Mehrere gleich anspruchsvolle Stücke gleichzeitig bearbeiten

  • Ersteller des Themas Barratt
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@hasenbein
Danke für Deine Stellungnahme. :-)

So ganz verstehe ich allerdings noch nicht, was Du mir damit sagen möchtest. Bitte gestatte mir, direkt nachzufragen:

Diese 1-Stück-zur-Zeit-Überei (ja, ich gebe zu, ich beuge mich auch viel zu oft diesem "Zwang", gerade bei älteren Schülern...) ist letztlich eine Kapitulation.

Eine Kapitulation wovor? Vor dieser mangelnden Übebereitschaft?
Heute kann man oft froh sein, wenn an 3-5 Tagen in der Woche mal 15-20 Minuten geübt werden
Oder wovor noch?


Es ist leider eine sehr verbreitete Unsitte (!), dass Schüler nur 1 Stück zur Zeit üben und Lehrer nur 1 Stück zur Zeit aufgeben.

Das ist didaktisch-methodisch überaus ungünstig!

DA steckt doch der Kern der Aussage. Stichwort Unsitte. Ich argwöhne ja schon länger, dass diese von mir präferierte Herangehensweise von meiner Lehrerin zwar toleriert wird, sie es aber irgendwie lieber anders hätte. ;-)

Mich interessiert ganz konkret, worin die didaktisch-methodischen Vorteile des Parallel-Erarbeitens liegen, denn darauf wollte ich von Anfang an hinaus. :-)
 
Ich denke, es verhält sich wie in kompositorischen Sportarten: Je mehr unterschiedliche (!) Reize du deinem Gehirn bietest, desto schneller und gefestigter werden Deine Fortschritte insgesamt sein. Das liegt wohl sowohl am größeren Angebot als auch an den Synergieeffekten, die @alibiphysiker bereits wunderbar beschrieben hat.

Im Selbstversuch konnte ich übrigens herausfinden, dass es wenig bringt, sich am Tag zu lange mit einer neuen Stelle aufzuhalten. Es machte am nächsten Tag keinen Unterschied, ob ich eine neu auswendig gelernte Phrase 5x oder 10x (fast) fehlerfrei im langsamen Tempo gespielt hatte.
Die gesparte Zeit kann ich also einem oder mehreren weiteren Stücken mit möglichst anderen Anforderungen widmen. Stimmt meine Vermutung? Welche Erfahrung habt ihr gemacht?
 
Wurde das nicht auch in dem Vortrag von Prof. Altenmüller erwähnt? Es ist notwendig Pausen zu machen, ein anderes Stück ist dann eine "Pause"....oder so ähnlich?
 
Das Hauptproblem, außer denen von @hasenbein beschriebenen, wird wohl in der Konzentration bzw. Aufmerksamkeit bestehen bzw. im Mangel an denselben. Manche neigen á priori zu Sprunghaftigkeit, auch ohne die Hilfe von Smartphone und co.
Der Schüler teilt nun seine Aufmerksamkeit auf die drei oder vier Stücke auf und versucht womöglich, in einer Übeeinheit irgendwie alles "abzuarbeiten". Da ich das teilweise am Anfang auch so gemacht habe und mich dementsprechend die Forderungen meiner KL nach mehreren verschieden gelagerten Stücken gleichzeitig sehr genervt haben, denke ich, dass hier dem Schüler das Wie des Übens ganz besonders nahe gebracht werden muss.
Ein Stück üben und die anderen im Hinterkopf? Ganz schlecht. Auch wenn man mal nicht alle Stücke / Übungen etc. am Tag schafft, besser, immer eine Sache ausführlich zu üben, erst dann zum nächsten übergehen. "Stellen" üben ist dann wieder spezieller.
Von Andor Foldes gibt es ein interessantes Büchlein "Wege zum Klavier", wo er einen Übeplan vorschlägt, bei dem in halbstündigen Einheiten jeweils die Bearbeitung einer Sache (Tonleiter, Etüde, Stück A,B,C...) ansteht und ausschließlich geübt wird, danach muss eine Pause erfolgen.
Und drei Stunden Maximum.... :super:
 
@barrat,
in einem Stück werden nicht alle Fertigkeiten gleichermaßen abverlangt und durch das parralele erarbeiten mehrerer Stücke mit verschiedenen Schwerpunkten erhöht man die Wahrscheinlichkeit dass neu gelernte Techniken nicht wieder vergessen werden.
 
Wie war das bei Dir, hast Du in der Zeit Deines Heranreifens mit auf den Weg bekommen, dass es wichtig sei, neue Stücke parallel zu erarbeiten, weil dieser Umstand Dich als Lernenden generell weiterbringt?
Ich habe immer mehrere Stücke (drei oder mehr) parallel geübt. Über den Sinn und Zweck habe ich mir ehrlich gesagt nie Gedanken gemacht. Es war einfach so, und ich habe es als gottgegeben hingenommen.
 
