Repertoire aufwärmen / warm halten

Stilblüte

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Meine Frage richtet sich hauptsächlich an konzertierende Musiker mit anspruchsvollem, längeren Programm (> 1 Stunde):

Welche Vorgehensweise wendet ihr an, um ein Repertoire a) wieder aufzuwärmen (so lange nicht gespielt, dass einzelne Gedächtnislücken auftreten oder man das Stück auf anhieb ohne Noten gar nicht mehr spielen kann) und b) über längere Zeit konzertreif zu halten?

zu a):

Beispiel: Ich habe vor einem Jahr ein ca 7-minütiges, verhältnismäßig virtuoses Stück gespielt, welches ich jetzt für Konzerte wieder geübt habe. Der "Status" war der Gestalt, dass ich viele Elemente daraus noch in etwa spielen konnte, besonders, wenn ich die Noten vor Augen hatte, aber manche Passagen waren etwas in Vergessenheit geraten. Insgesamt war die Sicherheit und Perfektion nicht mehr richtig vorhanden, außerdem habe ich mich technisch weiterentwickelt, wollte einzelne Fingersätze ändern und das Stück musikalisch an einigen Stellen etwas anders spielen.
Meine Vorgehensweise - das Stück ganz durchspielen, um den Status herauszufinden, dann einzelne Passagen auf das gewünschte Niveau bringen, dann öfter durchspielen und weiter herumfeilen.

Das "Problem" dabei - das auch auftritt, wenn man Stücke z.B. einen Monat nicht gespielt hat - meistens kann man das Stück sehr schnell wieder spielen, das heißt, das Fingergedächtnis ist sehr schnell wieder da, aber der Kopf hat einige Details noch nicht wieder präsent und kennt sich nicht aus. Es fühlt sich manchmal, etwas überzogen ausgedrückt, an, als würde an ein Stück spielen, das man eigentlich gar nicht kennt.

Wenn ich ein Stück neu übe, hilft mir die Beschäftigung mit dem Notenmaterial während des Übens dabei, es gut kennenzulernen und auch rational zu verstehen. Kann ich das Stück aber schon spielen, fehlt mir ein bisschen diese Ebene.

Gibt es Herangehensweisen, diese Präsenz und Sicherheit wieder zu erlangen, abgesehen von der Möglichkeit des Herausgreifens von Passagen (um sie zu üben / verändern / verbessern bzw. sich absichtlich mit Struktur, Harmonie, Tastenbild vertraut zu machen) oder dem sehr aufmerksamen Durchspielen?


zu b)

Ein interessanter Vorschlag eines Pianisten lautet: Um sein Repertoire präsent zu halten, ohne aber daran zu üben, spielt er es in gewissen Abständen durch (nur das) - und die Tage des Abstandes verdoppeln sich jeweils. Er spielt es also nach 1,2,4,8,16 Tagen usw., ähnlich dem Vokabelkasten-Prinzip. Wenn eine Stelle nicht mehr funktioniert, wird sie repariert.
Aber auch hier sehe ich die Gefahr, dass die Finger zwar das Stück noch spielen können, der Kopf aber nachlässt.

Was tut man am besten mit seinen Stücken, wenn man jeweils im Abstand von 1-4 Wochen mehrere Konzerte hat?

Vielleicht hab ich hier auch irgendwelche Wunschvorstellungen von einem Zauber-Lern-Prinzip, das es nicht gibt. Schließlich ist es irgendwie normal, Dinge zu vergessen und sie sich wieder zu erarbeiten.

Trotzdem interessiert es mich, wie andere vorgehen, um (viele) Stücke nicht zu vergessen.
 
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Hallo Stilblüte,

bin gerade dabei, ein (ur-)altes Programm wieder aufzuwärmen. Mein Liszt-Programm von 1994 zum Liszt-Jahr 2011 ist am 15. Mai dran. Ich habe tatsächlich seit 1994 nicht mehr darin gespielt!
In diesem Jahr wärme ich zum ersten Mal zwei alte Programme wieder auf, für den 9. November ein anderes.

