"langsam spielen"

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chiarina

Guest
Liebe Leute,

ich möchte mal meinen Erfahrungsschatz und meine Ausdrucksmöglichkeiten erweitern :p !

Ich habe nämlich schon lange festgestellt, dass bei Anfängern und manchmal auch bei schon etwas fortgeschritteneren Schülern die Aufforderung "langsam spielen" wenig Sinn macht. Es fällt vielen Schülern unglaublich schwer, wirklich langsam zu spielen! Besonders (sorry, liebe Erwachsene, bitte nicht böse sein!!! ) Erwachsenen, die vielleicht manchmal etwas ungeduldig sind. :) (Es geht mir nicht um langsame Sätze o.ä., sondern um Stücke oder Stellen, die auch mal in langsamem Tempo geübt werden sollen.)

Ich benutze diesen Begriff "langsam spielen" zwar nach wie vor, verwende aber auch andere, die auf Erfahrungen der Schüler aufbauen. Z.B. nützt bei vielen der Ausdruck "Zeitlupe" etwas, weil sie im Fernsehen bei Sportübertragungen (Fußball...) schon oft so etwas gesehen haben. Bei kleinen Kindern hilft der Begriff der "Schnecke". Auch ein Fluss, der träge daher fließt, hat als Bild schon den erwünschten Effekt gehabt. In bestimmten Zusammenhängen kann auch der Hinweis auf lang oder länger klingende oder zusammenklingende Töne (Zuhören!) hilfreich sein. Die Begriffe müssen also mit gemachten Erfahrungen der Schüler zu tun haben, so meine Erfahrung :p, um die Klangvorstellung eines langsamen Tempos zu wecken.

Natürlich singen/spielen Kinder schon von Anfang an Stücke/Lieder in verschiedenen Tempi, klatschen und klopfen diese etc. etc..

Habt ihr ähnliche Erfahrungen gemacht? Wie geht ihr damit um und welche Ausdrücke benutzt ihr?

Das Metronom würde ich gern hier ausklammern. Mir geht es um die Sprache. Ich freue mich auch sehr, wenn hier viele Erfahrungen ausgetauscht werden, besonders auch von Schülern!

Liebe Grüße !!! :)

chiarina
 
Liebe Chiarina,

zum Antworten fehlt mit jede Legitimation: Ich bin weder Schüler noch Lehrer.

Aber mein Vorschlag - von der Musik her gedacht: sich vorzustellen,
wie man mit einem sehr alten Menschen spricht, der nicht mehr gut hören
und nicht mehr so schnell denken kann. Da sprechen wir alle automatisch
langsamer, betonter - und trotzdem freundlich. Und so könnte man sich auch
das Spiel der entsprechenden Musik oder des betreffenden Abschnitts vorstellen.

Wäre das eine Hilfe?

Herzliche Grüße!

Gomez
 
Hallo Chiarina,

also meine Lehrerin nennt das: "unter der Lupe" (ist etwas anderes als Zeitlupe), wahlweise "unter dem Vergrößerungsglas" ; damit ist genau das angesprochen, was ein "nur" langsames Spielen nicht selbstverständlich einschließt, nämlich das genaue Beobachten und hochbewusste Durchführen entsprechender musikalischer oder rein motorischer Aspekte.

LG, Sesam
 
Hallo,

ihr seid klasse!!! :):) Danke für die schnellen und sehr interessanten Antworten!!!

@ Gomez: das finde ich sehr interessant und werde ich gleich mal ausprobieren!

@Sesam: du bringst es auf den Punkt. Nur habe ich die Erfahrung gemacht, dass bei Anfängern genau da der Haken ist - weil das Gehör und die Klangvorstellung noch nicht genug geschärft sind, fällt es ihnen oft sehr schwer, dem musikalischen Geschehen zu folgen etc. bzw. zuzuhören. Auch Zusammenklänge, Intervalle etc. zu hören, muss ja erst mal gelernt werden. Bei Fortgeschrittenen ist das kein Problem mehr.

@Manha: ja, vorspielen bringt auf jeden Fall viel! Aber für zu Hause ist es trotzdem, glaube ich, sinnvoll, dem Schüler noch andere Hilfen mit auf den Weg zu geben.

