrachtungsweise.

WENN DENN man es daruaf anlegt, unbedingt Höchstklasse zu bekommen, dann KANN man heute Flügel besser bauen als vor 50, vor 100 oder 150 jahren. Eben weil man das Design genauer berechnen kann, und teils weil man heute bessere Materialien verfügbar hat.

Allerdings werden die weitaus meisten Privatkonsumenten nicht in den Genuss dieser Dinge kommen. SIe kommen allenfalls in den Genuss verringerter Wartungsaufwendungen, siehe die Stabilität derer Yamaha-Instrumente.

Man KANN aber auch, eben WEIL man es besser berechnen und CNC-fertigen kann, das Design eines Instrumentes nahe an eine unterer Grenze der Qualität legen.., es so designen, dass es baldig versagen könnte, sollte... - erst nach der Garantiezeit.

Stichwort Planned Obsolescence.

Was es heute nicht gibt..., und das sei auch in Richtung von Überlegungen und Spekulationen hinsichtlich Violinen etc. gesagt: Instrumente, die Materialien oder Verfahren nutzen, die es heute nicht mehr GIBT. Hier sei nur mal an die Umgestaltungen des Arbeitsschutzrechtes erinnert, die die Anwendung bestimmter Lackierverfahren oder der Galvanik (Blechblasinstrumente) tangieren könnte.

Im Fall des Klavierbaues kann man es bedauern, dass die US-Instrumente nur noch bis in die 20er Jahre Gebrauch von der Appalachen-Weißfichte machten, um ein feines Resonanzboard zu fertigen - was heute nicht mehr geht mangels Baumbeständen, bzw. nicht mehr gemacht wird. Man nutzt in Europa die Haselfichte, Fleimstal, Strunz..., und in den USA die Sitka-Fichte, beides Hölzer von etwas anderen Klangeigenschaften, und auch (leider) geringerer Haltbarkeit.
 
Kann man kurzfristig bezogen auf den Klang so sehen. Es gibt allerdings auch einige langfristige Eigenschaften (Stimmhaltung, Stimmbarkeit, Funktion des Resonanzbodens, Qualität der Mechanik und der Saiten, stabile Verarbeitung (mechanische Stabilität), etc.), die ganz entscheidend sind. So ein Piano ist auf mehrere Jahrzehnte ausgelegt nicht auf zwei Jahre.

Ist das langfristige Ergebnis des Herstellungsprozesses kein Ergebnis des Herstellungsprozesses?
 
Nur weil das mechanische Prinzip nicht mehr geändert wurde, heißt das doch nicht, dass keine Weiterentwicklung mehr stattfindet.
Es werden immer wieder neue Gussplattendesigns entwickelt, neue Mensuren, Verfeinerungen bei der Mechanik, Materialien, Hammerfilze, Fertigungstechniken.
Ein Fahrrad ist vom Prinzip auch auf dem Stand von vor 100 Jahren. Trotzdem fährt sich ein aktuelles Carbonrennrad irgendwie anders als die Stahlräder von 1920...:005:
 
Und seit wie vielen Jahren glaubst du hat diese Sache nun Einzug in den Klavierbau erhalten?
(Gibt's ja bei meinen Haushaltsgeräten schon länger dass die nach 2 1/2 Jahren w.o geben - Garantie 2 Jahre)

Carbonrennrad irgendwie anders als die Stahlräder
Hinkt ein wenig, da ich nicht glaube dass im Klavierbau auch solche Fortschritte erzielt wurden.

Was würde mich als Kunde hautsächlich interessieren:
  • Klang
  • Klaviatur (Druckpunkt, Ansprechen, Gefühl, etc.)
  • Optik
  • Marke
  • Zustand
  • Alter
Herstellprozess kann ich als Kunde nicht beurteilen und wird viele wenig interessieren (manche schon ich weiß).
 
Hinkt ein wenig, da ich nicht glaube dass im Klavierbau auch solche Fortschritte erzielt wurden.
Aber natürlich wurden die erzielt, das kann man sogar als Laie erkennen. So ist beispielsweise die Verwendung von Elefantenzähnchen und Tropenhölzern aufgrund der Verfügbarkeit moderner Werkstoffe nicht mehr erforderlich, nur um mal ein Beispiel zu nennen.
 
