Studien zum Klavierklang

Hallo Tastateur,

bist Du Dir sicher, dass die Implementierung oder Parametrierung der Hüllkurven korrekt ist? Wenn ich mir den oberen der zwei letzten eingebundenen Titel anhöre, dann höre ich vor allem bei den längeren Noten ein Anschwellen der Obertöne. Insgesamt klingt der Anschlag für mich such zu "lasch". Welche "Attack" Zeit hast Du denn modelliert?
 
Ich freue mich, dass der Thread konstruktiver wird, ihr auf den Klang selbst eingeht statt es dabei zu belassen, dass es kein Klavier ist. Damit kann ich arbeiten.

Nach einigen Tagen Pause kann ich also sagen, jo, da muss man einige Augen zudrücken, bis man da etwas Richtung Klavier erkennt. Es gibt zwar stärkeren Attack als in den ersten publizierten Versionen (eine Drittelsekunde im Bass bis ein paar wenige Hundertstelsekunden im höchsten Diskant, wobei sich das von Teilton zu Teilton unterscheidet). Allein das macht aber noch keinen Klavierklang.

bist Du Dir sicher, dass die Implementierung oder Parametrierung der Hüllkurven korrekt ist?
Nein, ich bin mir nicht ganz sicher, Fehler sind immer möglich. Dagegen hilft nur wagemutiges Testen und aufmerksames Hören. Um mich nicht in die Perfektionierung des Klavierklangs zu verlieren, habe ich mich die letzten Tage mit Experimentalklängen von Grund auf beschäftigt. Heute gerade schon wieder einen Fehler entdeckt und korrigiert, der auf den Klang des Klaviers (manchen anderen schon) aber keinen Einfluss hat. Wenn die Sustainphase stärker wird als der Attack, ist es schon mal sehr unüblich, wenn nicht sogar physikalisch unmöglich, aber die Hüllkurve darf dadurch so oder so nicht das eingestellte Amplitudenmaximum für den Teilton überschreiten, sondern muss entsprechend skaliert werden.

Was halt wirklich noch stark herauszuarbeiten ist, das ist der charakteristische Sofort- und Nachklang. Der Sofortklang ergibt sich aus der vertikalen Auslenkung, die der Hammer auf die Saiten überträgt. Der Nachklang besteht dagegen durch vorwiegend horizontale Schwingungen, wodurch die Saiten eines Chores (drei Stück, angeschlagen vom selben Hammer) Energie austauschen und zusammen aufrechterhalten. Am Anschwellen der niederen Obertones gedenke ich erst mal festzuhalten. Das ist besonders für den Sofortklang entscheidend, da muss er sogar kurz den Grundton überholen in der Amplitude. Die mittleren Obertöne müssen im Nachklang dafür geringer ausfallen, sie dürfen nicht stärker sein als die höheren.
Das sind aber natürlich alles Vermutungen, die ich experimentell überprüfen muss. Aufgrund meines noch wenig ausgebildeten Gehörs – dazu braucht es Jahre, gar Jahrzehnte – sollte ich aber wirklich auch visuelle Analysemethoden benutzen, sowenig Spaß mir das auch machen wird.
 
Hier mal wieder ein Zwischenstand. In meinem Buch "Musiktheorie für Dummies" ist eine CD-Beilage mit Hörbeispielen, und dort Titel 63 enthält ein halbes C4 und ein halbes C5, und so habe ich einen ganz guten Vergleich. Siehe Wavelet-Abbildung in Audacity: c4-c5.png . Dass das Signal des Referenztons im rechten und linken Kanal so unterschiedlich ist, ist ein Hinweis darauf, dass hier ein echter Flügel im Studio aufgenommen wurde. Sorry, dass ich das MP3 nicht online stellen kann, wegen Urheberrecht, ja das gilt auch für Teile. Da ihr ja selbst Klaviere oder Flügel habt, sollte es aber kein Problem sein. Mein Synthat kann ich natürlich hochladen (Wavelet s. obere Monospur), und ja, es hat meinetwegen immer noch so wenig mit einem Klavierklang zu tun wie Trump mit Frauenrechten :-D, oder, ein Rohdiamant mit einem Brillanten. Für das Auge stellt sich der Unterschied nicht so deutlich dar.

Hieraus lässt sich erkennen, dass C5 bei meinem Klavier zu obertonstark ist. Dies gilt auch für C4. Generell müssen die Obertöne noch schneller abklingen.
 

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Der erste Ton geht Richtung "Electro Piano" (Sound auf vielen Digis).