Lieben Dank euch allen!!!

chiarina
 
Und noch ein Beitrag aus Sicht einer betroffenen Schülerin:

KL: "Du spielst das immer noch viel zu schnell"
Klimperline: "Immer noch??? Aber NOCH langsamer geht doch kaum"

Zu Hause nimmt Klimperline ihr eigenes Spiel auf, das sie während des Spielens als sehr langsam empfindet. Und siehe da: In der Aufnahme hört sich das Stück viel schneller an als erwartet. Schrecklich klingt das....
Sie hört sich während des eigenen Spiels also viel langsamer als es in Wirklichkeit ist. Die Wahrnehmung ist wohl zu sehr abgelenkt.

Seit sie zu Hause regelmäßig die Kamera als eine Art Biofeedback einsetzt, hat sich ihr Empfinden für die Geschwindigkeit verbessert. Mal schauen, wie lange es dauert bis empfundenes und tatsächliches Tempo von vornherein übereinstimmen.
 
verwende aber auch andere, die auf Erfahrungen der Schüler aufbauen. Z.B. nützt bei vielen der Ausdruck "Zeitlupe" etwas, weil sie im Fernsehen bei Sportübertragungen (Fußball...) schon oft so etwas gesehen haben.

liebe Chiarina,

vielleicht sollte man die Zeitlupe, das langsam und konzentriert spielen und hören auch damit verbinden, dass man nur sehr wenige Töne spielt!

z.B. Mozart Sonate facile zweiter Satz: nur die beiden ersten Takte, mehr nicht. Und da bei sehr konzentriertem langsam spielen ganz exakt von Ton zu Ton, von Klang zu Klang spielen und wahrnehmen.

im Faden über technische Übungen hat verdi1813 sehr schön und richtig gesagt, dass es um die Beziehung zwischen zwei Tönen geht - - das muss man erst mal hören und tun (und dabei, das wäre der technische Aspekt, immer für den folgenden Ton vorbereitet sein).

Viel Ungemach entsteht auch in langsamen Stücken bzw. bei langsamem Spiel dadurch, dass man dennoch gleichgültig oder unachtsam über Töne hinwegspielt. Erst muss jeder Ton bewußt wahrgenommen werden, dann kann man weitermachen.

Hat man einmal ein Detail begriffen und wahrgenommen, hat man sehr viel gelernt, was man dann übertragen kann. Ich plage selbst weit fortgeschrittene Studenten mit solchen Details.

herzliche Grüße,
Rolf
 
Es wäre auf jeden Fall angezeigt, daß man mit den Schülern überhaupt mal praktisch durchnimmt, wie sich die wichtigsten Tempi (Adagio, Andante, Moderato, Allegro, Presto) überhaupt "anfühlen". (Für Andante z.B. entspannt im Raum rumspazieren, Adagio Sekundenzeiger der Uhr, Allegro typisches mittleres Pop/Rock-Stück-Tempo etc.)

Und bevor der Schüler anfängt, "langsam" zu spielen, sollte er erstmal vormachen, was seiner Ansicht nach ein langsamer Puls wäre. Hat er das richtig gemacht, fordert man ihn auf, diesen Puls als Grundlage für das nun folgende Spielen des Stücks zu nehmen.

Problem ist ja, daß bei den typischen "Klassik"-Klavierschülern meist herzlich wenig Bewußtsein für den Puls eines Stückes vorhanden ist (und dafür, daß alles, was man spielt, auch Rubati, sich auf diesen Puls bezieht), sondern leider allzu häufig irgendwie "Töne nacheinander weg" gespielt werden. Das führt wiederum dazu, daß Langsamerspielen aufgefaßt wird als "ich muß irgendwie die Finger ein bißchen weniger schnell loslaufen lassen". Mit den sattsam bekannten (Nicht-)Ergebnissen.

Dem von Rolf Genannten mit dem genauen Wahrnehmen aller unterwegs passierenden Klänge ist natürlich auch 100% zuzustimmen!

LG,
Hasenbein
 
KL: "Du spielst das immer noch viel zu schnell"
Klimperline: "Immer noch??? Aber NOCH langsamer geht doch kaum"
.....................
Sie hört sich während des eigenen Spiels also viel langsamer als es in Wirklichkeit ist. Die Wahrnehmung ist wohl zu sehr abgelenkt.

