Klavierlehrer wechseln nach nur 7 Stunden?

Tonsee

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Bin etwas ratlos, ob ich nach der 7. Stunde einen neuen Klavierlehrer suchen soll oder mich durchbeissen. Bin froh um Tipps und Anregungen. Die finanzielle Seite des Unterrichts spielt keine Rolle.

Meine Ausgangslage: Bin kompletter Anfänger, 42 Jahre alt, keine musikalischen Vorkenntnisse. Spiele seit 4 Monaten Klavier, das üben macht mir grossen Spass und ich bin trotz Beruf und Familie jeden Tag 30-60 Minuten dran. Komme für mein Gefühl auch gut voran. Leute im Bekanntenkreis, die selbst mal ein Instrument gespielt hatten, finden meine Fortschritte beachtlich. Natürlich happert es noch deutlich an Taktsicherheit, Musikgehör usw., aber es tut sich was.

Mein Problem: Es macht mir mittlerweile nach sieben Mal keinen Spass mehr, in die Klavierstunde zu gehen. Mein KL ist gut 10 Jahre jünger, hat seriöse, jazzlastige Ausbildung und macht auf den ersten Blick einen lockeren Eindruck. Irgendwie schafft er es aber fast jede Stunde, dass ich mich am Schluss als kompletter Idiot fühle. Ausserdem scheint mir der Ablauf des Unterrichts didaktisch nicht sinnvoll.

Konkretes Beispiel: Ich kam letztes Mal in die Stunde nach vier Wochen (KL war auf Tournee), hatte im Heumann das erste Stück zum Thema Betonung im Takt und das erste mit Pedal geübt. Zwei wichtige neue Themen. Wie eigentlich jedes Mal hatte der KL zu Beginn keine Ahnung mehr, wo ich stehe. Er scheint seine spärlichen Notizen nicht vorgängig zu studieren. Dann kramte er als erstes eine Kopie der ersten drei Hanon-Übungen raus (ein Thema für sich), ich solle das mal spielen und auch zu Hause üben. Anstatt dass ich also vorspiele, was ich geübt habe, muss ich in der Stunde quasi was mir komplett neues üben. Da brauche ich natürlich 10 Minuten bis die erste Übung mal einigermassen sitzt und ich komme mir schon wieder blöd vor, weil ich ja spiele, was ich nicht kann. Dann bin ich schon etwas nervös und spiele nachher das eigentlich geübte Stück schlecht usw.

Im Kern scheint das Problem zu sein, dass wir uns irgendwie auf der persönlichen Ebene nicht so finden. Und dass der KL selbst wohl gut spielt, aber weil er als Kind früh angefangen hat, wohl nicht mehr so recht weiss, wie man als Erwachsener das Klavierspiel richtig lernt. Darum wohl auch der Fokus auf solche Übungen a la Hanon losgelöst vom Musik machen, scheint mir mehr Ratlosigkeit oder Bequemlichkeit als böse Absicht zu sein.

Also, liebe Forumsmitglieder, soll ich:

a) Mich durchbeissen und nicht so mimosig tun, der KL weiss schon, was gut für mich ist.
b) Sofort neuen KL engagieren, das Leben ist zu kurz für schlechten Klavierunterricht
c) Das Gespräch mit dem KL suchen, um die Probleme zu lösen
 
ja, an wem soll's sonst liegen? Zu glauben, dass vielleicht der Schüler ein Depp ist, das wär' ja eine Unverschämtheit.
Der Schüler zahlt den Unterricht. Demnach ist er der Auftraggeber. Er sollte also das Ziel sowohl zeitlich als auch inhaltlich definieren und immer wieder nachjustieren. Der "Lehrer" ist hier in einer Service- und nicht in einer Governance-Rolle. Daher sollte man als Schüler wechseln, wenn man sich unwohl ("Chemie") fühlt oder die eigenen Ziele und Inhalte mit Füßen getreten werden. Kita, Schule, Studium, Arbeit - Man ist doch bereits genügend Zwängen und Fremdbestimmung ausgeliefert, also sollte man zumindest beim Klavierspiel seinen eigenen Weg gehen können. Anders sieht es aus, wenn man das nicht aus Spaß unternimmt, sondern durch Studium oder Eltern gezwungen ausführen soll/muss. Dann passt es eben in das Raster Kita, Schule, ... und man hat zu funktionieren, weil andere das so wollen.
 