Hier das diesjährige:

Paganini-Etüde Nr. 6 in a-moll (Variationen)
Au bord d´une source
Hirtengesang
Les cloches de Geneve
Reminiscences de Norma

Pause

Etüde: Harmonies du soir
Franziskuslegende Nr. 2 (Franziskus von Paula)
Consolations Nr. 3 und Nr. 6
Ungarische Rhapsodien Nr. 5 und Nr. 10

Ich kann hier nur meinen ureigensten Weg mit den alten Sachen darstellen.

Wie alle meine Konzertprogramme sind die Stücke in Gruppen sortiert, nicht nur als Kopien in Klarsichthüllen, sondern auch im Kopf.
Es gehören für mich zusammen:

Die Paganini Etüde sind eine Gruppe (Variationen).
Die drei Schweizer Bilder Au bord d´une source, Hirtengesang und Les cloches de Geneve bilden eine Gruppe. Sie gehören für mich so zusammen wie die Stücke auf einer Platte in ihrer Reihenfolge "zusammen gehören".
Die Norma-Fantasie bildet eine "Gruppe" - sie ist schließlich lang genug. Oft übe ich sie allerdings im Zusammenhang mit der Paganinietüde.

Etüde: Harmonies du soir und die Franziskuslegende Nr. 2 (Franziskus von Paula) bilden eine Gruppe, ich übe sie immer hintereinander.
Ebenso die beiden Consolations.
Zum Schluss noch die beiden Rhapsodien zusammen.

Mein System mit den Klarsichthüllen kann ich dazu verwenden, auch nur eine einzelne Gruppe wieder aufzuwärmen ohne der Versuchung zu erliegen, in den anderen herum zu spielen. Die Konzentration ist dann besser.
Am Anfang des Wiederaufwärmens habe ich mich sehr dusselig angestellt, war mir dann aber im Klaren, dass ich manche dieser Stücke/Gruppen wieder angehen muss als wären sie neu. Also richtig nach Noten spielen, nach den Zeichen schauen, die alten Fingersätze würdigen usw. - Natürlich ging dann alles viel schneller, alte Unsicherheiten sind wiedergekommen und bekämpfe sie neu. Die Neubegegnung mit den Stücken habe ich aber auch genutzt, neue Fingersätze und neue Verteilungen auf die Hände einzuüben.

Um nicht der Eintönigkeit zu erliegen, habe ich mir noch eine andere (alte) Gruppe für den Herbst in mein Ringbuch einsortiert: Die Schubert Sonate a-moll Op.164. Die war fast komplett wieder da, ich spiele sie immer alle 10 Jahre zum runden Geburtstag im Konzert.

Ein Problem für mich ist, dass ich "meine" wunderschöne Musik bald nicht mehr hören kann. - Wie machen das die Vollprofis auf Tournee?

Übrigens: in der unmittelbaren Konzertvorbereitung spiele ich meine Gruppen und auch das ganze Programm auch in umgekehrter Reihenfolge.

Hoffentlich lassen sich noch andere in diesem interessanten Faden in die Karten schauen!

Gutes Gelingen!


Walter
 
Ein Problem für mich ist, dass ich "meine" wunderschöne Musik bald nicht mehr hören kann. - Wie machen das die Vollprofis auf Tournee?
Wer es gewohnt ist, zwar nicht ständig, aber oft zehn Stunden täglich zu proben, zu üben etc., den wirft das nicht aus dem Gleis; sinnvoll ist, diszipliniert und aufmerksam immer wieder (unermüdlich) alles durchgehen, aber ohne sonderliche emotionale Beteiligung (die spart man sich fürs Publikum auf).
Pro Saison hat man mehrere Programme (z.B. 2-3 Klavierkonzerte, 3-4 verschiedene Soloprogramme), das ist ziemlich abwechslungsreich!

Das bereit halten von Programmen mache ich so, dass ich so oft wie machbar die schwierigen Abschnitte piano-mezzoforte und nicht zu schnell durchgehe.
 
