Warum vergesse ich auswendig gelernte Stücke wieder?

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Clavinova83

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Hallo Zusammen!

Ich spiele jetzt seit zwei Jahren Klavier und kann zehn Stücke auswendig spielen.
Die Stücke umfassen alle 4-7 Seiten. Es sind keine Anfängerstücke, sondern eher fortgeschritten. Bisher habe ich es immer so gehandhabt, dass ich alle Lieder, die ich gelernt habe, in regelmäßigen Abständen wiederhole. Also entweder jeden Tag oder alle paar Tage mal. Nun habe ich mal 2-3 Wochen lang ein neues, komplexeres Klavierstück geübt, welches meine ganze Aufmerksamkeit gefordert hat. Es umfasst sieben Seiten. Dieses kann ich nun auch fließend spielen. Heute wollte ich dann mal wieder die anderen Lieder spielen. Dabei ist mir aufgefallen, dass ich zwischendurch teilweise auch stocken musste. Bei manchen Lieder habe ich sogar kleinere Teile vergessen oder auch den Anfang. Das ist mir schon öfter aufgefallen, dass ich wieder einzelne Stücke aus einem Lied vergesse, wenn ich das Lied mal vielleicht zwei Wochen gar nicht spiele. Vor allem bei Liedern, die ich vielleicht erst seit ein paar Monaten spiele, aber teilweise auch bei Liedern, die ich schon länger spiele.
Woran liegt das? Spiele diese Lieder zu einem großen Teil glaub ich aus dem Fingergedächtnis heraus. Zumindest die Lieder, die ich ganz am Anfang gelernt habe. Es ergibt sich einfach so mit der Zeit.
Ist das normal, dass man wieder etwas vergisst nach so kurzer Zeit?
Wie sieht das aus, wenn man ein Stück z.B. schon seit mehreren Jahren spielt?
Ist dann die Wahrscheinlichkeit geringer, es nach ein paar Wochen zum Teil schon zu vergessen? Welche Erfahrungen habt ihr damit gemacht?

Habe es auch schon mal erlebt, dass ich bei einem Stück, welches ich täglich spiele, von heute auf morgen plötzlich einen Blackout mittendrin hatte und plötzlich nicht mehr wusste, wie es weitergeht, obwohl ich es fast im Schlaf konnte.

Freue mich über Antworten!
 
Genau dafür ist Theorie und Analyse da.

Hast Du den Aufbau des Stückes genau verstanden, so ist das Gehirn beim Erinnern nicht bloß auf dieses mysteriöse "Moooment, wie ging der Teil noch" (**suchendes Umherfingern**) angewiesen, sondern man weiß z.B.: Bei Stück xy ging der C-Teil so ähnlich wie der A-Teil, nur daß er in c-moll statt in a-moll steht. Oder so ähnlich.

Auch ist es durch die Kenntnisse möglich, an einer Stelle, die man nicht mehr ganz im Schirm hat, so was Ähnliches zu spielen, was nicht genau dem Notierten entspricht, aber den musikalischen Sinn in etwa wiedergibt. (So haben übrigens bis zur 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts alle Musiker musiziert, religiöse Notenfolgerei gab's da noch nicht.)

Und last but not least kannst Du mit den Kenntnissen es Dir ermöglichen, an verschiedenen Stellen des Stücks neu einzusteigen, anstatt immer am Beginn oder an ganz wenigen Punkten des Stücks nochmal neu anfangen zu müssen.

Aus dem "Fingergedächtnis" spielen ist jedenfalls ganz schlecht.

Vergleich's doch mal mit Gedächtniskünstlern im Fernsehen: Die merken sich eine ellenlange Zahlenfolge ja auch nicht, indem sie sie sich stumpf reinpauken (so, heute lerne ich Ziffern 124 bis 211), sondern sie sind gut darin, sofort mit Gruppen von Zahlen ("Chunks") Dinge zu assoziieren und dadurch die Zahl der zu merkenden "Items" stark zu verringern.

Genauso beim Musiklernen: Aufgabe ist es, den aus Tausenden von Noten-Ereignissen bestehenden Text durch Verständnis und Analyse in größere "Chunks" (ich sage gerne zu Schülern "Legobausteine" dazu") zu zerlegen, so daß man sich statt 2957 Einzelereignissen nachher vielleicht nur noch einen Bruchteil an Chunks merken muß.

LG,
Hasenbein
 
Hallo Zusammen!
Habe es auch schon mal erlebt, dass ich bei einem Stück, welches ich täglich spiele, von heute auf morgen plötzlich einen Blackout mittendrin hatte und plötzlich nicht mehr wusste, wie es weitergeht, obwohl ich es fast im Schlaf konnte.

