Wann ist ein Stück zu schwer?

Ein Stück spielt man erst dann wirklich gut, wenn man die Musik verstanden hat
 
Wie klug ihr doch seid...
Wahrscheinlich ist es ziemlich schnurz, wie gut oder schnell man die Noten lesen kann bzw. wie schnell man mit dem Stück "fertig" ist. Das Resultat zählt, wenn's zu schwer scheint, wird es eben ein Jahr später aufgewärmt und erneut erarbeitet. Nebenbei hat man gleich einen deutlichen Eindruck seines zwischenzeitlichen Fortschrittes (den man bei immerzu neuen Stücken meist gar nicht richtig wahrnimmt).
 
Wenn's an allen möglichen Stellen hapert, isses das wohl wirklich.
Aber so'n kleines bisschen zu schwer muss es doch sein, sonst dümpelt man doch ewig auf seinem Level rum.
Nur die Harten kommen in den Garten, ne?
 
...wenn mein Klavierlehrer es sagt.:girl:
Er hat mir aber auch vor einiger Zeit ein Stück mitgebracht, an dem ich ca 3 Wochen rumlamentiert habe, es sei mir zu schwer. Das hätte er doch sehen müssen. In jeder Stunden hier und da Hilfestellungen.... und jetzt läuft es. Nicht vortragsreif, aber es läuft.
Bin etwas stolz und froh, so gefordert worden zu sein.
 
Ich denke man sollte beim Klavierüben an das Pareto Prinzip denken. 80% des Ergebnisses kann man mit 20% Zeitaufwand erzielen, für die restlichen 20% benötigt man 80% der Zeit (oder so ähnlich, ihr dürft mich gerne korrigieren). Konkret und losgelöst von irgendwelchen Zahlen sollte man sich einfach beim Üben beobachten und schauen, ob man Fortschritte macht. Irgendwann sollte eine gewisse Stagnation (bei einem einzelnen Stück, natürlich nicht insgesamt) eintreten, oder zumindest ein Punkt, wo man realisiert, dass man sehr viel Arbeit reinsteckt und das Ergebnis sich kaum noch verbessert. Wenn man mit dem Stück nun bei weitem nicht zufrieden ist (und das ist individuell sehr verschieden), dann war es wohl zu schwer. Das ist meine Faustregel und es ging mir beispielsweise bei Liszt's Étude d'exécution transcendante no. 10 sowie bei der Norma-Paraphrase so: Ich übte 2 bzw. 4 Monate sehr viel daran und kam an einen Punkt, wo ich nicht mehr wirklich weiter kam - leider war der Punkt eben erreicht, bevor ich mich getraut hätte, es irgendwo vorzuspielen.

Wenn du dich für konkrete Zahlen interessierst, dann führe ein Übetagebuch. Ich mach das seit ca. 7 Jahren, weil es mich einfach interessiert, wie viel Zeit man in diverse Stücke steckt. Den absoluten Rekord hält mit Abstand die Norma-Paraphrase mit ca. 90 Stunden Übezeit. Das klingt jetzt erstmal wenig, wenn man sich überlegt, dass es auf knapp 4 Monate verteilt war. Aber man übt eben nicht jeden Tag 30 Minuten daran, sondern manchmal auch 2 Stunden und dann auch mal 2 Tage gar nicht etc. Verglichen mit anderen, aus meiner Sicht "schweren" Stücken, ist das jedenfalls viel. Dafür führe ich dieses Tagebuch.

Noch etwas anderes sollte man im Kopf behalten. Es gibt manchmal auch Techniken, für die man einen längeren Zeitraum braucht, um sie zu lernen. So wird man vermutlich (?) bei Chopin's Terzen-Etüde weiter kommen, wenn man sie 20 Minuten pro Tag für ein halbes Jahr übt, als wenn man die selbe Gesamtzeit in einen Monat steckt (korrigiert mich, wenn ihr andere Erfahrungen habt).

Kurz gesagt: Ob ein Stück "zu schwer" ist oder nicht, wird durch deine Wahrnehmung bestimmt und nicht durch irgendwelche Zeitlimits ;-)
 
Noch etwas anderes: Gerade aufgrund des Pareto-Prinzips sollte man sich nach einem halben Jahr üben, wie in deinem Fall bei der Islamey, fragen, ob es nicht bereichernder gewesen wäre, drei andere "fast so schwere" Stücke zu lernen.
 
So wird man vermutlich (?) bei Chopin's Terzen-Etüde weiter kommen, wenn man sie 20 Minuten pro Tag für ein halbes Jahr übt, als wenn man die selbe Gesamtzeit in einen Monat steckt (korrigiert mich, wenn ihr andere Erfahrungen habt).

Das ist absolut richtig. Es gibt ein paar Chopin-Etüden, die ich tatsächlich über einen sehr langen Zeitraum (teilweise ein ganzes Jahr) homöopathisch geübt habe: op. 10/1 + 2, op. 25/6 +10. Alle anderen habe ich in verhältnismäßig kurzer Zeit gelernt. Bei den "Langzeit-Etüden" war das größte Problem, die Disziplin aufzubringen, tatsächlich immer nach 15 Minuten täglich damit aufzuhören, obwohl in der kurzen Zeit scheinbar kein Fortschritt erkennbar wurde.
 
