Eisfinger beim Spielen

  • Ersteller des Themas pianosurfer
  • Erstellungsdatum

Kalte Finger beim Vorspielen sind meistens eine Streßreaktion durch Adrenalin. Das führt zu einer sog. Blutzentralisation, also verstärkte Blutmenge im körperzentrum und weniger in der Peripherie, wo Adrenalin die Gefäße verengt.
 
Hallo ihr!
Ich kenne beides: Das Leichenfingersyndrom und ganz normale kalte Finger. Ersteres hatte ich bisher dreimal, zweimal am Mittelfinger und einmal an Mittel- und Ringfinger. Das ist absolut nicht zu vergleichen mit normalen kalten Fingern!
Ich oute mich mal als Nicht-Klavierspielerin. Die jahreszeitlichen Probleme kenne ich ohne kalte Tastatur.
Ich spiele Geige und Bratsche und bemerke jetzt auch vermehrt Fingerpannen. Ich stelle nicht nur kalte Finger fest, sondern auch das Fingervolumen verringert sich. Mir hilft ein heißes Händebad vor dem Üben und dann direkt richtig intensive Aufwärmübungen mit beiden Händen. Bei mir klappt das nur, wenn der Kopf auch heftig involviert ist. Eine befreundete Klavierspielerin empfiehlt eine spezielle milde Heat Lotion, was für mich allerdings eher ungeeignet wäre. Hat einer von Euch mal sowas ausprobiert? LG Fine
 
Ähm - ich kenne mich auf dem Gebiet zufälligerweise aus

... und stellst dann so eine Frage in den Raum:

Zitat von pianosurfer:
Ist das irgendwie durch falsche Technik bedingt? Ich bin eigentlich nicht besonders unentspannt, oder dergleichen..

Also das klingt in keiner Weise nach "auskennen".... was ist denn jetzt noch der Sinn der Anfrage??
 
In Anbetracht meiner kalten Hände habe ich mich - anlässlich des soeben gespielten Stücks - gefragt, ob es so gut ist, mit kalten Händen Dezimenakkorde in Forte zu spielen. Bisher habe ich nicht festgestellt, dass meine Hände darunter leiden. Ich könnte mich eine halbe Stunde "warmspielen", die Hände wären trotzdem kalt.

Schade, dass sich niemand zu meiner Frage geäußert hat.

Mir ist dann ein Artikel in einer älteren PianoNews eingefallen. Dort hat Ratko Delorko folgendes geschrieben:

Vorsichtig dehnen und dann wärmen durch Einspielen. Die vermeintlichen Ochsennaturen können diesen Absatz überspringen, wir sehen uns irgendwann beim Orthopäden wieder. Pianisten mit ständigen Zerrungen, Sehnenscheidenentzündungen und eingegipsten Armen gehen ganz leise unter, weil sie keiner hört. Der medizinische Wortschatz umfasst eine Fülle von Hässlichkeiten, die einem so am Klavier begegnen können. Also: Das A und O jeder Verletzungsprävention ist vorsichtiges Dehnen der Muskulatur, wie im Sport längst üblich, und dann das folgende Aufwärmen und Einspielen.

Wieso? Wenn die Muskulatur kalt und nach einem kräftigen Übepensum übersäuert ist, kann sie ihrer natürlichen Stoßdämferfunktion nicht nachkommen. Ganz tückisch sind Konzerte zur Adventszeit in schlecht geheizten Kirchen und und ungeheizten Sakristeien.

Da durch das Auftreffen des Fingers auf den Tastenboden sog. Mikrotraumata (abrupt und unnatürlich endende Bewegungsvorgänge) entstehen, werden diese dann nicht innerhalb der Muskulatur absorbiert und in Wärme umgesetzt, sondern die Sehnen müssen die Stöße aufnehmen und verarbeiten, was sie gar nicht mögen. Bestenfalls gibt es eine Zerrung, schlechtenstensfalls werden die Sehnen und Sehnenscheiden so in Mitleidenschaft gezogen, dass sie die Misshandlung mit entzündlichen Prozessen quittieren. Unsere Fingergeschwindigkeit kann während der Tastenbeschleunigung 0,20-0,40 Meter/Sekunde erreichen (nach Gärtner). Wollen wir das spaßeshalber auf Kilometer pro Stunde umrechen, brauchen wir die Zahl nur mir dem Faktor 3,6 zu multiplizieren und erhalten eine Geschwindigkeit von 0,72-1,44 km/h. Auf den Tastenweg von nur 10 Millimetern verteilt, finde ich das für so ein Fingerchen ganz schön flott. Da der Aufprall auf den Tastenboden ungebremst erfolgt und nur das Fingerpolster und der Unterfilz der Taste für eine Minimalfederung sorgen, erscheint es nur logisch, dass eine ungedehnte Muskulatur dieses Trommerfeuer nicht kompensieren kann.


