Wie sieht bei euch die berufliche Perspektive mit einem Klavierstudium aus?

Da hast Du ausnahmsweise mal völlig Recht, Neronick.

Der Gedanke, man habe doch schon so viel in etwas investiert (Zeit, Geld...) sollte NIEMALS eine Rolle bei Lebensentscheidungen spielen! Das ist nämlich schlicht total unlogisch.

LG,
Hasenbein
 
...hätte er das nicht schneller ohne das umfangreiche, mühsame und vermeintlich nutzlose Klavierstudium (mit Aufnahmeprüfungen etc) erreichen können?...

zu den Äpfeln und Birnen:
- wie viele Medizinstudenten fangen jedes Jahr ein Studium an?
- wie viele davon brechen es ab?
- wie viele davon werden Arzt?
- wie viele davon werden Chefarzt/Klinikchef
- wie viele davon werden quasi ein Barnard?
so, und nun dieselben Fragen bzgl. Klavierstudenten:
-- wie viele machen jedes Jahr eine Aufnahmeprüfung und bestehen diese?
-- wie viele davon brechen ab?
-- wie viele kommen an Musikschulen etc. unter?
-- wie viele ergattern eine Klavierprofessur?
-- wie viele werden eine Art Horowitz?

und aus beiden Gruppen: wie viele arbeiten später, egal ob abgebrochenes oder erfolgreich absolviertes Studium auf anderen Gebieten?

die Relationen dürften durchaus vergleichbar sein - was die Entlohnung in Festanstellungen betrifft, so entscheidet "die Gesellschaft" sowie der Markt, ob sie Busfahrer oder Ärzte, Pianisten oder Wurstfachverkäufer höher oder niedriger entlohnt. Eine Praxis, für welche keine Hochschule und kein Studium verantwortlich zeichnen.

wer ein Studium oder eine Berufsausbildung einzig daran bemisst, wie aussichtsreich diese in was für einer (natürlich möglichst hohen) Gehaltsklasse sind, der sollte auf beides verzichten: Bankräuber, Zuhälter, Auftragskiller sind sehr lukrative Geschäftsbereiche und bedürfen keiner langatmigen Ausbldungen... :rolleyes:;):D

Der Vergleich mit den Medizinern hinkt etwas aus folgendem Grund:

Die ärztliche Tätigkeit ist im weitesten Sinne ein Brotberuf.
Es gibt für die überwiegende Mehrheit der Absolventen Festanstellungen bzw.
vergleichsweise sichere Formen der Selbständigkeit (Das Medizinstudium hat
übrigens mit die niedrigste Abbrecherquote, wahrscheinlich gerade weil es eine
relativ "sichere Sache" ist). D.h. man man wird vielleicht nicht reich, aber es lässt sich komfortabel leben, auch wenn man zum ärztlichen Fußfolk gehört.

Für andere "Brotberufe" wie Bänker, Facharbeiter, Ingenieur etc. gilt das
je nach Wirtschaftslage in ähnlicher Weise.

Für studierte Pianisten bzw. Musiker allgemein gibt es gemessen an der
Absolventenzahl wesentlich weniger feste Stellen und die Freiberuflichkeit
ist mit nicht geringen Risiken behaftet. Das Fußfolk der Pianisten schlägt
sich eben so durch (das gilt noch viel mehr, wenn man die ständig steigende
Zahl der Absolventen von Jazz- bzw- Popstudiengängen dazurechnet)

Aus meiner eigenen Erfahrung kenne ich das Dilemma:

1) Brotberuf und Musik als Hobby
Vorteile:
Sehr gute Chance auf geregeltes Einkommen.
Existenzsicherung ist nicht Glückssache.
Gutes Einkommen (ermöglicht z.B. frühe den Kauf eines tollen Klavieres/Flügels)
Keine musikalischen Verpflichtungen (ich muss mir keine Gedankenmachen, ob mir die Musik, an der mein Herz hängt, Geld bringt, auch wenn es schrägste neue Musik oder wilder Free Jazz ist)

Nachteile:
Wenig Zeit zum Praktizieren.
Auf einem als insuffizient wahrgenommenen Niveau festgefahren (Ausnahmen gibts, sind aber selten).

