Falsche Handhaltung korrigieren

Chiarina, beeindruckend, daß Du Dir so viel Mühe machst!

Ich glaube aber ehrlich gesagt, daß Jeanpaul5 schon beleidigt das Weite gesucht hat...

LG,
Hasenbein
 
Oh, das hoffe ich aber nicht! :(

Aber jetzt sag mal, woher kennst du Feldenkrais und wie lässt du das in deinen Unterricht einfließen??? Ich lerne auch sehr gern dazu! :p Literaturtipps o.ä.? :p

Liebe Grüße

chiarina
 
Hi Chiarina,

bei mir fing es damit an, dass ich 2 Jahre lang wöchentlich Kurse besuchte mit Feldenkrais-Inhalten. Auch Einzelstunden selbstverständlich. Dann habe ich viel dazu gelesen und mit einem Geiger zusammen gearbeitet, der seine Feldenkraislehrerin geheiratet hat, welche ihm eine neue Körperstellung an der Geige nahe gelegt hat, mit der er nun endlich wieder spielen kann. Vorher war das Geigenspiel nur noch mit Schmerzen zu bewältigen. Da spielen selbstverständlich auch psychomotorische Dinge mit ein: man mogelt sich unter Umständen mit Schmerzen aus einer Situation, in der man etwas "nicht darf", zB erfolgreich werden (oder man würde vielleicht lieber eine andere Musikrichtung machen, in der Geige nicht zum Einsatz kommt... oder ...).

Es gibt auch Kollegen die schwören auf ihre Erfahrungen mit anderen Methoden zB NLP.
 
Dankeschön!

Liebe Chiarina,

danke für den ausführlichen Abschnitt zu meinem Problem!

Ich merke, so ein Problem im Netz zu beschreiben ist immer blöd, weil man so vieles vergisst beim Beschreiben und sich gegenseitig auch nicht kennt.

Also: mein kleiner Schüler ist erstens noch ziemlich klein von Wuchs, ca. 1,40m bloß. Das macht, dass er eigentlich noch einen kleineren Hocker braucht, um optimal zu sitzen. Ich bekomme so einen tollen Marburger Hocker leider erst zu meinem Geburtstag... Im Moment habe ich nur eine normal hohe Fußbank. Aber die ist besser als nichts. Allerdings wäre es bei seinem Niveau manchmal schön, wenn er Pedal nehmen könnte. Da kommt er dann nur heran, wenn er näher am Klavier sitzt. Was wir bei Jugend Musiziert dann nur bei einem Stück (Mussorgski Träne) gemacht haben. Da war die Nähe zum Klavier am Ende sehr hinderlich für ein gechmeidiges Armspiel, aber es ging am Ende so gut, dass die Jury entzückt von seinem Vortrag war.

Zweitens: Sein Charakter: er ist wahnsinnig introvertiert, redet fast gar nicht mit mir (daheim aber auch nicht). Man weiß nie, was er so denkt. Er schaut immer ernst, fast traurig. Das erste Mal habe ich ihn strahlen gesehen, als er seinen 1. Preis mit Weiterleitung verkündet bekam!
Die Mutter vertraut mir absolut und hält viel von meinem Unterricht. Sie kann allerdings nicht immer mit ihm üben, weil sie 5 Kinder allein erziehen muss, und den Lebensunterhalt ihrerseits mit Klavierunterricht verdient.
Die Familie hat daheim ein sehr altes und wahrscheinlich nicht mehr gutes, auf jeden Fall leichtgängiges Klavier. Dann kommt der Junge zu mir, und auf einmal geht nichts mehr, weil die Tasten schwerer gehen.
Dann "drückt" er vielleicht mehr, und das Durchknicken der Finger kommt zu Stande.

Andererseits ist er eben kein Draufgänger, eben eher introvertiert, ich würde deshalb grundsätzlich eher eine Unterspannung bei ihm als Problem sehen als eine Überspannung. Dass die Arme dann eher schlaff hängen, die Ellenbogen nahe beim Körper, das passt irgendwie alles zusammen. Das Sich Ausdrücken, Aus-sich herausgehen, etwas erzählen mit dem Klavierspiel, das fällt ihm ganz schwer. Er spielt eher piano als forte.

