Daniel Hope ein Star schießt mit Kanonen auf Satirespatzen

@Häretiker

Ich bin Dir dankbar, dass Du die Gelegenheit aufgegriffen hast, den eigentlichen Bedeutungshorizont des heutzutage so abundant missbrauchten Begriffs "Toleranz" (bzw. "tolerieren") darzulegen. Volle Zustimmung – dahingehend.

Der Rest ist Schweigen.:schweigen:
 
Hier sieht man deutlich, wie auf Grundlage einer falschen Sachverhaltsdarstellung eine Meinung gebildet wurde.

Zwar wird im Blog und im offenen Brief geschrieben, dass D.H. die Entlassung Arno Lücker durch dessen "Arbeitgeber" veranlasst zu haben scheint. Und genau dazu ergingen hier auch die ersten Reaktionen wie dass das Vorgehen D.H. kleinlich sei und er so was toleriert müsse, da er in der Öffentlichkeit steht. In der später hier geposteten Darstellung des Konzerthauses wird aber ausdrücklich verneint, dass A. Lücker auf Veranlassung von D.H. nicht für die kommende Saison als frei mitarbeitender Moderater engagiert wurde. Natürlich muss das nicht 100% den Tatsachen entsprechen, man darf aber keinesfalls unterstellen, dass das Gegenteil richtig wäre. Daher darf man D.H. nicht anlasten, dass er für den Teil-job-Verlust von A. Lücker verantwortlich sei, was aber hier in der Meinungsbildung im negativen Urteil über D.H. offensichtlich geschehen ist.
 
Natürlich kann man der Meinung sein, dass andere die Satire selbstverständlich toleriert hätten und dass D.H. hierzu auch moralisch oder als Person der Öffentlichkeit verpflichtet gewesen wäre, ganz zu Schweigen davon, dass man das anwaltliche Vorgehen des Künstlers unmöglich finden kann.

Abgesehen davon, dass man rechtlich nichts gegen das Vorgehen von D.H. vorbringen kann, finde ich jedoch nicht, dass er jede Form von Satire unbedingt akzeptieren muss. Wenn er das Video absolut geschmacklos fand und so, wie es beschrieben wird und wie die Reaktion des Konzerthauses ausfiel, könnte ich mir das durchaus vorstellen, dass D.H. es so empfand, muss er bei einer Rechtsverletzung weder dulden, dass es weiter im Netz zur Verfügung steht, noch muss er sich zumuten, sich selbst an A. Lücker zu wenden und ihn zu bitten, das satirische Video zu löschen.

Denn vom Satiriker hätte nicht unbedingt ein sofortiges Einlenken und das Angebot, sich in einem persönlichen Gespräch zu entschuldigen (so die Darstellung im offenen Brief Eggerts und so der übliche Sprachgebrauch, auch wenn die Bitte um Entschuldigung gemeint ist), erwartet werden können. Wenn Lücker keine Rechtsverletzung bewusst war, hätte man vermuten können, dass er, wie auch in den meisten Beiträgen hier gefordert wird, D.H. auffordern könnte, sich tolerant gegen Satire im Allgemeinen zu zeigen und das "Werk", dass in seiner speziellen Gestaltung D.H. auf die Schippe nimmt, doch als wichtigen künstlerischen Beitrag zu betrachten, der für die Allgemeinheit wertvoll sei. Und dann hätte D.H. sich womöglich noch inhaltlich mit Lücker über die für ihn geschmacklose Satire auseinandersetzen müssen. Hierin liegt auch ein Unterschied zu der erwähnten Satirepraktik über Obama: soweit ich die wahrgenommen habe, hatte die nie dieses niedrige Niveau. Da kann ich verstehen, dass D.H. das dem Anwalt überlässt, von Lücker die Unterlassung zu fordern. Wie gesagt, ich kann verstehen, wenn jeder hier anders vorgegangen wäre, ich kann aber auch das Vorgehen von D.H. verstehen, ohne ihn dafür an den Pranger stellen zu wollen.

Edit: denn was ist die Konsequenz der Forderung des Anwalts: Lücker löscht das Video und gut ist. Sachlich, emotionslos, keine Entschuldigung erforderlich, es müsste nicht in der Öffentlichkeit diskutiert werden, eigentlich eine saubere Sache.
 
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Ausserdem hätte sich der offene Brief von Eggert an das Konzerthaus richten müssen und nicht an D.H., weil das Konzerthaus am Ende über das Engagement entscheidet. So wird aber insoweit (nicht soweit der Sachverhalt den Fakten entspricht) durch einen spekulierten und vom Konzerthaus bestrittenen Zusammenhang eine Schädigung der Reputation des Künstlers in Kauf genommen.
 