Seit sie zu Hause regelmäßig die Kamera als eine Art Biofeedback einsetzt, hat sich ihr Empfinden für die Geschwindigkeit verbessert. Mal schauen, wie lange es dauert bis empfundenes und tatsächliches Tempo von vornherein übereinstimmen.


vielleicht sollte man die Zeitlupe, das langsam und konzentriert spielen und hören auch damit verbinden, dass man nur sehr wenige Töne spielt!

z.B. Mozart Sonate facile zweiter Satz: nur die beiden ersten Takte, mehr nicht. Und da bei sehr konzentriertem langsam spielen ganz exakt von Ton zu Ton, von Klang zu Klang spielen und wahrnehmen.
.................................
Viel Ungemach entsteht auch in langsamen Stücken bzw. bei langsamem Spiel dadurch, dass man dennoch gleichgültig oder unachtsam über Töne hinwegspielt. Erst muss jeder Ton bewußt wahrgenommen werden, dann kann man weitermachen.

Es wäre auf jeden Fall angezeigt, daß man mit den Schülern überhaupt mal praktisch durchnimmt, wie sich die wichtigsten Tempi (Adagio, Andante, Moderato, Allegro, Presto) überhaupt "anfühlen". (Für Andante z.B. entspannt im Raum rumspazieren, Adagio Sekundenzeiger der Uhr, Allegro typisches mittleres Pop/Rock-Stück-Tempo etc.)

Und bevor der Schüler anfängt, "langsam" zu spielen, sollte er erstmal vormachen, was seiner Ansicht nach ein langsamer Puls wäre. Hat er das richtig gemacht, fordert man ihn auf, diesen Puls als Grundlage für das nun folgende Spielen des Stücks zu nehmen.

Problem ist ja, daß bei den typischen "Klassik"-Klavierschülern meist herzlich wenig Bewußtsein für den Puls eines Stückes vorhanden ist (und dafür, daß alles, was man spielt, auch Rubati, sich auf diesen Puls bezieht), sondern leider allzu häufig irgendwie "Töne nacheinander weg" gespielt werden. Das führt wiederum dazu, daß Langsamerspielen aufgefaßt wird als "ich muß irgendwie die Finger ein bißchen weniger schnell loslaufen lassen". Mit den sattsam bekannten (Nicht-)Ergebnissen.


Liebe Klimperline,

ich danke sehr für deinen Beitrag! So etwas kommt nämlich häufiger vor, als man denkt. Wirkliches Zuhören und Wahrnehmen ist eben nicht einfach!

Rolf, du sprichst mir natürlich aus der Seele! Und trotzdem, auch wenn die Schüler kleine Abschnitte wirklich langsam spielen sollen, fällt ihnen das schwer, ganz besonders dann, wenn sie das Stück schon schneller können. Sie hören dann offensichtlich auf ganz andere Dinge und schaffen es nicht, den inneren Puls auf Zeitlupe zu dehnen und auf Zusammenklänge u.ä. zu hören, was ihnen im "schneller spielen" entgeht.

Die Frage ist, wie man dem methodisch begegnet. Das didaktische Ziel ist klar, Rolf, auch Sesam haben es schön formuliert.

Es ist absolut wichtig, den inneren Puls verschiedener Tempi zu fühlen, hasenbein, ich bin ganz deiner Meinung und mache das auch oft mit Schülern. Es geht mir aber hier nur um schnellere Stücke, die auch langsam geübt werden müssen, bei denen also verschiedene Übetempi abgerufen werden sollen, um das Zieltempo zu erreichen und dabei das Stück musikalisch zu "erfahren". Aber natürlich muss auch dann ein innerer Puls vorhanden sein.

Mich interessiert hier im Faden dabei besonders die sprachliche methodische Umsetzung, aber man sieht hier schon, dass man damit dem Problem nicht ganz beikommt. Ins Paket muss vieles hinein - das geht von Gehörbildung (z.B. dem Hören von Intervallen, Akkorden etc.) zu metrischen/rhythmischen Übungen bis zum Wahrnehmen der körperlichen Aktivität beim Klavierspielen (Spannung/Entspannung...).

