Was ist zu viel neue Musik - Meinungen von Anderen

Nein, ich meinte das genau so, wie ich es geschrieben habe und habe an Deinem Geschriebenen nix zu meckern außer dem Punkt, dass Du es geradezu als Schande bezeichnest, dass sich ein (werdender) Künstler mit seiner Kunst an die Öffentlichkeit wagt, sich von deren Meinung beeinflussen lässt und überhaupt mit seiner Kunst hadert und Zweifel hat.
Der Dialog, die Zweifel, die Suche nach Kreativität, Stil oder Inspiration... gehören für mich genau so zur Kunst wie das Erlernen des nötigen Handwerks. Und ich halte es für legitim, dass man sich hierfür nicht nur des eigenen (Unter)Bewusstseins bedient sondern auch der öffentlichen Meinung, und sei es nur, um andere Sichtweisen zu erfahren.
 
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....., dass sich ein (werdender) Künstler mit seiner Kunst an die Öffentlichkeit wagt, sich von deren Meinung beeinflussen lässt und überhaupt mit seiner Kunst hadert und Zweifel hat.....
Da bin ich nicht der gleichen Meinung. Wenn er so was macht, dann ist er kein Künstler. OK, er kann fragen, ob irgendwelche Fehler in der Komposition vorhanden sind ..... dafür wäre eigentlich sein Hochschul-Mentor zuständig und nicht das breite Publikum. An der Hochschule lernt man das nötige Handwerk, das künstlerische ohne wenn und aber, muss dann von ihm selbst kommen.
 
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N
Trotzt meiner bescheidenen Deutschkenntnissen (meine Muttersprache ist Französisch), würde ich neue Musik (neue Kleingeschrieben) nicht mit Zeitgenössische Musik gleichsetzen.


Zeitgenössische Musik bedeutet: Die Musik der Gegenwart.
"Die Neue Musik" ist - wie schon geschrieben - Musik von 1910 bis heute (20stes Jhd.).
Neue Musik (das "neu" im Satz kleingeschrieben), ist (vermeintlich) neu erfundene Musik, aber auch neue Kompositionen.
Also kann "Neue Musik" gleich "neue Musik" sein.

Edit: Aber "Neue Musik" zeichnet sich durch diverse Stilmerkmale aus. Also ist nicht jede "neue Musik" eine "Neue Musik", ächz, jetzt wird's mir zu kompliziert.
:-D

LG Antje
 
Neue Musik ist in Wahrheit uralt. Die Ars nova war schon im Mittelalter so neu, dass der Papst sie 1322 vorsichtshalber verboten hat. ;-)

LG, Mick
"Auch die gute alte Zeit war irgendwann einmal eine schlechte neue Zeit."
(Martin Held, Theater- und Filmschauspieler, 1908-1992)


Vermutlich gilt das auch für die Musikwelt.

LG von Rheinkultur
 
Nein, ich meinte das genau so, wie ich es geschrieben habe [...]

Sorry, dann habe ich das mißverstanden... Wohingegen Du mißverstehst, was ich

habe: Natürlich gehört der Selbstzweifel zum Lebensalltag eines Künstlers, so wie das Gegenteil: der Größenwahn, und beide können - je nachdem - berechtigt sein. Größenwahn bedeutet die für einen Künstler unverzichtbare Autosuggestion, mit seinem Werk die Welt aus den Angeln zu heben. Aber solange man das nicht weiß, solange man glaubt, das Werk wäre vielleicht im Papierkorb besser aufgehoben, sollte man nicht an die Öffentlichkeit gehen. Man zeigt das Stück Freunden, auf deren Urteil Verlaß ist (also nicht von Unkenntnis oder konkurrenzbedingter Ranküne geprägt); man spielt es im engsten Kreise vor. Aber in diesem Stadium gibt man es keinem Pianisten zum Einspielen und läd es auch nicht hoch.

Und ganz unmöglich ist es, mit einem Stück an die Öffentlichkeit zu gehen, von dessen Musiksprache man noch gar nicht weiß, ob sie die eigene ist, und am allerwenigsten läßt man wildfremde Menschen darüber abstimmen.
 
Nein, ich meinte das genau so, wie ich es geschrieben habe und habe an Deinem Geschriebenen nix zu meckern außer dem Punkt, dass Du es geradezu als Schande bezeichnest, dass sich ein (werdender) Künstler mit seiner Kunst an die Öffentlichkeit wagt, sich von deren Meinung beeinflussen lässt und überhaupt mit seiner Kunst hadert und Zweifel hat.
Etwas Entscheidendes bleibt aber außen vor: Die vom Fadenersteller aufgeworfenen Fragen nach der Rezeption seines Stücks könnte jemand stellen, der erstmals als Amateur ein eigenes Stück schreibt. Da wäre es nicht weiter schlimm, dass ihm die geringe Massenwirksamkeit seines "Stils" bislang noch nicht bewusst geworden ist. Aber es sind nicht die Fragen eines fünfundzwanzigjährigen Kompositionsstudenten, der ja den Musikbetrieb doch schon gut kennen sollte. Selbst im zeitlichen Umfeld einer Aufnahmeprüfung wäre ein derartiges Nichtwissen bereits peinlich zu nennen - sage ich als jemand, der selbst Komposition studiert hat und sich tonsetzerisch betätigt. Da passen musikalischer Gehalt und dessen Präsentation hinten und vorne nicht zusammen.