Ich bin anderer Meinung als die Mehrheit hier.

Beim BR steht zu lesen "Hope kommt auf die Bühne, spricht statt über die Musik unter anderem über Genitalien, danach hört man eine grauenhafte Performance des Geigers mit dem Pianisten Ludovico Einaudi, die so natürlich nie stattgefunden hat. [...] Als satirische Hommage an den Geiger versteht Arno Lücker das Video."

Zum einen würde ich gerne wissen, wer von Euch einen Text voller Vulgarismen und Sexualzoten in den Mund gelegt bekommen möchte. Zu glauben, dass eine Kennzeichnung als sog. "Shred", also de facto eine Überschrift "es folgt eine üble Nachrede", eine Lizenz für eine Flut ehrenrühriger Äußerungen darstellt, ist absurd; die Beleidigung bleibt eine solche, und es ist absolut nicht Pflicht des Beleidigten, das Gespräch mit dem sog. Künstler zu suchen oder auf eine inhaltsleere Entschuldigungsformel einzugehen (vor allem dann nicht, wenn diese die salvatorische Klausel eines Kondizionalsatzes enthält nach dem Muster "falls ich Sie beleidigt habe, tut es mir leid").

Zum andern ist das "Satire"-Argument ein veritabler Rohrkrepierer. Satire hat immer einen polemischen Bezugspunkt. Politische Satire etwa benutzt Komik und Ironie als Mittel der Kritik an einem Gegenüber, dessen poltische Haltung man nicht teilt.
Im vorliegenden Falle kommt als polemischer Bezugspunkt ein anderer als der Geiger evident nicht in Frage. Der Satire-"Künstler" gesteht damit implizit ein, dass er Hope angegriffen und willentlich lächerlich gemacht hat und stellt sich als Moderator damit ein Unfähigkeitszeugnis aus. Es als "kindisch" zu bezeichnen, wenn jemand sich gegen derlei wehrt, offenbart, pardon, eine ziemliche Laxheit der ethischen Maßstäbe. Im übrigen hat Hope es nicht nötig, seinen Bekanntheitsgrad durch derlei Aktionen zu erhöhen; so ein Mauerblümchen ist er durchaus nicht.
 
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Zum einen würde ich gerne wissen, wer von Euch einen Text voller Vulgarismen und Sexualzoten in den Mund gelegt bekommen möchte.

Dies ist für mich der entscheidende Unterschied zu dem z.B. hier im Thema verlinkten Video mit Keith Jarrett und der darin enthaltenen musikalischen Verballhornung, über die ich auch herzhaft lachen musste. Ich vermute stark, dass ein Daniel Hope über eine solche musikalische "Satire" auch durchaus lachen kann, wenn er selbst die Zielscheibe ist. Zumindest in den vielen Gesprächen in diversen Talkshows, bei denen ich ihn gesehen habe, machte er einen ziemlich humorvollen Eindruck.
 
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https://www.thetimes.co.uk/article/...s-sour-note-over-vulgar-video-spoof-dlwvwhrb9
 
Es als "kindisch" zu bezeichnen, wenn jemand sich gegen derlei wehrt, offenbart, pardon, eine ziemliche Laxheit der ethischen Maßstäbe.
Dazu stehe ich, so lange sich die Laxheit auf nicht ernst zu nehmende Verbalitäten begrenzt. Das passiert unter Menschen im Alltag ständig. Und dass der Shred nicht ernst zu nehmen ist, bestätigst Du ja selber. D.H. macht aber genau das, was ich für eine genau so unsägliche Verfehlung halte wie den Shred selbst: Er nimmt das Ganze ernst.
 
Äh, hier?
Im vorliegenden Falle kommt als polemischer Bezugspunkt ein anderer als der Geiger evident nicht in Frage. Der Satire-"Künstler" gesteht damit implizit ein, dass er Hope angegriffen und willentlich lächerlich gemacht hat und stellt sich als Moderator damit ein Unfähigkeitszeugnis aus.

Mal abgesehen davon, dass wir den Inhalt eh nicht kennen und die fehlende Polemik darin gar nicht einschätzen können*, gehe ich grundsätzlich davon aus, dass JEDER "shred" nicht ernst zu nehmen sondern Komik und/oder Satire die Hauptintention ist.
Dass wir uns richtig verstehen: Kritik an so einem Shread halte ich für durchaus berechtigt aber die Reaktion darauf halte ich für übertrieben.

*Es könnte ja auch durchaus sein, dass sich die (schlecht umgesetzte?) Polemik gerade auf die lockere, humorvolle, "volksnahe" Art und Weise bezog, für die D.H. bekannt ist und ihm daher völlig übertrieben und überspitzt (das Wesen von shreads) entsprechend "volksnahe" Wörter in den Mund gelegt wurden.
 

