Doktor Faustus (Thomas Mann)

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tornado12

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Ich wollt mal gerne einen Thread eröffnen über dieses wunderbare Buch.
Es gehört aber, glaube ich, nicht unbedingt in die Plauderecke, denn es hat ja
sehr, sehr viel mit Musik zu tun.
WIe schade, dass sich niemand mal damit auseinandergesetzt hat und kein
"Apocalipsis cum figuris" geschrieben hat. Zeitblom gibt ja ziemlich genaue
Informationen über dieses Werk. Schade, dass die ganze Geschichte frei erfunden ist...:(
 
ich frage mich in diesem Zusammenhang wie viel Thomas Mann von Musik verstanden hat; hat er selbst musiziert?.
Aus dem Zauberberg ist ja belegt, dass viele Abschnitte z.B. Anatomie betreffend, aus dem Brockhaus entnommen wurden.

Auch bei Buddenbrooks gibt es doch gegen Ende diese Stelle, wo Hanno gedankenverloren am Klavier improvisiert.
Das habe ich als recht musiktheoretisch fundiert beschreiben gefunden. Schon paar Jahre her, dass ich es gelesen habe.
War das aus der Feder von Thomas Mann?

Dass ich nicht missverstanden werde, für mich ist Thomas Mann einer der größten und gut lesbaren Schriftsteller.
Falls er sich dafür extern klug gemacht hat, spricht es nur für ihn.
Bei Dr. Faustus ist je belegt, dass u.A. Schönberg ihn beraten hat.

Ich hoffe rolf kann dazu etwas Fundiertes beitragen.

Leider habe ich die Bücher nicht zur Hand, da unterwegs...

Gruß, NewOldie
 
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ich frage mich in diesem Zusammenhang wie viel Thomas Mann von Musik verstanden hat

Dazu konnte man hier unlängst aus berufenem Munde schon einiges lesen:

... der Autor der betreffenden Passagen, fiktive wie real existierende Musik betreffend, nicht Thomas Mann,
sondern Theodor W. Adorno gewesen ist.

[...]

Adorno hat nicht nur die Beschreibungen der fiktiven Kompositionen Leverkühns verfaßt,
sondern auch die Analysen klassischer Musikstücke, und Mann hat das Zeugs so wörtlich
übernommen, daß er einen Lesefehler in den Roman hineintransportiert hat (das berühmte
„Fugengewicht der Akkorde“ - Adornos Schrift war unleserlich, dort stand: „Eigengewicht“).

Wer' s nicht glaubt, kann das alles nachlesen:

Theodor W.Adorno/Thomas Mann: Briefwechsel 1943-1955, Frankfurt a.M. 2002

Volker Scherliess: Zur Musik im 'Doktor Faustus'
enthalten in: Wißkirchen/Sprecher (Hrsg.): „und was werden die Deutschen sagen??“
Thomas Manns Roman 'Doktor Faustus', Lübeck 1997

E. Randol Schoenberg: Apropos Doktor Faustus. Briefwechsel Arnold Schönberg/Thomas Mann,
Tagebücher und Aufsätze 1930-1951, Wien 2009
 
Zum Dr. Faustus gibt es eine wunderbare nette Pflichtlektüre, die Mann wiederum selbst verfasst hat. Sie trägt den wundervollen Namen "Die Entstehung des Dr. Faustus. Ein Roman zum Roman".
Dort bezieht Thomas Mann selbst Stellung dazu, wie der Schaffensprozess von statten ging. Dabei werden Briefe, Tagebucheinträge und Erlebnisse zitiert bzw. geschildert. Alles in allem ist das sehr interessant, ebenso erfährt man, dass nicht nur Adorno zu Rate gezogen wurde bezüglich des musiktheoretischen Wissens.

Das Buch ist im übrigen schnell verschlungen, da es keine 300 Seiten lang ist.

Im übrigen bin ich mir sehr sicher, dass diverse Werke, wenngleich sicherlich nicht alle im Buch beschriebenen, auch einmal vertont wurden. Mit Komponisten kann ich aus dem Stegreif leider nicht dienen.

