Unterschätzte Werke

Ja. Freud'sche Fehlleistung. Ich meine natürlich die Händel-Variationen. Obwohl die Haydn-Variationen auch toll sind, besonders in der Orchesterfassung. Auch, wenn das Thema überhaupt nicht von Haydn ist...

Dvorak hat ziemlich viel Klaviermusik geschrieben, wo ich Deine Beschreibung akzeptieren würde, aber bei den Variationen eher nicht. Im Übrigen ist die wilde Oktaven Variation selbst im halben Tempi noch ganz schön virtuos?
Die Variation mit den Sprüngen ist sicher nicht ganz einfach *), aber sie wirkt überhaupt nicht virtuos. Interessant ist, dass Dvorak diese Variation mit vi=de-Zeichen versehen hat, was ein Indiz dafür ist, dass er selbst den Zyklus nicht in erster Linie als Konzertstück, sondern als Hausmusik für Amateure gesehen hat.

Man kann das Stück übrigens durch passives farbloses Spiel ausgesprochen leicht ruinieren!
Das gilt wohl für jedes Stück. Ich finde die Variationen allerdings schon beim Lesen nicht besonders spannend. Sie sind sich charakterlich zu ähnlich, und für mitreißende Figuralvariationen fehlt ihnen der pianistische Glanz.

*) Allerdings auch nicht horrend schwierig - da gibt es von Brahms (Paganini-Variationen!) oder Liszt weitaus Schlimmeres!
 
Interessant ist, dass Dvorak diese Variation mit vi=de-Zeichen versehen hat, was ein Indiz dafür ist, dass er selbst den Zyklus nicht in erster Linie als Konzertstück, sondern als Hausmusik für Amateure gesehen hat.
Entschuldige die kleine Zwischenfrage, aber was ist ein vi=de-Zeichen und was sagt das konkret aus? Der Begriff sagt mir nämlich ehrlich gesagt absolut überhaupt nix, aber ich versuche euer Gespräch nachzuvollziehen. :-D

Zum Thema "unterschätzte Stücke"... was ist denn mit dem Spätwerk von Schumann, z.B. op. 133 (Gesänge der Frühe)? Im Gegensatz zu anderen Komponisten, bei denen oft das Spätwerk besonders geschätzt wird, werden von Schumann gefühlt überwiegend Stücke aus seiner mittleren Schaffensperiode gespielt. Sind seine späten Werke qualitativ einfach schlechter (wäre bei seiner vermutlichen geistigen Verfassung ja nicht extrem verwunderlich) als z.B. der Faschingsschwank, die Kinderszenen, die C-Dur-Fantasie und andere vielgespielte Werke aus seiner früheren und mittleren Schaffenszeit?
 
was ist ein vi=de-Zeichen und was sagt das konkret aus
Vide ist der Imperativ des lateinischen Verbs videre (sehen), bedeutet also wörtlich "siehe". Seit Rameau ist das die übliche Schreibweise für einen Sprung - man sieht das vi= und soll bis zum =de springen. Üblich ist das vor allem in der Oper, wo man aus szenischen Gründen die Musik oft kürzt. Dvorak hat an den Anfang der Variation vi= geschrieben und an das Ende =de. Das bedeutet einfach, dass man diese Variation auslassen kann.

was ist denn mit dem Spätwerk von Schumann
Die Violinsonaten, das Violinkonzert und das Cellokonzert werden viel gespielt und bestimmt nicht unterschätzt. Mit den Klaviersachen ist es ein wenig anders - ich glaube aber, dass es einfach daran liegt, dass er nach der 3. Sonate nichts mehr für Klavier geschrieben hat, was sich für einen großen Konzertsaal eignet. Auf CD findet man die späten Sachen jedenfalls oft; die Waldszenen sogar sehr oft.
 
Entschuldige die kleine Zwischenfrage, aber was ist ein vi=de-Zeichen und was sagt das konkret aus?

Zum Thema "unterschätzte Stücke"... was ist denn mit dem Spätwerk von Schumann, z.B. op. 133 (Gesänge der Frühe)
Vi-de bezeichnet die Möglichkeit, ein Stück zu kürzen. Ersteres Kürzel bezeichnet den Beginn der wegzulassenden Passage, letzteres das Ende - unerlässlich für Kapellmeister, die in Oper(ette)n teilweise erhebliche Kürzungen vornehmen müssen.

