facile: Parallelstellen unterschiedlich

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Leberwurst

Guest
Guten Morgen, ich stolpere gerade über eine Stelle in der Sonate Facile von Mozart. Es geht mir um die markierten Parallelstellen im Bild unten. Da benutzt er zwei unterschiedliche Tonleitern für den - im Prinzip - gleichen Vorgang. Hat jemand eine Idee, warum er das tut? Vielleicht @mick oder @rappy ?

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Wir sind in der Durchführung nach dem Doppelstrich. Die markierten Stellen zeigen im Grunde die Darstellung einer neuen Dominante in Form einer Tonleiter. In beiden Fällen geht es nach moll. Aber im ersten Fall benutzt er eine komplette Durtonleiter und im zweiten Fall schon die Zieltonleiter a-moll. Die einzigen Unterschiede zwischen beiden Stellen: in Fall 1 geht es auf dem Grundton der Dominante los, in Fall 2 auf der Quinte und in beiden Fällen sind die Stimmen vertauscht, wodurch die Dominante einmal Grundakkord und einmal Sextakkord ist.

Mir scheint, wenn man im zweiten Fall analog zu 1 die E-Dur Tonleiter nimmt, wendet sich die Tonart nach A-Dur, also so:

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Was hat es damit auf sich?
 
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Ich habe den Eindruck, dass in Deiner Analyse einiges schiefläuft. Entweder verstehe ich manches nicht, oder Du liegst falsch.
Welche Quinte?
Was meinst Du mit "Zieltonleiter"?

Die Durchführung ist ja gerade dadurch gekennzeichnet, dass der Bezug auf das tonale Zentrum unklar wird. Erst mit der Reprise wird das tonale Zentrum (eigentlich C-Dur) wieder aufgenommen. Wobei Mozart da in der Sonata facile ja auch eine Überraschung bereithält und das Hauptthema plötzlich in F-Dur bringt.
 
Ja, scheint so ;-)

Die Quinte der Dominante.

Wobei Mozart da in der Sonata facile ja auch eine Überraschung bereithält und das Hauptthema plötzlich in F-Dur bringt.
Das ist nicht so besonders. Er ermöglicht damit nochmal den kompletten Modulationsweg vom Anfang, um am Ende wieder in C-Dur zu landen.
 
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Meiner Ansicht nach sind die beiden Stellen genau parallel. Eine Zwischendominante führt jeweils zu einer Molltonart. A-Dur -> d-moll und E-Dur -> a-Moll. Dass die A-Dur- und die E-Dur-Tonleiter etwas anders verlaufen, sorgt für Abwechslung. Ich kann nicht erkennen, warum Mozart auf die E-Dur-Tonleiter dann A-Dur folgen lassen sollte.

Doch, in der Tradition der Sonatenhauptsatzform ist es ungewöhnlich, die Reprise in der Subdominante zu beginnen.
 
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Im ersten Fall ist das Gis in der Tonleiter ein tonartfremder Ton.

Weil wir seit dem Takt davor die temporäre Tonart d-moll haben. IV. Stufe g-moll, V. Stufe A-Dur, dann I. Stufe d-moll.

"Funktionieren" tut das Gis, weil es diese Strebewirkung hin zum A hat und daher die harmonische Funktion der eigentlich dort angesagten kleinen Septime g irrelevant wird (umso mehr, als dieses Gis ja nur sehr kurz erklingt.) Das heißt, der melodische Verlauf "trumpft" das Harmonische. Das ist übrigens etwas, was eigentlich auch für Jazz-Improvisatoren wichtig ist: Es ist falsch, immer genau die "Chord Scale" zu nehmen, dann wird man immer anfängerhaft klingen. Sondern man muss hören und empfinden, wann ein "fremder" Ton melodisch schlüssiger klingt.

Und bei Stelle Nr. 2 sind wir ganz normal in a-moll, und die Tonleiter ist a melodisch moll.
 
Ah, jetzt habe ich es verstanden. :super:
 
@hasenbein hat Recht mit seiner Erklärung, aber es gibt noch einen kleinen anderen Aspekt:

Bei der ersten Stelle ist das erreichte d-Moll eine stabile neue Tonika. Durch die Bestätigung über 2 ganze Takte ist sie so klar etabliert, dass ihr das doppeldominantische gis überhaupt nichts anhaben kann.

