Jetzt wären doch auch ein paar Gegen-Argumente deinerseits interessant, dass man(n) auch was hat zum diskutieren.Lg
Lieber lexel,
ich versuch es mal mit einem Vergleich, der zwar nicht ganz optimal ist, aber hoffentlich rüberbringt, was ich meine:
wenn du ein Haus bauen möchtest, wirst du vermutlich einen Architekten wählen, der schon viele Häuser gebaut hat, über reichhaltige Erfahrung verfügt und dessen Arbeiten dich überzeugen.
Um hohe Qualität abzuliefern und ein Haus zu bauen, dass dich vollends zufriedenstellt und lange hält, muss dieser Architekt in der Lage sein, kleinste Details in einen großen Gesamtzusammenhang zu stellen. Eins baut auf dem andern auf und gibt es im Fundament Risse oder Unstimmigkeiten, kannst du das tollste Haus drüber bauen und es wird leider keine stabile Grundlage haben und schnell beschädigt sein.
„Wer hohe Türme bauen will, muss lange beim Fundament verweilen!“, sagte Anton Bruckner und recht hat er. Auch andere Details müssen bedacht werden und der Architekt kann nur wissen, was sinnvoll ist, wenn er das Gesamte kennt.
Übertragen auf das Klavierspiel bedeutet dies, dass nur jemand, der weiß und selbst beherrscht, was Klavierspiel und Musik ausmachen, weiß, was ein Anfänger für Grundlagen braucht. Wenn ich nur gerade ein paar Sonatinen von Clementi spielen kann, weiß ich nicht, was für technische und musikalische Grundlagen für romantische Stücke, Chopin-Balladen etc. notwendig sind (Armführung etc.).
Wenn ich viele Häuser gebaut habe, sprich viele unterschiedliche Klavierliteratur spielen kann und kennen gelernt habe, weiß ich, was für Anforderungen dort benötigt werden und was ich auch einem Anfänger beibringen muss, damit er das oben erwähnte Fundament erhält und weiter auf diesem Fundament aufbauen kann. Hinterher Risse im Fundament zu kitten, ist sehr mühsam, vor allem für den Schüler und manchmal/oft sogar unmöglich. Die Notwendigkeit eines guten Gehörs, einer körperlichen Durchlässigkeit, eines stabilen Sitzes sind weitere Grundlagen. Stücke aus Klavierschulen kann ich auch spielen, wenn ich krumm und schief mit eingezogenem Kopf am Klavier sitze. Später werde ich mit so einer Spielweise extreme Probleme bekommen und frage mich, warum mir mein Lehrer das nicht von Anfang an vermittelt hat.
Ein guter Anfangsunterricht ist das Allerwichtigste, denn dort werden alle Grundlagen in der Herangehensweise ans Musizieren und Klavierspielen gelegt!
Altenmüller hat immer wieder betont in seinen Vorträgen und Texten, dass wir dazu neigen, in alte Gewohnheiten zurückzufallen und es sehr viel Energie kostet, das zu ändern.
Anfangsunterricht also nur bei den Besten - das wäre am besten.
Als Schüler ist man da auch am wehrlosesten, denn man kann abgesehen vom Bauchgefühl logischerweise wenig beurteilen. Später wird man einfach wechseln, wenn einem der Lehrer nicht gefällt.
Ich würde jedenfalls mein Haus, wenn ich denn eins hätte, von einem Architekten bauen lassen, der das Ganze kennt, die Übersicht hat und weiß, was man von Anfang an braucht.
Wenn du willst, kannst du auf meiner Website lesen, was einen guten Anfangsunterricht ausmacht. Oder meinen Beitrag zur
Klaviertechnik lesen. Da wird vielleicht noch klarer, wie wichtig der künstlerische Blick auf die Grundlagen ist!
Liebe Grüße
chiarina
P.S.: Natürlich gibt es Pianisten, die keinen guten Anfangsunterricht bieten, wie es auch Klavierlehrer gibt, die selbst keine Pianisten sind und trotzdem gut unterrichten, weil sie gute Musiker sind. Um Anfänger gut zu unterrichten, braucht man als Lehrer auch den Spaß daran, ein großes Interesse für Menschen etc.. Aber darum geht es hier ja nicht.
P.S.S.: Ich wäre für einen neuen Faden, Titel vielleicht "Sind Klavierlehrer immer nur für ein Spielniveau geeignet?" o.ä..