Schönen Gruß, Raskolnikow

Ps: Sich mit Nietzsche und Shakespear auszukennen kann allemal förderlich sein. Sowohl zum Verständnis von diesem Buch, als auch im Allgemeinen für das eigene Wohlbefinden.
 
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WIe schade, dass sich niemand mal damit auseinandergesetzt hat und kein
"Apocalipsis cum figuris" geschrieben hat. Zeitblom gibt ja ziemlich genaue
Informationen über dieses Werk. Schade, dass die ganze Geschichte frei erfunden ist...:(

Der Roman ist verfilmt worden, und für den Film wurde Filmmusik komponiert - da findet sich auch das beschriebene Thema h-e-a-e-es (haetaera esmeralda) und man hört auch einen kurzen Abschnit (Orchester) welcher das Apokalypsenoratorium andeutet. Wenn ich mich recht entsinne, gibt es irgendwo einen Aufsatz zu Film und Filmmusik.

Ob der Teufel als Inspiration des kalten Leverkühn zur Zwölftonmusik eine besonders glückliche Eingebung ist?...

Ob es schade ist, dass mit der Handlung z.B. auch der zentrale der Teufelspakt frei erfunden ist, sei dahingestellt ;) - wäre das keine Erfindung, lastete eine Sünde mehr auf meiner armen Seele, da ich es heute morgen vorzog, auszuschlafen und nicht in die Kirche zu gehen (eine Sünde, die ich schon seit zahlreichen Sonntagen praktiziere)

Mir haben in diesem Roman das Teufelsgespräch und die Beschreibung der Theologiestudien am meisten gefallen - wobei Mann da mit stärkster Konkurrenz zu tun hat: die Teufelsgespräche in Dostojewskis Brüdern Karamasow und Dämonen.

Gruß, Rolf
 
Zum Dr. Faustus gibt es eine wunderbare nette Pflichtlektüre,
die Mann wiederum selbst verfasst hat. Sie trägt den wundervollen Namen "Die Entstehung des Dr. Faustus. Ein Roman zum Roman".

Lieber Raskolnikow,

den Titel habe ich absichtlich nicht genannt, weil Manns "Entstehung des Doktor Faustus"
ihrem Titel nicht gerecht wird - der Text verbirgt mehr, als er preisgibt.

Mann hatte den Text aus Schuldgefühlen gegenüber Adorno geschrieben.
Nie war er in der Übernahme fremden Materials so weit gegangen wie im "Doktor Faustus",
und er war sich auch des Unterschieds zwischen Lexikon-Artikeln und TWA-Texten bewußt.
In der unveröffentlichten Erstfassung der "Entstehung des Doktor Faustus"
spricht Mann den Sachverhalt ganz offen aus. Seine Familie intervenierte dagegen
und brachte ihn dazu, Adornos Anteil an der Romanentstehung herunterzuspielen.
Der Hintergrund dafür war wohl die Sorge, Manns Image als "Zauberer" könnte schaden nehmen.

Herzliche Grüße,

Gomez

.
 
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@Gomez

Das es eine unveröffentlichte Erstfassung gab wusste ich noch nicht. Die lässt sich gewiss nirgends herbekommen?
Aber an und für sich sehe ich jetzt keinen negativen Aspekt an diesem Buch, bzw. bin mir gerade nicht ganz sicher ob du missgünstig zu diesem stehst?
(Selbstverständlich wird in diesem Buch der Roman nicht bis ins kleinste Detail durchleutet, eher nur grob umrissen. Es wird allenfalls auf 3 Stellen etwa wirklich näher eingegangen. Jedoch sind die Begleitumstände, in denen der Roman entstand, sowie die Kontakte, die er währenddessen pflegte, durchaus aufschlussreich)

Sollte er Adorno in diesem Fall hervorheben und sei es nur aus dem Schuldgefühl heraus, so ist es nicht verächtlich, sondern durchaus redlich und einleuchtend. Mystifizierungen des Autors als eben jenen "Zauberer" halte ich für relativ uninteressant und dies lässt mich auch keine größere Ehrfurcht empfinden, weder vor dem Buch noch vor dem Autor.
Mir ist im übrigen klar, dass du diesen Wortlaut nur zitierst, ich wollte nur meine Meinung diesbezüglich äußern.

