Die 10.000-Übestunden -Statistik

Hallo,

Hegel war sicher kein Heinse (Geniekult) - - nein, viel interessanter, wie schon gesagt, ist die Unterscheidung zwischen schöpferischem und nachschöpferischem, das veranschaulicht er mit den Beriffen Genie und Talent.

Gruß, Rolf

Aber steckt nicht gerade darin schon der Kern dieser romantischen Genie-Idee, in einer gewissen Abwertung der nachschoepferischen Kunst gegenueber der schoepferischen? Schoepferisch=Genie, nachschoepferisch=Talent, oder was?? :confused: ....skeptischer pianovirus... ich denke nicht, dass so eine Unterscheidung zur Diskussion von Lern- oder schoepferischen Vorgaengen Sinn macht. Talent ist sicher nicht 0 oder 1, sondern etwas fein abgestuftes....und "Genie" ist meinetwegen einfach weiter oben auf dieser Skala... Sorry, falls das etwas off-topic ist...interessante Diskussion, ich lese vielleicht besser wieder still mit :)
 
Hallo Bachopin,

sehe ich ziemlich ähnlich - - und zum 2. Punkt gehört dazu, dass man prinzipiell diese technischen Sachen selber auch beherrscht (das heisst nicht, Prof.X muss für Schüler Y eine gesamte Etüde spielen - aber er muss die kniffligen Stellen variabel drufhaben, um zu demonstrieren, wie man eben dahin kommt - - kurzum, er benötigt das Können)

Gruß, Rolf

Das will doch niemand bestreiten. Im allgemeinen haben Hochschullehrer dieses Können.

Aber unbestreitbar ist doch auch, dass aus ihren Schülern welche sich herausheben und im Können dann ihren Lehrer überflügeln und zwar ohne, dass jener die Studenten vorher an Typ 1 abgegeben hätte.

Es schein also möglich, dass ein Lehrer mit einem bestimmten Können durchaus in der Lage ist, einem Schüler über sein eigenes Niveau hinaus zu helfen.

Ich halte das für einen völlig normalen Vorgang. Und es ist immer schön, wenn es gelingt.

Ich vermute sogar, dass bei Typ 1 dies eher seltener gelingt, was natürlich auch damit zusammenhängt, dass eine Spitzenleistung schwerer zu übertreffen ist.
 
Aber steckt nicht gerade darin schon der Kern dieser romantischen Genie-Idee, in einer gewissen Abwertung der nachschoepferischen Kunst gegenueber der schoepferischen? Schoepferisch=Genie, nachschoepferisch=Talent, oder was?? :confused: ....skeptischer pianovirus... ich denke nicht, dass so eine Unterscheidung zur Diskussion von Lern- oder schoepferischen Vorgaengen Sinn macht. Talent ist sicher nicht 0 oder 1, sondern etwas fein abgestuftes....und "Genie" ist meinetwegen einfach weiter oben auf dieser Skala... Sorry, falls das etwas off-topic ist...interessante Diskussion, ich lese vielleicht besser wieder still mit :)

ich bin mir ziemlich sicher, dass es ein großer Unterschied ist, eine Sonate op.111 zu komponieren oder diese Sonate lediglich zu spielen, wie es auch ein großer Unterschied ist, ein Seerosenbild zu malen oder dieses Bild zu erklären usw. usw.

allerdings hat schöpferisches Genie sicherlich mit Lernvorgängen nicht allzu viel zu tun, was nun aber nicht banal naiv heisst, all die Genies hätten nie was gelernt - - - und kompositorische, malerische, bildhauerische, schriftstellerische Genies nützen sicherlich kaum was bei der Frage, wie es um eine Lehrkraft für Klavier auf hohem Klavierspielniveau bestellt sein sollte.

dass der Hegel (der nicht klavier unterrichtet hatte) hier Erwähnung fand, ist halt eine Art Mäander in dieser Diskussion.

Gruß, Rolf
 
Habe ich das richtig verstanden, dass häufiges Blatt Spiel bzw, die Förderung dieser Fähigkeit die Speicherfähigkeit des Gehirns erweitert und so die Grenzen für die performance, was dann das Spiel selbst betrifft, nach oben geschoben werden können.

Also könnte der richtige Mix zwischen Üben und viel Blatt Spielen besonderen Erfolg bringen. ??
 
Ob diese wissenschaftliche Studie überhaupt einen Wert hat, ist aber davon abhängig, ob es so etwas wie "memory capacity" des Hirns überhaupt gibt.

Es gibt gute Gründe, dies durchaus stark anzuzweifeln!

Es ist in bestimmten Kreisen ja durchaus eine Seuche, das Gehirn oder den ganzen Menschen mit einem Computer zu vergleichen - da kommt man natürlich auf so unsinnige Ideen wie die, es gebe im Menschen so was wie RAM oder Festplatte.

Daß gute Musiker viele Stücke können und häufig auch auswendig können, liegt u.a. daran, daß ihre Intelligenz ihnen eine bessere "Mustererkennung" ermöglicht, durch die sie sich mehr in kürzerer Zeit merken können.