Der Schüler zahlt den Unterricht. Demnach ist er der Auftraggeber. Er sollte also das Ziel sowohl zeitlich als auch inhaltlich definieren und immer wieder nachjustieren. Der "Lehrer" ist hier in einer Service- und nicht in einer Governance-Rolle. Daher sollte man als Schüler wechseln, wenn man sich unwohl ("Chemie") fühlt oder die eigenen Ziele und Inhalte mit Füßen getreten werden.
Der Kunde zahlt den Handwerker. Demnach ist er der Auftraggeber. Er sollte das Ziel sowohl zeitlich als auch inhaltlich definieren und immer wieder nachjustieren. Ein z.B. Dachdecker, der zum Dachdecken engagiert wird, sollte das gut gebaut in Strapsen und mit push-up-Wonderbra tun, wenn die Nachjustierung das verlangt, denn alles hat auch ästhetische und soziale Aspekte. Wehe der Dachdecker tritt dieses Ansinnen mit Füßen.

Dieser geistreiche Beitrag ist @Peter gewidmet

@ehenkes man sollte nach deinen Vorgaben auch die Fahrschulen samt ihrem Unterricht revolutionieren ;-)
 
man sollte nach deinen Vorgaben auch die Fahrschulen samt ihrem Unterricht revolutionieren ;-)
Da denke ich teilweise mit Grausen und teilweise gerne zurück. Das geht sicher vielen so. Am Ende stand aber eine Prüfung und der begehrte "Lappen" (heute: Plastikkärtchen).

Hier dürfte beim Klavierunterricht das entscheidende Problem liegen. Es dauert jahrelang, zumeist existiert kein klar definiertes Ziel (Stücke gibt es mehr, als ein ganzes Klavierleben spielen kann. Dafür fehlen klare Konzepte), keine unabhängige Prüfung, kein Zertifikat/Titel. Pianist/Klavierlehrer kann sich jeder nennen ... In Musikschulen finden sich oft Klavierlehrer, die als Freelancer/Angestellte ihr Geld verdienen müssen. Wenn dann auch noch Schüler kommen, die müssen, dann ist die Leidenschaft perfekt.
 
Letztlich kriegt jeder den Klavierlehrer, den er verdient.
Und der Lehrer kriegt die Schüler, die er verdient.

Hier dürfte beim Klavierunterricht das entscheidende Problem liegen. Es dauert jahrelang, zumeist existiert kein klar definiertes Ziel (Stücke gibt es mehr, als ein ganzes Klavierleben spielen kann.

So ist es auch beim Fremdsprachunterricht. Wann kann man eine Sprache wirklich so "perfekt", daß man bei jedem Schriftsteller jede Nuance versteht?
Trotzdem gehe ich nicht zum Russischlehrer und definiere die Ziele und Inhalte folgendermaßen:
- "Guten Tag, ich bin Anfänger und möchte Russisch lernen. Das kyrillische Alphabet ist mir aber zu blöd. Ich brauche also Übungstexte, in denen nur die Buchstaben vorkommen, die gleich sind wie die lateinischen."
Oder:
- "Guten Tag, ich bin Anfänger und möchte bis Weihnachten eine eigene Übersetzung von 'Krieg und Frieden' herausbringen. Nebenbei brauche ich also auch ein bißchen Französisch, das muß doch wohl mit drin sein."
 
Zuletzt bearbeitet:
Dachdecker, der zum Dachdecken engagiert wird, sollte das gut gebaut in Strapsen und mit push-up-Wonderbra tun, wenn die Nachjustierung das verlangt, denn alles hat auch ästhetische und soziale Aspekte. Wehe der Dachdecker tritt dieses Ansinnen mit Füßen.

Dieser geistreiche Beitrag ist @Peter gewidmet

@ehenkes man sollte nach deinen Vorgaben auch die Fahrschulen samt ihrem Unterricht revolutionieren ;-)

:lol::lol::lol:

Meine Güte, jetzt hab ich Kopfkino :lol:
 
Bei Sprachkursen gibt es eine klare Level-Einteilung, z.B. A1, A2, B1, B2, C1, C2 (sechs Niveaustufen des GER (Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für Sprachen). Es gibt den TOEFL Test usw.