Um dieses Problem zu verringern hilft es mir, mein "Repertoire" immer mal wieder rhytmisch, ausdurckslos, und langsam zu spielen. Und mir dabei ganz bewusst zu machen, was da (harmonisch/rhytmisch) passiert. Teils mit Noten, teils auswendig. Teils zusammen, teils getrennt.

Ansonsten: Repertoirepflege ist etwas ganz normales, ohne wird man Stücke immer wieder vergessen. Ich habe vor einigen Monaten nach fast 15 Jahren Pause wieder angefangen. Ich konnte nichts mehr. Bis auf zwei Stücke musste ich mir alle anderen komplett von vorne erarbeiten, und auch die beiden waren nicht schnell wieder da.
 
Vergleich's doch mal mit Gedächtniskünstlern im Fernsehen: Die merken sich eine ellenlange Zahlenfolge ja auch nicht, indem sie sie sich stumpf reinpauken (so, heute lerne ich Ziffern 124 bis 211),

Den Vergleich finde ich nicht sehr günstig, denn die „TV-Gedächtniskünstler“ lernen in der Regel sehr bildlich-assoziativ, das heißt, sie setzen Ziffern in Bilder um. Beim Lernen von Klavierstücken dürfte diese Methode nicht sehr geeignet sein.

Woran liegt das? Spiele diese Lieder zu einem großen Teil glaub ich aus dem Fingergedächtnis heraus. Zumindest die Lieder, die ich ganz am Anfang gelernt habe. Es ergibt sich einfach so mit der Zeit.

Ich vermute mal, es gibt kein spezielles Gedächtnis für Finger …

Was man sich auf diese Weise merkt, sind Bewegungsabläufe. Wahrscheinlich lassen sich Bewegungsabläufe im Groben sehr gut dauerhaft merken. Zumindest sagt man vom Fahrradfahren oder Schwimmen: Wer’s einmal gelernt hat, vergisst es sein Leben lang nicht mehr.

Wahrscheinlich lassen sich so lange, feinmotorische Bewegungsabläufe, wie man sie für ein mehrseitiges Klavierstück braucht, auf diese Weise nicht sehr gut sehr dauerhaft merken. Deswegen würde ich derartiges nicht allein über das "Fingergedächtnis" lernen.

Womit Hasenbein natürlich absolut recht hat: Es hilft beim Merken sehr viel, wenn man das, was man sich merken will, verstanden hat. Und Systematik, Strukturen und leicht merkbare oder bereits bekannte Elemente darin gefunden hat.

Um zu sehen, was man sich überhaupt gemerkt hat, finde ich es beim Klavier ganz praktisch, folgendes zu versuchen (mit aufsteigendem Schwierigkeitsgrad):

1.) auswendig nur die Melodie mit der rechten Hand zu spielen (also die Begleitung ganz weglassen).

2.) die Melodiestimme auswendig mit der linken Hand zu spielen

3.) die Melodie nur mit den Zeigefingern der rechten und linken Hand zu spielen.

Dadurch stört man den eingeübten Bewegungsablauf immer mehr und merkt sehr genau, was man über das jeweilige Stück alles nicht weiß.

Je besser man’s gelernt hat, desto schlechter vergisst man’s auch wieder …

Viele Grüße,
Nuri
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Ich vermute mal, es gibt kein spezielles Gedächtnis für Finger
es kommt darauf an, was man darunter versteht - man könnte ja eine Klangfolge durchaus auf verschiedene Weisen parallel verinnerlichen: über das Gehör (Klangverlauf, Klangintenistät), über den Verstand (Harmonik etc), über die beteiligten Emotionen (hach jetzt traurig buhuhu, hurra jetzt fröhlich juhu) und eben auch taktil (so fühlt sich bei diesem Stück piano, crescendo usw.an) --- wenn das alles daran beteiligt ist, sollte nicht allzuviel schiefgehen - fehlen aber ein oder zwei Komponenten, wirds holperig oder unsicher, schlimmstenfalls lückenhaft.
 
es kommt darauf an, was man darunter versteht - man könnte ja eine Klangfolge durchaus auf verschiedene Weisen parallel verinnerlichen: über das Gehör (Klangverlauf, Klangintenistät), über den Verstand (Harmonik etc), über die beteiligten Emotionen (hach jetzt traurig buhuhu, hurra jetzt fröhlich juhu) und eben auch taktil (so fühlt sich bei diesem Stück piano, crescendo usw.an) --- wenn das alles daran beteiligt ist, sollte nicht allzuviel schiefgehen - fehlen aber ein oder zwei Komponenten, wirds holperig oder unsicher, schlimmstenfalls lückenhaft.

