Kommunikation im Klavierunterricht

Ja, jeder (gute!) Unterricht ist individuell. Völlig richtig.

Allerdings darf das nicht dazu führen, dass man das Narrativ "jeder Mensch ist völlig individuell, man kann doch Menschen nicht über einen Kamm scheren etc.", das heutzutage ja so beliebt ist, für wahr hält.

Gutes Unterrichten entsteht auch dadurch, dass man mit zunehmender Lehr- und Lebenserfahrung weiß, wie Menschen so ticken, und was Schüler im allgemeinen zu tun oder nicht zu tun geneigt sind. Typisches, überhaupt nicht weiter hervorhebenswertes Beispiel aus einer gestrigen Stunde: Schülerin kann Stück zu 75% prima spielen, aber der letzte Abschnitt (in dem nochmal was Neues passiert) geht überhaupt nicht. Ich zu ihr freundlich lächelnd: "Liebe Zoe-Saphira (nein, sie heißt nicht wirklich so, ich mache mich nur gerne über heutige vergebene Vornamen lustig), korrigiere mich bitte, wenn ich falsch liege, aber ich gehe mal davon aus, dass Du bei dem letzten Abschnitt gedacht hast: 'Oh nee, da muss ich wieder neue Töne und Rhythmen lesen, das erscheint mir irgendwie zu anstrengend' und diesen daher eher... räusper... gar nicht geübt hast, richtig?" Sie kam natürlich nicht umhin, mir das zu bestätigen.

In jenem Fall geht es also überhaupt nicht um irgendwelche Methodiken oder gar individuell zugeschnittene Methodiken, wie die Stelle zu erarbeiten sei, sondern lediglich um die hinlänglich bekannten unzweckmäßigen Arbeits- bzw. Arbeitsvermeidungsweisen typischer Schüler.

Lieber Klavierschüler, der Du das hier liest: Standardmäßig musst Du davon ausgehen, dass Du eben NICHT eine "special snowflake" bist, sondern in den meisten Hinsichten typisch bzw. in eine diesbezügliche Schublade einordnbar und daher für einen guten, erfahrenen KL durchschau- bzw. berechenbar.

Schüler (insbesondere im Erwachsenenbereich), die im Unterricht immer wieder betonen "ICH bin nun mal so, und MICH muss man nun mal so und so unterrichten, sonst geht das nicht!" und sich sträuben, irgendwas zu tun, mit der Begründung "ich bin nun mal so und so veranlagt, so ein Lerntyp, BLAAA BLAAA BLAAA..." gehören nicht selten zu den nervigsten und lernresistentesten Schülern, die man so hat.
 
in diesem Beitrag schreibe ich ausdrücklich, dass es mir um Klavierunterricht und um Lehrer geht.
Für mich definiert sich eine persönliche Beziehung mit mehr als nur Kommunikation untereinander. Wenn ich mit jemanden Fremden freundlich auf der Straße rede habe ich mit ihm/ihr (noch) keine persönliche Beziehung.
Meine Statement hat selbstverständlich auch für das Klavier lernen Gültigkeit.
Bsp.: Jemand kann regelmäßig einen Meisterkurs belegen. Klar reden Lehrer-Schüler miteinander, aber sachlich (siehe Ausführungen weiter unten), sie brauchen aber sonst nicht die geringste Beziehung zueinander. Kleiner Raum, Nähe, etc. alles Pillepalle.

Ein respektvoller Umgang zw. Lehrer-Schüler setze ich als Erwachsener voraus. Wenn der Lehrer patzig gar verletzend wird oder mich einmal angreift teile ich ihm das mit, er kommt nicht lange damit durch. Wenn nicht fliegt der Lehrer, so einfach ist das.

Verweise dich auf das Kommunikationsquadrat von Friedemann Schulz von Thun. Schon mal gehört? Habe das Gefühl es ist dir nicht bekannt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Vier-Seiten-Modell
Dort gibt es die Sachebene wie ein Empfänger eine Botschaft aufnehmen kann. Und es gibt die Beziehungsseite wie ein Empfänger die Nachricht aufnehmen kann.
Bsp.: KL sagt zum Schüler: „Du hast diese Stelle schlecht gespielt“
Wahrnehmung Schüler Sachebene: Stelle wurde nach erfahrener Einschätzung des Lehrers schlecht gespielt.
Mögliche Wahrnehmung Schüler Beziehungsebene (als Bsp.): Schon wieder kritisiert er mich. Nichts kann man ihm recht machen. Ich werde das nie richtig schaffen. Der Lehrer ist doof.

