Was haltet ihr von den Thesen von Wim Winters (AuthenticSound auf YT) zu Tempo-Angaben ?

Es gehört schon eine gewisse Ignoranz dazu, wenn man die durchaus vorhanden Quellen über das Metronom ignoriert und sich stattdessen eine wilde Theorie über halbierte Tempi zurechtbastelt:

Es ist nicht einmal eine Theorie, es ist eine an den Haaren herbeigezogene Hypothese, die sich der Herr als Ausrede für sein Klavierspiel zurechtgebogen hat, um zu rationalisieren, warum ihm die Chopin-Etüden im gebräuchlichen Tempo zu schwer sind.

Was bei dem Typen vor allem nervt, ist das konsequente Ignorieren von direkten und indirekten Beweisen, die seine Hypothese widerlegen, genauso wie er es konsequent vermeidet, einfach mal handfeste Beweise für seine Annahme zu liefern.

Mick, genau richtig, eben diese "Bedienungsanleitungen für das Metronom zu zitieren; sie stammen aus dem British Register von 1816 und der Allgemeinen Zeitung für Musik aus 1817 und sind klare Anweisungen für Komponisten, wie Tempi anhand des Metronoms korrekt zu notieren sind.

Nur mal kurz zusammengefasst, was gegen die Hypothese spricht:

  • Die von Mick angeführten Zitate aus der Entstehungszeit des Metronoms, veröffentlich in jeweils für die Sprache relevanten Publikationen.
  • Flügel aus der Chopin-Zeit waren leichtgänger, hatten weniger Schwungmasse, geringeren Tastentiefgang und eine geringfügig kleinere Mensur. all das macht es einem Pianisten im Vergleich zu heutigen Instrumenten einfacher, schneller zu spielen.
  • Zeitangaben für Konzerte zu Beethovens und Chopins Zeiten, deren Anfangs- und Endzeiten mit den jeweiligen Programmen nicht einmal ansatzweise in Einklang zu bringen sind mit der Hypothese des halben Tempos.
  • Konkrete Zeitangaben für spezifische Stücke, wie Liszts Interpretation der Hammerklaviersonate, die etwas eine Stunde dauerte. Rechnet man noch Beifall zwischen den Sätzen hinzu, entspricht das durchaus den Tempi laut Beethovens Metronomangaben, mal davon ausgehend, dass Liszt den langsamen Satz nicht in 6 Minuten heruntergerast hat.
  • Die Unmöglichkeit, einen Dreivierteltakt im Tempo irgendwie zu halbieren, vor allem, wenn es wie im Scherzo von Beethovens Op. 106 als 80 punktierte Halbe notiert ist.
  • Überlieferungen durch Zeitgenossen, die einen hohen Stand im damaligen Musikleben hatten und deren Schüler konsistente Tempi für Stücke aus der Romantik und Klassik hatten, die durch Tonaufnahmen belegt sind. Genannt seien hier die Schüler von Mikuli, Clara Schumann und Liszt.
  • Es fehlt eine in sich schlüssige Erklärung dafür, welche Komponisten zu dieser Hypothese zu zählen sind und ab wann es einen Bruch in der Überlieferung gegeben haben soll, weil schon in der Generation von Brahms, Grieg, Saint-Saens Aufnahmen existieren, die in ihren Tempi (Ja, auch Brahms Tempo im Ungarischen Tanz kann man identifizieren) durchgehend offenhörlich flott waren.
  • Es gibt keine einzige schriftliche Hinterlassenschaft eines namhaften (nicht einmal eines unbekannten) Musikers, der explizit von Metronomangaben spricht und dabei 1+1=1 anführt und erklärt.
Leider ist der Herr ein Spinner mit Sendungsbewußtsein und verbreitet seine absurden Ergüsse, ohne diese Punkte auch nur ansatzweise zu widerlegen. Stattdessen verweist er permanent auf seine eigenen Videos, die ja alles erklären (Und ihm durch jeden einzelnen Click bares Geld bringen). Seine gläubigen Jünger behandeln das Thema wie seinerzeit "Gelehrte" das geozentrische Weltbild, wo auch mit den absurdesten Erklärungen um sich geworfen wurde, um eine bestimmte Himmelskonstellation in ihrer Bewegung zu erklären.

Flat Earther sind auch gut in so etwas.
 
Vielleicht will Wim Winters auch nur einfach von der 440Hz-Verschwörung ablenken und damit verhindern, dass wir endlich den wahren Kammerton 432Hz haben. Das macht er nur, weil er einer von DENEN ist, denkt doch mal darüber nach!