Den zweiten könnte man einer nicht allzu wertigen Spielzeug-Roboterkatze einprogrammieren.
katze.gif
 
Den zweiten könnte man einer nicht allzu wertigen Spielzeug-Roboterkatze einprogrammieren.
Wie kommst du auf diesen Vergleich? Hersteller von Roboterkatzen werden die Lautäußerungen von Katzen soweit vereinfachen, dass ein "Meow" rauszuhören ist. Hörst du das echt daraus? Okay, was den vokalischen Teil betrifft, yo, geht in die Richtung von "eow", das kann man aber, wenn man sich anstrengt, auch aus dem Klang eines echten C5 vom Flügel raushören. Gut, man kann, wenn man sich noch mehr anstrengt, aber auch einen Ferrari raushören oder eine Kesselpauke. Aber das "m-" fehlt halt. Bei echten Katzen ist das "m-" nicht immer zu hören, aber Spielzeugkatzen würden von Kindern zurückgewiesen mit der Bemerkung: "Nach längerem Überlegen bin ich zu dem Schlüss gekommen, dass es sich hierbei nicht, wie wohl vom Hersteller intendiert, um das Miauen einer Katze handelt, sondern um das C5 eines E-Pianos." (meine Beispielkinder stammen gerne von Goethe ab.)

So, ich lass die Obertöne steiler abschwellen. Visuell ist es näher an der Referenz: c4-c5.png
 

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Blöde Frage: Warum nimmst Du nicht bereits als gut erabeitete Samples, die unter einer entsprechend freien (OSI-)Lizenz veröffentlicht worden sind? Vielleicht habe ich ja etwas falsch verstanden, aber es macht mir den Eindruck, dass Du das Rad neu erfinden willst.
 
Blöde Frage: Warum nimmst Du nicht bereits als gut erabeitete Samples, die unter einer entsprechend freien (OSI-)Lizenz veröffentlicht worden sind? Vielleicht habe ich ja etwas falsch verstanden, aber es macht mir den Eindruck, dass Du das Rad neu erfinden willst.

Nö, er versucht Räder zu analysieren, in dem er sie baut.

Es gibt ja auch leute, die wollen selbst Klavier spielen, obwohl man weit bessere Einspielungen auf CD kaufen kann, hab' ich gehört. Für diese Leute gibt es sogar ein Forum ... :-)

Grüße
Häretiker
 
Ich hatte schon mit Midi und freien Samples rumprobiert. Ohne Keyboard und ohne die motorische Fähigkeit, in die Tasten zu hauen, macht das keinen Spaß. Man muss überall aus vorgegeben Alternativen endlicher Anzahl auswählen und diese arrangieren.
Ob das, was ich jetzt aus Text mache, "Musik" ist, darüber kann man geteilter Meinung sein. Auf jeden Fall lerne ich was über Musik, das mir Klavierunterricht allein vielleicht nicht geben kann. Nicht zuletzt ist mit dem Selbermachen eine steilere, herausfordernde, dafür befriedigendere Lernkurve verbunden. Eine ganze Industrie bedient DIY-Apologeten.
 
Also, wenn ihr mir jetzt immer noch sagt, dass keine Unterschiede in Richtung Klavierklang zu hören sind, erkläre ich hiermit feierlich, den lästigen Bezug zur Wirklichkeit vollends losgeworden zu sein. Wie ist der menschliche Geist doch in der Lage, sich nicht nur selbst den Gegebenheiten anzupassen, sondern umgekehrt die Wahrnehmung den eigenen Überzeugungen. Horden von Ratgeberliteratur-Psychologen pfiffen es von den Dächern, ich konnte es nicht recht glauben, doch jetzt ist es amtlich. Vielleicht ziehe ich noch ins Weiße Haus ein, oder sollte ich mich erst mal als bayrischer Ministerpräsident probieren?
2. März:


8. März:


2. April:


12. Mai:


Heute, 15. Juli:



Die aktuelle Version ist länger, weil kompositorisch vollständig. Wenn ihr zur Komposition selbst eure Meinung abgeben möchtet, könnt ihr das gerne in diesem Thread tun.

Was kennzeichnet die aktuelle Version klangmäßig?
Ich bin drauf gekommen, sowohl den Anklang des Grundtons als auch den der höheren Obertöne zeitlich am stärksten zu komprimieren, sind jetzt auf ähnlichem Niveau. Erst dann erreichen die mittleren und zuletzt die niederen ihr jeweiliges Amplitudenmaximum. Je weiter rechts die Taste, desto größer diese Kompression des Anklangs. Wobei sich das nicht so trennscharf zuordnen lässt, nicht für alle Obertöne notiere ich ja explizite Werte, die Definitionslücken interpoliert mein Programm graduell.

Fourierbasierte Analyse (Wavelets) hat mir am Ende doch nicht mehr weitergeholfen. Ich vertraue wieder ganz auf meine Ohren. Nützt mir auch mehr, denn man hört Musik, man sieht sie nicht, so ist es auch eher zu empfehlen, direkt die Hörwahrnehmung zu schärfen, als irgendwie von hinten rum durch die Brust über Medienbrüche zu agieren.
 

