Chopin Etüde Op. 10 Nr. 2

P

pyrrhon

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Ich hätte eine Frage bezüglich der oben genannte Etüde:

Wie wichtig ist es, beim langsamen Spielen oder Üben die beiden Sechzehntel in der rechten Hand, die auf jeder Viertel die chromatische Tonleiter zu einem Akkord ergänzen (meistens sind das der 1. und 2. Finger) eine ganze Sechzehntel auszuhalten? Beim hoffentlich irgendwann erreichten Zieltempo sind die ja recht kurz, nahezu staccato. In der Passage ab Takt 19 wirds dann langsam richtig unbequem und es ist leichter, wenn ich die besagten Begleitsechzehntel nur kurz spiele um mit dem 3., 4. oder 5. Finger sofort den nächsten Tonleiterton anzupeilen. Ganz gebunden bekomme ich das stellenweise mit meiner kleinen Hand eh nicht hin, da wäre es doch sinnvoller ich übe gleich auf eine Art und Weise, die meine Hand nicht unnötig strapaziert.

Ich hoffe, ich habe mich einigermaßen verständlich ausgedrückt, werde auf Nachfragen sehr gerne antworten.

Eine weitere Frage hätte ich noch, die ist allerdings nicht ausschließlich auf diese Etüde bezogen: Wie wichtig ist, es die Fingergelenke schön rund zu halten und nicht durchzudrücken? Besonders beim vierten Finger merke ich, dass das Gelenk, das gleich nach der Fingerspitze kommt, öfters mal eingeknickt oder zumindest nicht gekrümmt ist. Das Dogma der runden Finger ist mir noch bestens aus meinem Klavierunterricht bekannt und lag meinem Lehrer besonders am Herzen; seine Berechtigung wurde allerdings nie in Frage gestellt.

Ich würde mich über reges Feedback freuen und bedanke mich herzlich für etwaige Antworten!
 
Nun ja, wenn du schlussendlich beim Vorspielen der Etüde im vorgeschriebenen Tempo M.M. 144 auch nur einige wenige der Sechzehntel eher wie punktierte Zweiunddreißigstel spielst, wird das den klanglichen Gesamteindruck schon erheblich stören.
 
Es gibt von Chopin einen Entwurf der a-moll-Etüde, in dem die Begleitakkorde der rechten Hand durchgängig als Viertelnoten (!) notiert sind.
P.P. Werner bezeichnet genau das als sinnvolle Übung, sowohl um die Hand an einige etwas gespannte Griffe zu gewöhnen, als auch als eine Art Dehnübung (sic) wegen mancher Binnenspannungen ... hm ... hab ich nie gemacht :)

Geschmackssache oder besser Wohlfühlsache ist, ob man gelegentlich statt dem 4. auch den 5. Finger z.B. zwischen #g und #a nimmt - wer diese heikel-fiese Etüde angehen kann, wird sich aber zurechtfinden - - auf jeden Fall gibt es einige Fingersatzvarianten (und böse-böse: es gibt auch ein paar Stellen, bei denen die linke der rechten helfen kann)
 
pyrrhon , du sprichst von langsamem Übetempo, da würde ich unbedingt BEIDES (also Mittelstimme einmal in Staccato und dann im Portato) üben !!!!

Also folgendes von Cortot empfohlene Vorgehen,hat sich bei mir gut bewährt:

1.) die chromatischen Läufe OHNE die Mittelstimme üben,Tempo langsam steigern.

Gottfried Galston war es glaub ich,der mal empfohlen hat dann mit dem 1.und 2 Finger einen Gegenstand zu halten,während 3-4-5 die Läufe spielt,probier's mal aus,das funktioniert nach ein wenig Übung wirklich,darauf dürfte auch die von "walsroderpianist" zitierte Anektote von Busoni mit dem Schnapsglas herrühren.

2.) Rhythmisieren der Sechzehntel hilft mitunter, Heinrich Neuhaus (der das nicht schätzte) hört ja nicht zu ;)

3.) dann ,wie Rolf schon sagte, die chromatischen Läufe in Staccato ( ganz wichtig!)

So, und dann erst wendest du dich der Mittelstimme (1./2. Finger) zu:

Würde ich UNBEDINGT sowohl Staccato als auch Legato bzw.Portato üben,auch wenn's halt etwas unbequem ist,du musst die Mittelstimme sauber führen können,bevor du weiter arbeitest!

zum Portato der Mittelstimme schreibt Cortot "in order to secure entire steadyness of the hand and the exclusive action of the fingers...:" Mittelstimme Portato,chrom.Läufe Staccato !!!
dann empfiehlt Cortot umgekehrt chromatische Läufe "sempre legato"(wie in den Noten) und Mittelstimme Staccato: "the two notes played by the thumb and forefinger as a 'pizzicato' accompaniment harmonizing with the light tone of the bass...they should be plucked rather than struck."

eine der -finde ich - ganz wichtigen Cortot Übungen zu der Etude!