Ich glaube, ich verstehe diese vier Punkte (und scheine sie zum Glück auch schon anzuwenden)

Um zu sehen, was man sich überhaupt gemerkt hat, finde ich es beim Klavier ganz praktisch, folgendes zu versuchen (mit aufsteigendem Schwierigkeitsgrad):

1.) auswendig nur die Melodie mit der rechten Hand zu spielen (also die Begleitung ganz weglassen).

2.)
(...)

Hm, ich vermute oder befürchte, dazu werde ich nie die Geduld oder Energie aufbringen können... obwohl ich mir das wirklich als sehr hilfreich vorstellen kann...

und rolf, hast Du gelesen:

(So haben übrigens bis zur 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts alle Musiker musiziert, religiöse Notenfolgerei gab's da noch nicht.)

ich habe jetzt auch den starken Verdacht, daß Du vor allem religiöse Notenfolgerei immer so betreibst :D:D:D:D

Schmunzelnde Grüße
Dreiklang
 
es kommt darauf an, was man darunter versteht - man könnte ja eine Klangfolge durchaus auf verschiedene Weisen parallel verinnerlichen: über das Gehör (Klangverlauf, Klangintenistät), über den Verstand (Harmonik etc), über die beteiligten Emotionen (hach jetzt traurig buhuhu, hurra jetzt fröhlich juhu) und eben auch taktil (so fühlt sich bei diesem Stück piano, crescendo usw.an) --- wenn das alles daran beteiligt ist, sollte nicht allzuviel schiefgehen - fehlen aber ein oder zwei Komponenten, wirds holperig oder unsicher, schlimmstenfalls lückenhaft.

Und bei manchen, je nach Anlagen, kommt auch noch das photographische Gedächtnis hinzu.

Liebe Grüße

chiarina
 
Übrigens, mir ist noch ein sehr wichtiger Aspekt des Auswendiglernens eingefallen, den viele unerfahrene Spieler verkehrt machen!

In visueller Hinsicht auf keinen Fall sich die Noten merken! (Also nicht etwa versuchen, geistig einen Noten-Film ablaufen zu lassen, von dem man abspielt, oder sich photographisch die Notenseite zu merken.)

Sondern immer die Tastenmuster erinnern! Sozusagen so auswendig spielen, als wäre das Stück ein selbst Er-improvisiertes, welches man nie aufgeschrieben hat!

Sonst hat man immer noch den unnötigen und mühsamen Zwischenschritt dabei, die Noten decodieren und in Tastenmuster umsetzen zu müssen.

LG,
Hasenbein
 
Übrigens, mir ist noch ein sehr wichtiger Aspekt des Auswendiglernens eingefallen, den viele unerfahrene Spieler verkehrt machen!

In visueller Hinsicht auf keinen Fall sich die Noten merken! (Also nicht etwa versuchen, geistig einen Noten-Film ablaufen zu lassen, von dem man abspielt, oder sich photographisch die Notenseite zu merken.)

Sondern immer die Tastenmuster erinnern! Sozusagen so auswendig spielen, als wäre das Stück ein selbst Er-improvisiertes, welches man nie aufgeschrieben hat!

Sonst hat man immer noch den unnötigen und mühsamen Zwischenschritt dabei, die Noten decodieren und in Tastenmuster umsetzen zu müssen.

LG,
Hasenbein

Lieber hasenbein,

ich gebe dir eigentlich recht. Aber manchmal ist es so (und bei mir selbst im Besonderen), dass man sich nicht erinnern muss, sondern das das Gedächtnis die Noten photographisch abspeichert, ob man will oder nicht. :D

Ich finde das eigentlich sehr positiv, nur sollte man das nicht "versuchen", entweder man hat's oder eben nicht.