Als wertschätzende Kommunikationsmittel lehne ich allerdings Beleidigungen, Anbrüllen, Lob und Tadel ab!
Du verwendest tatsächlich kein Lob?? Das finde ich ganz schlecht. Jeder Mensch sehnt sich nach Anerkennung. Das ist der Trick von Facebook und co, habe vor einigen Wochen da mal eine Doku gesehen. Leute Posten etwas und wollen dafür Anerkennung (likes, feedback etc.) das schüttet Endorphine aus und man ist (vorübergehend) glücklich.
Du entziehst dem Schüler dieses positive Gefühl, wenn du nicht Lobst.
 
Für mich definiert sich eine persönliche Beziehung mit mehr als nur Kommunikation untereinander. Wenn ich mit jemanden Fremden freundlich auf der Straße rede habe ich mit ihm/ihr (noch) keine persönliche Beziehung.
Meine Statement hat selbstverständlich auch für das Klavier lernen Gültigkeit.
Bsp.: Jemand kann regelmäßig einen Meisterkurs belegen. Klar reden Lehrer-Schüler miteinander, aber sachlich (siehe Ausführungen weiter unten), sie brauchen aber sonst nicht die geringste Beziehung zueinander. Kleiner Raum, Nähe, etc. alles Pillepalle.

Ein respektvoller Umgang zw. Lehrer-Schüler setze ich als Erwachsener voraus. Wenn der Lehrer patzig gar verletzend wird oder mich einmal angreift teile ich ihm das mit, er kommt nicht lange damit durch. Wenn nicht fliegt der Lehrer, so einfach ist das.

Verweise dich auf das Kommunikationsquadrat von Friedemann Schulz von Thun. Schon mal gehört? Habe das Gefühl es ist dir nicht bekannt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Vier-Seiten-Modell
Dort gibt es die Sachebene wie ein Empfänger eine Botschaft aufnehmen kann. Und es gibt die Beziehungsseite wie ein Empfänger die Nachricht aufnehmen kann.
Bsp.: KL sagt zum Schüler: „Du hast diese Stelle schlecht gespielt“
Wahrnehmung Schüler Sachebene: Stelle wurde nach erfahrener Einschätzung des Lehrers schlecht gespielt.
Mögliche Wahrnehmung Schüler Beziehungsebene (als Bsp.): Schon wieder kritisiert er mich. Nichts kann man ihm recht machen. Ich werde das nie richtig schaffen. Der Lehrer ist doof.


Du verwendest tatsächlich kein Lob?? Das finde ich ganz schlecht. Jeder Mensch sehnt sich nach Anerkennung. Das ist der Trick von Facebook und co, habe vor einigen Wochen da mal eine Doku gesehen. Leute Posten etwas und wollen dafür Anerkennung (likes, feedback etc.) das schüttet Endorphine aus und man ist (vorübergehend) glücklich.
Du entziehst dem Schüler dieses positive Gefühl, wenn du nicht Lobst.

Lieber lexel,

aus meiner Sicht habe ich zu dem Thema das Wesentliche gesagt und auch Literaturtipps gegeben. Auch zum Thema Lob.

Das Vier-Ohren-Modell kenne ich - es zeigt gerade, dass es keine rein sachliche Kommunikation gibt.

Liebe Grüße

chiarina
 
Gutes Unterrichten entsteht auch dadurch, dass man mit zunehmender Lehr- und Lebenserfahrung weiß, wie Menschen so ticken, und was Schüler im allgemeinen zu tun oder nicht zu tun geneigt sind.
.

Kann eine böse Falle sein, insbesondere für den, der da eingeschätzt wird aufgrund einer Lehr- und Lebenserfahrung eines anderen.
Dessen Wahrnehmung und Einschätzung kann völlig daneben sein.

Dieses gilt auch für den sogenannten "gesunden Menschenverstand".
 
Selbstverständlich können sich Menschen täuschen und können auch mal gravierende, folgenreiche Irrtümer auftreten.

Aber das als Gegenargument zu verwenden ist hirnrissig - das ist mal wieder das altbekannte, nervige "es gibt Ausnahmen, also gilt die Regel nicht". Augenroll.