Zum späten Schumann: Habe des öfteren die drei Stücke Opus 111 gespielt, die ich als in sich sehr ungleichwertig empfinde. Da empfinde ich die „Geistervariationen“ ohne Opuszahl als trotz des verstörend-offenen Endes als in sich stimmiger... .

LG von Rheinkultur

Edit: mick war schneller...
 
Okay stimmt, dass Schumann die große Form in seinem Klavierspätwerk vermieden hat, kann natürlich wirklich ein Grund dafür sein, dass man das so relativ selten in Konzerten hört. So weit hatte ich nicht gedacht.

Danke auch an @Rheinkultur und @mick für die Erklärung zum Vi=de. In Klavier- oder Chorliteratur (also der Literatur, von der ich üblicherweise Noten in den Händen habe) ist mir das tatsächlich noch nie bewusst begegnet. Nach eurem Hinweis auf die Oper ist mir aber tatsächlich bewusst geworden, dass ich solche Vi=de-Zeichen unbewusst schonmal gesehen habe - im einzigen Opern-Klavierauszug (fliegender Holländer) von dem ich Noten besitze. Da ermöglicht Wagner mit solchen Vi=de-Anweisungen, dass die Oper am Stück durchgespielt werden kann anstatt die drei Akte musikalisch trennen zu müssen. :idee:
 
Leer heißt auf italienisch vuoto. Das Wort "vide" gibt's im Italienischen nicht.
Doch, als (altertümliche?) Verbform von "vedere" (sehen):

https://books.google.de/books?id=OR...EwAXoECAkQAQ#v=onepage&q="ch'il vide"&f=false

Auf französisch heißt "leer" tatsächlich "vide".

International wurde "vide" allerdings immer im lateinischen Sinne ("siehe") verstanden, darum scheint mir das die einzige schlüssige Erklärung.
 
Nach eurem Hinweis auf die Oper ist mir aber tatsächlich bewusst geworden, dass ich solche Vi=de-Zeichen unbewusst schonmal gesehen habe - im einzigen Opern-Klavierauszug (fliegender Holländer) von dem ich Noten besitze.
Ausdrücklich im Druck berücksichtigt sind meist nur besonders verbreitete und in der Praxis übliche Striche. Diese Zeichen begegnen einem eher in der Gestalt handschriftlicher Eintragungen, da die Striche in jeder Produktion andere sein können. Würde man jedes Bühnenwerk ohne Striche spielen, dürfte so manche Operette oder Spieloper mit Dialogen dreieinhalb oder vier Stunden dauern.

LG von Rheinkultur
 
Dvorak... die Sinfonien, besonders die letzte, das Violinonzert, das Cellokonzert, die Rusalka, das Requiem - ganz gewiss sind diese spätromantischen Meisterwerke nicht unterschätzt!
...das Klavierkonzert... was soll man da sagen?...wird das überhaupt in der originalen Fassung gespielt? Der Klaviersatz ist im Vergleich zu Grieg geradezu peinlich blass...kein Wunder, dass man - wenn überhaupt mal - nur die bearbeitete aufgepeppte Variante zu hören bekommt. Unterschätzt ist das Konzert nicht, es ist ok, dass es nahezu vergessen ist!...
Dvorak war kein Pianist, was man seinem Klaviersatz auf den ersten Blick ansieht - dennoch sind ihm ein paar wenige geniale Sachen mit Klavier gelungen: die Sonatine für Violine und Klavier g-Moll, das a-moll Trio und -------ja!!-------die Humoreske in Ges-Dur (die weniger Kitsch als vielmehr Parodie ist)
 

Maßlos unterschätzt sind Wagners Wesendoncklieder!
Keine der Bearbeitungen, Orchestrierungen kommt auch nur in die Nähe des Originals. Ich weiß nicht, wie und warum Wagner da eine absolut geniale Klavierbegleitung gelungen ist - ich kann nur staunen über den perfekten Klaviersatz. Sonderbar, denn alles andere, was Wagner für Klavier gemacht hat, erreicht diese Qualität nicht (bestenfalls das Albumblatt As-Dur kommt in die Nähe)*)
Vom Pianisten fordern diese Lieder allerfeinste Differenzierung, in einem dafür berüchtigtem Lied auch virtuose Technik (wer das gespielt hat, weiß welche Stelle ich meine)
Entgegen einiger veralteter Publikationen zählt der Klaviersatz dieser Lieder zum besten, was in dieser Gattung (Kunstlied) je komponiert wurde.

