Kaller Orgelschule

  • Ersteller des Themas Johann Bastian Seebach
  • Erstellungsdatum

Was mich an der Kaller-Schule am meisten stört, ist die Einseitigkeit der Stücke, und die angegebenen Registrierungsvorschläge.
Letztere kann ich nicht eins zu eins übernehmen, und da nicht erklärt wird, warum ich wann wie registrieren soll, kann ich die Angaben auch nicht so einfach anpassen an meine Orgel. Zum Glück habe ich ja einen Orgellehrer, den ich regelrecht löchere mit meinen Fragen. Da dieser dieselben Bdenken gegen die Schule hat wie Axel, verwenden wir sie nebenbei, neben anderer Literatur, zur Zeit leichte moderne Stücke. Obwohl- zur Zeit stimmt nicht ganz: im Moment läuft viel Theoriekram, weil ich seit Mai eine Handgelenksverletzung mit mir herumschleppe. Ausgerechnet links, wo ich doch die linke Hand und das Pedal zusammen zu bringen am schwierigsten finde.
LG
 
Manchmal scheinen doch Kirchenmusiker relativ träge zu sein. Es gibt doch durchaus neuere Orgelschulen von Michel oder B. Kraus. Da gäbe es zwar etwas auszusetzen, aber besser als Kaller auf jeden Fall. Kann ich nicht verstehen, dass damit noch unterrichtet wird.

Grüße
Axel
 
Mir wurde die Kaller-Schule von meinem Mann geschenkt, dem sie im Musikladen empfohlen worden ist...
Und da sie nun mal da ist, spiele ich auch ab und zu ein paar Stücke daraus. Gegen ein paar Originalstücke aus der Schule ist ja nichts zu sagen, nur bräuchte man dafür ja keine "Schule". Mein Orgellehrer meinte, es gehe auch ohne, bisher muss ich ihm recht geben.(Da wir die Kallerschule ja nicht ernsthaft mit System verwenden, zählt sie für mich nicht richtig.) Im Klavierunterricht habe ich auch keine Schule, das klappt auch problemlos.
LG, Flageolett
 
Meine bisherigen Beiträge werde ich jetzt noch einmal ergänzen:
Hauptsächlich verwende ich die Übungen aus der Orgelschule, und nur einige Stücke. Das, was in der Orgelschule nicht erkärt wird, erklärt mir mein Orgellehrer sehr ausführlich. Daher denke ich, dass man die Schule verwenden kann, wenn der Lehrer sich bewusst ist, dass diese pädagogisch gesehen nicht sehr wertvoll ist.
Sonst sollte man wohl wirklich zu neueren Orgelschulen tendieren.
 
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Jetzt mal eine Frage, an die Profis:
Was unterscheidet neue Schulen grundsätzlich von alten? Die Pädagogischen Anstätze, die Stückauswahl oder der ganze Inhalt?
 
Sowohl als auch.

Ich gehe davon aus, dass die ganzen Verfasser der alten Orgelschulen überhaupt nichts mit Instrumentalpädagogik am Hut hatten. So alt ist die Disziplin nicht, die Orgelschule von K. datiert aus den 30er Jahren. Da hat sich dann dich eine Menge getan. Manche alte Sachen sind halt instinktiv ganz geschickt gemacht, K. zählt sicher nicht dazu.

Die Literaturauswahl ist sehr beschränkt, gerade bei K. Zu der Zeit (Orgelbewegung) war Romantik "pfui". Kommt also nicht vor. Die behandelte Barockmusik hat allerdings auch noch nichts mit historisch informierter Aufführungspraxis zu tun. Die Moderne beschränkt sich auf ein paar unbedeutende Neoklassizisten. Wenn man aufzählt, was an attraktiver Literatur fehlt, sind das ganze Bände. Stilistisch wird hier Legatospiel an völlig ungeeigneter Literatur geübt. Stlistisch differenziertes Spiel findet quasi nicht statt. Heute Bach wie Widor und diesen wie Hindemith zu spielen verbietet sich von selbst.