2) Musik als Beruf
Vorteile:
Man tut beruflich das, was man am meisten liebt (Kurzer Satz, aber sehr wichtiger Punkt).
Man studiert es und kommt dadurch dem persönlich maximalen Niveau nahe.

Nachteile:
Die rein statistische Chance auf eine Festanstellung und damit ein festes Einkommen ist ziemlich klein.
Wenn das, was man am meisten liebt zum Beruf wird, KANN das die ursprüngliche Freude einschränken.
Man ist dazu gezwungen davon zu leben und muss sich danach richten (wenn ich eigentlich nicht gerne unterrichte, aber nur dadurch meinen Lebensunterhalt sichern kann, dann gibt es erstmal kein Entrinnen. Oder wenn ich mich zu epochalem modernem Jazz berufen fühle, aber wegen des Geldes auf Hochzeiten und Kreuzfahrtschiffen Cocktail-Schnulzen spielen muss... )Frustpotenzial!

Eigene Erfahrung:
Zur Abitur-Zeit hat mir mein KL gesagt:
"Du könntest die Aufnahmeprüfung schaffen, aber ich kann es Dir nicht guten Gewissens empfehlen. Du bist gut genug um als Pianist ÜBERLEBEN zu können, aber nicht so gut, dass Du damit so leben kannst, wie Du es Dir wahrscheinlich wünschst."
Ich habe seinen Rat ernst genommen und übe heute einen "Brotberuf" aus.
Meine Situation heute: Ich spiele noch bzw. wieder, trete auch gelegentlich im kleinen Rahmen auf.
Ich leide, weil ich nicht so gut bin und nie so gut werde, wie ich vielleicht sein könnte.
Ich leide, weil ich unter normalen Arbeitsbedingungen tgl. im Durchschnitt nicht viel mehr als eine Stunde zum Üben komme.
Ich genieße, dass ich nicht gut sein muss, weil das Geld trotzdem fließt.
Ich genieße, dass ich es am Klavier ganz entspannt angehen kann.
Ich genieße, dass ich spielen kann, worauf ich gerade Lust habe, auch wenn das außer mir sicher niemand hören will.
Ich genieße, dass ich mir ein hochwertiges Stage-Piano (für Auftritte mit Jazz-Combos) und ein gutes Klavier kaufen konnte ohne mich dafür verschulden zu müssen.

Was ich am meisten genieße:
Von den (gemessen am berechneten Stundenlohn) extrem spärlichen Gagen, die ich hier und da bekomme, lade ich Frau und Kind gelegentlich schick zum essen ein, quasi als Dank und Belohnung dafür, dass sie mich fast tgl. üben lassen.

Ich glaube, ich würde es heute wieder genau so entscheiden, aber wer weiß, was ich verpasst habe ??? Ich denke, es ist eine Bauchentscheidung. Wer es "nicht lassen kann", der soll den Profi-Weg gehen und wird damit schon durchkommen. Wer Zweifel hat, erst ausgiebig die Foren konsuliert und dann immer noch ratlos ist, für den hat sich die Entscheidung bei Licht betrachtet schon von selbst getroffen.
 
Da hast Du ausnahmsweise mal völlig Recht, Neronick.

Der Gedanke, man habe doch schon so viel in etwas investiert (Zeit, Geld...) sollte NIEMALS eine Rolle bei Lebensentscheidungen spielen! Das ist nämlich schlicht total unlogisch.

LG,
Hasenbein
Es ist sehr seltsam, aber wenn ich Hasenbein lese, erkenne ich Widersprüche, selbst wenn wir - scheinbar - einer Meinung sein sollten. NEIN! Es ist mir GRUNDSÄTZLICH unmöglich, mit Hasenbein einer Meinung zu sein. Sein Wort "niemals" ist falsch.

Ich meine, wer sein Leben lang Geld verbrannt hat, sollte nicht neues Geld verbrennen in der Hoffnung, jetzt Kartoffeln zu ernten. Der Kaufmann sagt dazu: "Werfe dem schlechten Geld kein gutes hinterher!" Ein SEHR aktuelles Thema!

