Werktreue

Ich habe viele Aufnahmen berühmter Pianisten in meiner Sammlung, die mit Werktreue definitiv brechen, und nur dadurch zu exzellenter Klaviermusik wurden.
mit Verlaub: wie werden mit der Werktreue brechende Pianisten zu exzellenter Klaviermusik? (ist das die bis heute unbekannte dreiklangsche Transsubstantiation?) :D;):D
...Subjekt, Prädikat, Objekt... so bissel Grammatik und eine Prise Satzlogik wären vonnöten :):)
 
Ja, das gibt es ;) Wenn ich z.B. eine veränderte La Campanella ins Internet stelle, habe ich (allein) alle Rechte daran.
Dann mache Dich mal schlau unter dem Begriff der "Schöpfungshöhe" in Verbindung mit dem Urheberrecht. Minimale Veränderungen an einem bestehenden Werk qualifizieren nämlich keineswegs dazu, einfach den Autorennamen auszutauschen und den eigenen einzusetzen...!
 
zugleich verschlimmbesserst du einen Komponisten, dessen Relevanz für das Klavierspiel epochal war (und ich bin sicher, dass der Frederic weder auf deine "Verbesserung / Erleichterung" angewiesen ist noch dass er das schätzen würde)
Aber: Zum einen kann sich der vor anderthalb Jahrhunderten verstorbene Komponist nicht mehr wehren, zum anderen kann der Rechte-Inhaber nach über siebzig Jahren keine Einwände mehr erheben - vor allem, weil es ihn aufgrund von Gemeinfreiheit des Werks gar nicht gibt!;);)
 
was meinst Du genau damit? Kannst Du es etwas erläutern?

Ei bevor im Druckgewerbe alles maschinell-computerisiert lief, gab es einen Berufsstand, der nannte sich "Setzer" (regional wahrscheinlich unterschiedlich bezeichnet). Diese Leute arbeiteten zu wenig schönen Arbeitszeiten bei schlechtem Licht (auch die Neonröhre gab es noch nicht), eine konkrete Vorstellung von Orthographie hatten sie vielleicht auch nicht alle.

Jedenfalls wimmeln Textsätze früherer Zeiten (je nach Produktionsbedingungen) gern mal von Satz- und Druckfehlern und echten Verständnisfehlern (wo man dann nur raten kann, was wohl im Manuskript stand, wenn man die individuelle Handschrift des Autors kennt). Nicht immer wurde aufs Korrekturlesen die letzte Sorgfalt aufgewendet.
 
Danke Chiarina und Rolf für die Antwort.
Ich muss meinen Hundehaufen (ein schönes Wort :D ) ein wenig relativieren:
Ich würde den Hundehaufen niemals bei einem Vorspiel oder einer Aufnahme machen. Es ist wirklich nur für mich und wie es Chiarina ganz gut beschreibt, ein wenig zum Experimentieren mit Klängen.
 
Liebe chiarina,
Nur weil wir bestimmte Dinge nicht erkennen, können wir nicht einfach machen, was wir wollen.
aber wenn wir bestimmte Dinge eben erkennen (wie dieses oder jenes musikalisch eben einfach schöner klingt, wenn man es anders macht, als notiert), dann müssen wir schon das tun, was die Musik einfach verlangt. Wenn wir musizieren wollen.

Ansonsten "spielen" wir halt bloß "Klavier". Das ist natürlich in Ordnung - viel mehr tun und taten Weltklassepianisten ja meistens auch nicht...
Hartmut Höll hat mal sehr schön beschrieben, wie er immer mit einer bestimmten Wendung in einem Lied (er ist ja Liedbegleiter) Schwierigkeiten hatte. Bis er plötzlich nach Jahren diese Stelle verstand, als er den Liedtext von einer anderen Seite als bisher sah. Hätte er die Stelle vorher einfach anders spielen sollen, mit anderen Tönen?

Vielleicht schon. Oder sich einfach um ein tieferes musikalisches Verständnis bemühen...? So schwierig ist sowas nämlich gar nicht. (Ach ja: bevor Entsetzensschreie erklingen: ich habe selbstverständlich "Hartmut Höll" gegoogelt).

Nein, wir sollten an unserer Erkenntnis arbeiten und der Gewinn daraus ist riesig, bleibt nicht an der Oberfläche, sondern zeigt andere Dimensionen auf.
Bei diesem Allgemeinplatz sind wir beide uns sogar völlig einig...!
Der Lohn, bzw. der Gewinn, kann sein, die Musik, als klingendes Medium, die stolze Frau Musica, in all ihren Dimensionen und Facetten verstehen und wahrnehmen zu können. Viel mehr wahrzunehmen und zu erkennen als andere - und je mehr man erkennt, desto höher ist auch der Genuß an der Musik, wenn sie quasi-perfekt ist.

Und nur solche quasi-perfekte Musik, Musik, die einfach keine Fehler macht, schließt das Herz der Menschen wirklich auf, und dringt ins Herz der Menschen wirklich vor.