Logischerweise muss ich andere Schriftzeichen, Betonung oder Aussprachen lernen, wenn ich eine neue Sprache sprechen will. Zu Russisch gehört also das kyrillische Alphabet sowohl in Druck- als auch in Schreibschrift (jeweils groß und klein geschrieben), die passende Grammatik und entsprechender Lesestoff, der in Geographie, Kultur und Historie des Landes einführt. Es gibt einen Basis- und einen erweiterten Wortschatz. Das könnte man Didaktik nennen.

Wo finde ich das in vereinbarter Form (offen/kostenlos nachlesbar) für das Klavierspiel?
 
Bei Sprachkursen gibt es eine klare Level-Einteilung, z.B. A1, A2, B1, B2, C1, C2 (sechs Niveaustufen des GER (Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für Sprachen). Es gibt den TOEFL Test usw.

Genau. Und wer an einer deutschen Musikhochschule z. B. Klavier Bachelor studieren will, benötigt einen Deutsch-Sprachnachweis auf einem gewissen Level, und er muß auf einem gewissen Level Klavier spielen. Dafür gibt es eine Prüfung.

Wenn ich privat Sprachunterricht nehme, zwingt mich niemand, eine Prüfung abzulegen, also kann ich ja wohl Inhalt und Ziele bestimmen. Wenn ich nur die Kyrillisch-Großbuchstaben lernen will und mir die Schreibschrift zu blöd ist, dann hat sich der Lehrer gefälligst darauf einzustellen, denn ich bezahle ihn und bin sein Auftraggeber. Ich bin ich es, der das Ziel inhaltlich definiert.
 
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Wenn ich privat Sprachunterricht nehme, zwingt mich niemand, eine Prüfung abzulegen, also kann ich ja wohl Inhalt und Ziele bestimmen. Wenn ich nur die Kyrillisch-Großbuchstaben lernen will und mir die Schreibschrift zu blöd ist, dann hat sich der Lehrer gefälligst darauf einzustellen, denn ich bezahle ihn und bin sein Auftraggeber. Ich bin ich es, der das Ziel inhaltlich definiert.

Ich denke in diesem Thread geht es zu 99% um Privatunterricht (ohne Prüfungszwang). Da darf oder sogar soll der Schüler seine Ziele kommunizieren.
 

Ich denke in diesem Thread geht es zu 99% um Privatunterricht (ohne Prüfungszwang). Da darf oder sogar soll der Schüler seine Ziele kommunizieren.
Das sehe ich auch genau so. Leider finde ich keinen kostenlosen und frei zugänglichen Klavierlehrer-Leitfaden. Wenn es so aussieht, als hätte man einen gefunden, ist man auf eine private online-Schule reingefallen, die an email, credit card data usw. interessiert ist. Also Sackgassen in rauhen Mengen. Ein überaus unseriöses Areal.
 
Der "Lehrer" ist hier in einer Service- und nicht in einer Governance-Rolle.
Nun gibt es aber Lehrer, die sich eben nicht als "Service-Dienstleister" verstehen, und die sich vom "Kunden" auch nicht vorschreiben lassen, wie und mit welchen Inhalten sie ihren Unterricht gestalten. Der Schüler muss ihnen und ihrem Konzept mehr oder weniger blind vertrauen. Wenn er das nicht will, dann findet eben kein Unterricht statt - es wird ja niemand gezwungen, sich darauf einzulassen. Blöd ist halt, dass es fast immer genau diese Lehrer sind, die einen wirklich weiterbringen. Die "Service-Dienstleister" sind dafür immer nett. Ist ja auch was.

Wie @Pedall schon schrieb:

Letztlich kriegt jeder den Klavierlehrer, den er verdient.
Und der Lehrer kriegt die Schüler, die er verdient.
 
Ich denke in diesem Thread geht es zu 99% um Privatunterricht (ohne Prüfungszwang). Da darf oder sogar soll der Schüler seine Ziele kommunizieren.

Und genau dafür ist mein Vergleich gedacht:
- "Guten Tag, ich bin Anfänger und möchte Russisch lernen. Das kyrillische Alphabet ist mir aber zu blöd. Ich brauche also Übungstexte, in denen nur die Buchstaben vorkommen, die gleich sind wie die lateinischen."
Oder:
- "Guten Tag, ich bin Anfänger und möchte bis Weihnachten eine eigene Übersetzung von 'Krieg und Frieden' herausbringen. Nebenbei brauche ich also auch ein bißchen Französisch, das muß doch wohl mit drin sein."