Nur ist bei Anfängern dies alles ja noch nicht so ausgeprägt und daher denke ich, dass man vielleicht mit passenden Bildern Hilfestellungen geben könnte. Ich werde auf jeden Fall auch mal Rolfs Bild von "wenigen Tönen" ausprobieren. Welche fallen euch noch ein? Oder seid ihr anderer Meinung?

Wie ist es denn bei dir, hasenbein? Hast du ähnliche Erfahrungen gemacht? Wie drückst du deinen Wunsch nach langsamerem (Übe-)Tempo aus? Welche Methoden benutzt du, um dem Schüler beizubringen, im langsamem Tempo alles bewußt wahrzunehmen/zu hören? (ich hoffe, meine Fragen klingen nicht unverschämt, aber mich interessiert das wirklich, außerdem wird über die methodische Umsetzung didaktisch erwünschter Ziele eh viel zu wenig geredet, finde ich).

Lieben Dank an euch alle!!!

chiarina
 
Im Faden über technische Übungen hat verdi1813 sehr schön und richtig gesagt,
dass es um die Beziehung zwischen zwei Tönen geht - -

Liebe Chiarina,

...um die Beziehung zwischen zwei oder mehr als zwei Tönen.

Nur aus der Aufeinanderfolge der Töne ergibt sich eine sinnvolle Aussage.

Im Nebel ruhet noch die Welt,
Noch träumen Wald und Wiesen.

Der Sinnzusammenhang verschwindet doch nicht, wenn ich mich
auf eine bestimmte Stelle konzentriere und die Silben betont langsam ausspreche:


Könnte man's so erklären? Oder ist das zu abgehoben?
Funktioniert zur Not ja auch mit einem anderen Text.

Herzliche Grüße!

Gomez
 
Hi Chiarina,

Deine Fragen sind ja gut und berechtigt.

Ohne Mist, meine Beobachtung ist, daß Schüler, die gutes Rhythmusgefühl haben (also einen starken, deutlichen, konstanten "Beat" empfinden und ausführen können und detailliert die Genauigkeit rhythmischer Unterteilung wahrnehmen können), auch keine Probleme haben, das Stück auch mal in anderen Tempi zu spielen.

Die von Dir geschilderten Probleme liegen daran, daß im Anfangsunterricht nicht ausreichend rhythmische Grundlagen gelegt wurden, so daß kaum ausrottbare Angewohnheiten und Schlampereien entstanden sind. Man muß also dafür sorgen, daß das Kind gar nicht erst in den Brunnen fällt. (Weitere Ursache ist natürlich das von Rolf angesprochene Nicht-Hören der unterwegs passierenden Dinge.)

Wenn ich Schüler von anderen Lehrern übernehme, mache ich gelegentlich, sofern die rhythmischen Unzulänglichkeiten allzu arg sind, erstmal eine "Rhythmus-Diät", d.h., ich mache fast nur Stücke und Übungen mit ihm, die große Exaktheit und Bewußtheit in rhythmischen Dingen fordern. Natürlich erkläre ich ihm ganz genau, warum das jetzt für ihn notwendig ist und was die Benefits sein werden. Das ist häufig langwierig, und man muß sehr aufpassen, daß die Motivation beim Schüler erhalten bleibt.

Für eine solche "Diät" eignen sich übrigens Jazz-/Rock-/Pop-Stücke sehr gut - man sollte allerdings als Lehrer diese Stilistiken auch wirklich beherrschen und selber "Time" und "Groove" einigermaßen draufhaben.

LG,
Hasenbein
 
Ach so, übrigens, ich vergaß:

SEHR wichtig ist, daß der Schüler standardmäßig beim Üben den Puls des Stückes selbst erzeugt, also nicht zum Metronom oder Klatschen des Lehrers spielt.

D.h.: z.B. eine Hand spielt, die andere Hand klopft den Puls auf dem Oberschenkel. Oder beide Hände spielen, der Fuß klopft den Puls. Dabei muß der Puls immer gut hörbar sein, damit er deutlich und präsent ist und die Abstimmung übers Gehör erfolgt. Der Puls sollte also im Bewußtsein des Schülers als "zusätzliche Stimme" des musikalischen Geschehens etabliert werden.