Es gibt ja diese "Wetten dass"-etc.-Teilnehmer, die sich Riesen-Zahlenfolgen merken können. Einige von denen haben mal berichtet, daß sie Teil-Zahlenfolgen einfach mit Begriffen und Bildern assoziieren, so daß die Zahl der zu merkenden "Chunks" drastisch sinkt. Außerdem werden diese assoziierten Begriffe dann zu Phantasiegeschichten verknüpft.

Schlechtere Musiker haben entweder schlechteres Verständnis der Musikzusammenhänge (wodurch sie weniger Muster erkennen) und/oder weniger Intelligenz, die ihnen Eselsbrücken ermöglichen würde. Daher denken sie, sie hätten "weniger memory capacity".

Außerdem wird das Sich-Merken einer Sache auch sehr stark dadurch bestimmt, ob man mit dieser Sache einen Erlebniswert verbindet. Liebt man ein Stück sehr oder verschafft es einem wünschenswerte Gefühle oder verspricht man sich vom Lernen des Stücks sehr viel, dann wird man es leichter und zuverlässiger "abspeichern" als ein als langweilig, abstoßend oder überflüssig empfundenes Werk.

Wir kennen Ähnliches aus dem Alltag: Die Ergebnisse der Fußball-WM und wer die Tore geschossen hat, weiß man aus dem Effeff, aber man hat total vergessen, was die Freundin einem vorhin gesagt hat, was man aus der Drogerie mitbringen solle. :cool:

Nicht zu vergessen ist auch: Je mehr Stücke ich bereits gelernt habe, desto leichter fällt es mir, weitere neue zu lernen! (Natürlich u.a., weil ich bereits viele Muster, die in bisherigen Stücken vorkamen und die ich ja bereits "drauf habe", wiedererkenne.) Jeder Fortgeschrittene kann dies bestätigen!

D.h. die verlinkte Studie verwechselt höchstwahrscheinlich Ursache und Wirkung: Dadurch, daß "begabte" Menschen sich viel mit der Sache beschäftigen, sie sehr lieben und auch immer besser verstehen, steigt automatisch ihre scheinbare "memory capacity" an.

LG,
Hasenbein
 
Ich spiele auch viel vom Blatt an, und ich kann es bestätigen, dass es sehr schult. Ob jetzt die Merkfähigkeit oder nicht eher die Fähgkeit, etwas schnell zu erfassen, kann ich nicht sagen.
 
Sehr guter Post von Hasenbein, das sehe ich auch so kritisch. Ohne die Details der Studie zu kennen, kommt es mir fast unmoeglich vor, in einem Experiment die antrainierte problemspezifische Mustererkennung von so etwas wie einem allgemeinen "working memory" statistisch sauber zu trennen.

Hasenbeins Beispielen koennte man z.B. noch das Schachspiel beifuegen. Geuebte Schachspieler koennen sich ohne Probleme auch komplizierte Stellungen im Spiel sofort merken, aber wenn man ihnen kuenstliche Stellungen vorsetzt, die im Spiel so gut wie nie vorkommen, scheint das Erinnern laengst nicht mehr so gut zu funktionieren.

Ausserdem (das wurde hier auch schon oefter diskutiert, aber ich wiederhole es nochmal, weil es so wichtig ist): fuer solche Zeitungsberichte werden Studienergebnisse oft stark zugespitzt, damit es auch schoen praegnant ist (wie man hier wieder am Titel sieht "Music skill = Memory capacity + practice") und dabei manchmal voellig ueberinterpretiert. Leider komme ich nicht an den Artikel ran (hier). Psychologie ist in Sachen Open Access zu Forschung, die mit Steuergeld getrieben wird, wohl noch nicht so weit...
 
Hi,
Ob diese wissenschaftliche Studie überhaupt einen Wert hat, ist aber davon abhängig, ob es so etwas wie "memory capacity" des Hirns überhaupt gibt.

Es gibt gute Gründe, dies durchaus stark anzuzweifeln!

Es ist in bestimmten Kreisen ja durchaus eine Seuche, das Gehirn oder den ganzen Menschen mit einem Computer zu vergleichen - da kommt man natürlich auf so unsinnige Ideen wie die, es gebe im Menschen so was wie RAM oder Festplatte.
Selbstverständlich gibt es eine "memory capacity" des gehirns, da es ja ein endlicher Körper ist.

Und Vorsicht: Der hier benutzte Begriff "Working Memory" darf man nicht mit dem Begriff aus dem Computer Bereich verwechseln.
Hier ist der Begriff des Arbeits-Gedächtnis (= Working Memory, http://de.wikipedia.org/wiki/Arbeitsgedächtnis) der gängigen Gehirn Modelle gemeint.

Ansonsten gebe ich dir absolut recht, man darf das Gehirn nicht mit einem Computer vergleichen. Es ist etwas völlig anderes. Das ist den Forschern aber inzwischen schon lange klar.

Gruß
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Hi,

was sagt der Bericht?

Das hier ist der entscheidende Satz:

"The study, published in Psychological Science, finds when the effect of practice is taken out, another 7 percent of variance in sight-reading skill is explained by working memory capacity."