Tolle Kompositionen (die die Klassik zweifelsohne zu bieten hat) alleine sind's nicht - sie müssen in mindestens ebenso tolle Musik umgesetzt werden.

Schönen Gruß.
 

aber wenn wir bestimmte Dinge eben erkennen (wie dieses oder jenes musikalisch eben einfach schöner klingt, wenn man es anders macht, als notiert), dann müssen wir schon das tun, was die Musik einfach verlangt. Wenn wir musizieren wollen.

Und was tun wir, wenn der Komponist gar nicht beabsichtigt hat, dass eine Stelle "schön" klingt? In Beethovens op. 109 gibt es (im 2. Adagio-Einschub des 1. Satzes) beispielsweise ein C-Dur-Arpeggio, welches eine auskomponierte Banalität ist. Das zu "verschönern" würde die Wirkung dieses Arpeggios vollkommen zerstören, und vor allem den Weg, den Beethoven anschließend erfindet, um dieser Banalität zu entkommen.

Du sprichst sehr oft davon, dass Musik immer schön sein muss. Das ist ein großes Missverständnis. Das Leben ist auch nicht immer schön - manchmal ist es langweilig, manchmal banaler Alltag, manchmal lässt es einen verzweifeln, manchmal ist es auch brutal und gewalttätig. All diese Facetten - und noch viel mehr - kann Musik zum Ausdruck bringen. Aber ganz sicher nicht allein durch oberflächliche Schönheit.

Ansonsten "spielen" wir halt bloß "Klavier". Das ist natürlich in Ordnung - viel mehr tun und taten Weltklassepianisten ja meistens auch nicht...

Nein? Große Pianisten können Dimensionen eines Kunstwerks aufzeigen, von denen du vorher nicht mal ahntest, dass sie darin verborgen sind. Den Notentext müssen sie dazu allerdings nicht abändern.

Vielleicht schon. Oder sich einfach um ein tieferes musikalisches Verständnis bemühen...? So schwierig ist sowas nämlich gar nicht. (Ach ja: bevor Entsetzensschreie erklingen: ich habe selbstverständlich "Hartmut Höll" gegoogelt).

Tja, wenn das für dich so einfach ist ... Ich muss manchmal monatelang darüber nachdenken, warum eine Stelle jetzt so komponiert wurde und nicht anders. Manchmal bekomme ich dann eine Idee davon, manchmal bleibt aber auch einiges rätselhaft. Eine große Sonate so zu verstehen, dass letztlich keine Fragen offen bleiben, kann meiner Meinung nach nur fantasielosen Menschen gelingen.

Der Lohn, bzw. der Gewinn, kann sein, die Musik, als klingendes Medium, die stolze Frau Musica, in all ihren Dimensionen und Facetten verstehen und wahrnehmen zu können. Viel mehr wahrzunehmen und zu erkennen als andere - und je mehr man erkennt, desto höher ist auch der Genuß an der Musik, wenn sie quasi-perfekt ist.

Und nur solche quasi-perfekte Musik, Musik, die einfach keine Fehler macht, schließt das Herz der Menschen wirklich auf, und dringt ins Herz der Menschen wirklich vor.

Tolle Kompositionen (die die Klassik zweifelsohne zu bieten hat) alleine sind's nicht - sie müssen in mindestens ebenso tolle Musik umgesetzt werden.

Nein! Eine tolle Komposition bleibt eine tolle Komposition, auch wenn sie nicht perfekt wiedergegeben wird. Perfektion kann es ohnehin nicht geben. "Perfekt" bedeuted "vollendet" - eine Interpretation kann aber immer nur eine subjektive Sicht auf ein Musikwerk sein. Und demzufolge auch niemals alle Aspekte einer Komposition ausleuchten. Man kann vielleicht (aber auch das bezweifle ich) technisch perfekt spielen. Nur ist das alleine überhaupt nichts wert. Ohne sehr gute Technik geht es allerdings auch nicht, dass ist klar. Ich kann noch so eine gute Idee von einem Stück haben - wenn ich nicht in der Lage bin, das in Klang umzusetzen, nützt es nichts.

LG, Mick
 
Zuletzt bearbeitet:
es ist immer wieder wunderbar, zu lesen, wie der kleine noch lange nicht volljährige Mick wortreiches Geschwurbel auseinandernimmt
ja... und es ist auch immer wieder wunderbar zu lesen, wie die virtuelle Streitmacht, Kampftruppen, nicht zu vergessen, auch gleich die Hilfstruppen aus dem Landesinneren, mobilisiert werden, sobald sich am Horizont eine Gefahr für gewisse elfenbeinerne Turmgebilde zeigt ;-)
(damit bist jetzt Du gemeint, rolf... :-D)

Ausführlichere Antworten später (hab' keine Zeit mehr, heute).
 
es ist immer wieder wunderbar, zu lesen, wie der kleine noch lange nicht volljährige Mick wortreiches Geschwurbel auseinandernimmt (sei es hier, sei es bei laienhaften Methodenpäpsten und manch anderem absonderlichen Thema)! Bravo!!