Sein Lieblingsstück bei Jugend-Musiziert war übrigens die Etüde von Chatschaturjan. Die ist auch ein Finger-Stück. Aber man braucht auch Kraft, klare Impulse und Präzision für die Akkord-Stellen. Da fehlte ihm noch manches.
Und sein "schlechtestes" Stück, was bis zum Schluss nicht ging, war Kuhlau, Sonatine C-Dur op. 55.1 erster Satz. Da gibt es einige Stellen, wo die rechte Hand über einer Achtel-Schaukelbewegung der linken Hand eine Cantilene spielen soll. Das war immer wieder unmöglich, Klappern, Eiern in der linken Hand. Da fehlte meiner Meinung nach die Beherrschung der Feinmotorik in der linken Hand, und natürlich Unabhängigkeit der Hände.

Aber ich sehe eben an vielen Stellen , dass seinen einzelnen Fingern noch banal gesagt das "Geschick", die Beherrschung fehlt. Sie machen halt so mit, vor allem natürlich 4. und 5. Finger, die ja auch immer eher ungünstig liegen.

Ich habe mir soeben das Buch von Kratzert gekauft. Da fand ich auch viele interessante Übungen.

Meinst Du, man kann solche Sachen wie dein beschriebener Fahrstuhl, auch an einem relativ schlechten alten Klavier daheim üben wie mein Schüler?

Das ist jetzt alles etwas durcheinander. Aber ich bin weiter interessiert an einem produktiven Austausch!
 
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Zweitens: Sein Charakter: er ist wahnsinnig introvertiert, redet fast gar nicht mit mir (daheim aber auch nicht). Man weiß nie, was er so denkt. Er schaut immer ernst, fast traurig. Das erste Mal habe ich ihn strahlen gesehen, als er seinen 1. Preis mit Weiterleitung verkündet bekam!
Die Mutter vertraut mir absolut und hält viel von meinem Unterricht. Sie kann allerdings nicht immer mit ihm üben, weil sie 5 Kinder allein erziehen muss, und den Lebensunterhalt ihrerseits mit Klavierunterricht verdient.
Die Familie hat daheim ein sehr altes und wahrscheinlich nicht mehr gutes, auf jeden Fall leichtgängiges Klavier. Dann kommt der Junge zu mir, und auf einmal geht nichts mehr, weil die Tasten schwerer gehen.
Dann "drückt" er vielleicht mehr, und das Durchknicken der Finger kommt zu Stande.

Andererseits ist er eben kein Draufgänger, eben eher introvertiert, ich würde deshalb grundsätzlich eher eine Unterspannung bei ihm als Problem sehen als eine Überspannung. Dass die Arme dann eher schlaff hängen, die Ellenbogen nahe beim Körper, das passt irgendwie alles zusammen. Das Sich Ausdrücken, Aus-sich herausgehen, etwas erzählen mit dem Klavierspiel, das fällt ihm ganz schwer. Er spielt eher piano als forte.
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Da fehlte meiner Meinung nach die Beherrschung der Feinmotorik in der linken Hand, und natürlich Unabhängigkeit der Hände.

Aber ich sehe eben an vielen Stellen , dass seinen einzelnen Fingern noch banal gesagt das "Geschick", die Beherrschung fehlt. Sie machen halt so mit, vor allem natürlich 4. und 5. Finger, die ja auch immer eher ungünstig liegen.

Ich habe mir soeben das Buch von Kratzert gekauft. Da fand ich auch viele interessante Übungen.

Meinst Du, man kann solche Sachen wie dein beschriebener Fahrstuhl, auch an einem relativ schlechten alten Klavier daheim üben wie mein Schüler?

Das ist jetzt alles etwas durcheinander. Aber ich bin weiter interessiert an einem produktiven Austausch!

Liebe JeanPaul5,

vielen Dank für deine Rückmeldung! Es ist immer schwierig, per Internet solche Probleme zu lösen, wenn man sich nur verbal austauschen kann und auch keine seitenlangen Posts schreiben will :p .