Die tatsächliche LEBENSENTSCHEIDUNG, die auch ein WEISES Fundament in der Bibel hat, lautet: "Schuster, bleib bei DEINEN Leisten".

Also: Bleibt bei eurem Ehepartner, wenn ihr gute Zeiten hattet! Verlasst eure Kinder nicht, wenn ihr bereits viel Zeit in sie investiert habt! Führt euer Studium zu Ende! Und, und, und. Überhaupt: Achtet ALLES, in das Ihr viel Zeit und Geld investiert habt! Wenn es GUTE Zeit war und GUTES Geld.

Ich hatte einst einen Professor gefragt, "Herr M...., was soll ich tun, wenn ich Betriebswirt bin?" Er antwortete: "Herr N..... , wenn SIE ihr Studium beendet haben, sind Sie nicht Betriebswirt, sondern Diplom-Kaufmann! Vergessen Sie das Ihr gesamtes Leben NIEMALS!"

Das war guter Rat. Er war auch der einzige Prof, bei dem ich mal durch eine Prüfung gerasselt bin.

*
Noch eine musikalische Nebenbemerkung zu Hasenbein: Habe heute das erste Gitarrenstück mal wirklich ausgehend vom Notenbild komponiert. Gestern musste ich bei einem anderen Stück die TABs dazu schreiben, weil sich sonst das Griffbild nicht erschlossen hätte. Nichts desto trotz: Recht haben ist das Dämmlichste, was einem Menschen widerfahren kann.
 
Neronick, du meinst also, dass man ein Hardcore-Studium mit echt schlechten Berufsaussichten auf jeden Fall beenden sollte, bloß deshalb, weil man Zeit darin investiert hat? Entschuldige bitte, aber das ist Quatsch! Gerade bei einem Kunststudium sind rationale und logische Argumente nebensächlich. Und außerdem sollte die betreffende Person so früh wie möglich umsatteln und keine Zeit mehr verlieren, wenn sie merkt, dass das Studium keine Herzensangelegenheit mehr ist. Wie man das macht, ist wieder ein anderes Thema. Aber......:
Ich würde sofort ein lukratives Studium auf einer Wirtschaftsuni beginnen, das Klavier und die Musik beerdigen - egal, wieviel Zeit ich darin investiert hab - wenn ich beides nicht so abgöttisch lieben würde....
 
Ich habe zwar keine Ahnung, was Du aus meinen Posts für Lehren ziehst, aber ich meine nur EINS: DASS man ein Studium abschließen sollte, und zwar erfolgreich.

Andere Tipps habe ich nicht. Da ich das Privileg hatte, an der Uni Eingangsklausuren zu korrigieren: Es macht KEINEN Sinn, weiter zu studieren, wenn man in einem vorgeschriebenen Fach so große Schwächen hat, dass man die ENTSCHEIDENDE Klausur niemals besteht, auch nicht, wenn man sie immer weiter aufschiebt.... Mein zweiter Rat wäre also noch: Das Schwierigste und Wichtigste nicht umschiffen, sondern erledigen.

Der dritte Rat wäre: Brüche vermeiden. Grenzen erkennen! Ansonsten: Immer was wählen, was latent unterfordert und latent langweilt, weil es leicht fällt. Gilt auch später fürs Berufsleben.

Als Personalchef würde ich jeden mit CHRONISCHEN Überstunden rauswerfen. Letzte Empfehlung: Sauber zitieren lernen, Wörter wie "Quatsch" im Umgang mit anderen Menschen möglichst meiden.
 
...aber ich meine nur EINS: DASS man ein Studium abschließen sollte, und zwar erfolgreich.
Gut, dass du das konkretisiert hast, denn dieser Meinung bin ich ja auch - allerdings mit Vorbehalt, denn bei einem Konzertfachstudium trifft die Philosophie "Hauptsache irgendwas" sicherlich nicht zu.

