Wiener Blut - was macht es so einzigartig?

  • Ersteller des Themas Pianojayjay
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Wenn Du nicht gerade eine Fehsenfeld- bzw. (bei den frühen Kolportageromanen) eine Münchmeyer-Originalausgabe resp. einen Nachdruck davon zur Hand hast,
wenn keine Originale (Fehsenfeld, Münchmeyer) zur Hand sein sollten, dann tut´s auch der dank Wollschläger & Co. (in der Schmidt Nachfolge) angeleierte Haffman´s Nachdruck (es gab noch einen anderen sehr schönen in einem pleite gegangenen Verlag)

Aber die Kirche im Dorf lassen kann man dennoch: dass der Karl-May-Verlag die Originaltexte verhunzte, ist bekannt genug, allerdings machen die unverhunzten (also originalen) Texte den May nicht zu einem Storm oder Fontane. Möglicherweise sind die letzten, schon recht symbolistisch geratenen Sachen (Sitara etc.) von höherer Qualität (so jedenfalls wollte A.Schmidt das sehen), aber das ändert nichts daran, dass der gesamte Hintertreppenkrempel vom Buschgespenst bis zum Winnetou eher a la Badarszewska denn a la Chopin geraten ist (um einen musikalischen Vergleich einzuflechten)

@Gomez de Riquet übrigens müssen wir jetzt die teils halbwegs prominenten Fürsprecher der späten Maysachen nicht durchkauen (von Schmidt bis Ueding) - weder Sue noch Dahn, weder Dumas (graf von Monte Christo) noch May sind mit Tolstoi oder Fontane vergleichbar. Und daran ändern Auflagezahlen auch nichts, wie in der Musik ;-) ---- sagen wir so: May & Co. sind quasi die literarischen TEYs des 19. Jhs. :-)
 
Dante war bekanntlich auch nicht in der Hölle. Aber was den "Realismus" dieser frühen Reiseerzählungen betrifft, da kann man sehr geteilter Meinung sein.
sehr richtig: Dante war nicht in der Hölle -- aber entre nous: kennst du irgendwen, der Dantes Texte in den literarischen Realismus (was das ist, kann man unschwer nachlesen) einordnet? :-D

Nein, bzgl. May und lit. Realismus kann man nicht geteilter Meinung sein, denn May mag alles mögliche als Schrisftsteller sein, aber gewiß kein Realist.
 
Das "Buschgespenst" ist auch wieder nur aus einem frühen Kolportage-Opus ("Der verlorene Sohn") herausgebrochen - eine Kompilation von fremder Hand, allerdings recht gelungen, und in diesem "verlorenen Sohn" kommt May dem Realismus wohl am nächsten: mit Schilderungen seines traurigen Kindheits-Milieus, mit Armut, Krankheiten, Schmuggler- und Weberelend à la Heine/Hauptmann.

Ansonsten hast Du recht. Es geht nicht darum, den frühen oder mittleren Karl May künstlich aufzuwerten. Es geht um das Spätwerk, das auch keiner Aufwertung, sondern nur der Anerkennung bedarf - wie schon gesagt: Silberlöwe III + IV, Ardistan und Dschinnistan I + II. Wollschläger und Schmidt haben sich frühzeitig dafür eingesetzt, und es hat auch in beider Werk seine Spuren hinterlassen.
 
Es geht nicht darum, den frühen oder mittleren Karl May künstlich aufzuwerten. Es geht um das Spätwerk, das auch keiner Aufwertung, sondern nur der Anerkennung bedarf - wie schon gesagt: Silberlöwe III + IV, Ardistan und Dschinnistan I + II. Wollschläger und Schmidt haben sich frühzeitig dafür eingesetzt, und es hat auch in beider Werk seine Spuren hinterlassen.
Da stimme ich dir komplett zu - ergänze freilich, dass das literarisch ambitionierte May´sche Spätwerk mit Realismus nichts zu tun hat und auch nichts mit Realismus zutun haben will.
 
Ja - und die Germanistik tut sich überhaupt schwer damit, das Spätwerk begrifflich zu erfassen: symbolistisch, proto-surrealistisch? Auch der heutige, von Tolkien et al. genährte Begriff der Fantasy-Literatur wäre reduktionistisch.

Wenn ich's richtig überblicke, ist - bis auf die berühmten "Kinder mit Bärten" - noch niemand auf die Idee gekommen, May als realistischen Schriftsteller zu deklarieren. Eher wird auf das Archetypische, Märchenhafte seiner beständig wiederkehrenden Handlungsmotive verwiesen - und auf Wunscherfüllung in der Phantasie ("längeres Gedankenspiel"): Allmachtsträume eines armen gepeinigten Menschen, der sich für seine (Selbst-)Befreiungsphantasien einen bestenfalls pseudorealistischen Handlungs-Spielraum erfand.
 
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