Lest mal den "Knigge". Gutes Beispiel für Menschenkenntnis und gesunden Menschenverstand,eingesetzt, um besser mit Menschen und im Leben klarzukommen.
 
Lest mal den "Knigge". Gutes Beispiel für Menschenkenntnis und gesunden Menschenverstand,eingesetzt, um besser mit Menschen und im Leben klarzukommen.

Nein, ich verlasse mich auf meine fachliche Ausbildung, meine Fachbücher, auf den Austausch mit Psychologen, Psychiatern, Psychotherapeuten, Theologen, u.s.w. In regelmäßig stattfindenden Fortbildungszirkeln, Supervisionen, Balint-Gruppe etc.
 
Nein, ich verlasse mich auf meine fachliche Ausbildung, meine Fachbücher, auf den Austausch mit Psychologen, Psychiatern, Psychotherapeuten, Theologen, u.s.w. In regelmäßig stattfindenden Fortbildungszirkeln, Supervisionen, Balint-Gruppe etc.

Auweia.

Ich bin zum Glück in der Lage, mein Leben einigermaßen auf die Reihe zu kriegen, ohne dauernd zu vermeintlichen Experten hinzurennen oder in irgendwelchen Gruppen alles zu zer-diskutieren...
 
Auweia.

Ich bin zum Glück in der Lage, mein Leben einigermaßen auf die Reihe zu kriegen, ohne dauernd zu vermeintlichen Experten hinzurennen oder in irgendwelchen Gruppen alles zu zer-diskutieren...

Ist doch in Ordnung, Hasenbein! Jeder soll für sich selbst entscheiden, wo er sein Wissen und seine berufliche Qualifikation auffrischen und erweitern kann.
 

Lieber Klavierschüler, der Du das hier liest: Standardmäßig musst Du davon ausgehen, dass Du eben NICHT eine "special snowflake" bist, sondern in den meisten Hinsichten typisch bzw. in eine diesbezügliche Schublade einordnbar und daher für einen guten, erfahrenen KL durchschau- bzw. berechenbar.

Schüler (insbesondere im Erwachsenenbereich), die im Unterricht immer wieder betonen "ICH bin nun mal so, und MICH muss man nun mal so und so unterrichten, sonst geht das nicht!" und sich sträuben, irgendwas zu tun, mit der Begründung "ich bin nun mal so und so veranlagt, so ein Lerntyp, BLAAA BLAAA BLAAA..." gehören nicht selten zu den nervigsten und lernresistentesten Schülern, die man so hat.
Leider nur zu wahr... ich habe auch viel Zeit verloren, indem ich mich gesträubt habe, einfach anzunehmen, was mir diverse Profis gesagt haben, weil ich es nicht einleuchtend fand etc. Nun würde ich sagen, dass ich schlicht in dem Maße weitergekommen bin, wie ich angenommen habe, was man mir an wohlmeinendem Rat gegeben hat.

lg marcus
 
Du verwendest tatsächlich kein Lob?? Das finde ich ganz schlecht. Jeder Mensch sehnt sich nach Anerkennung. Das ist der Trick von Facebook und co, habe vor einigen Wochen da mal eine Doku gesehen. Leute Posten etwas und wollen dafür Anerkennung (likes, feedback etc.) das schüttet Endorphine aus und man ist (vorübergehend) glücklich.
Du entziehst dem Schüler dieses positive Gefühl, wenn du nicht Lobst.

Wieso braucht jemand von seinem Trainer Anerkennung?
Ich bezahle für sachliche Kritik, aber nicht für Verhätschelung oder Motivation.

Die Anerkennung gibt's NACH viel Fleiß, konzertrierter Arbeit und auch Verzicht, in Form von Applaus nach dem Vortrag. Aber nicht auf dem Weg dorthin.

Wenn man's nicht auf die Bühne schafft, dann ist oft auch die reine Arbeit Endorphinspender genug.
Merkwürdig, dass man oft bewundert wird, wenn man etwas kann, à la: das könnte ich auch gerne.
Aber niemand will das Nötige dafür tun, ohne von einer Lehrkraft dort hingelobt und hinmotiviert zu werden.

Irgendwie will jeder in den Himmel, aber niemand dafür sterben.
 
Dss liegt daran, dass die Motivationen zum Instrumentlernen oft nicht so sehr intrinsisch sind (d.h. man findet Musik und wie sie funktioniert AN SICH spannend und will dahintersteigen), sondern narzisstisch motiviert sind.