Aber es geht hier ja nicht ums "kommunizieren", sondern um den von @ehenkes formulierten Anspruch. Wenn der Russischlehrer nun dem Schüler kommuniziert, daß er diese Zielvorgaben für wenig sinnvoll hält, greift der Satz: Der "Lehrer" ist hier in einer Service- und nicht in einer Governance-Rolle.
Er hat also dem Schüler bei den Unterrichtsinhalten nichts dreinzureden, sondern die vom Schüler gewünschte und bezahlte "Dienstleistung" zu erbringen. Wenn der Schüler die verdammte kyrillische Schrift oder die blöde russische Aussprache oder die verflixten russischen Konjugationen nicht lernen will, dann hat der Lehrer die eben nicht zu unterrichten. Und wenn der Lehrer trotzdem drauf besteht?
Dann sollte man als Schüler wechseln, wenn man sich unwohl ("Chemie") fühlt oder die eigenen Ziele und Inhalte mit Füßen getreten werden.
 
@mick: einem wahren Könner vertraut man gerne, wenn er auch didaktisch/menschlich akzeptabel ist. Dazu muss der Schüler in der Tat in der Lage sein, dem Lehrer sowohl theoretisch als auch praktisch rasch zu folgen. Ansonsten langweilt sich die Koryphäe (grch. Chorführer) und wendet sich zumindest innerlich vom Schüler ab.

@Pedall: man kann alles in Schwachsinn verwandeln, daher haben die Menschen auch so viel Angst vor der Super-Intelligenz, weil diese nämlich exakt das machen wird, was der Mensch ihr sagt, und zwar bis zur Vernichtung des gesamten Weltalls. Diese Art von KL will niemand. Der KL darf schon Vorschläge machen und Einschätzungen abgeben. Die Entscheidung trifft letztendlich aber der Schüler. Beispiel: Wenn er keinen Hanon mag oder keinen Mikrokosmos, dann muss dem KL (oder besser: dem Schüler) eben etwas anderes einfallen. Dass dies schwachsinnig werden kann, ist mir völlig klar. Das läuft dann so wie in der aktuellen GroKo.

Daher meine Frage nach dem vereinbarten Leitfaden, nach den Leveln, nach den Prüfungen. Wieso gibt es das nicht frei zugänglich? Falls das wirklich stimmt, sollten wir hier bei clavio.de das zusammen entwickeln. Gibt es diesen Thread schon, oder soll ich ihn eröffnen?
 
Zuletzt bearbeitet:
Das sehe ich auch genau so. Leider finde ich keinen kostenlosen und frei zugänglichen Klavierlehrer-Leitfaden. Wenn es so aussieht, als hätte man einen gefunden, ist man auf eine private online-Schule reingefallen, die an email, credit card data usw. interessiert ist. Also Sackgassen in rauhen Mengen. Ein überaus unseriöses Areal.
Was ist denn ein Klavierlehrer-Leitfaden?
 
Der KL darf schon Vorschläge machen und Einschätzungen abgeben. Die Entscheidung trifft letztendlich aber der Schüler.
Das ist aber nett, daß der KL sogar Vorschläge machen darf.

Nein, der Schüler "darf Vorschläge machen", was er gern spielen möchte. Und entscheiden muß dann der Lehrer, was davon auf dem aktuellen Unterrichtsstand sinnvoll ist oder eben nicht. Andersrum ist es Schwachsinn.
 
Ist der Lehrplan für Klavier vom VDM gemeint? Kann jeder Mensch für 10 Euro bestellen, auch bei Am, ich meine im Internet...hilft aber einem Klavierschüler nicht wirklich weiter, höchstens zur groben Einschätzung.
 
Daher meine Frage nach dem vereinbarten Leitfaden, nach den Leveln, nach den Prüfungen. Wieso gibt es das nicht frei zugänglich? Falls das wirklich stimmt, sollten wir hier bei clavio.de das zusammen entwickeln. Gibt es diesen Thread schon, oder soll ich ihn eröffnen?

Im englischen Sprachraum gibt es die ABRSM Piano Exam, ist für Amateure, fängt meist im Kindesalter an.
Meinst du sowas?
 

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