Tja, und was hilft mir das weiter bei meinen ständig kalten Fingern? Ich käme ja nicht zum Üben und Spielen wenn ich andauernd Dehnübungen machte.
 
Schade, dass sich niemand zu meiner Frage geäußert hat.

Du machst doch Laufsport. Da würdest Du doch auch nicht mit kalten Gliedmaßen erst mal einen Sprint hinlegen. ;-) Erstens, weil das Ergebnis bescheiden wäre und zweitens, weil die Verletzungsgefahr sowie die Gefahr von Langzeitschäden zu groß ist. Zu Dehnungsübungen der kalten Muskulatur würde heutzutage auch kein Sportcoach mehr raten (das war früher mal anders).

- Arginin ( @Henry - wie Magnesium oder reines Vit. C eines der preisgünstigsten Nahrungsergänzungsmittel überhaupt, dagegen ist Hopfenkaltschale ein hochpreisiges Luxusprodukt) habe ich vor einiger Zeit nach kritischen Recherchen für mich entdeckt und empfehle es an dieser Stelle gern weiter.

Weitere Ursachen für permanentes Frieren und klamme Finger können sein:

- Niedrige Schilddrüsenwerte. Die müssen gar nicht "pathologisch niedrig" sein, aber selbst am unteren Ende des Normbereichs angesiedelte Werte lassen sich durch geringfügige Gabe von Thyroxin in den Wohlfühlbereich anheben. Das sollte mit dem Arzt besprochen bzw. abgecheckt werden.

- Niedriger Blutdruck. LEIDER nimmt das nach wie vor niemand ernst:cry2:, so dass man keine spezifisch wirksamen Mittelchen legal erwerben kann. Lach Dich kaputt, aber solche Übungen wie "Hampelmannspringen" (oder unserem würdigen Alter eher entsprechende kreislaufankurbelnde Betätigungen) bringen schon ein bisschen was. Wechselbäder der Hände + Unterarme (also heiß/kalt) auch. Wechselduschen natürlich auch, aber das ist des Aufwandes im alltäglichen Ablauf etwas viel (und kann auch nach hinten losgehen...)

- Lustigerweise trägt auch eine "schlechte Haltung" dazu bei, den Blutfluss in die Hände zu verringern. Der kerzengerade Sitz auf den Sitzbeinknochen, bei dem sozusagen nichts außer dem dafür konzipierten Erector spinae das Becken aufrichtet, den Oberkörper strafft und den Trapeziuskomplex entlastet (sowie sämtliche anderen komplexen Muskelstrukturen im Schulterbereich). Die Aufdehnung der Pleura bringt vorwiegend in sitzender Position lebenden Menschen durchaus eine Erleichterung für das physiologisch optimale Sitzen.
 
Zuletzt bearbeitet:
EDIT : als Naturwissenschaftler bin ich eh der Meinung, die Menschen kapieren nicht, dass Bakterien und Viren krank machen, und nicht Kälte (es sei denn dass durch echtes Frieren das Immunsystem beeinträchtigt wird)

Ich habe Jahrzehnte versucht meiner Mutter zu erklären, was "Inkubationszeit" bedeutet.

Nein, ich niese heute abend, also habe ich mich heute morgen angesteckt. So sah sie das. Chronische Lernresistenz ...

Grüße
Häretiker
 
Zu Dehnungsübungen der kalten Muskulatur würde heutzutage auch kein Sportcoach mehr raten (das war früher mal anders).

Hallo Barrat!

Deine Hunde, die keinen sportcoach brauchen, machen es vor!
Wenn ich jemand frage, was machen ihre Hunde, Katzen, u.s.w. Wenn Sie sich von Bett, Couch, Körbchen, Boden erheben?
Da kommt wie aus der Pistole geschossen: "Die strecken sich" !

Sie praktizieren das auch unabhängig vom Aufstehen.

Tiere zeigen diese Verhaltensmuster aus den von mir o.g. Gründen: Sie bereiten ihren Körper vor auf eine Belastung. Nebenbei ist es natürlich auch ein Komfortverhalten!