Ups, mein Sticker am Handy gegen Elektrosmog ist abgegangen. Zuhause habe ich noch welche, bis dahin bleibt das Handy halt aus. Soviel sollte einem die geistige Gesundheit wert sein.

Grüße
Häretiker
 
Solche Theorien wie Herr Winters können nur Leute aufstellen, die nie halbwegs vernünftig Klavier spielen gelernt haben und sich daher nicht vorstellen können, dass bestimmte flotte Tempi bei richtiger Herangehensweise kein Problem sind.
 
Solche Theorien wie Herr Winters können nur Leute aufstellen, die nie halbwegs vernünftig Klavier spielen gelernt haben und sich daher nicht vorstellen können, dass bestimmte flotte Tempi bei richtiger Herangehensweise kein Problem sind.

Nun ja, die Ecksätze von op. 106 sind auch bei richtiger Herangehensweise im vorgeschriebenen Tempo ein Problem. Und ein paar andere Sachen auch. Nur war Beethoven das egal.

Der Geiger Ignaz Schuppanzigh beschwerte sich mal über "unspielbare" Passagen in einem Quartettsatz und fing sich eine deutliche Antwort ein:
Zitat von Ludwig van Beethoven:
Was kümmert mich seine elende Fidel, wenn der Geist aus mir spricht!
 
Seine gläubigen Jünger behandeln das Thema wie seinerzeit "Gelehrte" das geozentrische Weltbild, wo auch mit den absurdesten Erklärungen um sich geworfen wurde, um eine bestimmte Himmelskonstellation in ihrer Bewegung zu erklären.

Falls Du damit die Epizykel meinen solltest: Mit diesen "absurden Erklärungen" hat auch der Gelehrte (oder der "Gelehrte"?) Kopernikus noch gearbeitet. Erst Kepler hat damit aufgeräumt. Wobei die durch die Anziehungskraft benachbarter Planeten entstehenden Bahnstörungen erst seit Newtons Gravitationsgesetz erklärt werden konnten - fast 180 Jahre, nachdem Kopernikus seine Ideen erstmals zu Papier gebracht hatte.



Die würde ich eher mit den Anhängern von Wim Winters vergleichen.
 
Eure Meinung dazu würde mich interessieren!
Dazu gibt es eine brandneue Doku zu Tempi bei Ludwig van Beethoven und Carl Czerny, verbunden mit der Aufnahme von zwei Klaviersonaten (Opus 2,1 und Opus 110). Die Doku kann hier gesehen werden: https://www.youtube.com/playlist?list=PLmyAMFyZ8tYnKhwrcLkX6-DQKHyCXVp2K
Und hier geht's zu den beiden Sonaten: https://www.youtube.com/playlist?list=PLmyAMFyZ8tYn7Cfdnbr-PlhsCmrxZwYl7
 
Dazu gibt es eine brandneue Doku zu Tempi bei Ludwig van Beethoven und Carl Czerny

Der nächste Flat Earther.

Was genau an:


"... ist dieses so zu verstehen, dass in diesem, wie in jedem anderen Falle, jeder EINZELNE Schlag als ein Theil des beabsichtigten Zeitmasses anzusehen, und als solcher zu zählen sey; also nicht die BEYDEN (durch die Bewegung von einer zur andern Seite) hervorgebrachten Schläge.

verstehen diese Menschen nicht?

Die Präzision der Sprache wird in diesem Auszug aus einem Artikel aus der Wiener Allgemeinen Musikzeitung Nr. 7 vom 13.2.1817 noch durch die Typografie untermauert, die sich auch so im Original findet. Hier soll jegliches Mißverständnis konsequent vermieden werden.

Und trotzdem produzieren diese Flat Earthers ein Video nach dem anderen (Des Schreibens scheinen sie nicht mächtig zu sein) und ergehen sich stundenlang in Mutmaßungen, Andeutungen und postulieren ihre Hypothesen als die Wahrheit.

Und sie werden immer ganz still, wenn man sie fragt, wie man 80 punktierte Halbe aus dem Scherzo von Beethovens Op. 106 mit Metronom im halben Tempo üben und spielen soll.
 
Wie erklärt ihr Halbtempo-Adepten eigentlich die Tatsache, dass die meiste Vokalmusik (und auch so mancher Bläserpart in den Sinfonien und Konzerten Beethovens!) im halben Tempo praktisch unausführbar wird?

Wurde etwa nur Klaviermusik so langsam gespielt und alles andere "normal"?

Und warum eigentlich wählten ausgerechnet Czernys "Enkel" (z.B. Artur Schnabel oder Benno Moisewitsch, beide von Czernys Schüler Leschetitzky ausgebildet) geradezu auffallend rasche Tempi?

