Musikalisch verwirrt - Klavieramnesie

HIrnfreund

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1. März 2018
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Geliebtes Forum,

ich bin grad musikalisch verwirrt. Ich habe früher, und mit früher meine ich vor ca. 6 Jahren, recht passabel Klavier gespielt, auch fortgeschrittene Stücke, bspw. Claire de Lune, Schumanns Waldszenen, Rachmaninov Etude Tableaux. Ich habe mit 25 Jahren angefangen zu spielen, hatte auch für mehrere Jahre Klavierunterricht, habe es dann auch ein "passables Niveau" gebracht.
Irgendwann war die Luft raus, ich habe mein Klavier mehrere Jahre nicht mehr angerührt. Zwischenzeitlich habe ich angefangen Gitarre zu lernen, musste aber feststellen, dass Gitarre nicht so mein Instrument ist.
Nun bin ich wieder "heiß" aufs Klavierspielen, stelle aber fest, dass nahezu alles weg ist, hirnmäßig. Ich kann noch einzelne Fragmente spielen, diese aber nur aus dem Handgedächtnis. Auch das Notenlesen fällt mir mehr als schwer, ich fange irgendwie wieder bei 0 an. Gerade spiele ich ein superpupsieleichtes Lied von Robert Schumann und es fällt mir sehr schwer; besonders, die Noten zu merken. Ich überlege wieder Klavierunterricht zu nehmen, frage mich jedoch, ob es nicht besser wär damit ein wenig zu warten, bis ich wieder auf einem "gewissen Niveau" bin. In der Theorie weiß ich alles, was es zu wissen gibt, von daher denke ich nicht, dass mir Unterricht derzeit viel bringen würde, oder?

Ich bin gerade ein wenig frustriert, dass ich wieder bei 0 oder vielleicht bei 2 bin auf einer Skala bis 10.
Kennt jemand ähnliche Fälle, wie ist meine Langzeitprognose? Werde ich vielleicht eines Tages besser spielen als zuvor, weil sich das Vergessene über den langen Zeitraum der Pause ins Unterbewußtsein gebrannt hat?
Irgendjemand Tipps für mich oder etwas, das mir helfen würde?

Herzlichst,
Euer H. :blöd:
 
Auch das Notenlesen fällt mir mehr als schwer, ich fange irgendwie wieder bei 0 an. Gerade spiele ich ein superpupsieleichtes Lied von Robert Schumann und es fällt mir sehr schwer; besonders, die Noten zu merken.
tja @HIrnfreund die Welt ist böse und ungerecht, "denn Gottes Wege sind nun mal verworren und diskret" (Kreisler) - - einmal schwimmen (überlebensnotwendig, sofern man in tiefes Wasser fällt) gelernt, das verlernt man nie, auch wenn man jahrelang nicht im Pool war, dito Fahrrad fahren; aber klavierspielen... vermutlich liegt es daran, dass klavierspielen aufwändiger ist.
Probier´ mal, das pupsileichte Schumannlied (welches ist es? Mondnacht? Widmung?) in allen 12 Tonarten zu spielen (transponieren)
...nebenbei: mit Unterricht wirst du wohl eher an dein früheres Niveau gelangen als ohne. Alles was man mit unterstützender Hilfe macht, geht schneller.
 
Hallo H., wenn man der neuesten Hirnforschung Glauben schenkt, kann man Dir eigentlich nur Mut machen. Das Gelernte von damals ist demzufolge nicht verloren, sondern überlagert und damit nicht oder nur fragmentarisch abrufbar. Die Synapsen aber haben damals die entsprechenden neuronalen Verknüpfungen aufgebaut, so, dass sie auch heute noch bestehen.
Wenn Du schreibst, dass das technisch einfache Werk für Dich sehr schwer ist, ist das kein Wunder. Du musst die Sache langsam regenerieren. Ich gebe Dir den Rat bei 0 anzufangen: eine Komplettwiederholung vorzunehmen mit einem guten KL und einer vernünftigen Klavierschule. Natürlich wird das entsprechend schnell gehen, Du wirst aller Wahrscheinlichkeit nach ca. 75% weniger Zeit dafür aufwenden müssen als ein 0-Anfänger. Aber Du solltest die Sache langsam und systematisch angehen, und nicht frustrieren, wenn Claire de lune nicht mehr wie vor 6 Jahren läuft. Dann wirst Du nach einiger Zeit auf dem Level von vor 6 Jahren sein, hast keine Lücken mehr, und kannst darauf prima aufbauen. Nur tu jetzt die alte Literatur mal schön in den Schrank, und geh systematisch vor, auch wenn du Ungeduld verspürst. Anders geht es nicht.
 