Nochmal anderst formuliert von mir:

Wenn man den Einfluss des Übens auf die gemessene Verbesserungen der Fertigkeit des Vom Blatt Lesens herausrechnet, wird die Verbesserung dieser Fertigkeit zu 7% von der Arbeits-Gedächtnis Fähigkeit bestimmt.

Gruß
 

Es ist in bestimmten Kreisen ja durchaus eine Seuche, das Gehirn oder den ganzen Menschen mit einem Computer zu vergleichen - da kommt man natürlich auf so unsinnige Ideen wie die, es gebe im Menschen so was wie RAM oder Festplatte.

...man könnte gar auf die Idee geraten, sich Zusatz-Sofware analog zum PC einzuwerfen, freilich mangels CD-Laufwerk in Zäpfchenform... :D :D ...schnelle Oktaven aus der Gehirn-Stimulations-Apotheke usw... ... ...

in diesem, von Dir sehr treffend angedeuteten Bereich, würde eine Deiner Apparaturen wirklich fette Beute machen!! :p

ich bin all dem Gehirn-Hokuspokus gegenüber sehr skeptisch, sobald dieser den rein medizinisch-neuronalen Bereich verlässt.

angenommen, man wüsste tatsächlich zu 100%, wie "das Gehirn" funktioniert, so wüsste man deshalb noch lange nicht, warum manche Exemplare von Gehirn deutlich mehr Musik aufsaugen als andere!

Gruß, Rolf

p.s. so ein wenig erinnert mich dergleichen an Witzeleien, wie kunshistorische Expertisen aus der Position der Wirtschaftswissenschaften a la "die sixtinische Madonna ist ein sehr gutes Bild, ein großes Kunstwerk, weil es Höchstpreise im Weiterverkauf erzielt" ... ... :D
 
Hallo,

beim Lesen von "Musik im Kopf" von Manfred Spitzer bin ich auf die 10000-Stunden-Statistik gestoßen. Die besagt aber was ganz anderes. Nämlich folgendes:

Heutige professionelle Musiker haben vor ihrer Vollendung des 20. Lebensjahres mehr als 10000 Stunden geübt.

Dann macht diese Grafik, die am Anfang des Threads vorgestellt wurde, auch Sinn, denn die geht nur bis zum 20. Lebensjahr:

3244d1277220229-die-10-000-ubestunden-statistik-10000-pianist.jpg
 
ach Gottchen... die liebe Statistik...

in nur vier Jahren kann man die allerliebsten 10000 Stunden absolvieren, indem man jeden Tag knapp sieben Stunden übt:

10000 geteilt durch 4 (Jahre) = 2500 h (pro Jahr)

2500 geteilt durch 365 = 6,85 (aufgerundet)

Ich habe einige Jahre lang mehr als nur sieben Stunden täglich am Klavier zugebracht - die 10000 übertrifft man locker ohne es zu merken, wenn man wirklich dran bleiben will.

Rechnen wir´s mal anders, nämlich auf 10 Jahre verteilt:
10000 h geteilt durch 10 Jahre = 1000
1000 h je Jahr geteilt durch 365 Tage = 2,74 (aufgerundet)
schlappe knapp 3 h täglich macht in 10 Jahren auch die 10000 voll
 
Leider finde ich die Quelle nicht, aber die Universität der Künste Berlin hat dazu eine Studie gemacht. Wer 10.000 Stunden übt, wird tatsächlich Konzertmusiker.

Zum Thema "Üben, Üben, Üben" empfehle ich die aktuelle Ausgabe des Klassikmagazins des Bayerischen Rundfunks, auch zum DOWNLOAD für die, die es sich nicht an den einschlägigen Ticketschaltern holen können.

Neben der 10000-Stunden-These (Minimum um die Aufnahmeprüfung an der Musikhochschule zu bestehen) gibt es viel interessantes zum Nachlesen aus der Welt der großen Musiker.
 
Wenn ich so weiterübe, werde ich also mit gut 65 Jahren für die Musikhochschule qualifiziert sein. Das ist prima, denn arbeiten muß ich (voraussichtlich) bis 67, also habe ich noch zwei Jährchen Luft für Feinarbeit. Und dann sitze ich als Opa Hoppenstedt neben lauter jungen hübschen Klavierstudentinnen und erzähle Witze aus dem 20. Jahrhundert :D Oder soll ich doch besser mit dem Papst eine Herrenboutique eröffnen? :trompete:

Gruß,
Cem.
 
Zum Thema "Üben, Üben, Üben" empfehle ich die aktuelle Ausgabe des Klassikmagazins des Bayerischen Rundfunks, auch zum DOWNLOAD für die, die es sich nicht an den einschlägigen Ticketschaltern holen können.

Neben der 10000-Stunden-These (Minimum um die Aufnahmeprüfung an der Musikhochschule zu bestehen) gibt es viel interessantes zum Nachlesen aus der Welt der großen Musiker.

Danke für den Link - interessantes Heft! Traurig, dass so vielen Leuten das Üben keinen Spaß zu machen scheint. Mitsuko Uchida hab' ich schon immer gemocht, jetzt noch ein bisschen mehr....
 

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