Bach interpretieren

aha :shock:
Aber da halte ich die These "und wer Bach spielt sollte auch in der Lage sein am Schluss des Stückes eine cadenza zu improvisieren." ein bisschen überzogen. Wer am Konservatorium studiert - ok, aber man kann doch nicht von jedem Bachspielerchen gleich eine Improvisation im Anschluss erwarten?!
Bin, unschwer zu erkennen:D, selbst ein passionierter Bachspieler und kann höchstens in Richtung Arnold Schönberg was improvisieren;). Aber mein neuer Orgelmentor will nach den Osterferien mit Improvisation anfangen und zum Schwerpunkt machen. Freu mich schon riesig - vielleicht kann ich dann auch mal mitreden :)

Danke Fred für die Infos!
 
Die hätten uns damals in der Hochschule was erzählt, wenn wir in Bach Fugen angefangen hätten zu improvisieren :p
 
Ich korrigiere mich.
Nicht am Ende eines Stückes, sondern nach dem erste Satz gibt es eine Kadenz,mein Beispiel Mozart KV 488.
Ich freue mich das darauf so viele reagiern, aber wo Chief ist ist immer was los.

Gruß Chief
 
Hier hab ich wieder ein bisschen Stoff zum Thema. MAn höre sich diese beiden Aufnahmen an. Beide sind vom bednadetem Cembalisten und Organisten (anscheinend kein besonderer Pianist) Koopman, der sich mit der Toccata einamal am Cembalo vergnügt und einmal am Klavier versucht hat.
Die Aufnahme mit dem Cembalo ist klasse - wie erwartet. Die Klavieraufnahme aber klingt steril, emotionslos und langweilig wie ich finde. Das zeigt doch, dass man Bach auf einem Klavier nicht wie auf einem Cembalo spielen darf, oder wie seht ihr das?

Cembalo

Klavier
 
Hallo Christoph,

hier scheint ein kleines Mißverständnis vorzuliegen. Die Cembaloaufnahme ist von Ton Koopmann gespielt, die Klavieraufnahme jedoch von Glenn Gould.

Von letzterem hätte ich allerdings schon eine fantasievollere Interpretation dieser Toccata erwartet. Es ist eben auch nicht alles Gold, was aus Toronto kommt...

Die Interpretation von Ton Koopmann ist aber sehr, sehr gut!

Haydnspaß
 
Hallo Christoph --
Die Aufnahme mit dem Cembalo ist klasse - wie erwartet. Die Klavieraufnahme aber klingt steril, emotionslos und langweilig wie ich finde. Das zeigt doch, dass man Bach auf einem Klavier nicht wie auf einem Cembalo spielen darf, oder wie seht ihr das?
Wie Haydnspaß schon sagte.

Trotzdem kann man ja einen Vergleich versuchen.
Mir gefällt in diesem Fall auch die Cembalo-Interpretation besser. Ich finde aber nicht, dass dies etwas unmittelbar mit der Notwendigkeit zu tun hätte, Bach auf dem Klavier anders spielen zu müssen als auf dem Cembalo - denn beide Interpreten SPIELEN ja zweifellos deutlich unterschiedlich.

Gould spielt im Unterschied zu Koopman schneller und "geradliniger", mit weniger Agogik. Das allein trägt - in diesem Fall - bereits wesentlich zum Eindruck von "Sterilität" bei, würde ich sagen.

Nun könnte man sich aber noch fragen, inwiefern am Klavier ein ähnlicher Eindruck eines "angemessen" zügigen Tempos entstände, wenn man dort wie Coopman spielte. Mir scheint, ein Cembalo klingt schon bei geringerer Anschlagsdichte recht "geschäftig" als ein Klavier; wegen des viel prägnanteren Anschlags usw.

Gould war sicher ein genialer Bach-Interpret. Ich finde ihn auch immer wieder faszinierend. Aber nichtsdestotrotz halte ich viele seiner Einspielungen für anfechtbar. Und das nicht nur im Kontext "historischer" Interpretationsversuche. Trotzdem ist er natürlich immer spieltechnisch frappierend und fast immer hochinteressant, also "anfechtbar genial" vielleicht ;).
Grundsätzlich gefallen MIR diejenigen Gould-Bachinterpretationen am besten, wo er das Stück nicht so "runterrasselt". Zum Beispiel die hier:

http://www.youtube.com/watch?v=8-KyL2gMxV8

Klingt doch irgendwie tempomäßig "verhalten". Aber SO wie er es macht, entfaltet es eine geradezu hypnotische Wirkung ... :-)


Grüße

Bernd
 
Huch, wäre niemals darauf gekommen, dass das Gould sein soll, da ich es gewohnt bin dass mir seine Aufnahmen mehr zusagen - aber stimmt schon, wenn man genau hinhört kann man das gouldtypische Gebrummel hören;). Bin von Koopman ausgegangen, weil es im Titel heißt "Koopman plays".

Danke für eure Antwort :),
Gruß Christoph
 
Bachs Klaviermusik rein Weltlicher Natur?