Das bereit halten von Programmen mache ich so, dass ich so oft wie machbar die schwierigen Abschnitte piano-mezzoforte und nicht zu schnell durchgehe.
Okok, soviel stand drin :P Das heißt, du spielst die Abschnitte einfach durch? Mehrmals hintereinander? Mit oder ohne Noten? Was denkst du dabei?
-- übrigens, bei dem unemotionalen Spielen fällt mir eine Reportage über Anne-Sophie Mutter ein. Sie sagte, dass sie sich immer vornehme, vor Konzerten etwas unemotionaler zu proben, um sich, wie du sagst, ihre Kräfte für das Publikum aufzuheben - aber es gelingt ihr nie :)

@ Walter: von "Alle 10 Jahre mal" ist bei mir noch nicht die Rede :D
 
Es war bezogen auf das bereit halten von Programmen, das meint ja Sachen, die man öffentlichkeitstauglich drauf hat, also Sachen, die man (nach den eigenen Möglichkeiten) bestens kennt.
Das heißt, du spielst die Abschnitte einfach durch?
Ja. Immer wieder, und das ohne sonderliche emotionale Beteiligung. Nur piano-mezzoforte, etwas langsamer als im nötigen Tempo, und das hat seinen Grund: so bewahrt man sich erstens nahezu fehlerfreies spielen, zweitens aber auch das permanente Gefühl von Sicherheit. Und das nur mit den schwierigen Abschnitten. Und ab und zu, aber leise bleibend, ein Ausflug ins richtige Tempo und darüber hinaus.

ich zähle das nicht - wird schon oft genug sein, wenn man das stundenlang macht ;)

sowohl als auch; für unterwegs bewähren sich Notebooks seit einigen Jahren: da passen zahllose Noten rein.

gar nichts! Einfach nur aufmerksam auf den Klang, den Rhythmus und die locker-geschmeidige Beweglichkeit sein. Das ist eine Art gelockerte Konzentration, allerdings quasi abgeschottet gegen alles von außen: da kommt nichts in den Kopf rein, da wird nicht gegrübelt, keinerlei Tiefsinn über musikalische Inhalte, sondern es ist nur Klang und Bewegung und das alles mit dem Gefühl von Sicherheit. Vielleicht passt dieser Ausdruck: eine Art mentale und spieltechnische Hygiene.
 
Danke für diese Ausführung, ich verstehe jetzt besser, was du meinst. Ich denke, ich kann nachvollziehen, was du beschreibst, und ich bin ehrlich gesagt einigermaßen überrascht. Ich hätte vermutet, dass du dich noch mehr "absichtlich und gedanklich" mit den Stücke beschäftigst, mit der Struktur harmonisch, melodisch, rhythmisch und im Aufbau bzw. der Dramaturgie des Stückes. Besteht nicht beim oftmaligen Durchspielen auch eine Gefahr, sich nur noch auf die Finger zu verlassen, ohne noch genau zu wissen, was man eigentlich tut?
 
Ich hätte vermutet, dass du dich noch mehr "absichtlich und gedanklich" mit den Stücke beschäftigst, mit der Struktur harmonisch, melodisch, rhythmisch und im Aufbau bzw. der Dramaturgie des Stückes. Besteht nicht beim oftmaligen Durchspielen auch eine Gefahr, sich nur noch auf die Finger zu verlassen, ohne noch genau zu wissen, was man eigentlich tut?
wie extra vorab gesagt: beim bereit halten eines Programms hat man das alles (Dramaturgie, Details, Klanggestaltung etc.) doch schon längst vorher gemacht - und es besteht folglich keineswegs die von Dir genannte Gefahr, denn hier handelt es sich ja um Sachen, die man bestens kennt.
 
Ich kann nicht so ganz mitreden, weil bei mir von Tourneen keine Rede sein kann und ich nur ab und zu ein Konzert gebe. Außerdem habe ich nur 1-2 Stunden täglich Zeit zum Üben, da kann ich ein wirklich großes Repertoire nicht aufrechterhalten.

Mir kommt dabei sehr mein photographisches Gedächtnis entgegen: mir geht es oft anders als dir, Stilblüte, weil ich, wenn ich etwas noch spielen kann, auch den Notentext noch genau weiß. Es ist sogar manchmal umgekehrt: ich weiß den Notentext noch, kann's aber nur noch gepfuscht oder schlecht spielen :D .