Man möchte sich beweisen, dass man noch nicht total alt und verrostet ist. Man möchte was vorspielen können und dafür dann Anerkennung einheimsen. So was in der Art.

Und weil man eigentlich das Selbstbild hat "eigentlich bin ich doch schon zu alt, zu blöd oder zu unmusikalisch" (das dadurch verstärkt wird, dass man ja oft genau weiß, dass man es schon wieder nicht geschissen gekriegt hat und schon wieder zu wenig geübt hat oder wider besseres Wissen FALSCH und schlampig geübt hat!), empfindet man Kritik oder eben auch schon Nicht-Lob als "Ah, siehste, der KL sieht es genauso, ich bin ein wertloses piece of shit, hat alles keinen Zweck". Immer wieder gelobt zu werden wird gebraucht, um sozusagen wie in einem lecken Boot das Wasser in Eimern rauszuschippen, damit man nicht sinkt - damit man immer wieder das verzweifelte, deprimierte Selbstbild mit kurzzeitigen Appellen an den narzisstischen Gegenpol der Grandiosität "übertünchen" kann. Durchaus ein bisschen so wie die Social-Media-Nutzerin, die dauernd Selfies hochlädt, um sich aufgrund der Likes und Kommentare kurzzeitig nicht mehr ganz so entleert und beschissen zu fühlen.
 
@Debösi @méchant village @KrautundRueben und alle sonst, die ab und zu mal unterricht bei mir haben / hatten - lobe ich viel oder wenig? :-D

Meinem Gefühl nach lobe ich wenn, dann zu einem höheren Prozentsatz das Verhalten und zu einem geringeren die Person. Und wenn die Person, dann meistens Fähigkeiten, wie ein gutes Gehör oder Musikalität. Deckt sich das mit eurem Eindruck?

Etwas spät meine Antwort: Dein Eindruck deckt sich mit meinem. Ich hatte ja noch nicht viel Unterricht bei dir. Folgende Lobs sind mir noch im Gedächtnis:
"Das klingt ja schon nach Musik" bei der Bach Partita e-Moll Corrente
"Dein Pianospiel gefällt mir gut" beim Chopin c-Moll Prelude.
Beide Lobs haben mich motiviert :-)
 
KL sagt zum Schüler: „Du hast diese Stelle schlecht gespielt“

:denken: Nee, das sagt er/sie nicht.

Er sagt vielleicht: "Hier bist Du völlig ausm Rhythmus raus" oder "über diese Stelle müssen wir reden, Du hast sie wohl musikalisch nicht verstanden" oder auch "diese Stelle wird Dir klar, wenn Du sie so spielst, wie sie notiert ist" (:-D). Irgendetwas Konkretes.


Zum Lob:

Das Lob kommt aus der Dressur. Man bringt ein Lebewesen dazu, etwas zu tun, was man möchte, meistens ein Tier oder ein Kind. Das betroffene Lebewesen sieht keinen wirklichen Sinn in dem, was es tun soll, aber es findet die Zuwendung in Form des Lobes prima, also macht es z. B. "Sitz". Dann kommt das Lob, und hierbei ist das Lob wirklich essenziell, denn das Lebewesen (Tier oder Kind) hat (noch) kein Einsehen in den Sinn dessen, was es tun soll, braucht aber irgendein Motiv. Die Handlung wird nicht um ihrer selbst willen ausgeführt, sondern um etwas Handlungsfremdes zu erzielen (Zuwendung, Leckerli, Streicheleinheit).

Das "Lob", von dem wir bei einsichtsfähigen Menschen sprechen, ist kein Lob im eigentlichen Sinn, sondern Ausdruck von Anerkennung. KL erinnert sich gut an die mühsame Unterrichtseinheit zuvor, in der eine Passage noch gar nicht klappte. In der folgenden Unterrichtseinheit läuft sie brillant. KL kann sich vorstellen, wie intensiv die Passage geübt wurde, empfindet Anerkennung dafür und verbalisiert das womöglich. Muss aber nicht sein, denn dass die Ekelstelle jetzt flutscht, ist dem Lernenden ja selbst mit einem gewissen Stolz bewusst, und "Lob" braucht er dafür auch keins, denn es liegt ja in seinem eigenen Interesse, das Stück zu erarbeiten.

Das schönste Lob ist der offenstehende Mund oder die feuchten Augen der Lehrkraft. :super:
 

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