Klavierlehrer oder schon Profipianist? Rachmaninoff Klavierkonzert

Ich weiß, ist nur triviale Literatur, aber z.B. dieses Stück gefiel mir vor 25 Jahren, ich vermochte aber nicht es selbst zu spielen. Die Flötenlehrerin meiner Schwerster kam immer zu uns nach Hause für den Unterricht und der legte ich mal nach der Stunde dieses Stück hin, da es mir so gut gefiel. Die spielte das einfach runter. Ich murkste schon am Anfang, der einfacher ist, herum. Mir ist es nach wie vor ein Rätsel, wie das geht. Noten, ja, die kann man können, auch sehe ich ein, dass Notenlesen was mit Bildverständnis zu tun hat, wie wenn wir ein Wort, ohne die Buchstaben zu lesen, erkennen, aber da kommt noch der Rhythmus dazu UND dass sich das Bild über 5cm in der Senkrechten ausbreitet, die drei Kreuze auch noch nicht berücksichtigt. Ich rede da noch gar nicht von Orchesterpartituren oder Chorpartituren mal schnell "klavierisieren" (das Wort gibt es sicher nicht ;) )

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Beim Liszt bekomme man ja fast schon Augenkrebs, Gichtschmerzen mal abgesehen. Ich darf annehmen, dass das nichts mehr mit normaler Konservatoriumsausbildung mehr zu tun hat. Oder?
 
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Mir fehlt bei diesem Thema irgendwie die Antwort auf den Sinn des Themas.
Vielleicht ist es manchmal sinnvoller zu üben, als sich die Frage zu stellen, ob man "musikalisch" genug ist, wenn man ein Rachmaninov Klavierkonzert nicht prima vista wundervoll darbieten kann. Übrigens ist zwar Musikalität eine Grundbedingung für gutes Klavierspiel, jedoch gibt es auch sehr musikalische Menschen, die nicht Klavier spielen können, oder sehr spät begonnen haben, oder zu faul zum üben sind. Der Schwierigkeitsgrad eines Stücks, z.B. eines musikalischen Spätstarters, sagt überhaupt nichts über den Grad seiner Musikalität, wohl aber sein Ausdruck, seine Interpretation. Insofern ist es völlig irrelevant, ob man ein Rachmaninov Klavierkonzert vom Blatt dudeln kann, oder nicht.
 
Ich gebe dir recht, musikalisch zu sein ersetzt kein Üben, kein Wollen oder was auch immer.
Mich fasziniert einfach, was Menschen koordinieren können, deren beider Hände, ad hoc vom Blatt spielen können und ich habe als Nullkommagarnichtswissender einfach Bewunderung dafür und wollte mit meiner Frage dem auf den Grund gehen.
Sofern ich mit der Erstellung des Freds ins Klo gegriffen habe, darf der Admin diesen gerne löschen, bin sicher nicht beleidigt. ;) Da stehe ich darüber.
Oli
 
Diese Faszination kann ich ja nachvollziehen, jedoch zeigt das im Prinzip nur, welche Leistungsfähigkeit das menschliche Gehirn grundsäzlich bei solchen Koordinationsaufgaben besitzt. Natürlich kann das nicht jeder Mensch aktualisieren, könnte aber Mut machen, wenn die Sache nicht vorher schon in das Gegenteil umgeschlagen ist. Aber diese Faszination ist sehr oberflächlich, denn sie besagt als Sportübung überhaupt nichts über die Musikalität. Es gibt auch Sekretärinnen, die sehr schnell tippen können, bewunder' ich auch. Aber wie ist es mit technisch weniger spektakulären Werken, und ohne "guckt mal, wie schnell ich bin-Show-Effekt", die ein hohes Maß an Sensibilität und verborgenerer technischer Schwierigkeiten abverlangen? Bekannte Beispiele: Adagio cantabile aus der Pathetique, oder 1. Satz Mondscheinsonate. Na, da trennt sich ja dann schnell die Spreu vom Weizen...
 