Ich muss also eher die spieltechnische Variante üben und da hilft es mir, es genauso wie Rolf zu machen: langsam, manchmal sogar sehr, sehr langsam alles zu spielen, zu rekapitulieren, zu hören, zu fühlen. In der Regel ohne Noten - die schaue ich mir lieber separat an. Wenn ich natürlich Stellen nicht mehr weiß oder wieder richtig üben muss, mit Notentext.

Mir fällt auch auf, dass Stücke, die man nur einmal gespielt und dann weggelegt hat, schneller wieder aus dem Gedächtnis verschwunden sind. Stücke, die man öfter gespielt hat, verschwinden nicht so leicht wieder, auch wenn man sie lang nicht spielt.

Daraus müsste man die Rückschlüsse ziehen, neu erlernte Stücke im Anschluss eben nicht wegzulegen, sondern wie Rolf zumindest stellenweise durchzugehen.
Der Fehler, den man oft macht, ist nämlich, die Stücke, die man einmal drauf hat, eben nicht zu wiederholen (schwierige Stellen oft, anfangs evtl. täglich, andere Stellen seltener - evtl. 1x wöchentlich oder alle 2 Wochen). Bloß macht man das nicht immer und dann hat man den Salat. Denn es gibt ja jede menge anderes zu tun....... :p .

Auf der anderen Seite ist das bei mir nicht schlimm, ich bin auch froh, wenn ich ein Stück mal ganz weglegen kann - wenn man aber ein großes Repertoire haben will, geht es wohl kaum anders.

Ich denke trotzdem, es gibt nicht die eine Methode. jeder ist anders und muss sich ja auch nach seinem Lernverhalten richten. Dem einen reicht es vielleicht, sich öfter einfach nur die Noten anzuschauen oder mental zu üben ( bei schwierigen Stellen oder Stellen, die Kondition erfordern, wird das sicher nicht reichen), der andere macht jeden Tag Repertoirestudium am Klavier....... .

Mich überrascht es nicht, dass Rolf so seine Stücke durchgeht, denn die Konzeption etc. der Stücke ist ja klar und ich glaube, dass ein Stück allein durch die Beschäftigung damit auch interpretatorisch weiter wächst und sich entwickelt.

Liebe Grüße

chiarina
 
Komisch,

sind wir nur zu viert, die sich mit dem Warmhalten von Vorspielstücken beschäftigen??!! - Oder mit dem Wiederaufbrühen von länger Vergangenem?

Die vorstehenden Beiträge in Ehren, aber ich hätte gerne noch von anderen Erfahrungen gewusst!

Walter
 

Rolf: "... man kriegt halt nicht immer alles, was man haben will ..." - tatsächlich?!!

Aber immerhin haben Deine Statements und Stilblütes Nachfragen mir ein bisschen was gebracht: Danke für den kleinen Einblick!

Ansonsten bin ich eher wie Chiarina gelagert und kann nur ein bis zwei Stunden pro Tag (meist über den Tag verteilt) üben oder ein Konzert vorbereiten.
Darum sehen meine Schwerpunkte etwas anders aus als bei den Profis.

Einen schönen Sonntag!

Walter
 
Ansonsten bin ich eher wie Chiarina gelagert und kann nur ein bis zwei Stunden pro Tag (meist über den Tag verteilt) üben oder ein Konzert vorbereiten.
Darum sehen meine Schwerpunkte etwas anders aus als bei den Profis.
Unter diesen Bedingungen würde ich an Deiner Stelle ein kleines, aber feines festes Repertoire pflegen und dieses nicht gerade aus den schwierigsten Sachen (z.B. Norma, Don Giovanni, Tannhäuser, Tristan, Petrouchka etc.) zusammenstellen.
z.B.:
Chopin: 2. & 4. Scherzo, 1. & 3. Ballade
Beethoven: eine der Sonaten (aber jetzt keine ab op.101 aufwärts)
Schumann: Papillons, Kinderszenen
Bach: 2-3 Praeludiun und Fugen
dazu viele abwechslungsreiche kurze Stücke

Das über Jahre/Jahrzehnte gepflegt, geölt, gewartet kann dann auch bei diesem geringen Zeitbudget auf durchaus professionellem Niveau gehalten sein und große Freude machen (also in einer Chopinballade gibt es ein Leben lang immer Neues zu entdecken!)