So wie ich dich verstehe, meinst du ja, das vorrangige Problem liege eher in einer Unterspannung. Aber du schriebst ja auch von verkrampftem Handgelenk und hochgezogenen Schultern. Meinst du, das kommt nur von dem schwergängigeren Instrument bei dir und tritt bei ihm zu Hause nicht auf? Wenn das der Fall sein sollte, würde ich das sicher überprüfen und mal eine Stunde bei ihm zu Hause abhalten. Denn verkrampfte Handgelenke etc. sind für mich das absolut Schädlichste und vorrangig zu Behandelnde, weil sich eben daraus so viele nachfolgende Probleme ergeben.

Für mich müßte dann auch das Ziel sein, dass er bei mir nicht verkrampft spielt, indem er grob gesagt mehr Gewichtstechnik, also die verschiedenen Hebel des Arms und der Hand, einsetzt anstatt mehr zu "drücken". Bei dem Einsatz dieser Gewichts- oder Schwungtechniken dürfen die Finger selbst ja auch nicht labberig sein, sondern müssen stabil und elastisch die Kraft und Energie auf die Taste übertragen.

Vielleicht müsste man ihm also mal ein lautes akkordisches Stück anbieten, bei dem die Finger "greifen" müssen (Stabilität) und was seine persönlichen Entwicklung unterstützt (aus sich heraus gehen). Der Trauermarsch von Chatschaturjan wäre da vielleicht möglich. Bei solchen Stücken muss man auch eine gewisse Körperspannung haben, was auch sinnvoll wäre. Der wäre natürlich aber auch mit Pedal .... .

Sitzt er denn eher etwas zusammengesunken? Die Körperhaltung ist ja auch Ausdruck eines Lebensgefühls - man kann da auch über Rollenspiele arbeiten ( sitzen wie ein König .....).

Ich weiß, du hast eher den Eindruck, man müsse an der Feinmotorik arbeiten. Ich kann das natürlich erst recht nicht wissen und schreibe hier nur meine Gedanken auf. Aber vielleicht ist doch der erste Ansatzpunkt der aufgerichtete Sitz zusammen mit einer anderen Armhaltung etc. ( als Beispiel kann man auch einen Baum benutzen: Füße = Wurzeln, Rumpf = Stamm, Arme = Äste, Kopf = Krone oder sich vorstellen, dass der Kopf wie bei einer Marionette an einem Faden hängt und der Faden den Kopf etwas nach oben zieht -----> stolzes Gefühl ). Denn gerade wenn er zu wenig Spannung hat und sich hängen lässt, lastet ja alles auf den Fingern - kein Wunder, dass die sich dann durchdrücken oder nicht gut spielen können. Dass der Arm am Schultergelenk quasi "aufgehängt" ist und die Hand dadurch leicht sein kann, was aber nur mit einem aufgerichteten Sitz geht, ist die Voraussetzung, um feinmotorisch arbeiten zu können.

Was hältst du denn von Fesselübungen? Z.B. in der Lage e-fis-gis-ais-c? Fesselübungen geben eine Stabilität in der Hand bei gleichzeitig gelösten Gelenken und fördern auch die Unabhängigkeit. Ich würde das besser finden aus meiner sehr beschränkten Sicht, als Laufwerk zu üben.

Die Tastenspiele kann man sicher auch bei leichtgängigen Instrumenten machen. Wenn es da kaum einen Druckpunkt gibt, ist es natürlich schwieriger, aber letzten Endes ist der Umgang mit der Taste, die immer von selbst hochgeht, überall gleich.

Liebe Grüße

chiarina

P.S.: @Viola: Vielen Dank!!!!
 
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Ich gehe noch weiter: Wer als Anfänger sich nach den Ratschlägen im Wiki richtet, wird mit großer Wahrscheinlichkeit eine verkrampfte, unzweckmäßige Sitz- und Bewegungsweise einnehmen, die dann ein Lehrer mit großer Mühe wieder wegkriegen muß!