Was mich betrifft: Nö. Ich fand und finde unabhängig evtl. Folgen die Unterlassungsklage selbst als Blödsinn. Es ist mir unbegreiflich, warum man das naheliegendste, einfachste, effizienteste: das Mittel der Kommunikation, nicht anwendet.

Ich wäre sofort bei dir, wenn es ein rein musikalischer Shred wäre wie beim Video oben und wie ich es auch sonst mehrfach gesehen habe. Beim vulgären Rest sind wir halt anderer Meinung.
 
Zum andern ist das "Satire"-Argument ein veritabler Rohrkrepierer. Satire hat immer einen polemischen Bezugspunkt. Politische Satire etwa benutzt Komik und Ironie als Mittel der Kritik an einem Gegenüber, dessen poltische Haltung man nicht teilt.

So verstehen wir Altvorderen "Satire".

Da hat sich aber viel gewandelt, wie so oft natürlich zum Schlechten. Jede noch so vulgäre Geschmacklosigkeit und sogar strafrechtlich relevante Äußerungen reüssieren heutzutage unter dem "Satiremäntelchen" zum Freifahrtschein für alle anderen ("Satire darf alles" = "Ich darf alles, wenn ich es nur zur Satire erkläre"). Dafür ist manch ein hochfrequentierter Kanal auf YT schon dichtgemacht worden. Namen nenne ich hier im öffentlichen Bereich nicht. Von den Betroffenen wird erwartet, dass sie es über sich ergehen lassen, auch wenn gar nicht ihr HANDELN, sondern ihre Person durch die Gülle gezogen wird.
 
Es gibt so zeitlose Beiträge, die könnten in jeder Epoche geschrieben worden sein. :-)
 
Es gibt so zeitlose Beiträge, die könnten in jeder Epoche geschrieben worden sein. :-)
Zum Beispiel "Früher war alles besser".
Da hat sich aber viel gewandelt, wie so oft natürlich zum Schlechten.
Dazu fällt mir der Linguist Rudi Keller ein: "Sprachverfall ist Sprachwandel aus der historischen Froschperspektive." Das lässt sich so auf seeeeehr viele andere Themen übertragen.
 
Dazu fällt mir der Linguist Rudi Keller ein: "Sprachverfall ist Sprachwandel aus der historischen Froschperspektive."

Ich fürchte, da unterlegst Du ihm eine Deutung, die er dieser rein deskriptiven Äußerung nicht gegeben hat. Es ist sinnlos, aus ideologischen Gründen den Begriff »Sprachverfall« bekämpfen zu wollen, weil er ein historische Tatsache ist. Wenn eine Standardsprache untergeht, wie etwa das antike Latein, dann geht damit in erster Linie nicht eine Literatur- und Bidlungssprache, sondern eine Amts- und Verkehrssprache unter, ein zentrales - damals das zentrale - Medium überregionaler Kommunikation. Das haben auch die Benutzer des Lateinischen so empfunden, sonst hätten sie nicht große Anstrenungen unternommen, die Standardsprache ab dem 8. Jh. wieder zu rekonstruieren und reichsweit für verbindlich zu erklären Aus der diachronen Perspektive (das »Frosch-« braucht es da gar nicht) dagegen ist Sprachwandel der absolute Normalfall, salopp gesagt: die fehler von heute sind die regeln von morgen. Und Umgangssprache ist kein negativer oder positiver Oppositionsbegriff zu Standardsprache, weil beide in dauernder Interaktion stehen; Standardsprache nimmt Ergebnisse des Sprachwandels auf, und umgekehrt möchte auch noch der letzte unfreiwillige Sprachdadaist doch verstanden werden, weshalb er unablässig zum Rekurs auf standardsprachliche Normen gezwungen ist. Sprachverfall zu bejammern ist sinnlos, ihn als Beseitigung eines bildungsbürgerlichen Machtinstruments zu bejubeln, ist unüberlegt, denn eine Sprache, die sich in eine Reihe von Idio- und Soziolekten auflöst, ist als übergreifendes Kommunikationsinstrument nicht mehr brauchbar. Sie muss dann durch etwas anderes abgelöst werden, z.B. durch eine Plansprache, wie sie in der Antike das Koiné-Griechisch darstellte oder heutzutage das gerade in voller Entwicklung befindliche künstliche Schwytzerdütsch, das die durch die Verdrängung der deutschen Standardsprache entstandene Lücke ausfüllen muß, weil die regionalen Dialekte keineswegs alle gegenseitig verständlich sind.
 

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