Dir ebenfalls einen sonnigen Sonntag,
Rolf
 
@ aber ich hätte gerne noch von anderen Erfahrungen gewusst!

Zum Thema "Gedächtnis" allgemein: Ich hatte während meiner Studienzeit (liegt schon viele Jahre zurück) irgendwo soetwas wie einen Zeitplan zum lernen, speziell auch zum verankern von Details im Gedächtnis, gefunden:
1. Wiederholung unbedingt am nächsten Tag
2. Wiederholung am 3. Tag
3. Wiederholung nach einer Woche - und dann die Abstände nach und nach vergrößern.

Hat sich damals ganz gut bewährt, ist natürlich nur bedingt auf das Klavierspiel übertragbar, weil es dabei ja wesentlich auch um das einprägen von Bewegungen und (den dadurch hervorgerufenen) Klängen geht. Wichtig dürfte aber sein, daß die Abstände zwischen den Wiederholungen (des "fertigen" Stückes) nur allmählich ausgedehnt werden sollten.

Was ohne "Pflege" passieren kann: Ich habe vor 50 Jahren eines der beiden Mendelssohn-Konzerte auswendig gelernt, einmal vorgespielt (mit 2. Klavier) und dann (mangels Interesse) nie wieder angesehen. Die Noten sind verloren gegangen und so kann ich heute das Konzert nicht einmal wiedererkennen, wenn ich eines der beiden höre.

LG

Pennacken
 
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Ich kenne einen Geiger, der ein enorm großes Repertoire ständig abrufbereit hat. Mit enorm groß meine ich, deutlich größer als das der meisten anderen Geiger die ich kenne. Er spielt praktisch alle Klassiker inklusive der hochvirtuosen Sachen plus eine Unmenge an moderner Literatur.
Da mich diese Frage auch lange beschäftigt hat habe ich ihn auf einem Meisterkurs um Rat gefragt. ;)
Hier die Kurzfassung:
-eine Art Rotationsprinzip bei dem alles durchgespielt wird
-man muss nicht immer alles üben, besser sich nur auf ein Konzert am Tag konzentrieren als sich mit fünfen zu verzetteln (hat mir viel geholfen)
-einen Übeplan aufstellen (Aktuelles regelmäßiger einplanen, nicht immer alles)
-Repertoire regelmäßig erweitern
-Technik immer frisch halten

Seit ich mich an diese Ratschläge halbwegs halte hat sich mein aktives Repertoire enorm erweitert. Früher hatte ich ein großes passives Repertoire was ich allerdings immer vor Konzerten auffrischen musste. Ich hatte also immer vier Wochen vor einem Konzert Stress, da ich praktisch die Stücke wieder "neu" lernen musste. Jetzt habe ich sehr viele Stücke jederzeit abrufbereit.

Etwa 1/3 meiner Übezeit verwende ich tasächlich zum Durchspielen. Ich kann das Werk ja schon spielen und muss es nur noch warmhalten. D.h. ich spiele es durch, höre mir aber dabei ganz genau zu, notiere innerlich was könnte besser sein usw. und denke beim nächsten Durchgang daran es besser zu machen und notiere dabei gleichzeitig wieder innerlich was besser sein könnte....

Stücke die ich nicht mehr oder weniger gut durchspielen kann muss ich selbstverständlich üben. Sie beherrsche ich dann aber noch nicht und würde sie auch niemals in einem Konzert spielen. Bei diesen Stücken kann man dann auch nicht von warmhalten sprechen. Ich kann ja nur etwas warmes warmhalten...

Das sind zwar Geiger-Ratschläge, helfen aber sicher auch beim Klavierspielen.

Ach so, durchspielen tue ich mal mit, mal ohne Noten...
 
Hallo Chrissi,

vielen Dank für die Einblicke. Geiger/auswendig und Klavier/auswendig sind sicher vergleichbar.