Im Fall des Klavierbaues kann man es bedauern, dass die US-Instrumente nur noch bis in die 20er Jahre Gebrauch von der Appalachen-Weißfichte machten, um ein feines Resonanzboard zu fertigen - was heute nicht mehr geht mangels Baumbeständen, bzw. nicht mehr gemacht wird.

So ist beispielsweise die Verwendung von Elefantenzähnchen und Tropenhölzern aufgrund der Verfügbarkeit moderner Werkstoffe nicht mehr erforderlich, nur um mal ein Beispiel zu nennen.

Jede Zeit hat ihre Kompromisse. Dafür können wir seit den 90ern Silentsysteme in die schwarzen Särge einbauen, damit sie nur im Kopfhörer lärmen.
 
Und seit wie vielen Jahren glaubst du hat diese Sache nun Einzug in den Klavierbau erhalten?
...
Herstellprozess kann ich als Kunde nicht beurteilen und wird viele wenig interessieren (manche schon ich weiß).

Kann ich nicht sagen, da ich die relevanten Märkte und Hersteller nicht kenne.

Markt-relevant ist das, was betreffs Stückzahlen in Indien und China passiert, von dem, was dort passiert, kommt weder real noch an Informationen ausreichend viel hierher.

Ich selber bin auch i.w. an den neueren Dingen weitestenteils uninteressiert, weil ich ein Instrument aus dem Jahre 1877 betreibe und mit diesem sehr zufrieden bin, und dort, wo ich unzufrieden bin, mir gelegentlich Abhilfe schaffen kann auf noch älteren Instrumenten, den unglaublich farbenreichen instrumenten der Pariser Klavierbauer "vor Steinway" (und vor Dolge und vor Vollpanzer, und und).

Einzig interessiert wäre ich noch an modernsten Simulationstechniken und u.U. virtuellen instrumenten, die mir den Farbenreichtum eines 1842er Pleyel-Konzertflügels in meine Bude brächten, ohne dass ich zuerst eine solche Kiste erwerben und spielbereit restaurieren müsste.

Herstellprozesse sind extrem interessant, vielerlei Gründe, bin Ingenieur, und Wissen um Herstellung kann... auch mal verlorengehen - Violinen aus Cremona, oder die Kunst, Hämmer a la Henri Herz so zu fertigen, dass dieses Feuer der alten Pleyel-Instrumente komme....
 
@playitagain

Ich fürchte, Du wirst auf Deine Frage keine allgemeingültige Antwort bekommen. :-)

Es spielen zu viele Faktoren zusammen. Die evtl. Entscheidung muss anhand eines konkreten Instruments getroffen werden.

Am besten setzt man sich ein finanzielles Limit und schaut sich nur diejenigen Instrumente auf dem Markt an, die in Frage kommen. Sollte dann der Traumflügel etwas über dem Limit liegen, kann man sich immer noch fragen, ob das Limit unbedingt eingehalten werden muss. ;-)

Wenn das Limit nicht allzu hoch hängt, kommen sowieso vorwiegend Gebrauchte in Frage. Wenn Du das Glück hast, dass das Limit unbegrenzt ist, hast Du die schlimme Qual der Wahl, ob Du zuerst nach Hamburg, nach Wien, nach Milano fährst oder zum Yamaha- bzw. Shigeru-Händler. :lol:
 
Hinkt ein wenig, da ich nicht glaube dass im Klavierbau auch solche Fortschritte erzielt wurden.

Da wurden in den letzten Jahrzehnten riesige Fortschritte erzielt - abgesehen davon gibt es auch seit vielen Jahren Carbon im Klavierbau .

Ich denke daß Du laut Deiner Fragestellung nur hören willst daß ein alter Flügel genauso gut ist wie ein neuer , aber welchen Alten vergleichst Du mit welchem Neuen?
 