Wurde das nicht auch in dem Vortrag von Prof. Altenmüller erwähnt? Es ist notwendig Pausen zu machen, ein anderes Stück ist dann eine "Pause"....oder so ähnlich?

Ich glaube mich daran zu erinnern, ja. Wobei es in einem längeren Stück ( ~ 10 min.) ganz viele "andere Stellen" gibt. Allein schon zwischendurch wechselnde Tonarten, Variationen etc. Wenn es nicht gerade die TEYsche Endlosschleife ist, kommt ja ständig was anderes.;-)

Ja logo, dann muss eine längere richtige Pause her.
schwitz.gif


Über den Sinn und Zweck habe ich mir ehrlich gesagt nie Gedanken gemacht. Es war einfach so, und ich habe es als gottgegeben hingenommen.

Sehr gut! :super::lol: Da bist Du also gewissermaßen hineingewachsen. Ich kenne das von früher nicht. Das Ansinnen, mehrere Stücke gleichzeitig zu erarbeiten, habe ich erst bei meiner aktuellen Lehrerin kennengelernt. Habe mich dem mehr oder weniger geschickt entzogen.:girl:

Meine Motivation steigt exponentiell, wenn ich eine plausible Erklärung habe. :teufel:


Zunächst schien sich abzuzeichnen, dass es wohl vom Lerntyp abhängt. Seit einigen Antworten schimmert aber immer deutlicher durch, dass es für diese Praxis wohl noch einen andere Gründe gibt als nur "Abwechslung". :-)
 
Ich bewundere euch wirklich, die ihr euch lange mit einem oder nur wenigen Stücken beschäftigt. Ich habe da einfach keine Geduld zu, spiele noch nicht mal ein Stück 2-mal hintereinander, geschweige denn, übe bestimmte Stellen. Dies ist sicherlich der Grund, warum ich seit Jahrzehnten auf dem gleichen Niveau hänge. Mich alten Sack wird man leider, nicht nur diesbezüglich, nicht mehr ändern:cry:.
 
In den 45 Minuten die ich pro Woche habe lohnt es sich nicht, zwei Stücke zu besprechen. Da lieber eins richtig. Und da ist einfach naheliegend nur ein Stück gleichzeitig zu machen.

Klar, wenn man mehr Zeit und Geld hätte könnte man auch dreimal die Woche eine Stunde Unterricht nehmen.
Aber wer schafft das schon wenn man von diesem Beruf nicht lebt?
 

Ich übe immer parallel an mehreren Stücken. Ich habe gemerkt, dass wenn ich mich zu lange auf ein Stück konzentriere, dann schleifen sich die Muster des einzelnen Stückes zu stark ein und ich bekomme Probleme bei anderen Stücken. Durch das Üben und Spielen mehrerer lässt dieser Effekt nach, ohne meiner Beobachtung nach an Lernfortschritt einzubüßen.
 
Ich finde es eher erstaunlich, wenn man keine 2-3 Stücke parallel erarbeitet. Bei meiner Lehrerin früher waren es immer 3 Stücke (plus Etüde) aus verschiedenen Epochen. Wenn man z.B. bei zwei Jugend Musiziert Wertungen mitgemacht hat, entsprechend mehr. Ich hatte im Jahr meines Abis bei drei JuMu-Wertungen teilgenommen und gleichzeitig noch das Programm für das praktische Musik-Abi geübt. Das wurde mir dann auch zeitweise etwas zu viel.
Jetzt ist es so, dass ich immer ca. 6 Stücke gleichzeitig erarbeite. Da ich aber momentan nur etwa jeden zweiten Tag anderthalb Stunden üben kann, spiele ich natürlich nicht jedes mal alle Stücke. Dementsprechend dauert es auch länger, bis sie fertig sind, was mich zeitweise etwas frustriert.
LG,
NaMu
 
Alle Schüler hatten bei meiner Lehrerin immer 3 Stücke parallel bearbeitet. Auch die, die nicht bei JuMu mitgemacht haben. Ich hatte das nur erwähnt, weil es eben gegebenenfalls auch mehr als die drei Stücke werden konnten.
 
Ich kenne es eigentlich auch nur so, immer mehrere Stücke gleichzeitig zu lernen, wobei sich ein Muster abgezeichnet hat, das ungefähr so aussieht:
Etüde, Bach (Invention oder Präludium), ein klassischer Sonatensatz + evtl. romantisches Charakterstück (z.B. eine Nocturne). Die Etüde wöchentlich wechselnd, die anderen Werke entsprechend lange...
 
@Herr Toteninsel

Ich habe die Antworten auf meine Frage natürlich ernst genommen und bin sofort dazu übergegangen, mehrstückig zu fahren.