LG,
Hasenbein
 

Gerhard Schöne - Ganz einfach

Ein Mann fahrt zu 'nem Blitzbesuch
zu seinem Vater im Dorf.
Der Alte futtert grade Katzen.
Der Mann sagt "Tag! Ich bleib' nicht lang,
hab eigentlich gar keine Zeit
Ich weiß nicht mehr, wo mir der Kopf steht!
Ich hetz mich ab und schaffe nichts.
Ich bin nur noch ein Nervenwrack.
Woher nimmst du nur deine Ruhe?"
Der Alte kratzt sein linkes Ohr
und sagt: "Mein Lieber, hör gut hin,
ich mach es so, es ist ganz einfach:

Wenn ich schlafe, schlafe ich.
Wenn ich aufsteh', steh' ich auf.
Wenn ich gehe, gehe ich.
Wenn ich esse, eß' ich.

Wenn ich schaffe, schaffe ich.
Wenn ich plane, plane ich.
Wenn ich spreche, spreche ich.
Wenn ich höre, hör' ich."

Der Mann sagt: "Was soll dieser Quatsch?
Das alles mache ich auch,
und trotzdem find' ich keine Ruhe."
Der Alte kratzt sein linkes Ohr
und sagt: "Mein Lieber, hör' gut hin,
du machst es alles etwas anders:

Wenn du schläfst, stehst du schon auf.
Wenn du aufstehst, gehst du schon.
Wenn du gehst, ißt du schon,
Wenn du ißt, dann schaffst du.

Wenn du schaffst, dann planst du schon.
Wenn du planst, dann sprichst du schon.
Wenn du sprichst, dann hörst du schon.
Wenn du hörst, dann schläfst du.

-

Wenn ich schlafe, schlafe ich.
Wenn ich aufsteh', steh' ich auf.
Wenn ich gehe, gehe ich.
Wenn ich esse, eß' ich.

Wenn ich schaffe, schaffe ich.
Wenn ich plane, plane ich.
Wenn ich spreche, spreche ich.
Wenn ich höre, hör' ich.


Grüße von 8f
 
Rolf, du sprichst mir natürlich aus der Seele! Und trotzdem, auch wenn die Schüler kleine Abschnitte wirklich langsam spielen sollen, fällt ihnen das schwer, ganz besonders dann, wenn sie das Stück schon schneller können. Sie hören dann offensichtlich auf ganz andere Dinge und schaffen es nicht, den inneren Puls auf Zeitlupe zu dehnen und auf Zusammenklänge u.ä. zu hören, was ihnen im "schneller spielen" entgeht.

Die Frage ist, wie man dem methodisch begegnet.

Liebe Chiarina,

methodisch könnte man an einer Phrase arbeiten, welche liegende (lange) Töne in der Begleitung enthält: da kann man dann das Wahrnehmen der Klangänderung beginnen lassen:

z.B. Bach Menuet d-Moll
r.H. a1---------------f1------e2------d2-------#c2---------d2--------
l.H. d---------------------------------e--------------------f----------
hör:1.---------------2.-------3.------4,---------5.---------6.
offenbar gibt es sechs verschiedene Zusamenklänge!!! Die wollen gehört sein und die sollen gehört sein.

Nachtrag zum Rhythmus: bei dieser Bachstelle könnte man die Melodie mit ein- und zweisilbigen Wörtern unterlegen - zweisilbig für Viertel, einsilbig für Achtel (z.B. "heu-te geh ich in die" von a bis #c). So kann man das innere mitsingen über den Sprachrhythmus spürbar machen.

Ebenso kann man mit der ersten Phrase des adagio der d-Moll Fantasie von Mozart vorgehen, wobei dort mehr Ereignisse stattfinden, denn da sind 3 Klangschichten sowie verschiedene Artikulationen zu hören und zu spielen.

herzliche Grüße,
Rolf
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Hallo chiarina,

vielleicht ist das Problem auch für viele Schüler, den Zusammenhang der einzelnen Töne zu erfassen, also der Spannungsbogen.

Die Gefahr ist ja groß, beim (zu) langsamen spielen die Spannung völlig zu verlieren.

Ich meine, es ist beim langsam spielen besonders wichtig, sich klarzumachen, wie die Musik sich aufbaut und zusammenhängt. (Zum Beipiel Thema über mehrere Takte.) Wo sind Höhepunkte im Stück, wo kann man hinspielen, wo muss man hinspielen.