Als Nicht-Profi mit kleinerem Zeit-Budget ist das Rotationsprinzip für mich nicht 1:1 übertragbar.
Zum Teil mache ich das aber auch: in diesem Jahr spiele ich zwei Programme, die ich schon mal vorgespielt hatte - ich wärme sie also wieder auf (obwohl sie schon recht "kalt" sind).
Daneben habe ich ein fast neues Programm für 2013 in Arbeit (Verdi/Wagner 200 Jahre). Es gibt für dieses Programm aber schon Anknüpfungspunkte: Ernani und die Ballade der Senta habe ich schon mal auswendig gekonnt, Don Carlos ist gerade fertig geworden, Einzug der Gäste auf der Wartburg habe ich in einem Hauskonzert schon mal nach Noten gespielt.
2012 will ich wegen dem Aufwand für 2013 noch mal auf überwiegend schon mal Gespieltes zurückgreifen: vielleicht gibt es einen Schubert-Abend und ein Programm mit "Jugenderinnerungen", also Stücke, die ich als Jugendlicher schon mal gespielt oder auch nur geklimpert habe und in denen viel Erinnerung steckt. Eine gute Grundlage zum auswendig lernen.
Also hier Rotation von Altem und Neues dazu. - Technik: zum Einspielen gibt es zur Zeit Moszkowski-Etüden.

Hätte ich mehr Zeit, würde ich Prima-Vista-Spiel pflegen, im (vom-Blatt-spielen kann ich nicht gut), ebenso fehlt mit improvisierte Liedbegleitung, transponieren von Liedbegleitungen, Improvisation, Klavierkonzerte/Solostimme. - In ein paar Jahren werde ich pensioniert ....

Viele Grüße

Walter

P.s.: Rolfs Anregung "Unter diesen Bedingungen würde ich an Deiner Stelle ein kleines, aber feines festes Repertoire pflegen" ist sicher gut gemeint, bringt mir persönlich aber nichts.
Spiele ich ein Programm aus diesen Stücken, ist das sicher sehr erfreulich. Das Jahr darauf spiele ich ... dasselbe wieder ... wieder ein Jahr später ... dasselbe wieder ... Das wäre der sichere Tod meines Klavierspiels! - Die Welt ist größer, viel größer, auch für Nicht-Profis!
 
Da das Thema warmhalten und wiederauffrischen bei mir gerade aktuell ist, bin ich auch auf diesen Beitrag gestoßen und kann folgendes dazu sagen:

Es ist absolut richtig, dass wenn man ein Stück "kann", die Lernabstände immer größer werden sollten. Es gibt so etwas wie Vergessenskurven (ist nach irgendeinem Gedächtnis-Wissenschaftler benannt). Das heißt, bei einem großen Repertore ist eine Zeitplanung unbedingt notwendig. Man kann z.B. bei 4 Stunden Repertoire 8 Blöcke a 30 min. bilden und für jeden Block an unterschiedlichen Tagen diese Zeitplanung beginnen lassen. Dann nimmt man Abstände von 1-2-3-5-8-12-17-23 Tagen usw. (nur ein Vorschlag) und schreibt in den Kalender, welche Blöcke wann dran sind. So kann man zusätzlich zum neuen Repertoire irgendwann mit 1-2 Blöcken a 30 min. pro Woche zusätzlich 4 Stunden frischhalten.

Ich persönlich spiele jeden Frühling verstärkt Konzerte (2 Stunden Programm) und dann jeden Sommer bis Herbst verstärkt auf Veranstaltungen, privaten Feiern / Hochzeiten, wo ich ca. 5 Stunden klassisches Repertoire habe. Gerade bin ich am grundsätzlichen Wiederauffrischen, was zu Beginn schon mal 2-3 Wochen dauern kann, und zwar "nur" dieses Repertoire. Danach werde ich nur noch sporadisch nach Plan üben.

Was auch nicht zu unterschätzen ist: VORSPIELEN VORSPIELEN VORSPIELEN, die Routine machts - das ist durch kein Üben der Welt zu ersetzen.
 
Ach ja, wenn etwas nicht mehr klappt, unbedingt am nächsten Tag nochmal wiederholen, um zu kontrollieren, ob das Geübte wieder sitzt!
 

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