Sehr viele Pianisten hämmen die Etude in brutalem Staccato der Baß und Mittelstimme herunter,was ich nicht schön finde,Chopin hat das Pedal sehr genau notiert und dadurch ergibt sich der hübsche federnde Effekt der Etude,der untergeht,wenn man alles Staccato runtertrommelt,da wird das Werk rasch zum HyperCzerny,oder "Czerny on steroids" :)

Wie schön man die Mittelstimme gestalten kann(und dazu musst du sehr wohl auch in der Lage sein ,sie Portato führen zu können),führt Margulis vor,rolf hat hier mal diese Einspielung verlinkt glaub ich (auf der CD spielt er noch seine sehr interessante Interpretation der b-moll Sonate): bei der Wiederholung des Anfangsthemas spielt Margulis die Mittelstimme in schönem Legato,setzt sich dabei allerdings über Chopins Pedalisierungsanweisung (P simile) hinweg,und er erzielt dadurch einen außergewöhnlich hübschen Effekt.Diese Aufnahme von Margulis ist mit vielen Rubati und mitunter etwas geänderter Pedalisierung zwar etwas von den Norm-Interpretationen abweichend,vom Tempo auch zurückhaltender,aber musikalisch die meiner Meinung nach schönste Einspielung dieser Etude.

Du siehst,gerade in der bewußten Gestaltung der Baßlinie und der Mittelstimme,mal Staccato,mal Portato und der Pedalisierung liegt da der musikalisch ergiebige Fundus und bringt Leben in die Etude.
 
Vorneweg tausend Dank für die zahlreichen, ausführlichen und hilfreichen Antworten!

Zunächst zu den Kommentaren von koelnklavier und rolf: Da meine Hand alles andere als eine Monsterpranke ist, werde ich die Übung mit den Begleitnoten als Viertel vielleicht an guten Tagen in äußerst entspanntem Tempo absolvieren. Ich würde zu gerne die Hand sehen, die beispielsweise in Takt 20 auf der dritten Viertel f und as liegen lässt und mit 4. und 5. Finger oben weiterspielt :). Den Vorschlag, die chromatischen Läufe im staccato zu üben, werde ich beherzigen! Ich nehme mal an, damit ist Üben ohne die Mittelstimmen gemeint.

Nun zum Kommentar von kreisleriana: Danke für den detaillierten Übeplan! Da werde ich mich mal dran machen. Ich war mir zunächst nicht sicher, wie sinnvoll es ist, die Läufe ohne Begleitung von Daumen und Zeigefinger zu üben, da die Hand ja dann doch recht andere Wege geht und der Bewegungsablauf mit den Begleitstimmen ein anderer ist als ohne. Scheint aber vielleicht nicht die klügste Annahme gewesen zu sein ;)
In welchem Tempo ist das Staccato-Üben eigentlich am effizientesten? Gilt hier auch einfach langsam anfangen und Tempo beständig steigern oder ist es das übertrieben langsame mit übertriebenen Fingerbewegungen und bewusster Entspannung zwischen jeder Note (das war bzw. ist die Lieblingsübung meines Klavierlehrers)?

Sehr viele Pianisten hämmen die Etude in brutalem Staccato der Baß und Mittelstimme herunter,was ich nicht schön finde,Chopin hat das Pedal sehr genau notiert und dadurch ergibt sich der hübsche federnde Effekt der Etude,der untergeht,wenn man alles Staccato runtertrommelt,da wird das Werk rasch zum HyperCzerny,oder "Czerny on steroids"

Hierzu eine Frage: Auf welche Ausgabe beziehen Sie sich? Ich spiele aus einer Urtext-Ausgabe vom G. Henle Verlag München, darin sind keinerlei Pedalangaben zur 2. Etüde zu entdecken. Ich finde tatsächlich beide Möglichkeiten sehr reizvoll, die knuppige pedallose Variante genauso wie die etwas sphärischere Variante mit Pedal, wobei ich erstere vorziehen würde, da ich es schöner finde, wenn die einzelnen Töne der chromatischen Läufe nicht ineinander klingen, aber das ist Geschmackssache. Die Pedalisierung dürfte am Ende hoffentlich mein geringstes Problem sein.

Danke auch für den Tipp mit Margulis, den ich noch nicht kannte; eine sehr interessante Einspielung.


Eigentlich sollte ich beim Diskussionsthema bleiben, doch vielleicht hängt es ja doch auch mit dem Stück zusammen und ist nicht nur eine allgemeine Technik-Frage. Mich würde Ihre und eure Meinung zu meiner eingangs gestellten zweiten Frage bezüglich der Fingerhaltung interessieren. Ein guter Freund meinerseits, welchen ich als einen exzellenten Pianisten betrachte, hält nicht allzuviel davon, stur darauf zu achten, bei jeder erdenklichen Position und Stelle die Finger schön rund zu halten; gerade bei besagter Etüde meint er, es sei nicht so wichtig. Wenn ich hierzu noch eine Meinung lesen könnte, wäre mein Glück perfekt!
 