@mick kannst du mir erklären, was an der Etüde so anders ist, dass du dich gezwungen hast nach 15 min damit aufzuhören? Ich zwinge mich bisher nur wenn ich noch viel zu tun habe irgendwann mit dem Üben aufzuhören, ansonsten übe ich, bis ich an dem jeweiligen Stück für den Tag erschöpft bin oder einen Übefortschritt (wie ich ihn erreichen wollte) sehe. Ich spiele aber im Moment auch fast nur Bach, daher kann ich das an Chopin noch nicht einschätzen.
 
Den absoluten Rekord hält mit Abstand die Norma-Paraphrase mit ca. 90 Stunden Übezeit.
Hallo Dommm3E, danke für deinen Beitrag, der hilft mir wirklich und ich kann voll bestätigen was du sagst. Bei mir kommt es im Schnitt einmal pro Jahr vor, dass ich für ein einziges Stück sehr viel Zeit investiere, also zum Beispiel 90 Stunden oder gar mehr. Und dann komme ich genau zu dem Punkt, den du beschreibst, nämlich dass man nur noch mit sehr viel Aufwand sehr geringe Fortschritte erzielt.

Und was Balakirev und Liszt betrifft: Mir fiel es ziemlich leicht, für die Islamey sehr viel Zeit zu investieren, weil die Zeit ziemlich konstant über das ganze Stück verteilt war und ich so regelmäßig Fortschritte erzielt habe. Bei Franz Liszt ist es oft so, dass man für eine einzige Zeile von 3-4 Seiten Noten mehr Zeit investieren muss als für alle anderen zusammen. Ich denke da an irgendwelche Kadenzen und Zwischenspiele. Und gerade bei solchen Stellen so viel Zeit zu investieren, fällt mir sehr schwer, weil das Resultat nicht dem Aufwand gerechtfertigt ist.
 

@mick kannst du mir erklären, was an der Etüde so anders ist, dass du dich gezwungen hast nach 15 min damit aufzuhören? Ich zwinge mich bisher nur wenn ich noch viel zu tun habe irgendwann mit dem Üben aufzuhören, ansonsten übe ich, bis ich an dem jeweiligen Stück für den Tag erschöpft bin oder einen Übefortschritt (wie ich ihn erreichen wollte) sehe. Ich spiele aber im Moment auch fast nur Bach, daher kann ich das an Chopin noch nicht einschätzen.

Auch wenn du mich nicht gefragt hast, würde ich sagen, dass das Problem an dieser Etüde ist, dass Dinge wie Terzentriller auch eine sehr große physische Herausforderung sind, die man nur über einen langfristigen Zeitraum lernt, etwa vergleichbar mit der Vorbereitung eines Ausdauersportlers auf einen Wettkampf. Wenn man generell nur Terzentriller üben würde (also nicht die gesamte Etüde) würden wahrscheinlich neurophysiologisch (sagt man so?) schon 3-5 Minuten pro Tag reichen.

Und was Balakirev und Liszt betrifft: Mir fiel es ziemlich leicht, für die Islamey sehr viel Zeit zu investieren, weil die Zeit ziemlich konstant über das ganze Stück verteilt war und ich so regelmäßig Fortschritte erzielt habe. Bei Franz Liszt ist es oft so, dass man für eine einzige Zeile von 3-4 Seiten Noten mehr Zeit investieren muss als für alle anderen zusammen. Ich denke da an irgendwelche Kadenzen und Zwischenspiele. Und gerade bei solchen Stellen so viel Zeit zu investieren, fällt mir sehr schwer, weil das Resultat nicht dem Aufwand gerechtfertigt ist.

Das kann ich absolut nachvollziehen, bei der Norma-Paraphrase habe ich gegen Ende die (gefühlt)
gesamte Zeit nur an wenigen Stellen geübt, da ich mit den restlichen 90% des Stückes mehr oder minder zufrieden war, und bei den restlichen 10% (vom Notentext) kaum noch vorwärts gekommen bin.
 
(1)
Wenn man generell nur Terzentriller üben würde
(2)
und bei den restlichen 10% (vom Notentext) kaum noch vorwärts gekommen bin.
(1)
...die Etüde gis-moll besteht aber nicht nur aus faden Terzentrillern (wenn es nur darum ginge: Terzentriller sind allesamt eher leicht und lassen sich problemlos mit 24/15 ausführen!)
Zudem: wenn da ein Schlauberger verbissen die Rechte Hand allein übt, ist leider noch lange nicht gesagt, dass ihm das zusammen spielen beider Hände gelingen wird (Da mag jetzt jeder selber bissel drüber nachdenken)
Zuguterletzt: viele jammern wegen der beidhändigen Terzenpassage - dabei ist die mit Abstand der leichteste Abschnitt der Etüde! (das hat nebenbei ganz banale harmonische Gründe)
(2)
Wirklich nur ca. 10% - alles andere läuft blitzsauber im Tempo?? Auch die Oktaven zum etwas blöden G-Dur Thema? (die wirklich heiklen Stellen erwähne ich noch gar nicht)
Wie dem auch sei: wo genau will es nicht besser werden und was meinst du, woran das liegt?

