Nur eine Anmerkung: Gerade bei der Berceuse habe ich das Problem, dass ich - wenn ich mir zu viel Rubato erlaube - die technischen Schwierigkeiten durch ein sehr starkes Ritardando umgehe, wenn vielleicht ein mäßiges angebracht wäre,
Dieses Argument kann ich nicht nachvollziehen. Es geht hier ja nicht um eine Etüde, die bestimmte Spieltechniken trainieren soll. Dass man heikle Stellen in höherem Tempo bewältigen können möchte, als es für das Stück nötig wäre, verstehe ich natürlich schon, aber für die eigentliche Ausführen sollte dann der intendierte Charakter des Stücks im Vordergrund stehen. Und in der Hinsicht teile ich
@pianochris66 Kritik. Für ein Wiegenlied ist das etwas zu flott.
Langsamere Tempi bringen nicht zwangsläufig weniger Probleme. Es kann dann zum Beispiel schwieriger werden, die Phrasen hörbar zu halten. Gerade am Kalvier, bei dem der einmal erzeugte Ton immer nur abnehmen kann, sind langsame Phrasen meiner Meinung nach schwieriger zu gestalten als z.B. auf Streichinstrumenten. Polyrhythmische Stellen z.B. werden auch nicht unbedingt leichter, wenn man sie langsam spielt. Bei der Gestaltung von Rubati geht es ja auch immer darum, dass der Gesamtfluss nicht gestört wird, dass das Verlangsamen und Beschleunigen "natürlich" klingt. Ist der Gesamtpuls langsamer stechen Details möglicherweise stärker heraus, als wenn etwas schnell vorbeihuscht. Es gibt vielleicht Virtuosenliteratur, bei deren Kompisition der primäre Zweck in der Herausforderung liegt. Ich glaube aber, dass den Komponisten und Komponistinnen der Aspekt der spieltechnischen Schwierigkeit ziemlich wurscht ist. Sie haben klangiliche, strukturelle und andere musikalische Visionen, die es umzusetzen gilt. Ich habe dieses Stück selbst nicht gespielt, bin auch nur Amateur, halte es aber für möglich, dass Du die eigentliche Schwierigkeit des Stücks (wenn es denn darum gehen soll) durch das höhere Tempo umspielst.
Was Du über die Eigenwahrnehmung während des Spielen schreibst, kann ich gut nachvollziehen. Geht mir genauso. Ich denke mir, ich mache eh so starke Kontraste und die KL reagiert so, als hätte ich gar nichts getan. Und wenn ich mal eine Aufnahme mache, merke ich dann auch, dass das meiste ziemlich flach klingt. Mir selbst kritisch zuzuhören ist eine Aufgabe, an der ich noch lange zu kiefeln haben werde.
Danke für's Teilen und weiter frohes Schaffen an diesem schönen Stück!
liebe Grüße
Gernot