Wer das nicht glaubt, der kann ja probieren, das letzte der Lieder - Träume - zu spielen... aber Vorsicht: man muss verdammt gut spielen können dafür... Wunderbar sind die Aufnahmen mit Gerald Moore am Klavier!
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*) die Albumsonate ist klasse und unterschätzt - aber sie hat einen leer laufenden misslungenen Abschnitt (ungefähr 12 Takte)
 
dennoch sind ihm ein paar wenige geniale Sachen mit Klavier gelungen: die Sonatine für Violine und Klavier g-Moll, das a-moll Trio und -------ja!!-------die Humoreske in Ges-Dur (die weniger Kitsch als vielmehr Parodie ist)

Du meinst vermutlich die Sonatine op. 100 in G-Dur. Ein herrliches Werk! Außerdem fehlt in deiner Auflistung fehlt noch das geniale 2. Klavierquintett. Der Klaviersatz ist vielleicht nicht ganz so brillant wie in den Quintetten von Schumann oder Brahms, aber dafür deutlich einfacher zu spielen. Ist ja auch nicht zu verachten, wenn man's lernen muss! :lol:
 
Oh...die Sonatine ist in G-Dur? Meinetwegen, klasse ist die trotzdem;-):-D:-D(ist schon 20 Jahre her, dass ich die angeschaut habe...mir kommt es so vor, als sei der Kopfsatz in moll)
 
Oh...die Sonatine ist in G-Dur? Meinetwegen, klasse ist die trotzdem;-):-D:-D(ist schon 20 Jahre her, dass ich die angeschaut habe...mir kommt es so vor, als sei der Kopfsatz in moll)
Die berühmte „Indian Canzonetta“ steht tatsächlich in G-Moll. Fritz Kreisler fühlte sich zu einer Bearbeitung berufen, in der er dem Klavierpart einiges an schöner thematischer Substanz wegnahm und der Violine zukommen ließ. Das Ergebnis ist im Gegensatz zum Original sehr unbefriedigend, zum Glück hat sich diese Fassung über Kreislers Plattenaufnahmen hinaus nicht durchsetzen können.

LG von Rheinkultur
 
Dvorak war kein Pianist, was man seinem Klaviersatz auf den ersten Blick ansieht - dennoch sind ihm ein paar wenige geniale Sachen mit Klavier gelungen: die Sonatine für Violine und Klavier g-Moll, das a-moll Trio und -------ja!!-------die Humoreske in Ges-Dur (die weniger Kitsch als vielmehr Parodie ist)
Erwähnenswert finde ich durchaus noch die Biblischen Lieder op. 99 - übrigens wird die parodistische Humoreske ihrerseits immer wieder gerne parodiert.

LG von Rheinkultur
 
Und bei der KM von Dvorak ganz vorne dabei ist auch das Klavierquartett!
 
Ganz sicher sehr underrated ist das Nocturne Nr. 6 g-Moll op. 15,3. Großes Drama mit Kirchengesang und einem tragischen Ende!
 
Du meinst vermutlich die Sonatine op. 100 in G-Dur. Ein herrliches Werk! Außerdem fehlt in deiner Auflistung fehlt noch das geniale 2. Klavierquintett. Der Klaviersatz ist vielleicht nicht ganz so brillant wie in den Quintetten von Schumann oder Brahms, aber dafür deutlich einfacher zu spielen. Ist ja auch nicht zu verachten, wenn man's lernen muss! :lol:
Hallo!? Und was ist bitte mit dem Es-Dur Klavierquartett und dem Klaviertrio Op. 65?
Also wenn das keine geniale Musik ist, weiß ich auch nicht.
 
:bye: Tastendrücker hatte es ja schon erwähnt, aber ich hatte es zu spät gesehen.
 

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