Olga Scheps - gereifter Shootingstar

Sokolov. Alles wird mit "Ausdruck" überladen und überdehnt. Von Brillanz würde man wohl eher nicht sprechen.
an Brillanz und enormer Virtuosität mangelt es Sokolov nicht, wenn er Strawinskis Trois Mouvements de Petrouchka spielt - und das bringt der auf Pollinis und Weissenbergs Niveau!! ...ansonsten (Beethoven, Chopin) spielt er manchmal gegen den Strich, aus crescendo wird diminuendo etc
 
Vieles ist Geschmacksache und daher für andere ohne inneren Wert. Für mich ist wichtig, dass ein Musiker mit seinem Gefühl dabei ist und beim Musizieren Freude hat. Schrecklich ist, wenn jemand das Vorspielen durch tausendfaches Exerzieren gedopt, angestrengt und schwitzend hinter sich bringt, weil er/sie Angst hat, einen Fehler zu begehen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Da irrst Du, lieber Marcus .Mir geht es wir jedem wahren Liebenden: Vergleicht der? Liebe mach bekanntlich blind - oder sehend, je nachdem
Du brauchst dir nur vor Augen zu halten, woher deine Maßstäbe kommen, um Interpreten zu beurteilen. Ohne Hörerfahrung keine Wertung...
Man kann natürlich mit einem abgewandeltem John Cage sagen: Sie müssen es nicht Vergleich nennen, wenn Sie das stört.
 
Hallo, Marcus, es geht auch ohne Maßstäbe...ob Du es glaubst oder nicht. Wenn Du zum erstenmal das Dreigestirn des Berner Oberlandes vor Augen hast, vergleichst Du auch nicht mit dem Kahlen Asten. Du bist überwältigt. Solche Erlebnisse gibt es auch in der Kunst, speziell in der Musik. Wie gesagt, es ist ähnlich wie beim Sichverlieben: Du hast das Gefühl, angekommen zu sein, das Suchen hat ein Ende. - Aber nun genug davon.

Nein, so ist das nicht. Natürlich kann man so ein Erlebnis des "Überwältigtsein" auch in der Musik haben - aber dann wird man eher vom Werk selbst überwältigt sein, nicht von der gehörten Interpretation. Sobald man ein Werk zum zweiten Mal hört, vergleicht man unweigerlich - dem kann man sich nicht entziehen.

Auch du kannst das nicht - eine Aussage wie
Sein "Petruschka" wirkt doch ziemlich hingedroschen, auch ist vieles wegen zuviel Pedal wenig durchsichtig. Es fehlt die Delikatesse.
ist nämlich nichts anderes als ein Vergleich. Entweder mit einer anderen Interpretation oder mit einem Idealbild, wo immer es auch herkommt. Meiner Meinung nach kann so ein "inneres" Idealbild nur entstehen, wenn man ein Stück selbst technisch und musikalisch vollkommen durchdrungen hat. Und dann ist es ein Vergleich mit der eigenen Interpretation.

Insofern hat @.marcus. Recht. ;-)
 
Wen man genauer hinsieht, sind Sokolovs "brillante" Aufnahmen 20 und mehr Jahre alt. Da war er ganz gut, wenn auch nicht überwältigend. Die Mitschnitte sind, wie manche meinen, z.T. auch nachbearbeitet. Sein "Petruschka" wirkt doch ziemlich hingedroschen, auch ist vieles wegen zuviel Pedal wenig durchsichtig. Es fehlt die Delikatesse.
@toggenburg womöglich kennen wir nicht dieselben live-Aufnahmen... aber interessant, dass Mitschnitte nachgebessert sein sollen (wie geht das?)
 
"Vom Werk selbst überwältigt sein" - geht das, ohne daß man eine bestimmte Interpretation hört? Wo ist denn dann das Werk? Auf welche Weise erlebe ich es? Wie willst Du denn Werk und Interpretation trennen?
@toggenburg ich war überwältigt, als ich erstmals den kompletten Ring des Nibelungen gehört und gesehen hatte; Levine am Pult, Polaski als Brünnhilde. (zuvor kannte ich nur wenige kurze Ausschnitte des Rings) Paar Jahre später hörte und sah ich den Sinopoli Ring und den von Thielemann. Zwischendurch besorgte ich mir den Boulez-Chareaux Ring - letzterer ist der bislang beste! Das ändert aber nichts daran, dass die genannten anderen sehr gut sind und einen eben doch überwältigen können.
 