Wahrscheinlich habe ich mich missverständlich ausgedrückt, ich dehne mich nicht von Kopf bis Fuß vor dem Klavierspielen, überwiegend Rücken , Arme und Beine,
Dauert vielleicht 3 Minuten.
Nach 20 Minuten spielen Lauf ich durch die Wohnung und Strecke die Oberarme abwechselnd nach oben.
Das nenne ich Äpfel und Birnen pflücken. Wehe jemand lach! :lol:

Meine Hände und Finger massiren sich gegenseitig.

Ich hab beim Klavierspielen nur Rückenschmerzen, wenn ich verbissen irgendwas erzwingen will. Vor allem der Nacken meint dann: " Ey, kannst du das mal lassen , das tut sauweh, soll ich dir von oben ausrichten!" :-)

Mein Körper Und Geist kommunizieren ganz gut miteinander.

Viele Grüße
Marion
 
Deine Hunde, die keinen sportcoach brauchen, machen es vor!
Wenn ich jemand frage, was machen ihre Hunde, Katzen, u.s.w. Wenn Sie sich von Bett, Couch, Körbchen, Boden erheben?
Da kommt wie aus der Pistole geschossen: "Die strecken sich" !

Das machen wir ja auch, wenn wir aufstehen (und uns niemand dabei zuschaut). ;-) Das würde ich aber nicht gleichsetzen mit "richtigen Dehnübungen", der Finger beispielsweise, über den Widerstandspunkt hinaus. Das sollte man erst mit dem aufgewärmten Muskel tun.

"Birnenpflücken" mach ich übrigens auch, weitet auch schön die Pleura.
 
Kalte Muskeln sind schlecht durchblutet, befinden sich damit in einem Zustand der veringerten Sauerstoffversorgung. Gefäßwände und Muskelfasern sowie das gesamte fasziale Gewebe sind weniger elastisch als im gut versorgten Zustand. Dehne ich dieses Gewebe über seine momentane natürliche aktive Beweglichkeit hinaus, passiert genau das, was ich durch das Dehnen eigentlich vermeiden wollte: Es entstehen Risse im Gewebe.

Daher sollte vor dem Dehnen immer erst der Kreislauf aktiviert werden, am besten über körperliche Bewegung. Wem Bewegungen wie Joggen am Platz und langsames Schulterkreisen zu sportlich sind, kann alternativ die Wohnung gründlich saugen oder die Wäsche aufhängen, auch das kurbelt den Kreislauf an. Warme Duschen und Bäder sind zeitaufwändig, aber ebenfalls sehr effektiv. Zwischendrin noch ein heißes Getränk hält uns anschließend länger warm, aber Achtung vor Alkohol! Alkohol erweitert zwar zunächst die Gefäße, jedoch stört er den Wärmeregulationsprozess. Normalerweise verengen sich die Gefäße wieder, sobald wir über sie zu viel Wärme verlieren, unter dem Einfluß von Alkohol geschieht dies oft verzögert, wodurch wir nach kurzer Erwärmung stärker frieren als zuvor. Und natürlich sind zusätzliche pathologische Ursachen für die Neigung zu kalten Händen, wie sie von @Barratt bereits beschrieben wurden, zu behandeln.

Sind Arme, Hände und Finger gut durchblutet, warm und elastisch, scheinen Dehnungen aber tatsächlich vor Beschwerden und Schädigungen zu schützen. Wenn man während der Übungseinheit immer mal wieder vorsichtige Dehn- und Lockerungsübungen für die verkürzten Muskeln einbaut und auch das fasziale Gewebe mit einbezieht, das zu Verklebungen und Reizungen des Gewebes neigt, kann man damit offensichtlich Sehnenscheidentzündungen und ähnlich unangenehmen Folgen verspannten Übens vorbeugen. Außerdem fliegen warme, gedehnte Spielapparate viel leichter über die Tastatur und helfen uns dabei, erst gar nicht zu leicht in verspannte Haltungen zu geraten.
 

Wow, wußte gar nicht, daß meine Eisfinger im Herbst/Winter so diverse physiologische, pathologische und sonstige -logische Ursachen haben. Man lernt nie aus. Ich dachte eigentlich, das läge nur an mangelnder Heizung :-D. Spaß beiseite: die Problematik kriege ich bisher durch die og. Hausmittelchen in den Griff: warmes Wasser über die Hände laufen lassen, 'ne Tasse Tee oder Kaffee (oder noch besser: Cappuccino) auf den Platz stellen, wo sonst die Beethovenbüste steht und ab geht die Post. Ach ja:und nicht gleich mit der sibirischen Etüde anfangen, da gibt's dann bestimmt Muskelfaserrisse :-D.
 