Was altert denn an einem Flügel am meisten, am schnellsten? Welche Teile sind am meisten wert? Wie lange muss ein Flügel in fiesen hygrometrischen Räumlichkeiten stehen, bis er hinüber ist?
 

aber welchen Alten vergleichst Du mit welchem Neuen?
Genau!
Generelle Nachteile sehe ich bei gleicher Konstruktionsweise nicht.
Was altert denn an einem Flügel am meisten, am schnellsten?
Kann man pauschal nicht sagen. Verschleißteile z.B. "altern" je nach Benutzung und Aufstellungsort mitunter gar nicht sondern verschleißen einfach, bevor sie die Möglichkeit haben, zu altern.
In Nutzungzeit gerechnet betrifft das vor Allem die Mechanik (Achsen/Achstuch, Hämmer, Tasten, Garnierungen...). In reiner Zeit gerechnet (also ungespielt/ungenutzt) würde ich vermuten dass eher der Stegdruck (Reso) nachlässt oder die Saiten taub werden bevor sich ein mechanisches Teil in seine Bestandteile auflöst.

Wie lange muss ein Flügel in fiesen hygrometrischen Räumlichkeiten stehen, bis er hinüber ist?
Einmal mit offenem Deckel kurz raus in den Regen stellen reicht. :-)
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich denke daß Du laut Deiner Fragestellung nur hören willst daß ein alter Flügel genauso gut ist wie ein neuer , aber welchen Alten vergleichst Du mit welchem Neuen?
Ist ein Thema aus Interesse (das gibt es auch), die Beiträge sind ja durchaus sehr interessant.
Aber du hast Recht hat sich für mich bis jetzt in der Diskussion eher verstärkt, dass so ein gebrauchter aber gut restaurierter Klavier/Flügel tatsächlich nur unwesentlich schlechter ist als ein Neuer.
Zu alt soll er aber auch nicht sein wegen Materialermüdung , Technologie, zukünftige Wartungsintervallwahrscheinlichkeiten, …

Gibt es bei den Silent Systemen große Unterschiede unterschiedlicher Hersteller, gar ein führendes System? Ist ja noch relativ jung die Sache.
 
Was altert denn an einem Flügel am meisten, am schnellsten?

Der Resonanzboden. Im Kleinkleinen auch, je nach Spielweise und Häufigkeit, der Hammersatz.

Das Case mitsamt der Harfe, der Gussplatte. Im Detail die Gussplatte. Wenn kaputt, dann oft irreparabel kaputt, weil Guss zu schweißen - bei Teilen mit äußeren Spannungen, und auch Inneren Spannugen, extremst aufwendig bis unmöglich ist, es sind nur sehr sehr sehr wenige Spezialisten, die WIRKLICH wissen, was geht, und wie man das machen kann... , und wann es zwecklos ist. In vielen Fällen ist ein defekter Plattenguss das Aus.

Wie lange muss ein Flügel in fiesen hygrometrischen Räumlichkeiten stehen, bis er hinüber ist?

Peter gab schon eine mögliche Antwort. Einmal so richtig nass werden im Regen ... ei wei.

Fies ist ein dauerhaft zu feuchter Raum - bewirkt das Vollsaugen aller Hölzer, Faulen, Schimmel.
Fies ist auch ein ständiger Wechsel feuchter-trockener, und heißer-kühler. Das "pumpt" in kritischen Hölzern, und je nach Konstruktionsprinzipien (Hochspannungs-Bauweisen wie Steinway, Niederspannungs-Konzepte) ist es auch hier der dünne Resonanzboden, der zuerst leidet. Denn in den seltensten Fällen ist der Reso aus Material gemacht, das feuchteresistent ist, wie Carbonfiber oder Glas... (Stichworte Phoenix und Stuart).

Ich drifte mal ab, um paar Gedanken zu säen...Ab hier Offtopic...

Nach meiner Überzeugung kann man ja auch ein Klavier und seinen Reso weitenteils spannungsfrei bauen.., aber das ist dann nicht das Instrument, mit dem sich große Konzerthallen beschallen lassen können. Ein pariser Flügel wurde damals auch nicht mit hohen inneren Spannungen gebaut... , und soll ich mal sagen, um das filigrane, feinste Klangerlebnis zu haben, BRAUCHT man wohl die Spannungsarmut im Resonanzboden? Die extrem dünnen, noch dünneren Hölzer? Die sich verbieten, wenn man die "Glocke" staucht, wenn man, wie als "normal" oder "state of the art" zu betrachten - im Resonanzboden den einachsigen Spannungszustand einer "Tonne" herstellt, oder den zweiachsigen einer Kugelschale, wie Steinway?