Im übrigen wollte Schönberg ja auch einen Teil vom Kuchen abhaben und insestierte darauf, dass Mann ihn namentlich erwähnt. Wobei sich Mann in einem Kommentar dazu recht wirsch gibt, als das er behauptete Schönberg in keinem Falle kopiert, sondern ganz individuell verarbeitet zu haben.

Soviel erstmal dazu.

Schönen Gruß, Raskolnikow
 
Im übrigen wollte Schönberg ja auch einen Teil vom Kuchen abhaben und insestierte darauf, dass Mann ihn namentlich erwähnt. Wobei sich Mann in einem Kommentar dazu recht wirsch gibt, als das er behauptete Schönberg in keinem Falle kopiert, sondern ganz individuell verarbeitet zu haben.

ja, da gab es mal Zoff:
http://www.zeit.de/1949/05/Ist-Arnold-Schoenberg-Doktor-Faustus

der Briefwechsel Mann-Schönberg war mal im Marbacher Literaturmuseum im Rahmen einer Ausstellung (der Teufel in der Literatur oder so ähnlich) zu sehen.
 
Lieber Raskolnikow,

mißgünstig? Th.Mann gegenüber? Ich bin ganz gelassen.

"Die Entstehung des Doktor Faustus" ist halt Literatur -
ein Produkt extremer Stilisierung, zweifellos amüsant zu lesen,
vorallem um etwas über Manns Verhältnis zu anderen, gleich ihm
in Hollywood-Nähe gestrandeten Exil-Künstlern zu erfahren.
Aber als Informationsquelle ist die "Entstehung" mit Vorsicht zu genießen.
Statt die Quellen anzugeben, ist Mann ist eher sorgsam darauf bedacht,
Spuren zu verwischen.

Wenn's Dich interessiert, irgendwo in der vollständigen Th.Mann-Ausgabe
sind die ausgeschiedenen Teile der "Entstehung des Doktor Faustus"
abgedruckt - im Anhang. Leider weiß ich nicht mehr, wo -
ist zulange her, daß ich mich damit beschäftigt habe.

Schönberg wird im Roman namentlich nicht erwähnt,
und sein Augenlicht war bereits zu schlecht, als daß er das Buch hätte lesen können.
Was ihm darüber zugetragen wurde (von der intriganten Alma Mahler-Werfel),
war, daß sich ein Komponist darin mit Syphilis infiziert, um anschließend
die Reihentechnik zu erfinden: für den bereits altersdementen Schönberg eine Infamie.
Er verlangte eine Richtigstellung, deren Wortlaut ihn wiederum in Rage versetzte.

Mann konnte es ihm einfach nicht recht machen.

Herzliche Grüße,

Gomez

.
 
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na, stimmt doch. Intrigen gehen oft von Frauen aus. Männer mögen eher die offene Schlacht. Meist liegen aber die Frauen besser... Also sollten wir was daraus lernen.
 

Ach, welch einseitiges und vor allem kurzweiliges Vergnügen das ist. :D

Aber, lieber Gomez,
Ich danke dir für die Ausführung. Mir war seltsamerweise nicht bekannt, dass Schönberg bereits nicht mehr lesen konnte. Unter diesem Aspekt muss vlt sogar der Kommentar von Mann "sie müssten den Roman schlichtweg einmal lesen um alles nachzuvollziehen..." im ersten Augenblick wie Hohn gewirkt haben. Gewiss, man kann es sich vorlesen lassen.
Ich werde mich die kommende Tage sicherlich noch selbst mit der Materie auseinandersetzen, so weit es die Zeit zulässt.

Schönen Gruß, Raskolnikow
 
Ob es schade ist, dass mit der Handlung z.B. auch der zentrale der Teufelspakt frei erfunden ist, sei dahingestellt ;) - wäre das keine Erfindung, lastete eine Sünde mehr auf meiner armen Seele, da ich es heute morgen vorzog, auszuschlafen und nicht in die Kirche zu gehen (eine Sünde, die ich schon seit zahlreichen Sonntagen praktiziere)
So meinte ich das doch gar nicht... Ich meine den Komponisten mit den Kompositionen.
 

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