Das halte ich aber für sehr gewagt. Der größte Teil seiner Kompositionen für Tasteninstrumente ist doch rein weltlicher Natur (außer den Orgelwerken natürlich).

Also das sehe ich etwas anders. Bachs Klavierwerke sind alles andere als rein weltlicher Natur. Nimm z.B. WTK 1, 5-stimmige Fuge cis-moll. (Manche sagen, die Fuge aller Fugen. Das Kreuz Christi, (Kreuzthema), das Bach (er selbst trägt es) ist hier das musikalische Hauptthema. Ich bin mir nicht sicher, ob Bach nicht immer "Zum Wohle Gottes" geschrieben hat.
 
Schließlich war er Kirchenmusiker mit Leib und Seele, oder irre ich da.
Wer kennt nicht die Geschichte vom Orgelwettbewerb.

Stilblüte
 
Da kann ich euch nur raten, euer Bachbild mal etwas zu entstauben und von frömmlerischen Klischees und alberner Zeichen- und Zahlenmystik zu befreien. Empfehlen würde ich dafür u.a. die Lektüre von Franz Rueb "48 Variationen über Bach" oder Klaus Eidams leider etwas reißerischen Titel "Das wahre Leben des Johann Sebastian Bach".

Der Meister war nicht mehr und nicht weniger gottesfürchtig als seine Zeitgenossen. Kirchenmusik hat er gemacht, weil es nun mal seine "Karriere" nicht anders hergegeben hat. Es gibt genügend Hinweise, dass er sich immer nach den Zeiten als rein weltlicher Hofkonzertmeister zurückgesehnt oder eine neue Anstellung in dieser Richtung angestrebt hat. Leipzig schmückt sich zwar mit ihm, war aber eher sein Fluch.

... Wer kennt nicht die Geschichte vom Orgelwettbewerb. ...
Welche meinst du?
 
Naja, ich denk, Bach war schon ein durch und durch religiöser Mensch, der aber auch mit beiden Beinen im Leben gestanden ist. Daher durchdringt sich beides: seine religiösen Werke sprühen vor Leben und die weltlichen haben auch immer eine große Gewissenhaftigkeit und Kunstfertigkeit. Ob man nun die Kaffeekantate anschaut oder sein Lob der Tabakpfeife ;)

Haydnspaß
 

Er hätte niemals Stücke wie das Weihnachtsoratorium oder sämtliche Bachkantaten schreiben können, wenn es ihm keinen Spaß gemacht hätte.

Mit "Wettbewerb" meine ich folgenden:

Ich weiß leider die genauen Umstände und den Namen des Kontrahenden nicht mehr (hier gibts sicher jemanden, der genaueres weiß), aber man erzählt sich, dass sich folgendes zugetragen haben soll:

Es gab einen anderen Organisten (ich glaube er war aus Frankreich oder Italien...), der unglaublich viel auf sich hielt. Er sollte mit Bach in einem Konzert einen Improvisationswettbewerb antreten, auf den auch ein Preisgeld gesetzt war. Gegen den "kleinen, unbedeutenden Bach", würde er sicherlich gewinnen, dachte er.
Am Vorabend des Stichtages also befand sich Bach in der Kirche und übte und improvisierte. Sein Gegner schlich sich in die Kirche, um zuzuhören und sich selbst der Fähigkeiten Bachs zu überzeugen.
Als er ihn so virtuos, vollkommen und absolut unübertrefflich gut spielen hörte, und als er begriff, dass er keine Chance hatte und sich am nächsten Tag wohl zum Affen machen würde, verließ er panisch und fluchtartig die Stadt und erschien nie zum Wettbewerb.
Das Preisgeld hat Bach nicht bekommen.
Schließlich war es kein Wettbewerb mehr....

Stilblüte
 
Er hätte niemals Stücke wie das Weihnachtsoratorium oder sämtliche Bachkantaten schreiben können, wenn es ihm keinen Spaß gemacht hätte....
Sicher hat's ihm "Spaß" gemacht, – und "sämtliche Bachkantaten" konnte nun wirklich nur er schreiben. ;) Aber: Damit ist keine überdurchschnittliche religiöse Inbrunst belegt, sondern nur höchste musikalische Genialität.

Und was soll der Wettstreit mit Marchand in Dresden damit zu tun haben?
 
Mit seiner Religiosität hat der natürlich nichts zu tun ;)
Eher damit, dass er Organist mit Leib und Seele war.

Stilblüte
 
Nun gut, dafür braucht's dieser auf sehr wackligen Füßen stehenden Legende am wenigsten. (Davon mal abgesehen wird auch genauso häufig von einem geplanten Wettstreit am Cembalo berichtet.)

Da ist es viel aussagekräftiger, welch große Anstrengungen er zu seiner Horizonterweiterung im Orgelspiel unternahm und welch hohe Meinung man von ihm schon in jungen Jahren auch in technischen Fragen des Orgelbaus hatte als begehrten Experten bei Planung und Abnahme von Orgeln – und das zu großen Teilen als Autodidakt (im übrigen z.B. auch auf musiktheoretischem Gebiet).
 