Fragen über Fragen...
 
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Dazu gibt es eine brandneue Doku zu Tempi bei Ludwig van Beethoven und Carl Czerny...


Ich habe mir die Folge angesehen, in der ein Artikel von Mälzel als "Evidenz" dafür präsentiert wird, daß Beethoven die Doppelschlagzählung verwendet haben soll. Dabei ist in dem Artikel überhaupt nicht von Einzel- oder Doppelschlagzählung die Rede.

Die völlig absurde "Argumentation" lautet schließlich so:

"Und es wird noch interessanter: Gegen Ende seines Artikels hier erwähnt Mälzel einige Komponistennamen, und unter diesen Komponistennamen finden wir den Namen Beethovens. Das heißt: Dieser Artikel, in meinen Augen, kann nicht anders verstanden werden, als daß Mälzel an Musikern wie u. a. Beethoven Kritik übt, daß diese Leute immer noch nach dem Doppelschlag zählen und nicht nach dem Einzelschlag, so wie er es für richtig hält."

Was Mälzel tatsächlich schreibt, ist folgendes:

"Ich mag hier nicht zum Lobe meiner Erfindung sprechen, die Herren Salieri, Eybler, Beethoven, Weigl etc. in Wien - haben bereits im October 1813, wo die Herren Cherubini, Mehul, Catel, Berton, Nicolo, le Sueur, Boieldieu etc. in Paris und Cramer, Ries, Clementi, Kalkbrenner, Viotti etc. in London schriftlich ihren Ausspruch über die Zweckmäßigkeit meines Instrumentes - niedergelegt, sie haben über seinen Nutzen nicht nur für Componisten sondern auch bey seiner Anwendung für Musiklehrer und Schüler sich so gründlich ausgesprochen, dass jede weitere Erwähnung als überflüssig geltend betrachtet werden kann.
Möchten diese Worte nicht mit Gleichgültigkeit überlesen werden, sondern die Herren Musiker zu einem höheren Interesse für meine Metronome auffordern, damit dieselben endlich in der Vollkommenheit deren sie fähig sind, von ihnen angewendet werden."

Mälzel übt mit keiner Silbe Kritik an den hier genannten Musikern, im Gegenteil: Er benennt sie als Kronzeugen für die zweckmäßige Art, seine Erfindung zu benutzen.


http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10527971_00357.html
 
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Das Interessante ist, daß Mälzels Metronom vor 200 Jahren überhaupt als erklärungsbedürftig angesehen wurde. Ich vermute, das liegt daran, daß seine Konstruktion das 2:1-Verhältnis fest eingebaut hat: Wenn man es auf 120 pro Minute einstellt, dann klickt es mit 2 Hz (logisch!), schwingt aber nur mit 1 Hz.

Ein andere Konstruktion (zum Beispiel ein rundes Uhrwerk, das beim Durchgang der 12 klickt), hätte wohl nicht weniger Erklärungsbedarf verursacht, weil Stundenzeiger der Uhr ja auch zweimal pro Tag durch die 12 läuft. ;-)
 

...man könnte es unter Fraktionszwang abtun, aber das hat mich nicht gehindert, alle Beiträge zu liken, die mit Argumenten und Fakten den Schwachsinn vom halbierten Tempo geohrfeigt haben. Zwar kam argumentativ nichts hinzu, was nicht auch schon auf den ersten beiden Seiten zu lesen war, aber es schadet nie, die sachlich richtigen Argumente in unterschiedlichen Formulierungen zu repetieren: in der vagen Hoffnung, dass sich das einprägt (oder besser noch: begriffen wird) :-D:-D:-D

Eine polemische Deutung aber war mir neu: dass die absonderliche "Theorie" die mangelnde Spieltechnik ihrer Adepten nicht nur kaschieren, sondern heiligen :heilig: soll :lol::lol::lol: ...ja...manches in den "Beweisvideos" klingt tatsächlich so, weil trotz angeblich "richtigem" (also lahmem) Tempo musikalisch, klanglich (Gestaltung) und auch technisch ärgerliche Unbeholfenheiten zu hören sind... das ist umso kläglicher, weil diese pianistischen Vogelscheuchen sich als richtig anpreisen... na kurzum: in der Sache ist da ein Grad der Peinlichkeit erreicht, den zu übertreffen nicht leicht ist!!! Trotzdem soll fairerweise erwähnt werden, dass Grete Wehmeier sehr wohl ausgebildete Pianist in war und spielen konnte - allerdings hatten ihre immerhin gekonnt gespielten Experimente mit den halbierten Tempi weder einen Aha-Effekt noch Begeisterung ausgelöst. Trotzdem hatte zumindest sie nicht so kläglich gespielt, wie die wunderlichen selbsternannten Meister in den Videos in diesem Faden.