Das glaubst Du doch nicht wirklich, Rolf, hm ?

Denn beispielsweise diese Aussage Deines Mick

Man kann vielleicht (aber auch das bezweifle ich) technisch perfekt spielen. Nur ist das alleine überhaupt nichts wert. Ohne sehr gute Technik geht es allerdings auch nicht, dass ist klar. Ich kann noch so eine gute Idee von einem Stück haben - wenn ich nicht in der Lage bin, das in Klang umzusetzen, nützt es nichts.

ist ein Luftballon der Extraklasse, :ballon: , und platzt bereits, bevor man ihn liest, denn Mick vergisst das, was bereits Libermann sagte: DURCH die Idee, durch das Konzept entwickelt sich die Technik mit, die Idee / das Konzept zwingt uns, diejenigen Wege zu beschreiten oder uns anzueignen, um das zu erreichen, was wir aus dem Stück "herausholen" wollen.

Und UMGEKEHRT sind technische Dinge wiederum hilfreich, musikalische Vorstellungen zu entwickeln und auch darstellen und ausdrücken zu können.

Was hier jedes Mal missachtet wird, ist der KREISLAUF, das gegenseitige sich-Bedingen.

Und daher nimmt Mick hier auch niemanden auseinander. Am allerwenigsten Methoden, die er selber noch gar nicht verinnerlicht hat / haben kann, da ihm der Zugang zu ihnen bisher nicht vermittelt wurde in seiner steilen Karriere und er sie - wie so viele - nicht kennen konnte. Und ich hoffe, Du meinst nicht mich mit "Methodenpapst", denn der Papst ist Libermann - und der ist hier nicht widerlegt. Durch niemanden.

Werktreue - das ist kein einfacher Begriff, das stimmt wohl. Jedoch gibt es IMMER eine Interpretation aus einer Reihe von sagen wir "N" Interpretationen, die am "werktreuesten" ausfällt, und das Problem ist und bleibt - da kannste Dich auf den Kopf stellen - dass ebendieser Begriff subjektiv aufgefasst wird, er wird zum Teil gar instrumentalisiert, aber nicht durch Methoden"päpste" , sondern durch Wichtigtuer.

Und darum ist mir der Begriff vollkommen egal - Werktreue gibts für mich nicht.

LG, Olli!
 
ist mir der Begriff vollkommen egal - Werktreue gibts für mich nicht.
Dieser Aussage (neudeutsch: diesem Statement) würde ich mich anschließen.

---

Und eigentlich... ist die Welt doch in bester Ordnung. Ich habe vermutlich genug Musik in meiner Musiksammlung, um vollständig "versorgt" zu sein, und immer jede musikalische Laune ohne Abstriche ausleben zu können (mal sehen...).

Daneben, zwingt mich auch keiner, mir solche Klaviermusik anzuhören, die mir halt nicht gefällt.

Drittens, zwingt mich keiner, in dieser oder jener Art und Weise selbst Klavier zu spielen.

Viertens, kann auch keiner verhindern, daß ich eigene Aufnahmen, wenn die Zeit dafür reif ist, an die breite Öffentlichkeit bringe (obwohl: ein Muho-Professor wollte mir da mal "in's Gewissen reden" - von wegen, Veröffentlichungen wären nur was für die "Profis" und so. Aha, hab' ich mir gedacht....)

Und fünftens bin ich sowieso grenzenlos tolerant gegenüber dem, was andere tun, wollen, und glauben.
Was will man denn mehr? ;-)

Soviel für heute mal, im Faden "Werktreue".

Schönen Gruß
Chris
 
Dieser Aussage (neudeutsch: diesem Statement) würde ich mich anschließen.

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Und eigentlich... ist die Welt doch in bester Ordnung. Ich habe vermutlich genug Musik in meiner Musiksammlung, um vollständig "versorgt" zu sein, und immer jede musikalische Laune ohne Abstriche ausleben zu können (mal sehen...).

Daneben, zwingt mich auch keiner, mir solche Klaviermusik anzuhören, die mir halt nicht gefällt.

Drittens, zwingt mich keiner, in dieser oder jener Art und Weise selbst Klavier zu spielen.

Viertens, kann auch keiner verhindern, daß ich eigene Aufnahmen, wenn die Zeit dafür reif ist, an die breite Öffentlichkeit bringe (obwohl: ein Muho-Professor wollte mir da mal "in's Gewissen reden" - von wegen, Veröffentlichungen wären nur was für die "Profis" und so. Aha, hab' ich mir gedacht....)

Und fünftens bin ich sowieso grenzenlos tolerant gegenüber dem, was andere tun, wollen, und glauben.
Was will man denn mehr? ;-)

Soviel für heute mal, im Faden "Werktreue".
...ich frage mich gerade, wer dich mit vorgehaltenem Revolver zwingt, diesen Unsinn zu schreiben --- oder tust du das etwa freiwillig???
:-D:-D:-D
 

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