Achja ... das Stück ist nordisches Lied von Robert Schumann:

View: https://www.youtube.com/watch?v=L5q5dV82n5Y

Das ist aufgeschlagen, als ich ein paar Notenhefte aus dem Schrank nahm und da dachte ich, ach, warum nicht das. Es ist ein Zeichen, dass dieses Stück aufgeschlagen ist. Hat Schumann glaub ich für Dreijährige komponiert, sowas ist eigentlich soooowas von unter meinem Niveau, aber nun, so ist es halt, ich bin wieder am Anfang, alles ist hinfort, verschwunden im Dämmerlicht meiner Neurolapsen und das ist die nunmal die Strafe für meine jahrelange Untätigkeit.
Das letzte Stück was ich damals gespielt habe war übrigens:

View: https://www.youtube.com/watch?v=ibQGV7Akc_g


Nach wie vor, ohne das es arrogant klingen soll, glaube ich schlichtweg, dass Klavierunterricht derzeit nichts viel bringen würden, eben weil ich weiß, wie es geht. Ich kann Notenlesen, ich verstehe die Theorie, ich hab Ahnung von Handhaltung, etc. Das ist so wie bei einem Tennisspieler der einen Unfall hatte, der weiß auch wie man Tennis spielt, wie man einen Aufschlag macht, der kennt die Regeln, etc. nur kann er es grad motorisch nicht. Ich kann es nur grad hirnlich nicht, aber in der Theorie weiß ich doch alles.
 
Habe vor gut einem Jahr nach 20 Jahren Pause wieder angefangen. Zuerst ohne KL, seit 9 Monaten mit Anleitung. Dank(e) @Stilblüte!
In der Zeit ohne KL aus heutiger Sicht „mehr schlecht als recht“. Ich kann Noten lesen etc, hätte mich aber allein nur „durchgewurschtelt“.

Ich spiele lieber neue Stücke, nicht die von früher. So kommen keine Vergleiche auf und ich falle nicht in alte Fehler zurück.
Einzige Ausnahme die Facile, weil mir die sehr am Herzen liegt. Sobald ich damit alleine weiterkomme, nehme ich aber eine bisher ungespielte Sonate dazu.
LG Barbara
 
Meine Erfahrung, ich habe versucht, nach ca. 20 Jahren Pause nahezu am gewohnten Niveau anzuknüpfen, hat nicht funktionert, demütig kam ich zum Schumannschen "Wilden Reiter" und ähnlichen Sachen zurück, die mir die Tür öffneten. Jetzt nach etwa zwei Jahren, davor 3 Jahre Irrwege, bin ich wieder fast auf dem Level, welches ich in der Jugend hatte, einzig die Geläufigkeit und Spritzigkeit fehlt, das braucht eben viel Geduld. Ich hatte auch während der Irrwege Unterricht, leider nicht die passende Lehrerin für den Prozess, deshalb gewechselt.
 
Kennt jemand ähnliche Fälle, wie ist meine Langzeitprognose? Werde ich vielleicht eines Tages besser spielen als zuvor, weil sich das Vergessene über den langen Zeitraum der Pause ins Unterbewußtsein gebrannt hat?

Hallo, ich kenne einige solcher Fälle und berichte heute oder morgen mehr darüber. Mach dir bloß keinen Stress, die Motivation muss da sein und jeden Tag vielleicht 2 mal täglich wenigstens eine halbe Stunde üben und am besten vor dem einschlafen un d alles erstmal in zeitlupe schön getrennt LH RH und irgend ein notentrainer aufs Handy laden da gibts ja genug und vielleicht mal Tonleitern aufschreiben und schön mit namen und zeichen note für note....

später mehr
 
Als ich mich nach einem längeren Päuschen ans Klavier setzte, war zuerst auch alles weg. Dafür waren die Finger gelenkiger, was ich auf die PC-Tastatur schiebe. Ich habe mit einem Stück mittlerer Schwierigkeit angefangen, das ich mal auswendig gekonnt habe. Musste alles neu lernen, es ging weder schnell noch einfach. Nach 3, 4 Stücken war ich wieder drin.
 
vielen Dank für all die Antworten hier, ihr seid alle so freundlich :blume::bye::herz:

Ich quäle mich derzeit noch durch mein Schumann-pupsie-Lied, danach muss ich mal gucken was ich spiele. Ich finde übrigens Stücke am schwersten, wo die Noten innerhalb der Takte nur minimal variieren, bspw. einen Ton hoch oder runter, aber sonst immer alles gleich ist. Ich spiele am liebsten Stücke, wo jeder Takt wirklich anders ist.
 