LG
VP
 
Hallo Chiarina,

wenn ich Schüler hätte, und den Begriff langsam spielen vermeiden müsste:

Spiele präzise!
- legato weder verschmiert noch getrennt bis an die Grenzen des physikalisch möglichen
- dabei exaktes Timing, laut mitzählen, Metronom
- Takt mit linkem!!! Fuß auf 2 und 4, auch Fuß muß exakt wie Uhrwerk laufen ohne zu hakeln (ich weiß, Sakrileg bei Klassik, ich mache es trotzdem :D)

Spiele bewußt!
- Harmonien, Funktionen (er)kennen, bewusst-sein und benennen, auch in Relation zum Grundton
- in einer Harmonie anhalten, nach-lauschen, was kommt jetzt oder was wäre zu erwarten?
- Fiese Übung: am Ende eines beliebigen Taktes "beide Hände hoch!", und :
a. ) exakt einen Takt aussetzen, dann weiter im Stück
b.) Takt überspringen, weiter im Stück, als wenn man einen Hänger gehabt hätte.
- andere Fingersätze verwenden (als Extrem: nur Zeigefinger verwenden)

Spiele ökonomisch!
- Handhaltung prüfen, wann bereite ich Abläufe, Sprünge vor?
- wenn es hakelt, runter mit Geschwindigkeit und brutal ins Problem "reinsetzten", so richtig schön drin baden..

All das geht praktisch nur langsam. Mir machen solche Spielchen viel Spaß!
(seit 12 Monaten dabei)

Gruß, NewOldie
 
Liebe Leute,

ganz herzlichen Dank für die vielen tollen und interessanten Rückmeldungen!!! :) Sie helfen mir auch, meine Überlegungen noch (hoffentlich) besser zu formulieren.

Ich will mal kurz schreiben, wieso ich überhaupt auf dieses Thema gekommen bin:

Ich möchte, dass meine Schüler ihre Repertoirestücke immer wieder auch langsam, wirklich langsam :p spielen, um immer wieder musikalische Erfahrungen in diesen Stücken zu vertiefen und neu zu entdecken, mal ganz abgesehen von der Sicherheit.
Im Unterricht höre ich mir dann die Repertoirestücke von Zeit zu Zeit an und zwar auch langsam. Und sehr oft stelle ich fest, dass diese Stücke zwar langsamer gespielt/geübt werden, aber für meinen Geschmack eben nicht langsam genug. Wenn ich dann darauf hinweise und nur den Terminus "langsam(er) spielen" verwende, merke ich immer wieder, dass das weder das erwünschte langsame Tempo zur Folge hat noch das damit verbundene Zuhören.
Sobald ich z.B. "Zeitlupe" sage, womöglich noch mit dem Hinweis, in völliger Ruhe und entspannt zuzuhören, zu fühlen, wahrzunehmen, ist plötzlich alles "in Butter", wie man so schön sagt.
Da habe ich mir gedacht, wie oft wir hier auch im Forum den Ausdruck "langsam üben/spielen" verwenden und dachte, vielleicht geht das anderen ähnlich mit diesem Begriff und sie haben ihrerseits Termini und Wege gefunden, die ein besseres Ergebnis zur Folge haben.

Bei der Erarbeitung neuer Stücke fällt mir auf, dass viele Schüler gern immer an die Grenze dessen gehen, was sie gerade noch "richtig" schaffen können - mir wäre ein langsameres Tempo erstmal erheblich lieber, weil man dabei entspannter ist und sich deshalb besser zuhören kann. Also erst mal auf Entdeckungsreise geht, anstatt so schnell wie möglich alles im Tempo zu können.

Daher dieser post. :p

Es hat, glaube ich, viel mit dem wunderschönen Lied von G. Schöne zu tun (Danke, 8Finger&2Daumen!!!), mit der damit ausgedrückten inneren Ruhe, Wachheit und Aufmerksamkeit, mit der man die gegenwärtigen Klänge und Phrasen etc. wahrnimmt, anstatt immer das Ziel "im Tempo spielen" vor Augen zu haben.

In die gleiche Richtung gehen ja auch die posts von Gomez (sehr schöne Idee), Rolf (gerade die so auch für mich notwendige Beschäftigung mit den Zusammenklängen fällt vielen schwer, weil dies so intensives Zuhören und anscheinend viel Geduld/Zeit erfordert - warum eigentlich??), VP, New Oldie ..... .