Bei der zweiten Stelle ist das erreichte a-Moll alles andere als stabil: zum einen ist es "nur" ein Sextakkord, und zum anderen wird es nicht bestätigt, sondern ist Ausgangspunkt einer harmonisch unbestimmten Quintfallsequenz. Ein doppeldominantisches dis würde diese Instabilität zum Einsturz bringen, ganz besonders deshalb, weil es aufgrund seiner Position in der Mitte der Tonleiter melodisch gar nicht benötigt wird und deshalb umso mehr auffallen würde.
 
Mir erscheint mittlerweile nur die Position der fraglichen Töne im Lauf wichtig. Man kann nämlich analog zu 1 in Fall 2 eine E-Dur Tonleiter spielen, wenn sie von e' bis e" geht. Sieht (hört) das jemand anders?
 
Hallo Leberwurst,

es gibt noch eine ganz einfache Erklärung, die ich dennoch ein bisschen ausführen möchte, da die Kategorien und Denkweisen des 18. Jahrhunderts heute nicht mehr so vertraut sind.

Im ersten Fall ist es, wie schon festgehalten wurde, ein einfacher Grundakkord. Im zweiten Fall beeinhaltet der dahinterstehende Satz einen dissonanten Quintsextakkord der 7. (Oktavregel)-Stufe. Die dissonante verminderte Quinte kann man auf die betonte Zeit sogar latent hören, da in der Melodiestimme das d zuvor erklungen war und zu Taktbeginn eine Pause steht. Das d wandert aber letztendlich in die Bassdiminution und löst sich dann in den Basston c des darauffolgenden Sextakkords auf. Johann David Heinichen (bedeutender Theoretiker des Spätbarocks) würde hier von einer Verwechslung der Harmonie mit der Auflösung sprechen.

Also eigentlich: d - gis (5 6) - a (Bass-Stufenfolge: 1 - 4#->7 - 1), aber: 7 wird in 3 aufgelöst.

Noch einmal kontrapunktisch ausgedrückt (Heinichen spricht von den Fundamentalnoten, also dem dissonanten zweistimmigen Gerüst): d bildet eine Ligatur (Synkopendissonanz, die gebunden, also vorbereitet ist und aufgelöst wird) über gis, die sich nach c abwärts auflösen muss, während gleichzeitig das gis ins a schreiten muss. Dabei werden jedoch die Stimmen vertauscht und das c erscheint im Bass, das a oben.

D D A
D G# C

Kurzum: das d muss ein d bleiben, da es eine Dissonanz bildet und sich abwärts auflöst, und deshalb bleibt natürlich auch das c ein c.
Das d erklingt dabei aufgrund der Textur zwar nur innerhalb der Läufe, ist aber eine der Bassstufe in diesem Kontext angehörige Dissonanz, die „sous-entendu“ (nach Rameau) erscheint, also gleichsam unterschwellig mitgehört wird.
 
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vielen Dank, @rappy, Deine Beiträge sind immer sehr wertvoll. Es geht also um den Bass, wenn ich richtige verstehe. D.h., man könnte Fall 2 ebenso behandeln wie Fall 1, wenn die Stimmen vertauscht wären, es also genauso aussähe wie Fall 1 nur in a-moll, statt d-moll. Meine Tests scheinen das zu bestätigen. Interessant finde ich jetzt, daß das g# in Fall 1 keineswegs willkürlich zu sein scheint. Wenn man nämlich g nimmt, landet man unweigerlich in D-Dur. Kucksduhier:

tqgm3a9g.jpg


Wenn man hier den Schluß wie gehabt spielt, also mit b und f in der rechten Hand, klingt es doch etwas schräg bzw. das f ist nicht wirklich befriedigend. Ich schließe daraus, daß Mozart das g# ganz bewußt eingesetzt hat, um die Molltonart zu erhalten. Also: in der linken Hand entweder f-g oder f#-g#, wobei f-g m.E. etwas lasch aber nicht falsch klingt. Was meinst Du?
 
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@Leberwurst, deine Fragen gefallen mir auch gut, schön, dass du im Umgang mit dem Notentext so aufmerksam bist – das erlebt man selbst unter Studierenden äußerst selten (dazu noch ein extra Thread...)

Klar, mit fis und g hast du ja eine D-Dur-Skala, die nach D führt. Der Querstand, der hier zwischen mehreren Tönen auch zum Reiz der Stelle beiträgt, ist dann nur mit fis-f sehr unschön.
Nur mit f und g sind zwei Querstände weg, sozusagen eine gute Prise weniger Pfeffer: sicher einer der Gründe, dass es dir "etwas lasch" vorkommt.
 