Allerdings nicht gleich von Null auf Hundert ("gleich anspruchsvoll"). Ein Stück zum Weiterkommen, also eines, bei dem ich am Limit spiele. Ein weiteres, dass vom Schwierigkeitsgrad niedriger angesiedelt ist. Beide aber im Sinne eines ernsthaften Einstudierens (Bearbeitung im Unterricht).

Und irgendwelche Kleinigkeiten nebenher, oft auch aufgrund von Anregungen aus dem Forum – just for fun, außerhalb vom Unterricht.
 
Also ich spiele auch immer mehrere Dinge gleichzeitig plus Kadenzen plus harmonisieren von Chorälen. Am Klavier ist meist ein Bach dabei......
Ich mache immer alle STücke. Und davon 2 Durchgänge.
Den Lernfortschritt sehe ich immer am nächsten Tag. ....
 
Ich übe seit Anbeginn soviel wie möglich parallel. Mir war gar nicht klar, daß es Leute gibt, die es anders angehen. Anspruchsvolles braucht seine Zeit (gemessen in Tagen und Wochen, nicht in Sitz-Stunden). Um die Übezeit sinnvoll zu füllen, nehme ich deshalb auch "unterwegs" immer wieder mal was Neues rein.
 
Nachdem hier von relevanter Seite dazu geraten wurde, habe ich mein Lernverhalten den Ratschlägen angepasst. Sonst hätte ich ja nicht gefragt, wenn ich die Ratschläge nicht hätte beherzigen wollen.

Es ist natürlich genau so, wie von den Könnern vorgetragen wurde. Ich profitiere merklich davon. Aktuell sieht es so aus:
1. Jeweils eine Liszt-Etüde – wo ich "am Limit" spiele und die Limits dadurch ausdehne. ;-)Das möchte ich beibehalten, ich habe Liszt sehr zu schätzen gelernt und finde die Etüden genial.
2. Parallel arbeite ich Schuberts Impromptus und Moments musicaux durch, von vorn bis hinten. Schubert ist mir ans Herz gewachsen. :herz:
3. Als persönliche Herausforderung und Kontrastprogramm habe ich eine Frz. Suite von Bach hinzugenommen. :lol:


Da dieser Thread nu überraschenderweise auf der Startseite erscheint, fühle ich mich geradezu verpflichtet ;-), nach einigen Monaten ein vorläufiges Fazit zu ziehen:

A Die Gesamtübezeit wird länger. :lol:
B Der Matschbirnenfaktor tritt nicht so leicht ein. Die Aufmerksamkeit bleibt frischer. Ich habe den Eindruck, dass die naturgemäß etwas kürzere Übezeit pro Stück sich trotzdem nicht negativ auf den Übefortschritt auswirkt. Diesen Faktor (Zugewinn an Konzentrationsfähigkeit durch "Abwechslung") habe ich unterschätzt.
C Geistige und musikalische Flexibilität. Mehr Leichtigkeit, ich beiße sich nicht mehr so fest und fühle mich souveräner.
Schwierig zu formulieren.

D Last but not least aber auch eine Einschränkung der Euphorie. Es ist nicht möglich, in der Unterrichtszeit alle Stücke gleich intensiv zu bearbeiten. Akribische musikalische Analyse beispielsweise oder intensive Arbeit an der Phrasierung und ähnliche irgendwo zwischen Theorie und Technik angesiedelten Fragestellungen. Hier darf ich freudig konstatieren, dass viereinhalb Jahre Unterricht (und Clavio-Lektüre :zunge:) nicht folgenlos geblieben sind. Auf Vieles komme ich mittlerweile von selbst und mache es auch richtig. :super: Einzelne offene Fragen (aus dem Bereich der Harmonielehre im weitesten Sinn), können ja nach wie vor bearbeitet werden. Ich schäme mich zu Tode, wenn meine Lehrerin SOFORT merkt, wenn ich eine Stelle musikalisch nicht durchschaut habe :girl:, denn mein Anspruch ist eigentlich, mittlerweile selbst drauf kommen zu können. Kurzum, mir wäre diesbezüglich wahrscheinlich viel verloren gegangen, hätte ich zu einem früheren Zeitpunkt bereits die Mehrere-Stücke-Strategie verfolgt. :konfus:



Ich bin froh, das Thema hier angesprochen zu haben. Der richtige Gedanke zur richtigen Zeit, gewissermaßen. Allein schon der Umstand, dass da etwas "in mir nagte" und mich dazu verleitete, die Frage überhaupt in den Raum zu stellen, weist m. E. darauf hin, dass die Zeit reif für einen Strategiewechsel war.

Meine Lehrerin hat mir das zwar immer nahegelegt, aber irgendwie habe ich lange Zeit nicht kapiert, warum ich das tun sollte, denn selbstverständlich kommt man bei nur einem Stück mit genau diesem schneller voran, und die intensive "theoretische" Arbeit pro Stück wäre auch nicht möglich gewesen.
Im Nachhinein war es wohl richtig so, und jetzt ist es eben anders. :super:




 

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