@HIrnfreund

es nützt alles nichts, an den Inventionen und Sinfonien ist noch jeder echte Klavierfreund wieder auf die beine gekommen, du musst dich jetzt mal richtig hochpeppeln, fang mit der ersten invention an
wenns gar nicht mehr geht, voila dann lernst du damit schön hand für hand und finger für finger die Noten und wenn du rhythmisch etwas spass haben willst, spiele parallel dazu die triolisierte variante der ersten invention für den anfang etwas reizvoll. wenns läuft nimm die 4. Invention , die 10. und 11. und wenn du wieder besser drauf bist gehts an nummer 13 und 2. etwa in der Reihenfolge, und selbst wenns beschwerlich scheint, schön laaaangsam M.M. 60 (achtel) und fange mit der Linken an ganz allein alles legaaaato bis es (unabhängig vom eigentlichen vortragstempo) mit M.M. 120 (viertel) rund läuft dannn das gleiche rechts und dann zusammen....

von Romantikern und modernisten würde ich momentan dringend abraten, romantiker sollte man spielen, wenn man wieder auf der höhe seiner Fähigkeiten ist, so und mit Kopfhörer das Haupt trapieret und einer ereignisreichen Nachtschicht steht nichts mehr im Wege, lasset die spiele beginnen...
 

Hallo Hirnfreund,

ich habe Ende 2016, nach 30 jähriger Pause in der ich sehr unregelmäßig und nur als Begleitung zum Gesang gespielt habe und keine Übungen zur Verbesserung meiner Technik gemacht habe, wieder angefangen, regelmäßig zu spielen und zu üben.
Mein tägliches Programm sieht so aus:
Mind. Eine Stunde hochkonzentriert und ohne Störung, am Besten Abends bevor es ins Bett geht. Ca. 10 min Aufwärmen mit Tonleitern und Arpeggios passend zu den Stücken, die ich aktuell übe. Das bringt mich in die richtige „Tonlage“. Dann 20 min „memorizing“ also auswendig lernen eines neuen Stücks. 20 min verbessern inkl. technischer Übungen zur Fingerfertigkeit. Zum Schluss noch 10 min zum wiederholen bereits gelernter Stücke (in Rotation, da mein Repertoire mittlerweile nicht mehr in 10 min passt :) ).
Das Notenlesen und vom Blatt lesen kam relativ automatisch mit dem sog. Mentalen Spielen. D.h. Noten lesen und die Musik im Kopf formen fernab vom Instrument. Ich nutze die Technik auch, um mich bei neuen Stücken zu orientieren oder wenn ich mal wieder auf Dienstreise bin.
Nach ca. 6 Monaten könnte ich mein altes Niveau erreichen. Mittlerweile wage ich mich auch an technisch anspruchsvolleres heran und übe regelmäßig täglich bis zu zwei Stunden.
Für die Motivation schiebe ich auch gerne mal ein einfacheres Stück dazwischen, dass ich innerhalb eines Tages lernen und sauber spielen kann.
Die Wahrheit ist leider, dass nur regelmäßiges tägliches üben zum Erfolg führt und es eben eine gewisse Zeit braucht, um auf das frühe Niveau zu kommen. Die gute Nachricht ist aber, dass es selbst im fortgeschritteneren Alter funktioniert.
Es lohnt sich auf jeden Fall, mir erschließen sich heute Stücke von denen ich vor noch etwa einem Jahr nur träumen konnte und ich bereue keine einzige Minute am Instrument.

Also nur Mut!
Arno
 
Die Wahrheit ist leider, dass
1. nur regelmäßiges tägliches üben zum Erfolg führt und
2. es eben eine gewisse Zeit braucht, um auf das frühe Niveau zu kommen. Die gute Nachricht ist aber,
3. dass es selbst im fortgeschritteneren Alter funktioniert.

Die drei zentralen Botschaften @HIrnfreund :super:

Hat Schumann glaub ich für Dreijährige komponiert

Für Dreijährige? :denken:
 
@arno1207
das Thema kommt hier ja regelmäßig aufs Tapet, aber nachdem Du es gerade erwähnt hast, möchte ich Dich fragen, wie man sich bei Dir das Auswendiglernen praktisch vorstellen muss.
 