Man kann auf das rechentechnisch überbestimmte Kräftespiel von Saitenspannungen, ihren Resultierenden drauf auf die "Glocke" genau dann verzichten, wenn man eine andere Anbindung der Saiten an den Reso macht, eben nicht per Zigzag-Umlenkerei, sondern mittels Agraffen - mit dem möglichen Ergebnis, dass das Klavier merklich anders klingt - UND wegen anderer Energiedissipation auch einen sehr viel längeren Sustain macht...
 
Der Klaviemacher Michael hatte ja immer Pläne, Ideen für eine neue Klavierkonstruktion. Weiß da jemand näheres?
 
Er hat mir mal einen langen Vortrag darüber gehalten, von dem ich aber wohl schon damals nur die Hälfte verstanden habe. Im Prinzip wollte er zurück zu einem leichteren und leiseren Klavier. Ich kann mich aber partout nicht mehr daran erinnern, ob er dabei auf eine Gussplatte verzichten wollte oder auf meine Frage hin nur sagte, das wäre prinzipiell möglich (wie man an historischen Insturmenten ja sieht).
 
...ich hab da noch sowas "a la Giraffenklavier" in Erinnerung..., also vertikaler Flügel.
Und dann gabs noch die spinnerte Idee einer beweglichen Klappe UNTER dem Reso - was sicherlich hochinteressante Klangeffekte (WahWah) zuließe, aber in punkto bewegte Masse und Reaktionsgeschwindigkeit technisch ein Riesenproblem sein dürfte (zumindest, wenn ein Flügel nicht wie eine Dampfmaschine aussehen sollte)
 
Genau. Michael hatte auch eigens von einem Frankfurter Kollegen eine kleine Sammlung erworben, inklu einem Wiener Giraffenklavier aus der Zeit um 1810-1820.

Seine Pläne sahen ein sehr hohes Wandklavier vor, 1,80 bis 2 Meter..?... das rein "in Holz zieht", und damit limitiert ist auf einen Gesamt-Saitenzug um ca. 6 Tonnen, unter Verzicht auf einen eisernen oder stählernen Rahmen.

Ich hatte ihm zugesagt, das dritte Exemplar zu kaufen. Das erste sollte bei ihm verbleiben, das zweite nach Lippstadt gehen, das dritte hierher, als Bausatz.

Leider ist daraus nichts geworden. Er war wohl noch nicht soweit, dass es schon Zeichnungen gegeben hätte. Inwieweit er das "scaling", die grundlegenden Layouts, gemacht hätte, entzieht sich meiner Kenntnis. Das müsste man bei Interesse uU. .bei seiner Witwe erfragen.

Wer aber sowas machen will, der findet umfangreiches Material in den Büchern von

Gretschel & Julius Blüthner,
Fenner,
und in der US-Literatur, Wolfenden.

Ich schaue sehr gerne insbesondere in das Buch von Jan Großbach und Klaus Fenner, Klavierbauermeister aus Fulda, der leider 2005 verstarb und davor mit der Fa. Pianova von Mick Blümke und Michael Sund zusammengearbeitet hatte - und einen herrlichen Semikonzertflügel entwickelt hatte, sehr schön breit, sehr viel Volumen... Im Buch Berechnungen und Konstruktionspläne für ein Hochklavier, und für einen Flügel.
 
Seine Pläne sahen ein sehr hohes Wandklavier vor, 1,80 bis 2 Meter..?... das rein "in Holz zieht", und damit limitiert ist auf einen Gesamt-Saitenzug um ca. 6 Tonnen, unter Verzicht auf einen eisernen oder stählernen Rahmen.
Welchen Vorteil erwartete er davon? Man hat den Gussrahmen ja nicht ohne Grund eingeführt. Man kann natürlich sagen, dass der Trend im Privathaushalt sowieso zum Silent-Piano geht.
 

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