Stimmt, gebe dir auch recht. Wenn jemand aber das Prima vista Spiel beherrscht, um damit auf Stücke (die in der Musikschule gespielt werden) ad hoc zu spielen, dann hat das den Vorteil, dass er ganz einfach mal musizieren kann, es klingt nach dem, was es sein soll, wenn auch nicht konzertreif. Das Geklimpere beim Üben fällt dann schon mal weg. Selbst beim Üben klingt das Stücke immer erkennbar. Das hat was.
z.B. Um einen Sänger zu begleiten, der ein populäres Stück begleitet haben möchte etc. Das kann auch fernab von der Perfektion sein.
 
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Wie schön für denjenigen...;-) Als Klavierlehrer kann ich dir sagen, das ich auch fast alles meiner Schüler vom Blatt spiele, nur bei den Fortgeschrittenen in der Unterrrichtsvorbereitung noch mal drüber gehe, auch um die relevanten Themen für den Unterricht zu ermitteln. Und das ist keine Ausnahme, sondern m.E. der normale Alltag eines KL.
Ich würde mich an deiner Stelle fragen, welche pianistischen Ziele Du hast, und wie Du sie erreichen kannst- auch nicht prima vista...;-) Grüße!
 
Das Prima vista Spiel ist schon ein Ziel, dafür bin ich aber wahrscheinlich zu alt. Mir fehlt da wahrscheinlich die Jugend und zwanzig Jahre Unterricht (ich gehe mal davon aus, dass du das annähernd genossen hast bis zum fertigen KL) ;`)

....und vielen Dank für deine Erläuterungen, somit sehe ich Dinge nun etwas anders. Das war der Zweck, den ich verfolgte.
 
Gutes Blattspiel (prima Vista) sollte nicht unterschätzt werden!!
Sich selbst ein musikalisch wie technisch stimmiges Bild von vielen Stücken in kurzer Zeit machen zu können, ist nicht nur für Korrepetitor und Klavierlehrer hilfreich, sondern für jeden der Klavier spielt!
Warum hier wieder die perverse Trennung von Musikalität und Technik und Spiel kommt bleibt rätselhaft. Ich kenne gute Blattspieler, die sofort und kompetent Musik machen, ich würde sogar sagen, das ist beim Blattspiel noch verwobener als beim Üben. Aber wer solchen unsinnigen Märchen wie:
'erst lerne ich die richtigen Tasten anzufassen und dann gieße ich musikalisch Sauce darüber' in verschiedenen Variationen glaubt, der kann sich auch nicht vorstellen, wie natürlich ein guter Blattspieler durch das mühelose und schnelle Erkennen der musikalischen Strukturen (bewusst und zuweilen unbewusst) auch technisch besser spielt.
Im Übrigen bedeutet gutes Prima Vista Spiel gerade nicht, dass jemand jeden Ton buchstabiert, sondern in vielen Fällen eine Skizze erstellt, die die wesentlichen Elemente des Textes abbildet.
Wenn ich also den Orchesterpart eines Mozartkonzertes von Blatt mit einem Schüler spiele dann spiele ich meist nicht genau was da steht, sondern Melodie, Bass und Harmonie in ad hoc improvisierter Fassung.
 
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Ja, ja, ohne zu üben direkt alles können...das ist schon eine schöne Wunschvorstellung..;-)
Das Prima-Vista-Spiel lässt sich übrigens nach längerem Unterricht auch üben- stets auf erheblich niedrigerem Spielniveau als dem derzeitigen Spielniveau. Setzt voraus, das ein gewisses Niveau schon erreicht ist.
 