Ich glaube allerdings nicht, dass es ein rhythmisches Problem ist, hasenbein. Vermutlich habe ich mich missverständlich ausgedrückt. Denn der Rhythmus stimmt ja immer. Ich schätze mal, dass auch bei Klimperline der Rhythmus stimmte, oder? Jedenfalls mach ich mit meinen Schülern ja vor allem anfangs sehr viele Spiele/Übungen erst grobmotorisch, dann feinmotorisch, so dass sie keine rhythmischen Probleme haben. Vielleicht und hoffentlich habe ich es hier jetzt besser ausgedrückt?!? Es ist einfach so, dass so langsames Spielen/Üben den Schülern offensichtlich erstmal sehr fremd ist und sie auf vielfältigen Wegen da herangeführt werden müssen. Oder sehe ich was falsch?

Letztendlich geht es also vermutlich gar nicht so sehr um "langsam spielen/üben", sondern welcher Weg der beste ist, um dem Schüler zum Zuhören, Wahrnehmen, Fühlen zu verhelfen.

Liebe Grüße an euch alle!!!

chiarina
 
Liebe Leute,

ganz herzlichen Dank für die vielen tollen und interessanten Rückmeldungen!!! :) Sie helfen mir auch, meine Überlegungen noch (hoffentlich) besser zu formulieren.

Ich will mal kurz schreiben, wieso ich überhaupt auf dieses Thema gekommen bin:

Ich möchte, dass meine Schüler ihre Repertoirestücke immer wieder auch langsam, wirklich langsam :p spielen, um immer wieder musikalische Erfahrungen in diesen Stücken zu vertiefen und neu zu entdecken, mal ganz abgesehen von der Sicherheit.
Im Unterricht höre ich mir dann die Repertoirestücke von Zeit zu Zeit an und zwar auch langsam. Und sehr oft stelle ich fest, dass diese Stücke zwar langsamer gespielt/geübt werden, aber für meinen Geschmack eben nicht langsam genug. Wenn ich dann darauf hinweise und nur den Terminus "langsam(er) spielen" verwende, merke ich immer wieder, dass das weder das erwünschte langsame Tempo zur Folge hat noch das damit verbundene Zuhören.
Sobald ich z.B. "Zeitlupe" sage, womöglich noch mit dem Hinweis, in völliger Ruhe und entspannt zuzuhören, zu fühlen, wahrzunehmen, ist plötzlich alles "in Butter", wie man so schön sagt.
Da habe ich mir gedacht, wie oft wir hier auch im Forum den Ausdruck "langsam üben/spielen" verwenden und dachte, vielleicht geht das anderen ähnlich mit diesem Begriff und sie haben ihrerseits Termini und Wege gefunden, die ein besseres Ergebnis zur Folge haben.

Bei der Erarbeitung neuer Stücke fällt mir auf, dass viele Schüler gern immer an die Grenze dessen gehen, was sie gerade noch "richtig" schaffen können - mir wäre ein langsameres Tempo erstmal erheblich lieber, weil man dabei entspannter ist und sich deshalb besser zuhören kann. Also erst mal auf Entdeckungsreise geht, anstatt so schnell wie möglich alles im Tempo zu können.

Daher dieser post. :p

Es hat, glaube ich, viel mit dem wunderschönen Lied von G. Schöne zu tun (Danke, 8Finger&2Daumen!!!), mit der damit ausgedrückten inneren Ruhe, Wachheit und Aufmerksamkeit, mit der man die gegenwärtigen Klänge und Phrasen etc. wahrnimmt, anstatt immer das Ziel "im Tempo spielen" vor Augen zu haben.

In die gleiche Richtung gehen ja auch die posts von Gomez (sehr schöne Idee), Rolf (gerade die so auch für mich notwendige Beschäftigung mit den Zusammenklängen fällt vielen schwer, weil dies so intensives Zuhören und anscheinend viel Geduld/Zeit erfordert - warum eigentlich??), VP, New Oldie ..... .