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Hat sich deutlich verbessert. Aber wurde nicht schon am Anfang gesagt, daß die Obertöne beim Klavier sich sehr schnell entwickeln?
 
Hat sich deutlich verbessert. Aber wurde nicht schon am Anfang gesagt, daß die Obertöne beim Klavier sich sehr schnell entwickeln?

Naja, ich habe mich ja redlich bemüht und habe mich Schritt für Schritt diesem Ergebnis angenähert. Wie bei so vielem gilt: Leichter gesagt als getan. In einem frühen Beitrag, als Antwort auf allseitiges Bestehen auf verdammt noch mal mehr Attack, habe ich euch ja eine eilfertig gestrickte "Kliber" serviert, woraufhin ich gesagt bekam, dass die so viel näher dran wäre als die bisherigen Samples. Hättet ihr auch den Bass gehört, hätte das niemand behauptet, denn der war umso weiter von einem Piano entfernt. Es ging also die ganze Zeit darum, sozusagen über mehrere Generationen das beide vereinende Ideal heranzuzüchten.

Meine Klangwahrnehmung musste mit diesem Projekt ja auch erst mitgenommen werden.
 
Mozarts "Rondo alla turca" (Klaviersonate Nr. 11 A-Dur, K. 331, 3. Satz) auf meinem selbstgemachten Klavier¹ mit einem Diskant, mit dem ich immer noch nicht zufrieden bin. Stochere weiter bedächtig und mehr oder weniger zielgerichtet im Nebel, nun ja, jedem das seine und mir das meine.

Mittlerweile ist die Klangfarbgebung auch tonintensitätsabhängig. Die konkrete Einstellung der diesbezüglichen (zahlenmäßig unbegrenzten) Parameter ist noch eher willkürlich, zunächst will ich nur mehr als nur Variation der Lautstärke, die Feinjustierung ist eh chronisch work in progress.

Netter Nebeneffekt: Ich lerne Noten lesen. Ich glaube, das kann ich inzwischen richtig gut, jedenfalls hört sich das Synthat schon ganz wie bei Profieinspielungen an, vom eigentlichen Klang mal abgesehen. MIDI-Import habe ich keine Lust zu implementieren (ich kann dieses Format nicht leiden, denn es unterstützt keine Kontinuen), musste also jede Note also einzeln händisch übersetzen und dabei ihren dynamischen Kontext beachten. Es sind 604 hinsichtlich Tonhöhe, Dauer und Intensität unterschiedliche, on-demand generierte Töne.
Die Wiederholungen habe ich jeweils unkünstlerisch kopiert (also die Textdefinitionen). Beim Handspiel ist ja keine genaue 1:1-Kopie möglich, der Pianist ist zuweilen sogar angehalten, die Wiederholung stets etwas auszuschmücken, nach Gutdünken zu variieren. Hab ich gelesen, und so ist es auch in Ordnung; allein, zum Improvisieren, Variieren und Ausschmücken bin ich nicht Pianist genug, zudem wollte ich, dass Fehler auffallen, ich oder wer sonst bei der Wiederholung diesen genauer heraushören und dingfest machen kann.

Den Quelltext habe ich online gestellt. Die Notenausgabe, aus der er hervorgegangen ist, habe ich oben bei den Metadaten hinterlegt (permalink_to_cmn_score).
Viele Grüße,
tasteur


P.S. Ich setze mit den Einspielungen in diesem Thread fort, wenn es recht ist. Die hiesige Rubrik für Einspielungen soll bestimmt der Herz-und-Hand-Musik (Hehamusik) vorbehalten sein, während die Kopf-und-Computer-Musik (Kocomusik) mehr so ein absonderlicher Spleen von mir ist und nur wenige hier interessieren dürfte. Und ja, ich werde das Stück auch in einem Synthiforum posten.

P.P.S.: Ja, heute Abend setze ich mich wieder ans Klavier und übe in echt. ;) Das ist seltener als sonst, sind ja auch Ferien.

¹) "Klavier" ist wie gesagt nur meine Wahl, da es aus den mir bekannten Instrumenten mein Liebling ist, ich könnte auch andere Instrumente versuchen nachzubilden. Das mache ich auch, nur wär das hier vorzustellen noch fachfremder.
 

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ich kriege immer einen Decodierungsfehler, wenn ich versuche, die Datei abzuspielen.
 
Oh je, sorry, ich befürchte, da bin ich überfragt, ich verlasse mich da auf den LAME-Encoder. Die anderen Dateien in diesem Thread konntest du doch abspielen, nicht? Haben andere auch dieses Problem? Habe es selbst erfolgreich getestet unter VLC, Firefox.
 

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