Gutes Blattspiel (prima Vista) sollte nicht unterschätzt werden!!
Sich selbst ein musikalisch wie technisch stimmiges Bild von vielen Stücken in kurzer Zeit machen zu können, ist nicht nur für Korrepetitor und Klavierlehrer hilfreich, sondern für jeden der Klavier spielt!
Warum hier wieder die perverse Trennung von Musikalität und Technik und Spiel kommt bleibt rätselhaft. Ich kenne gute Blattspieler, die sofort und kompetent Musik machen, ich würde sogar sagen, das ist beim Blattspiel noch verwobener als beim Üben. Aber wer solchen unsinnigen Märchen wie:
'erst lerne ich die richtigen Tasten anzufassen und dann gieße ich musikalisch Sauce darüber' in verschiedenen Variationen glaubt, der kann sich auch nicht vorstellen, wie natürlich ein guter Blattspieler durch das mühelose und schnelle Erkennen der musikalischen Strukturen (bewusst und zuweilen unbewusst) auch technisch besser spielt.
Im Übrigen bedeutet gutes Prima Vista Spiel gerade nicht, dass jemand jeden Ton buchstabiert, sondern in vielen Fällen eine Skizze erstellt, die die wesentlichen Elemente des Textes abbildet.
Wenn ich also den Orchesterpart eines Mozartkonzertes von Blatt mit einem Schüler spiele dann spiele ich meist nicht genau was da steht, sondern Melodie, Bass und Harmonie in ad hoc improvisierten Fassung.
Lieber Kollege, das sind doch Binsenweisheiten: nicht jeder, der technisch anspruchsvoll spielen kann, ist auch musikalisch, der Musikalische aber, hat ein hohes, am Ausdruck orientiertes Technikniveau. Es gibt sehr virtuose Schuster am Klavier, die sehr wohl beweisen, dass man beide Aspekte differenziert betrachten sollte. Das Technik und musikalischer Ausdruck symbiotisch sind, ist nun wirklich keine neue Offenbarung.Mit Verlaub.
 

Das Prima-Vista-Spiel lässt sich übrigens nach längerem Unterricht auch üben- stets auf erheblich niedrigerem Spielniveau als dem derzeitigen Spielniveau. Setzt voraus, das ein gewisses Niveau schon erreicht ist.
Das dachte ich mir auch, dass Prima vista nur nach unten orientiert ist. Wenn ich, selbst mit viel Übung und auswendig Lernen, noch nie Triolen gespielt habe, wird´s auch nicht vom Blatt gehen.
 
Also rein sprachlich ist da für mich eindeutig ein Unterschied.
„Vom Blatt spielen“ bedeutet für mich lediglich das Gegenteil von auswendig spielen, man schaut beim Spielen also in die Noten.

Ich bin nun schon einige Jahre lehrend und spielend unterwegs und ich habe bislang unter Musikern ausschließlich folgenden Sprachgebrauch angetroffen:
Vom Blatt Spiel: ohne vorherige Kenntnis des Textes gespielt, also synonym zu prima Vista,
Von Noten gespielt (oder mit Noten): geübt aber mit dem Notentext vor Augen.

Auch wenn das nun sprachlich eventuell etwas unscharf sein mag, das ist die mir bekannte Sprachregelung bis in die Studienordnungen der Hochschulen hinein; wenn dort Blattspiel gefordert wird, dann ist das ohne, oder mit sehr kurzer Vorbereitung!
 
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...und wieder schlauer geworden...

Danke
 
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Das Prima-Vista-Spiel lässt sich übrigens nach längerem Unterricht auch üben- stets auf erheblich niedrigerem Spielniveau als dem derzeitigen Spielniveau.

Das gilt nicht unbedingt für's Korrepetieren. Da muss man oft Sachen vom Blatt anhörbar darstellen, die man auch nach längerem Üben bestenfalls annäherungsweise hinkriegt, weil sie mehr oder weniger unspielbar sind. Wer's nicht glaubt, kann ja mal den Beginn des 3. Rosenkavalier-Aktes üben. Oder Elektras Tanz. Oder das Finale aus dem Wozzeck. Oder die große Chorszene aus dem Holländer. Oder [hier beliebige Oper einsetzen]...
 
Das gilt nicht unbedingt für's Korrepetieren. Da muss man oft Sachen vom Blatt anhörbar darstellen, die man auch nach längerem Üben bestenfalls annäherungsweise hinkriegt, weil sie mehr oder weniger unspielbar sind. W

Und zuweilen schafft es der pianistische Instinkt sogar Spielformen zu finden, die man fast nicht oder gar nicht notieren kann!
Korrepetitions erfahrene (Blattspiel erfahrene!) Pianisten haben einen großen Vorrat an Spielfiguren die spontan eingesetzt werden!
Nicht soweit von Jazzpianisten entfernt, aber andere Muster!
Da braucht's nicht mal R. Strauss. Bach Klavierauszüge sind da öfters sensationell unpraktisch!
 

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