Ich war überwältigt, als ich die Scheherazade von RK in St. Petersburg gehört habe; als ich in der Carnegie Hall Andras Schiff habe Schubert und Bach spielen hören; das Streichquintett von Schubert; besonders auch "Drumming" vom Steve Reich.
 

"Vom Werk selbst überwältigt sein" - geht das, ohne daß man eine bestimmte Interpretation hört?
Ja, das geht. Auch eine schlechte Interpretation eines tollen Werkes kann einen überwältigen. Man muss nur dazu in der Lage sein, die Mängel der Interpretation vom interpretierten Werk zu trennen.

Und über ein "inneres Idealbild" kann man natürlich endlos reden. Als Voraussetzung soll man ein Stück selbst völlig technisch und musikalisch durchdrungen haben? Das sind aber sehr "abgehobene" Ansprüche. Da bleiben alle bloßen Liebhaber (für die spielen übrigens die Künstler, nicht für Kritiker oder andere Pianisten) ausgeschlossen.
Es ist die einzige Möglichkeit, ein eigenes Idealbild vollständig zu entwickeln. Natürlich können das Liebhaber nur in den seltensten Fällen - sie können sich aber fremde Interpretationen zu eigen machen. Und damit landen sie zwangsläufig beim Vergleich!

Was das Vergleichen angeht, dem man sich angeblich nicht entziehen kann: Wenn ich nur eine einzige Aufnahme eines bestimmten Werkes kenne oder besitze, so kann ich mich auch beim hundertsten Anhören "überwältigt" fühlen.
Natürlich. Aber das sagt dann nichts über die Qualität der Einspielung aus. Um diese zu bewerten, muss man schon ein paar Schritte hinter sein eigenes "Überwältigsein" zurücktreten und muss diese mit anderen vergleichen. Oder eben mit seiner selbst erworbenen Idealvorstellung - was aber (s.o.) nicht ganz einfach ist.
 
Nein, so ist das nicht. Natürlich kann man so ein Erlebnis des "Überwältigtsein" auch in der Musik haben - aber dann wird man eher vom Werk selbst überwältigt sein, nicht von der gehörten Interpretation.
Als ich so 13-14 war, hörte ich in einem Konzert die 4. Ballade, gespielt von einem der Tschaikowski-Preisträger (weiß den Namen nicht mehr, irgendwas asiatisch/vietnamesisch? – das war wohl der 2. oder 3. Preis). Die Musik kannte ich natürlich bereits in verschiedensten Interpretationen, aber dieses Mal war ich überwältigt, zu Tränen gerührt und aufgewühlt. Nämlich durch diese eine Interpretation (was ich damals genau mit diesen Worten in meinem Tagebuch festgehalten habe).
Sobald man ein Werk zum zweiten Mal hört, vergleicht man unweigerlich - dem kann man sich nicht entziehen.
[....]Entweder mit einer anderen Interpretation oder mit einem Idealbild, wo immer es auch herkommt.
Wenn überhaupt, dann war es bei mir kein bewusster Vergleich. Ich hatte das Gefühl, diese Musik zum ersten Mal zu hören.
Meiner Meinung nach kann so ein "inneres" Idealbild nur entstehen, wenn man ein Stück selbst technisch und musikalisch vollkommen durchdrungen hat.
Das war zu diesem Zeitpunkt garantiert nicht der Fall :-D
 
Die Frage ist, warum man überhaupt bewerten muß oder will. ...
Das ist keine Frage, man kann sich das ersparen.
... Was mir gefällt, muß einem anderen nicht gefallen. "Inneres Idealbild" - es in der Wirklichkeit zu suchen, kann auch den Blick für das stets vorhandene Glück verstellen. "Ich suche nicht, ich finde." (Picasso) ...
Gut erkannt.
... Erst wollen wir das Beste haben, und dann wollen wir dauernd unsere Zweifel, ob es auch wirklich das Beste ist, besänftigen. Ratsam ist es wohl, ...
... irgendwann zu merken, wie sehr man damit auf dem Holzweg ist.

Reicht es nicht, wenn etwas inspiriert, Freude macht, glücklich macht, unterhält oder aufwühlt, auch wenn es möglicherweise noch etwas besseres gäbe?
 