Ich dachte eigentlich, das läge nur an mangelnder Heizung.

Bei mir ist es so!

Weil ich die Inbetriebnahme der Ventas so lange wie möglich hinauszögern wollte, habe ich die Flügelwohnung wochenlang nur mit einem (recht kleinen) Heizkörper erwärmt. Nach dem Temperatursturz vor einigen Tagen hat das aber nicht gereicht. Der aufgedrehte zweite Heizkörper erwärmt die Wohnung nun auf eine für mich angenehme Wärme (den Flügeln dürfte es etwas zu warm sein) und schon sind die Eisfinger Vergangenheit.

Was lerne ich daraus: Ventas lieber ein oder zwei Wochen früher in Betrieb nehmen (und das lästige Reinigen in früher Kauf nehmen) und in einem warmen Raum sitzen.
 
... dessen Relevanz geradezu erdrückend ist. Was ein Glück, dass Du ihn verlinkt hast.



Lass mich raten: Du selbst kennst das Problem nicht?

vielleicht ist das eine Marktlücke. (Finger)Handschuhe die wärmen, aber dabei die volle Beweglichkeit der Finger gewährleisten, auch in schnellen Passagen. Der Stoff muss natürlich dünn, extrem leicht sein, mit hohem Tragekomfort und trotzdem wärmen. Dass das kein normaler handgestrickter Wollhandschuh sein kann, ist mir auch klar.
Wäre eigentlich ein gutes Thema für Masterarbeit eventuell sogar Doktorarbeit z.B in einem Textilinstitut
 
@gastspiel

Meine Mutmaßung, dass Dir das Problem unbekannt ist, gründete sich auf Deinem völligen Unverständnis für das Phänomen "eisige Finger". :-)

Handschuhe ergeben einen Sinn, um die Wärmeabstrahlung der Hände/Finger zu verringern und diese quasi zur "Außenheizung" derselben umzulenken.

Bei eisigen Fingern (aufgrund diverser von mir genannter Faktoren) nützen Handschuhe gar nichts. Ich habe welche aus Angorawolle. Aber egal welches Material man verwendet: Es wärmt nicht aktiv, sondern verhindert nur ein Auskühlen selbstproduzierter Wärme.

Das Problem bei "eisigen Fingern" ist dummerweise präzise die Abwesenheit von ausreichend Eigenwärme. ;-)
 
Der kerzengerade Sitz auf den Sitzbeinknochen, bei dem sozusagen nichts außer dem dafür konzipierten Erector spinae das Becken aufrichtet, den Oberkörper strafft und den Trapeziuskomplex entlastet (sowie sämtliche anderen komplexen Muskelstrukturen im Schulterbereich).

Ist das kerzengerade Sitzen nun gut oder eher ungünstig (für Klavier spielen, Rücken, Finger?)? Wieso entlastet das kerzengerade Sitzen den Trapeziuskomplex? Ich stelle mir so grades Sitzen mehr wie eine Verspannung vor, sieht irgendwie steif aus. Ich sitze eher etwas katzenbuckelig am Klavier.

Die Aufdehnung der Pleura bringt vorwiegend in sitzender Position lebenden Menschen durchaus eine Erleichterung für das physiologisch optimale Sitzen.

Aufdehnen der Pleura? Das höre ich zum ersten Mal. Hab gegoogelt und nicht viel gefunden, das (und da macht das ein Therapeut):

https://books.google.de/books?id=94...iIQ6AEIKzAD#v=onepage&q=pleura dehnen&f=false

Was bringt dehnen der Pleura fürs klavierspielen? Entspannter sitzen?
 
Ich war schon in der Dachstein-Eishöhle. Ich finde die etwa 0° darin gut auszuhalten, ich denke, ich würde da auch locker Klavier spielen, so da ein Instrument steht.
Es soll sogar Hotels geben, die komplett aus Eis bestehen.

Das Problem Eisfinger kenne ich auch, aber anders:
Als ich in Wind und Schneetreiben auf dem Dorfplatz den Kinderchor auf einem Keyboard begleiten musste.
Albtraum! Ich ließ alle Töne weg, die irgendwie entbehrlich waren.
Das Keyboard hat die Nässe offenbar überlebt.

Grüße
Manfred
 
Zuletzt bearbeitet:

Zurück
Top Bottom