Man kann den Scheiß (sich!) allein mit der Quellenlage zu Mälzels Metronom und mit punktierten Noten als Orientierung abtun - zu schweigen davon, dass das Hilfsargument von der plötzlichen Tempoverdopplung um 1850 von der Tempogestaltung der Komponisten widerlegt wird, die vor und nach 1850 wirkten (Liszt, Wagner, Verdi ua) und instruktive Tempoangaben, auch mit Metronom, vor und nach 1850 überlieferten.

Und weil es Spaß macht noch ein spekulatives "Argument": es gäbe keine Quellen über Chopins Virtuosität, wenn er 60 gespielt hätte, wo er 120 hingeschrieben hat :lol::lol::lol:
 
Ich verstehe die Argumentation für das halbierte Tempo ja auch nicht. Die Dinger wurden doch am Klavier nicht bekuckt (...ist der Prügel schon wieder zurück?) sondern gehört. Das wäre dann ja: klack-eins auslassen-klack.:-D
 
Ich verstehe die Argumentation für das halbierte Tempo ja auch nicht. Die Dinger wurden doch am Klavier nicht bekuckt (...ist der Prügel schon wieder zurück?) sondern gehört. Das wäre dann ja: klack-eins auslassen-klack.:-D

@BernhardRuchti beruft sich ja auf Czerny.

Czernys Anweisungen sind völlig klar (Pianoforte-Schule, 3. Teil):

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Und wenn Czerny Metronomangaben zu Beethoven liefert (Pianoforte-Schule, 4. Teil), dann bezieht er sich genau auf diese Anweisungen aus dem 3. Teil. Er setzt voraus, "dass jeder Pianist den unentbehrlichen Mälzl=schen Metronom (von der bessern, laut-schlagenden Art,) besitzt, und nach unsrer Angabe im 3-ten Theil dieser Schule benutzt".

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Für den 1. Satz von Beethovens op. 2 Nr. 1 gibt Czerny Halbe = 108 an. Also spielt man laut Czerny jede Halbenote "genau nach den hörbaren Schlägen des Metronoms".

"Der Character dieses ersten Satzes ist ernst und leidenschaftlich aufgeregt, kräftig und entschieden", schreibt Czerny.
In Czernys Kategorien würde man sich hier also mindestens in den Kategorien g.) "Rasch und entschieden" oder h.) "Leidenschaftlich bewegt" bewegen. (Der 4. Satz hat genau dieselbe Metronomangabe, diesen charakterisiert Czerny als "Stürmisch aufgeregt...")

Ruchti ignoriert sämtliche Angaben Czernys und entscheidet sich für b.) - "Tiefsinnig oder schwärmerisch").

upload_2018-9-13_13-29-30.png

http://hz.imslp.info/files/imglnks/usimg/5/5c/IMSLP317671-PMLP513421-czerny_pschule3.pdf
http://hz.imslp.info/files/imglnks/usimg/7/76/IMSLP317672-PMLP513421-Czerny_Pschule4.pdf
 
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Das Menuett in Beethoven op. 2, Nr. 1 ist laut Czerny "Humoristisch und lebhaft, so dass das Allegretto hier nicht in dem gewöhnlichen, ruhigen Masse zu nehmen ist."

Ruchti ignoriert auch diesen Hinweis. Er entscheidet sich für das glatte Gegenteil und bezeichnet das Menuett als "etwas Melancholisches, Inniges".

Nun ja, unfreiwilliger Humor kann auch "humoristisch" wirken.
 

flat-earth.jpg


Wait, what!?

Regards
Heretic
 
Vielleicht sollte man mal einen interdisziplinären Kongreß anregen. Da Sonne und Mond bekanntlich über der flachen Erde rotieren (und wahrscheinlich masselos sind bzw. die Gravitationsgesetze sowieso Humbug sind), gelten für ihre Bewegungen keine festen Naturgesetze. Es könnte also sein, daß die Sonne im 19. Jahrhundert viel langsamer ihre Kreise gezogen hat und ein Tag 48 Stunden (nach heutiger Zeitmessung) gedauert hat. Die damaligen Uhren waren auf einen 24-Stunden-Tag geeicht, aber eine Stunde dauerte tatsächlich 2 Stunden (nach heutiger Zeitmessung. Das würde doch alles erklären...
 

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