Der von Kreisleriana erwähnte Robert Garlton hat noch eine Übevariante. die ich für nützlich halte:

die Läufe in Oktaven, Oberstimme mit dem originalen Fingersatz, der Daumen leicht und locker migehend.

Außerdem denke ich, dass die Finger in einer bequemen Haltung sein müssen. Das kann ziemlich flach oder ziemlich rund sein.
 
Hierzu eine Frage: Auf welche Ausgabe beziehen Sie sich? Ich spiele aus einer Urtext-Ausgabe vom G. Henle Verlag München, darin sind keinerlei Pedalangaben zur 2. Etüde zu entdecken.

pedal.jpg

das ist die Cortot Ausgabe,soviel ich mich erinnere, waren die P.Angaben in der Raoul Pugno Ausgabe auch so,die habe ich aber in meinem anderen Wohnsitz und kann im Moment nicht nachsehen.

Weitere Infos geben hoffentlich unsere Musikologen hier.

hier noch ein paar Notenbeispiele zu den Cortot Übungen:

üb1.jpg

üb2.jpg

üb3.jpg

und die Spezielle für dich ! :

üb4.jpg

PS:übrigens, wir sind hier als Interessensbrüder/schwestern normalerweise ganz leger auf "du"
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:
Eigentlich sollte ich beim Diskussionsthema bleiben, doch vielleicht hängt es ja doch auch mit dem Stück zusammen und ist nicht nur eine allgemeine Technik-Frage. Mich würde Ihre und eure Meinung zu meiner eingangs gestellten zweiten Frage bezüglich der Fingerhaltung interessieren. Ein guter Freund meinerseits, welchen ich als einen exzellenten Pianisten betrachte, hält nicht allzuviel davon, stur darauf zu achten, bei jeder erdenklichen Position und Stelle die Finger schön rund zu halten; gerade bei besagter Etüde meint er, es sei nicht so wichtig. Wenn ich hierzu noch eine Meinung lesen könnte, wäre mein Glück perfekt!
...ich kann mir nicht vorstellen, dass das perfekte Glück ausbricht ;) wegen einer ganz allgemeinen Bemerkung:
Die Haltung von Fingern und Hand, die es ermöglicht, mit allen Fingern schwarze und weiße Tasten zu spielen ohne allzu sehr den Arm vor und zurück zu bewegen, ist die natürlichste und meistens auch beste. Also sind alle fünf Finger für die schwarzen Tasten etwas "länger" (flacher!) und für die weißen Tasten etwas "kürzer" (runder) - du kannst das ausprobieren, indem du erst chromatische Oktaven und danach chromatische Sextakkorde (bitte stur mit 1-2-5) spielst ohne mit dem Arm vor und zurück zu sägen (oder du nimmst die Stelle mit den chromatischen verminderten Dreiklängen in Prokovevs Suggestion)

zur Etüde selber noch (zusätzlich zu den schon erwähnten Übungsformen):
hilfreich ist, jeden Akkordgriff als Schub (als Anschubser) für die weiterlaufende chromatische Skale aufzufassen - also nicht in die Akkordgriffe hineinspielen, sondern im Gegenteil immer von ihnen weg spielen, d.h. jeder Akkordgriff bringt Hand und Arm weiter - hierfür empfiehlt sich dann bzw. danach auch, beim üben kurzfristig das Tempo zu überziehen, also stacc. möglichst schnell von einem Akkord zum nächsten rennen, hierbei den zweiten Akkord staccatissimo und eine fermate-Pause. Und Geduld haben: es dauert, bis sich die rechte Hand stets locker und weich an die komplizierten Bewegungsabläufe und die nötige Ausdauer gewöhnt hat.
 
...Geduld haben: es dauert, bis sich die rechte Hand stets locker und weich an die komplizierten Bewegungsabläufe und die nötige Ausdauer gewöhnt hat.

ja,das ist ganz wichtig,
da möchte ich anknüpfen und nochmals wiederholen,dass man gerade bei diesem Stück in extreme Verletzungsgefahr hineinläuft,wenn man
1. diese Geduld nicht aufbringt und zu rasch -"mit Gewalt"-versucht (ev.noch dazu mit falscher Technik) das Tempo hochzuziehen,nicht auf 144,die Gefahr beginnt schon weit darunter!
2. falsche Bewegungsabläufe nicht rechtzeitig abstellt und ändert.
Die ganze Etude muss locker in der Hand liegen (auch wenn man anfangs glaubt,das geht nicht),wenn da irgendwo was im Arm oder Hand zu ziehen beginnt,nie forciert "durchkämpfen",bis der Arm abzufallen droht,sondern das Bewegungsmuster überdenken,das da offenbar nicht mehr zum gespieltenTempo paßt.
 
Zuletzt von einem Moderator bearbeitet:

Nochmals vielen Dank für eure Kommentare! Jetzt liegt es an mir, die Tipps umzusetzen.
 

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