Das Notenlesen und vom Blatt lesen kam relativ automatisch mit dem sog. Mentalen Spielen. D.h. Noten lesen und die Musik im Kopf formen fernab vom Instrument. Ich nutze die Technik auch, um mich bei neuen Stücken zu orientieren oder wenn ich mal wieder auf Dienstreise bin.
Bravo!!!, dazu auch mal den alten Gieseking studieren, der beherrschte das perfekt!
 
Obwohl sich die Gemüter scheiden, auch Cortots Technikübungen sind sehr nützlich, wenn man "etwas" fortgeschritten ist, sollte man auch seine Vorübungen und Erläuterungen zu Chopins Etüden mal anschauen und vielleicht durcharbeiten.
 
Ich habe mit 25 Jahren angefangen zu spielen, hatte auch für mehrere Jahre Klavierunterricht, habe es dann auch ein "passables Niveau" gebracht.
Irgendwann war die Luft raus, ich habe mein Klavier mehrere Jahre nicht mehr angerührt.
Das Gehirn arbeitet äußerst effizient. Auch im Vergessen und Rauswerfen von nicht mehr Benötigtem.

Nun bin ich wieder "heiß" aufs Klavierspielen, stelle aber fest, dass nahezu alles weg ist, hirnmäßig.
Normal, alles was man bis ca. zum 12. Lebensjahr macht, bleibt einem lebenslang erhalten, alles danach ist nur auf Zeit.

Werde ich vielleicht eines Tages besser spielen als zuvor, weil sich das Vergessene über den langen Zeitraum der Pause ins Unterbewußtsein gebrannt hat?
Du kannst dich damit trösten, daß das Neulernen schneller und effizienter geht, weil du bestimmte Umwege aus Erfahrung nicht mehr machen wirst. Auch die ein oder andere schlechte Angewohnheit bist du los. Allein dadurch wirst du langfristig besser spielen.
 
@arno1207
das Thema kommt hier ja regelmäßig aufs Tapet, aber nachdem Du es gerade erwähnt hast, möchte ich Dich fragen, wie man sich bei Dir das Auswendiglernen praktisch vorstellen muss.

Gute Frage! So systematisch gehe ich da gar nicht vor, da es häufig vom Stück selbst abhängt, wieviel Aufwand dafür erforderlich ist. Ich mag ehrlich gesagt das Wort Auswendiglernen auch nicht unbedingt und ziehe das englische Memorizing vor. Denn eigentlich ist es eher ein Vorgang des Einprägens. Ich versuche mir die Musik vorzustellen, höre mir verschiedene Interpretationen an und folge am Notenblatt, ich nehme mir einzelne Phrasen vor und versuche den Klang einer bestimmten Interpretation, die mir besonders gefällt nachzubilden und zu variieren. Ich habe das Glück, mir auch sehr komplexe Tonfolgen aus dem Gehörten schnell merken zu können, damit kann ich mich relativ früh auf andere Aspekte des Stücks konzentrieren. Um ein Stück zu beherrschen muss ich es tatsächlich mit allen Sinnen erfassen, reines Sight Reading fällt mir schwer, weshalb ich es inzwischen regelmäßig übe.

In meiner Art der Auseinandersetzung mit einem Stück ist es - glaube ich - nicht ganz korrekt von „Auswendiglernen“ zu sprechen, es ist eher ein Absorbieren des klanglichen Konzepts und der mit dem Stück verbundenen Gefühlswelt, nicht einfach nur ein lernen von Tonfolgen. Wahrscheinlich verstoße ich damit gegen alle möglichen Regeln einer klassischen musikalischen Ausbildung, aber ich fühle mich damit ganz wohl.

Arno
 
Auseinandersetzung mit einem Stück ist es - glaube ich - nicht ganz korrekt von „Auswendiglernen“ zu sprechen, es ist eher ein Absorbieren des klanglichen Konzepts und der mit dem Stück verbundenen Gefühlswelt, nicht einfach nur ein lernen von Tonfolgen. Wahrscheinlich verstoße ich damit gegen alle möglichen Regeln einer klassischen musikalischen Ausbildung, aber ich fühle mich damit ganz wohl.

Ist doch hervorragend, so kann man von musikalischem Üben sprechen, entgegem vielen technokratischen Hantierereien die häufig nicht zu klangvoller Musik führen
 

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