Ansonsten: Immer was wählen, was latent unterfordert und latent langweilt, weil es leicht fällt. Gilt auch später fürs Berufsleben
Das widerspricht so ziemlich jedem, der an Herausforderungen wachsen möchte, der seine Talente und Stärken kennt und ausbauen möchte sowie allen, die mehr aus ihrem Leben machen möchten als den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen und sich in einem grauen, gesichtslosen Mittelmaß aufzuhalten.
Daher kann ich über diesen Ratschlag nur den Kopf schütteln....

Wörter wie "Quatsch" im Umgang mit anderen Menschen möglichst meiden
Darüber auch...
 
Das widerspricht so ziemlich jedem, der an Herausforderungen wachsen möchte, der seine Talente und Stärken kennt und ausbauen möchte sowie allen, die mehr aus ihrem Leben machen möchten als den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen und sich in einem grauen, gesichtslosen Mittelmaß aufzuhalten.
Daher kann ich über diesen Ratschlag nur den Kopf schütteln....
Du hast einen Hang zu Phrasen? Hast Du hier auf Clavio auch noch eine andere Identität?

Falls es Dich interessiert: Ich persönlich bin niemals den Weg des geringsten Widerstandes gegangen. Ich ecke sogar hier in dem friedlichen Forum überall an. Graues Mittelmaß? Da kann ich nicht mitreden, mein Leben war meist BUNT und GOLDEN :-)

Hast Du eigentlich was gefragt, oder wolltest Du antworten? Welche Frage kam von mir?
 

Ja, genau so ist es! Grundsätzlich verstehe ich aber die Einstellung der Klarinettistin nicht, die wohl ernsthaft und sicher damit gerechnet hat, auf jeden Fall eine Orchesterstelle zu bekommen. Bläser sind solistisch besetzt und es ist höchst unwahrscheinlich, eine solche Stelle zu bekommen, auch wenn man gut ist!

Da sind wir Pianisten noch gut dran. Wenigstens ist Klavier das Instrument, das die meisten Instrumentalschüler lernen wollen. Andere haben es da viel schwerer.

Liebe Grüße

chiarina
 
Dass sie jetzt Philosophie studiert, erhöht ihre Chancen auf einen Arbeitsplatz auch nicht gerade :-)

Lg
madlon
 

Hallo miteinander,

zu den beruflichen Perspektiven für angehende Musik- bzw. Klavierprofis kann ich aus eigener Erfahrung nichts beisteuern - allerdings eine ganz nette Anekdote:

In meinem letzten Skiurlaub habe ich ein wahres Unikum kennengelernt: einen Menschen, der sein (berufliches) Leben folgendermaßen gestaltete/organisierte: Nach dem Abi(und auch schon davor) absolvierte er eine Ausbildung im elterlichen Frisörsalon, danach Gesangsstudium, das er sich durch Friseurarbeit nebenher finanzierte, parallel dazu dann noch eine Ausbildung zum Maskenbildner... später in die Schweiz geheiratet, Friseursalon dort eröffnet, nebenher an der Oper gesungen und gearbeitet, Familie gegründet... nochmals später: Friseursalon verkauft, an der Oper weiterhin gesungen, Chöre geleitet, regelmäßig Treckingtouren im Himalaya für bekannte Reiseveranstalter geleitet und Skitouren im alpinen Gebiet geführt. Außerdem Redakteur für das lokale Feuilleton und Veranstalter zahlreicher lokaler Kultur- und Musikevents. - Und nach vielen Jahren immer noch von seinen vielfältigen Tätigkeiten begeistert!...

LG

Debbie digitalis
 
sind die finanziellen Aussichten für Komponisten ähnlich wie für Techniker (Musiker die nur spielen und nicht komponieren)?
Das hängt höchstwahrscheinlich von der Bandbreite an Stilrichtungen ab für die man offen ist... und ob man bereit ist für andere Musiker zu schreiben ohne, dass dabei der eigene Name erwähnt wird, täte ich wohl eher nicht. aber in Zeiten von illegalen Downloads etc...
ich persönlich werde sowieso auch Physik studieren, is zwar auch nicht so ein Goldesel aber wenn man gut ist vielleicht ja doch.
ich mache mir momentan eigentlich noch kaum sorgen über die Zukunft, sollte dies aber bald mal ändern...^^
 

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