Dagegen würde ich die Krise kriegen, wenn ich irgendwelche Tastenbilder abspeichern müsste. :D Ein Studienkollege von mir hat meistens auf die Tasten geschaut und sich anhand der Bewegungschoreographie, der Tastenbilder, das Stück gemerkt. Für mich wäre das eine Katastrophe. Alles schwarz-weiß....Hilfe!!! :D:D

Liebe Grüße

chiarina
 

Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Sind deine Noten schön bunt ausgemalt?
LG, PP


Liebe PP,

erwischt!!!! Herrlich!!! :D:D Ehrlich habe ich gar nicht mehr daran gedacht, dass Noten ja auch schwarz-weiß sind! :D

Wenn ich auf die Tasten schaue, dann immer dahin, wo ich gleich spielen werde, also auf das Ziel. Und ich würde irre, wenn ich meinen Händen beim Spielen zuschauen würde...... . :D

Liebe Grüße

chiarina
 
ausdrucken, ausschneiden, vergrößern, rahmen und übers Klavier hängen!! (ach ja: und kapieren :D:D)

Ich fürchte, ich kapiere es nicht... :(

Ich habe mich selbst mal beim Üben und auch beim Spielen beoabachtet. In der Tat schaue ich da ständig meinen Fingern beim Spielen zu. Daraufhin bin ich nach Youtube gegangen, und habe versucht bei einigen bekannteren PianistInnen zu schauen, wie die das machen. Es ist schwierig zu sagen, aber ich hatte den Eindruck, dass es zumindest unterschiedlich ist. Während einige hin und wieder den Blick gänzlich von der Klaviatur lösen, schauen andere quasi ständig dahin, auch wenn die Hände immer an der selben Stelle spielen. Also ist anzunehmen, dass diese PianistInnen Ihren Händen zuschauen.

Soviel zur Analyse des Phänomens. Bleibt die Bewertung. Was ist schlecht daran, seinen Fingern zuzuschauen?
 
Ich fürchte, ich kapiere es nicht... :(

Ich habe mich selbst mal beim Üben und auch beim Spielen beoabachtet. In der Tat schaue ich da ständig meinen Fingern beim Spielen zu.

Hallo Sita,

Schaust du tatsächlich auf die Finger, oder auf die Tasten, die du treffen willst? Ich stelle es mir jedenfalls ziemlich schwer vor, bei einem Sprung, die sich bewegende Hand zu beobachten, anstatt die Zieltaste(n) anzuvisieren.

Wenn ich einen Vergleich bringen darf, will man mit einem Ball treffen, nützt es nichts auf die werfende Hand oder den Ball zu schauen - man muß sich auf das Ziel konzentrieren - dann wird's auch ein Treffer. :)

LG, PP
 
Schaust du tatsächlich auf die Finger, oder auf die Tasten, die du treffen willst?

Ja, bei einem Sprung ist es anderes. Aber meistens hat man ja keine Sprünge, sondern Läufe, Triller, nah beieinander liegende Akkordwechsel, sowas. Ich habs ausprobiert, bei diesen Stellen könnte ich auch einfach in die Luft schauen. Das ist sogar ein sehr interessantes Spielgefühl. Aber wenn ich nichts bewusst anders mache, dann schaue ich eben auf die Finger.
 
Ja, bei einem Sprung ist es anderes. Aber meistens hat man ja keine Sprünge, sondern Läufe, Triller, nah beieinander liegende Akkordwechsel, sowas. Ich habs ausprobiert, bei diesen Stellen könnte ich auch einfach in die Luft schauen. Das ist sogar ein sehr interessantes Spielgefühl. Aber wenn ich nichts bewusst anders mache, dann schaue ich eben auf die Finger.

Ach, ich denke, wenn es für das Schauen keine Notwendigkeit gibt, ist es auch ziemlich egal, wohin man den Blick richtet, solange man dadurch nicht abgelenkt wird. Mich persönlich irritiert das Fingergewusel. Wenn ich nicht schauen muß, spiele ich am liebsten mit geschlossenen Augen, oder ich schaue links aus dem Fenster - vor allem wenn ich mich noch stark konzentrieren muß. Das ist aber ein natürlicher Vorgang - wenn es dich interessiert, hier ein Link zu den Augenbewegungsmustern. Ich mag NLP nicht, da es sehr stark auf Manipulation ausgerichtet ist, aber die Beobachtungen und Erkenntnisse, die sie verwerten, sind oft ganz interessant.

LG, PP
 
Ja, bei einem Sprung ist es anderes. Aber meistens hat man ja keine Sprünge, sondern Läufe, Triller, nah beieinander liegende Akkordwechsel, sowas. Ich habs ausprobiert, bei diesen Stellen könnte ich auch einfach in die Luft schauen. Das ist sogar ein sehr interessantes Spielgefühl. Aber wenn ich nichts bewusst anders mache, dann schaue ich eben auf die Finger.

Schaust Du wirklich auf die Finger? Nicht auf die Tasten, die von den Fingern bewegt werden?

Dann solltest Du das schnellstmöglich ändern. Das ist überaus unzweckmäßig.

LG,
Hasenbein
 

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