LG,
Hasenbein
 
Was hältst du denn von Fesselübungen? Z.B. in der Lage e-fis-gis-ais-c? Fesselübungen geben eine Stabilität in der Hand bei gleichzeitig gelösten Gelenken und fördern auch die Unabhängigkeit. Ich würde das besser finden aus meiner sehr beschränkten Sicht, als Laufwerk zu üben.

Hallo,

als ich das hier las, dachte ich auch, dem Jungen müsste man eigentlich mit Fesselübungen helfen können. Außerdem sollte das Greifen von Akkorden (nur Mut!) doch sinnvoll sein.

Falls er nicht nur die Hand, sondern auch das Handgelenk verkrampft hält, dann sind evtl. Stützfingerübungen nicht schlecht (nicht angestrengt, sondern als Fließbewegung), denn dadurch lernt er auch das Drehen über einen Drehpunkt (Pivot) im Sinne der Fingerspitze, wobei die Bewegung aus dem Arm heraus erfolgt (Hebel), aber eben nicht aus dem Handgelenk, denn das muss ja hier quasi als "Verlängerung des Armes" (kann das nicht besser beschreiben) "mit" ausgedreht, anstatt "artistisch verbogen und verkrampft" werden.

Und die "Chopin-Lage" ist ja auch sehr angenehm für die Hand, eigentlich sogar besser als die "übliche" Grundhaltung auf den weißen Tasten (c-g für rechts, c-f für links, wobei sich die Daumen das C teilen (müssen).

Außerdem hat man bei der zuletzt beschriebenen Grundhaltung das Gefühl (schon wenn man die beiden Lagen mal direkt miteinander vergleicht), die Finger müssen sich, auf den weißen Tasten liegend, gerade für Anfänger schwierig, in die Zwischenräume der schwarzen Tasten "irgendwie reinquetschen". Bei Chopin´s Lage liegen sie aber schön oben und ganz natürlich auf den Tasten und das sollte damit ja eigentlich krampflösend für die Hand, die Finger und das Handgelenk sein, da die Beweglichkeit nach allen Seiten möglich ist.

Auch die Art der Tonnahme würde ich mit ihm üben: Also nicht drücken (mit Gewalt oder Anstrengung), sondern ganz zärtlich den Druckpunkt erspüren und erkennen, dass härteres und weicheres Anschlagen der Tasten ja ganz unterschiedliche Klänge hervorbringt. Die Berühung sollte ganz leicht und sanft von oben ausgeführt sein (kann man in der Chopin-Lage ideal üben, denke ich), um ihn so daran zu gewöhnen, die Tasten ganz gefühlvoll niederzudrücken.

Auch würde ich ihn, der offensichtlich etwas introvertiert zu sein scheint, durch konsequente Ansprache (Fragen stellen: Spürst Du das .., wie fühlt sich das jetzt für Dich an ...) geradezu dazu animieren und konsequent anhalten, sich mit dem eigenen Körpergefühl (hier der Hände) gedanklich auseinanderzusetzen, indem er Dir darauf Antwort gibt und Du ihn entsprechend pädagogisch-einfühlsam dazu ermunterst (er soll keine Angst haben). So kann die aktive Wahrnehmung dieser Übungen für ihn sicher noch erheblich gesteigert werden.

Ich bin kein Lehrer, aber hobbymäßig an klavierpädagogischen Themen sehr interessiert.

Ich finde chiarinas Beiträge immer absolut klasse. Sie gibt sich sowohl Mühe, das Ganze auseinanderzudröseln und wirklich von allen Seiten zu beleuchten.

Gruß

Razo!
 
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Habs schon mal wo anders verlauten lassen: wenn ich einen Artikel lese über was weiß ich sagen wir Aquarellmalerei... und darin lese ich 20 Mal das Wort "Schmerzen", dann würde ich mir meinen Teil dazu denken.

Ich habe noch nie von "Schmerzen" in solch einer geballten Form beim Klavier Spielen gehört....

Das ist das Problem bei solchen "Artikeln" da gibt es keinerlei Autorenschaft oder Kontrolle, daher kann ein jeder da reinschreiben was er für "richtig" hält! Kann sehr amüsant sein.... und wie ich sehe, hat da jemand durch und durch den Kern der Sache begriffen!!! Ich lach mich weg!
 
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