Es gibt kaum sinnvolle Erläuterungen (zu den kommentarlos vorgegebenen stilwidrigen Registrierungen, Fingersätzen, zu Artikulation...) oder z.B. Bilder (um Haltung, Anschlag usw. zu zeigen). Angesehen davon ist die grafische Gestaltung extrem unattraktiv.

Grüße
Axel
 
Hallo,

kennt jemand die Orgelschule von Werner Tell?

Gruß altermann
 
Wilhelm Tell, war das nicht der Typ, der immer gesagt hat: "ich hätte genausogut den Apfel treffen können..." ?
 
Merkwürdig finde ich die Übertragungen von Vokalwerken zu Übezwecken auf die Orgel, z. B. Aichinger, Hassler etc. Es gibt genug Originalmusik für Orgel, auch einfache.
Orgel war zur der Zeit hauptsächlich dazu da, die Chorsachen mitzuspielen.
Mit Kaller I+II bist du für die katholische Messe gut gerüstet, entscheidend ist nicht die Systematik und Pädagogik der Schule, sondern ob dir die Musik gefällt und du sie übst. Lass dir doch einfach ein paar Sachen daraus vorspielen...
 
Orgel war zur der Zeit hauptsächlich dazu da, die Chorsachen mitzuspielen.

Quatsch. Es wurden zwar haufenweise Chorsachen für die Orgel intavoliert, dabei aber ganz bewußt für das Spiel auf den Tasten eingerichtet (transponiert und koloriert), dazu konnte gar kein Chor singen.

Darüber hinaus gibt es eine Menge Orgelliteratur, die dazu gedacht ist, abwechselnd mit dem Chor aufgeführt zu werden.
 

Orgel war zur der Zeit hauptsächlich dazu da, die Chorsachen mitzuspielen.
Mit Kaller I+II bist du für die katholische Messe gut gerüstet, entscheidend ist nicht die Systematik und Pädagogik der Schule, sondern ob dir die Musik gefällt und du sie übst. Lass dir doch einfach ein paar Sachen daraus vorspielen...

Stimmt, aber eine Motettenintavolirung der frühen Renaissance sieht deutlich anders aus, als der Kram im Kaller.
Ohne jede Frage, man kann damit Orgelspielen lernen, das ist ganzen Generationen gelungen, aber da gibt es nun wirklich besseres. Und wenn ich ständig mit andere Literatur "beifüttern" muss, macht eine Schule keinen Sinn. Ich habe das immer für jeden Schüler individuell zusammengestellt.
 
Quatsch. Es wurden zwar haufenweise Chorsachen für die Orgel intavoliert, dabei aber ganz bewußt für das Spiel auf den Tasten eingerichtet (transponiert und koloriert), dazu konnte gar kein Chor singen.

Darüber hinaus gibt es eine Menge Orgelliteratur, die dazu gedacht ist, abwechselnd mit dem Chor aufgeführt zu werden.

Es gab allerdings wohl die Praxis des "in die Orgel" Singens. Ich habe schon öfters gerätselt, was damit gemeint gewesen ist. Vielleicht so etwas wie das Ricercar aus Frescobaldis Madonnenmesse?
 
Es gab allerdings wohl die Praxis des "in die Orgel" Singens. Ich habe schon öfters gerätselt, was damit gemeint gewesen ist. Vielleicht so etwas wie das Ricercar aus Frescobaldis Madonnenmesse?

Das fällt sicher darunter.

Siehe auch die Orgelweihe zu Otterndorf 1662: "Hat Herr Scheidemann eine Geist= und Kunstreiche concert. voce solâ in die Orgel singen lassen."
https://books.google.de/books?id=tHVnAAAAcAAJ&printsec=frontcover&hl=de#v=onepage&q&f=false