Ich glaube allerdings nicht, dass es ein rhythmisches Problem ist, hasenbein. Vermutlich habe ich mich missverständlich ausgedrückt. Denn der Rhythmus stimmt ja immer. Ich schätze mal, dass auch bei Klimperline der Rhythmus stimmte, oder? Jedenfalls mach ich mit meinen Schülern ja vor allem anfangs sehr viele Spiele/Übungen erst grobmotorisch, dann feinmotorisch, so dass sie keine rhythmischen Probleme haben. Vielleicht und hoffentlich habe ich es hier jetzt besser ausgedrückt?!? Es ist einfach so, dass so langsames Spielen/Üben den Schülern offensichtlich erstmal sehr fremd ist und sie auf vielfältigen Wegen da herangeführt werden müssen. Oder sehe ich was falsch?

Letztendlich geht es also vermutlich gar nicht so sehr um "langsam spielen/üben", sondern welcher Weg der beste ist, um dem Schüler zum Zuhören, Wahrnehmen, Fühlen zu verhelfen.

Liebe Grüße an euch alle!!!

chiarina

Hallo chiarina,

ich habe auch eine ähnliche Erfahrung wie du mit dem "langsam spielen " gemacht. Die meisten meiner Schüler (vor allem kleinere Anfänger) können es nicht so umsetzen, wie ich es mir eigentlich vorgestellt habe. Im Moment experimentiere ich mit der Vorgabe "deutlich spielen". Ich denke, dass das Wort "deutlich" zu erhöhter Aufmerksamkeit führt und das Spiel dann automatisch langsamer und genauer wird.

Lg

madlon
 
Langsam Spielen = Genuß-Spielen!

Liebe Chiarina,

habe den Tag über mitgelesen, komme aber erst jetzt zum Antworten.
Mein Klavierlehrer sagte, ich solle jede Note genießen beim Langsamspielen. "Genießen" finde ich sehr anschaulich, z.B. kann man an etwas Leckeres denken, was man lange im Mund behält, um alle Geschmacksnuancen auszukosten, das Herunterschlucken so weit wie möglich hinauszögernd. Anders herum: wer alles hastig hinterschlingt, weiß am Ende nicht, was er eigentlich gegessen hat.

Aber zwischen Theorie und Praxis klafft ein Abgrund. Man müßte doch auf soviel Genuß regelrecht versessen sein, aber nee? Zum Schnellspielen mußte ich mich noch nie ermahnen, zum Langsamspielen regelmäßig!

So und nun noch OT:
Ich wollte mich bei der Gelegenheit bei Dir für einen Tip bedanken, den Du mir vor einiger Zeit gegeben hast. Es ging darum, an schwierigen Stellen das Tempo zu halten, indem man zunächst nur eine Art Gerüst spielt, das man nach und nach auffüllt. Das hat mir jetzt schon sehr oft geholfen. Irgendwann ist im "Gerüst" auf einmal Platz für alle Noten, und das ohne Tempoverlust :).

Liebe Grüße
Klavieroma
 
@ Madlon:
ich habe auch eine ähnliche Erfahrung wie du mit dem "langsam spielen " gemacht. Die meisten meiner Schüler (vor allem kleinere Anfänger) können es nicht so umsetzen, wie ich es mir eigentlich vorgestellt habe. Im Moment experimentiere ich mit der Vorgabe "deutlich spielen". Ich denke, dass das Wort "deutlich" zu erhöhter Aufmerksamkeit führt und das Spiel dann automatisch langsamer und genauer wird.
Ich fürchte, sie werden lauter spielen.

Wo ist das Problem? Sagt einfach: "Spiel halb so schnell". Und dann nochmals: "Spiel nochmals halb so schnell - und versuche dabei schön zu spielen".
 
Hallo madlon, Klavieroma, fisherman,

danke euch sehr für eure Meldungen!!! Ich bin gespannt, ob "deutlich spielen" klappt! Ich hätte auch erst mal die Befürchtung, dass es dadurch lauter wird, aber wer weiß. Experimentieren ist wichtig! Genießen auch, Klavieroma :p, danke! "Halb so schnell" werde ich auch mal testen, allerdings steht da am Ende das Wörtchen "schnell", was kontraproduktiv sein kann ( so wie man ja in der Pädagogik Verneinungen möglichst vermeiden sollte, z.B. "nicht verkrampfen", weil dann genau das unerwünschte Wort im Gedächtnis bleibt :D - ja, es ist alles nicht so einfach :D ).

Liebe Grüße

chiarina
 

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