DANKE für den Link! Ich wusste nicht, dass es diese Aufnahme gibt! Erst dachte ich, das sei das Konzert, das ich besucht habe - aber das war im Oktober 2012, nicht im November 2013. Trotzdem war es dieses Orchester und vor allem dieser geniale Konzertmeister. :herz:

Und zur Diskussion: Der Mesch ist glaube ich außerstande, nicht zu vergleichen. Nicht zu bewerten - was etwas anderes ist - fällt ihm extrem schwer, das kann man aber mit viel Übung erreichen. Nicht vergleichen ist dagegen unmöglich.
Völlige Abwesenheit von Vergleich ist entweder Chaos, Nichts oder Gleichgültigkeit. Denn sämtliche Meinungen, Intuition, Ideen, Geschmack usw. beruht auf Erfahrungen, die man gesammelt hat - und mit denen man, absichtlich oder nicht, jede neue Erfahrung vergleicht. (So funktioniert das Gehirn, es filtert auf diese Weise alles Unwichtige, Bekannte [also alles, was es mit viel Erfahrung vergleichen kann] heraus. [NB: Bei wem das nicht funktioniert, z.B. Asperger-Patienten oder stark hochsensiblen, der führt ein sehr anstrengendes Leben.])
 
Ich bin sicher: die alten Komponisten hätten mit Begeisterung die neuesten Instrumente benutzt. Sie alle waren (als echte "Handwerker") stets lebhaft an allen Neuerungen in dieser Hinsicht interessiert. Vielleicht klingt Chopin heute noch am ehesten "authentisch"... müßige Überlegungen. - Ich selbst kann Interpretationen auf "historischen" Instrumenten überhaupt nichts abgewinnen.
Ich bin mir sicher: Die alten Komponisten haben ihre Musik so geschrieben, daß sie auf den Instrumenten, die sie hatten, möglichst gut klang.

Ich stelle mir gerade vor, wie Bach sein eben komponiertes "Wohltemperiertes Clavier" durchspielt, und sich dann sagt: Auweia, klingt das alles kacke. Hoffentlich erfindet jemand irgendwann mal ein Instrument, auf dem sich das Zeug erträglich anhört.

Du vergleichst natürlich den Klang historischer Instrumente mit dem moderner Instrumente und bewertest die modernen viel, viel besser. Bach hatte den Vergleich nicht. ("Hätte" er moderne Klaviere gekannt, dann "hätte" er das "Wohltemperierte Clavier" ganz anders komponiert - oder vielleicht hätte er es gar nicht komponiert.)
 
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Reaktionen: trm
@toggenburg: stellen deine Beiträge deine Meinung dar, oder argumentierst du aus Sicht des Fachmannes?

...........Rein fachliche Erörterungen ausgenommen.


Was "das Gehirn" tut, ist kein Gegenstand musikästheticher oder philosophischer Betrachtung.

Ist das so?
Die Amygdala ist zweifelsfrei Teil des Gehirns und verarbeitet Impulse und Wahrnehmungen unter anderem im Sinne einer emotionalen Bewertung.

"
Aber ohne Verkennung, Täuschung,Selbsttäuschung wäre das Leben gar nicht zu ertragen.

Zustimmung!
Verdrängung und Verleugnung gehören in meinen Augen zu den überlebenswichtigsten Abwehrmechanismen!
 
- Nochmal zum "inneren Idealbild": wenn ich das Werk ganz ohne Interpretation, sozusagen chemisch rein, haben will, lese ich am besten nur den Notentext...
@toggenburg
ohne jemals einen profunden Bass, einen strahlenden Heldentenor, ein leuchtendes hohes c des Soprans gehört zu haben, kann das reine partiturlesen kaum ein sonderlich musikalisches Idealbild imaginieren ;-)
Ohne Hörerfahrung und ergo ohne Klangvorstellung ist man auf dem Holzweg - es sei denn, man untersucht die Beschaffenheit von Beethovens Tinte und Chopins Schreibfeder...
Hörerfahrung und Klangvorstellung sind aber nicht losgelöst von Aufführungstraditionen, sondern befinden sich in der Rezeptionsgeschichte. Und hier lassen sich doch ohne allzu polemische Abwertungen die historisch aufeinanderfolgenden Interpretationsstile als generationenlanger Erkenntnisprozess betrachten: (vereinfacht gesagt) erstmal musste Chopin mit Zuviel Rubato verzuckert werden (Rachmaninov), anschließend stur metronomisch hingerichtet werden (Gulda) um zu erkennen, dass beides nicht das Gelbe vom Ei ist - Interpretationsgeschichte und Rezeption sind lebendige Prozesse, die sich immer wieder aus verschiedenen Positionen dem musikalischen Kunstwerk annähern.
 

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