@rappy ...meinst du, dass Mozart stets ganz streng und brav in spätbarocken harmonischen Kategorien (Heinichen etc) gedacht hat?
 
Zumindest eher als in den heute verbreiteten der modernen Harmonielehre oder gar Funktionstheorie. ;)

Rein rechnerisch: Heinichens Traktat ist 1728, also 28 Jahre vor Mozarts Geburt geschrieben worden. Heute sind wir 227 Jahre von Mozarts Tod entfernt. Die moderne Funktionstheorie ist zwar älter, aber immerhin in ihrer heutigen, im wesentlichen auf Wilhelm Maler (1931) zurückgehenden Form 140 Jahre nach Mozarts Tod formuliert worden.

Entscheidender ist aber: Generalbass (inkl. Oktavregel usw.) ist auch noch in Mozarts Zeit das Fundament der Kompositionslehre, was beispielsweise aus dem Zitat von Albrechtsberger (geschätzter Kollege Mozarts), das ich in dem anderen Thread in Ausschnitten wiedergegeben habe, deutlich wird. Das fängt an mit dem Satz: "Der Generalbaß ist die Fundamental-Basis der ganzen Musik". Weiter: "[...] Der Generalbaß lehrt uns, jede Composition, für welches Instrument sie auch immer geschrieben, so üppig sowohl die Hauptstimme, als die sie begleitenden figurirt, und mit glänzenden Passagen ausgestattet seyn mögen, auf ihre einfachen, ursprünglichen Grund- und Stamm-Accorde zu reducieren; er gestattet uns einen Blick in das entschleyerte, innerste Heiligthum, zeigt den ganzen geheimnißvollen Bau eines Kunstwerkes im Skelet [...]"

... also das, was ich oben angedeutet habe: die Rückführung der Passagen auf einen dahinterstehenden Generalbasssatz.

Ob Mozart in Heinichens spezifischeren Kategorien gedacht hat, kann ich natürlich nicht sagen. Mozart hat ja sein Handwerk vor allem über seinen Vater gelernt. Dieser wiederum hat seine Ausbildung in den 30ern erhalten, als Heinichens Traktat also brandaktuell war.
Immerhin bei C. P. E. Bach sind Heinichens Kategorien sehr präsent, wie man im Kapitel zur freien Fantasie sehen kann. Abwegig ist es also zumindest nicht.

Außerdem ist Heinichens Theorie ja nicht gerade brav, sondern beschreibt sehr moderne Phänomene der Dissonanzbehandlung.
 
Die Originale von Heinichen sind wirklich schwer zu lesen. Gibt es das auch in abgeschriebener Form?
 
Gleiches Thema, andere Stücke: in zwei allgemeinen Lieblingsliedern schwenkt es urplötzlich von a-moll/C-Dur nach e-moll ein, ohne jede Modulation. Und in der Adeline geht es auch problemlos zurück. Bei Mozart geht es im Anschluss weiter mit C-Dur, als ob nichts gewesen wäre...

Warum klingen die markierten Stellen in beiden Stücken tatsächlich mit f# besser als mit f?

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Warum klingen die markierten Stellen in beiden Stücken tatsächlich mit f# besser als mit f?
e-moll als Molldominante zu a-moll braucht doch in diesen Fällen keine Modulation. Und e-moll enthält eben fis und nicht f als leitereigenen Ton, womit fis besser als f klingt? Oder ist das jetzt zu einfach gedacht?

Vor allem beim Mozart-Beispiel handelt es sich hier ja um einen klassischen achttaktigen Satz, der von der in der Tonika beginnt und in der Dominante endet. Da sehe ich auf den ersten Blick nichts besonderes daran. Ich hoffe aber, ich bin hier nicht auf dem Holzweg und habe die Frage richtig verstanden.
 
Mozart landet ja nicht auf der Dominante (E-Dur), sondern in e-moll. Und im Beispiel von Herrn Clayderschrank geht es direkt im nächsten Takt mit f weiter. Außerdem ist man vorher nicht in a-moll, sondern auf der vi von C-Dur. Mir scheint hier die phrygische Stufe mit der kleinen Sekunde irgendwie eine Sonderstellung einzunehmen.
 
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