Oder Michael Praetorius, Syntagma musicum III, S. 193:
"Wenn bißweilen in der mitten eines Deutschen Concert-gesanges (...) der Tenor, Cantus oder Altus in einem Vers oder Gesetz den Choral führet, darzu ich denn meistentheils vier oder fünff Instrumental-stimmen uff Geigen / Violen oder andern Instrumenten zugebrauchen / nach der VII. Art / gesetzet: So kan man daselbst die Instrumenta gantz aussen- und einer der eine liebliche Stimme auch schöne Art unnd Manier (oder wie es etliche nennen ein feine Gurgel) zu singen / gantz allein in eine Theorba oder Chitarron / wie es die Itali nennen; oder wenn die nicht verhanden / in ein Regal / Clavicymbel / Lauten / Postitiff / oder Orgel singen lassen. Welches denn gar ein feine Variation und umbwechselung giebt / und sehr anmütig anzuhören ist."
https://archive.org/details/SyntagmaMusicumBd.31619
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Sachen im Kaller sind aber dann wohl auch intavoliert, danke für den Begriff, den kannte ich bisher noch nicht, denn so würde das auch kein Chor singen.
Übrigens auch Kaller-Schüler
lG
 
Danke für das Beispiel. Das sieht allerdings ganz anders aus als die Bearbeitungen aus Kaller. Die dort anthaltenen Bearbeitungen hätte in der Renaissance keiner so erstellt, abgesehen davon, dass sie auf den meisten Orgel der Zeit wohl nicht spielbar gewesen wären.

Mir sieht das eher nach Notlösungen aus. Entweder war Kaller in Sachen Orgelliteratur nicht wirklich beschlagen, oder er hat aus ideologischen Gründen einen großen Teil der Literatur für sein Instrument abgelehnt.

Woraus besteht denn die Literaturauswahl? Aus deutscher Barockmusik, diesen Pseudointavolierungen, Reger (1 Stück) und Mehr oder minder spannenden neoklassizistischen Stücken des 20. Jh. Das ist doch dürftig. Der letzte Teil ist Bach komplett, die Sachen bekomme ich auch woanders. Es fehlt an wichtiger Literatur: Italien mit Frescobaldi, die frz. Barockmusik um Couperin, die gesamte Klassik, die gesamte Romantik (eben von Reger abgesehen) und echte Moderne, ebenso die frz. Musik der Romantik und Moderne. Das sind alles Sachen, die ich in dieser stilistischen Breite immer von Anfang an unterrichte. Da hilft mir diese Orgelschule kaum.

Das andere Problem ist das fehlende Stilbewusstsein. Hier wird legato an Barockmusik geübt, mit entsprechenden Fingersätzen. Das macht ja heute auch keiner mehr.
 
Entweder war Kaller in Sachen Orgelliteratur nicht wirklich beschlagen, oder er hat aus ideologischen Gründen einen großen Teil der Literatur für sein Instrument abgelehnt.

Das stimmt nur zum Teil. Kaller hat die ersten Bände der Reihe "Liber organi" herausgegeben: zwei Bände altfranzösische Meister, jeweils einen Band altspanische und altitalienische Meister...
Diese Literatur hat er also nicht abgelehnt - er hielt es für didaktisch wichtiger, in erster Linie ein vokal-polyphones Orgelspiel zu erzielen, daher der Rückgriff auf Vokalmusik, und die Gleichsetzung "vokal"="legato" war damals ein unhinterfragtes Dogma. Das finden wir auch bei Hermann Keller, obwohl dieser in seiner Orgelschule eine relativ differenzierte Artikulation lehrt.

Ideologischer Natur ist der Verzicht auf Klassik (das "gehörte" sich auf der Orgel nicht, es gibt tatsächlich auch wenig hochkarätige Originalliteratur) und auch der Verzicht auf französische Orgelromantik und -moderne. Der Franzose war der "Erbfeind", die Musik war "dekadent", das wurde in den 1930er Jahren nicht unterrichtet. Nur César Franck hatten manche im Unterrichtsprogramm (z. B. Hermann Keller), dieser galt aber quasi als "deutscher Musiker". Mendelssohn ging 1938 gar nicht, ebenfalls aus ideologischen Gründen.
 
Bj1938 ? So alt ist die schon ? Ein reines Schulwerk, dass sich 80 Jahre auf dem Markt hält. Wenn nächste Woche meine neue Orgel kommt, spiel ich mal ein bisschen was aus Band 1 ein, ich habe beim Reinschauen eben erinnert, wie ich mir an Seite 8 schier die Zähne ausgebissen habe...
 

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