Zitat von Haydenspaß:
Naja, ich denk,Bach war schon ein durch und durch religiöser Mensch, der aber auch mit beiden Beinen im Leben gestanden ist
denk ich auch

Zitat von WuWei:
Da kann ich euch nur raten, euer Bachbild mal etwas zu entstauben und von frömmlerischen Klischees und alberner Zeichen- und Zahlenmystik zu befreien.
WuWei will wieder relativieren wo's nichts zu relativieren gibt:p. Bach war, wie natürlich die Meisten in seiner Zeit, ein tief in seinem Glauben verwurzelter Mensch. Unter viele seiner Werke schrieb er die Buchstaben s.d.g. - lat. für "soli deo gloria" was heißt "einzig Gott zu Ehre" - sagt doch alles, oder?


"Bachs theologische Bibliothek umfasste mehr als 81 Bände. Ungefähr sechs Regalmeter – für einen Musiker, der ja nicht einmal über eine Universitätsausbildung verfügte, ist das ein erstaunliches Volumen. In Bachs Bibliothek ist Luther reichlich vertreten. Er besaß neben zwei Gesamtausgaben der Werke Luthers und verschiedenen Einzelausgaben eine dreibändige Lutherbibel von 1618, kommentiert von Abraham Calov. Wie Eintragungen und Unterstreichungen belegen, hat Bach diese Bände 1733 gekauft und oft in ihnen gelesen." Quelle

"Manche, die nur den Musiker Bach haben wollen, finden, das sei überflüssiges Beiwerk. Doch sie kippen mit der christlichen Botschaft in Bachs Werk etwas über Bord, was ihm selber heilig war und was nach seinem Selbstverständnis als evangelischer Christ sein Werk bestimmt hat." Quelle
 
Da kann ich euch nur raten, euer Bachbild mal etwas zu entstauben und von frömmlerischen Klischees und alberner Zeichen- und Zahlenmystik zu befreien. Empfehlen würde ich dafür u.a. die Lektüre von Franz Rueb "48 Variationen über Bach" oder Klaus Eidams leider etwas reißerischen Titel "Das wahre Leben des Johann Sebastian Bach".

Der Meister war nicht mehr und nicht weniger gottesfürchtig als seine Zeitgenossen. Kirchenmusik hat er gemacht, weil es nun mal seine "Karriere" nicht anders hergegeben hat. Es gibt genügend Hinweise, dass er sich immer nach den Zeiten als rein weltlicher Hofkonzertmeister zurückgesehnt oder eine neue Anstellung in dieser Richtung angestrebt hat. Leipzig schmückt sich zwar mit ihm, war aber eher sein Fluch.


Welche meinst du?
Ich will mich dazu auf keine großen Diskussionen einlassen. Der Glaube war zu seiner Zeit etwas selbstverständliches, dem er mit der Genialität seiner Musik mehr oder weniger Ausdruck verleihen konnte. Die Zeit der Aufklärung war noch weit entfernt Das unterscheidet Bach von den meisten seiner Zeitgenossen: nicht sosehr der Glaube, sondern sein Können und dadurch die Möglichkeit der Einbindung von Glaubensfragen in die Musik. Bach selbst hat sich zu solch persönlichen Dingen, seinen Beweggründen usw. ja nur sehr spärlich geäußert und hat deshalb natürlich auch vielfachen Interpretationen bis heute einen weiten Raum gelassen. Mit Hirngespinsten der Zahlenmystik hat seine Musik jedenfalls nichts zu tun, (die Formulierung wäre zu Bachs Zeit nicht möglich gewesen, Mystik wurde da nicht wie heute als Unsinn betrachtet) nichtsdestoweniger sind seine Stücke auch vom Formalen her bewundernswerte Kunstwerke.
 
Zitat von Jochen:
Die Zeit der Aufklärung war noch weit entfernt Das unterscheidet Bach von den meisten seiner Zeitgenossen
Das ist nicht ganz richtig. Voltaire war gerade mal 9 Jahre jünger als Bach und ebenfalls zählten Immanuel Kant, Friedrich der Große (ihm zu Ehren das musikalische Opfer) & Co. zu seinen Zeitgenossen. - Bach lebte zur Blütezeit der Aufkärung
 
Das ist nicht ganz richtig. Voltaire war gerade mal 9 Jahre jünger als Bach und ebenfalls zählten Immanuel Kant, Friedrich der Große (ihm zu Ehren das musikalische Opfer) & Co. zu seinen Zeitgenossen. - Bach lebte zur Blütezeit der Aufkärung
Da hast du natürlich recht, aber verbreitet war di Aufklärung noch nicht.Bach war davon jedenfalls meines Wissens nach nicht berührt.
 
Da hast du natürlich recht, aber verbreitet war di Aufklärung noch nicht.Bach war davon jedenfalls meines Wissens nach nicht berührt.

Wurde der Voltairfreund Friedrich II. nicht aufgrund seines an der Aufklärung orientierten Regierungsstiles berühmt? Sollte dann nicht sogar der Friedrichfan Bach ebenfalls schon mal was von Aufkärung gehört haben? So weltfremd kann er ja nicht gewesen sein.

Na ja, is ja eigentlich egal;)
 

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