Übrigens vom üben in "homöopathischen Dosen" halte ich nichts: da prägt sich kein komplizierter bzw schwieriger Bewegungsablauf ein. Auch wird damit keine Ausdauer bzgl extremer "Belastungen" erworben. Ca. 2-3min Terzen in Chopins Etüde sind eine solche, wer es bei Terzen fieser braucht, der plagt sich mit Skrjabins Terzenetüde. ...Und die Plage wird zeitraubend sein (...und ohne das wird's nüscht mit den paar Sekündchen dauernden Terzenskalen in Brahms B-Dur Konzert)

Mir sind einige Stücke zu schwer: im Scherzo von Brahms wunderschöner fis-moll Sonate sind mir 2 Passagen schlicht zu unbequem, Beethovens Fuge op.106 hat bei 144 zu viele falsche Töne und klangliches durcheinander, die Paganini Variationen von Brahms sind mir komplett zu anstrengend, ob ein Krempel wie Regers Bachvariationen überhaupt spielbar ist, kann ich nicht beurteilen, usw
 
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...die Etüde gis-moll besteht aber nicht nur aus faden Terzentrillern
Das habe ich ja auch nicht behauptet ;-)

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Wirklich nur ca. 10% - alles andere läuft blitzsauber im Tempo?? Auch die Oktaven zum etwas blöden G-Dur Thema? (die wirklich heiklen Stellen erwähne ich noch gar nicht)
Nein. Ich habe im selben Satz gesagt, dass ich auch mit den restlichen 90% nur mehr oder minder zufrieden war, was ich sicher nicht sagen würde, wenn es blitzsauber und im Tempo laufen würde.

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Wie dem auch sei: wo genau will es nicht besser werden und was meinst du, woran das liegt?
Ich denke es wäre unpassend, das hier jetzt komplett auszuführen in diesem Beitrag. Generell gab es sehr viele Abschnitte (teilweise nur wenige Takte), die ich einfach nicht in einem angemessenen Tempo sauber spielen konnte und mir auch irgendwann schleierhaft war, wie ich üben soll, damit es besser wird. Beispiel: Erstes Bild unten

Auch beim zweiten Bild gab es zu häufig falsche Töne in der linken Hand.

Und im dritten Beispiel war ich schlicht und ergreifend überfordert - ich habe es einfach nicht annähernd bis zum gewünschten Tempo gebracht.

Speziell das letzte Beispiel gehört zu denen, die ich zu den 10% zähle, die ersten beiden Beispiele gehören zu den 90%, mit denen ich MEHR ODER MINDER zufrieden war. Ich kann es nur nochmal wiederholen: Ich habe ja das Stück als Beispiel aufgeführt, was mir deutlich zu schwer war. Bei dem anderen von mir genannten Beispiel (Étude d'exécution transcendante no. 10) gibt es zwei Aufnahmen, die ich ins Forum gestellt habe.
 

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=> wenn ich's nicht hinkriege! :puh:
Aber ich frage mich, ob es denn noch vernünftig ist, ein Stück wochenlang oder gar monatelang zu üben?
Vernunft liegt immer im Auge des Betrachters (oder so ähnlich).
Was ist dagegen einzuwenden, an einer Minute Klavierspiel ein Jahr herumzuüben...? (oder an drei Minuten Klavierspiel drei Jahre?)
Rein gar nichts, wenn's Spass macht. Und wenn man an sein Ziel kommt :herz:.... wenn nicht, dann ist's natürlich blöd gelaufen.

Gerade für den Autodidakt/Hobbypianist gilt: erlaubt ist was gefällt, und was man mag.

Für die Berufsmusiker (in Spe) gelten zum Teil andere Regeln...
 
Zuletzt bearbeitet:
Wir sind hier aber im Forum "Professionell Klavierspielen". ;-)

Denkfehler...? ;-)

Ein Hobbyspieler und Autodidakt eröffnet einen Faden mit einer ganzen Reihe von Fragen, und das nur deswegen in diesem Unterforum, weil er sich auf die sinnlosesten derer (*) Antworten von "Professionals" erhofft. Dabei könnte zu manchen dieser Dinge sogar jemand seine Meinung zum besten geben, der noch nie ein Klavier in natura gesehen hat.
____
(*) Stichwort "Faustregeln für Übezeiten von Stücken" :dizzy:... was, bei Odin und Krypton, interessiert es, wielange Professionals für irgendwas brauchen, das man spielen will? Allenfalls interessiert in so einem Fall, wielange man selber dazu braucht, oder brauchen könnte, und ob einem das die Sache wert ist, und ob man die Chance sieht sein Ziel erreichen zu können.

(meine bescheidene Meinung dazu).
 

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