Das Stück selbst benutzt ein kompositorisches Vokabular, das sich in den letzten Jahrzehnten bei ausübenden und angehenden Komponisten weithin verbreitet hat - ohne aufgrund der Längen und Unzulänglichkeiten in formaler Hinsicht die Stringenz etwa der Klavierwerke Ligetis erreichen zu können. Die Abschnitte münden in eine Beliebigkeit, mit der man das Stück fast an jeder Stelle beginnen und/oder beenden könnte.

Mitunter kann man sogar mit einer solchen Stilistik Sachen zustande bekommen, die richtig rocken und grooven:



Aber dass man damit keinen Massengeschmack bedienen kann, dürfte wohl trotzdem klar sein. So naiv kann eigentlich kein angehender Berufsmusiker sein - auch nicht als Studienanfänger... .

LG von Rheinkultur
 
Trotzt meiner bescheidenen Deutschkenntnissen (meine Muttersprache ist Französisch), würde ich neue Musik (neue Kleingeschrieben) nicht mit Zeitgenössische Musik gleichsetzen.

Ja, wir leben mit dem Paradox, daß sich der ursprünglich neutrale Begriff "Neue Musik" für eine bestimmte Musik eingebürgert hat, die es seit ca. 100 Jahren gibt - ein Sammelbegriff für so gegensätzliche Stilrichtungen wie die tonalitätsfreie und später reihentechnisch gebundene Musik der Wiener Schule (Schönberg, Berg, Webern, Krenek) und die erweitert tonale oder modale, jedenfalls auch dissonanzenreiche Musik Bartóks, Hindemiths, Strawinskys und anderer Russen sowie der französischen Neoklassizisten, für Messiaen und Cage und die stilistisch völlig andersgeartete Musik nach dem zweiten Weltkrieg, in der zwischen ausdrucksfeindlichen (Neo-)Konstruktivisten, Spektralisten und "normalen" Ausdrucksmusikern wiederum größte Gegensätze geherrscht haben bzw. herrschen. Diese Art von "Neuer Musik" gibt es bis auf den heutigen Tag: Sie hat ihre ihre eigenen Aufführungsorte, Festivals, feste Sendeplätze im Radio, Fachzeitschriften, Interpreten, Kritiker und Hörer (man kennt sich schon untereinander).

Daneben haben sich dissidente Stile und Konzepte entwickelt: Neue Einfachheit, Minimal Music, reduktive Musik, Neotonalität, so daß man wirklich besser von zeitgenössischer Musik spricht, wenn man nicht die Neue Musik meint.
 
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Hallo liebe Leute,

Momentan studiere ich noch Komposition und habe u.A. ein Klavierstück komponiert. Soweit nichts Aufregendes, jedoch suche ich dazu Meinungen, in wie weit das Stück gut, oder auch für die Tonne ist. Im Studium erhalte ich nur Meinungen von Professoren, die alles analysieren, jedoch versuche ich eine neue Musik zu schaffen, die aber auch viele Menschen erreichen kann.

Hier ist das Stück. Ich bitte euch einfach eure Meinungen zu sagen. Egal, ob man selber gerade mit dem Klavierspiel anfängt, einfach nur ab und zu mal einen Schubert hört, oder auch seit 30 Jahren Klavier spielt. Ist es anstrengend zu hören, zu banal, oder doch spannend etc.? Nur durch viel Feedback kann ich meinen eigenen Stil mit der breiten Meinung vermischen und vielleicht wirklich spannende neue Musik finden...

Bin also über jede Meinung dankbar! :)

Liebe Grüße!
Patrick

das ist jetzt typisch Patrick Preyss, , mir gefällts:-)lasse meiner Fantasie freien lauf :lol:
 
die Suche nach Kreativität, Stil oder Inspiration... gehören für mich genau so zur Kunst wie das Erlernen des nötigen Handwerks. Und ich halte es für legitim, dass man sich hierfür nicht nur des eigenen (Unter)Bewusstseins bedient sondern auch der öffentlichen Meinung, und sei es nur, um andere Sichtweisen zu erfahren.
also ich möchte nicht mit irgendwessen Suche nach Kreativität, Stil oder Inspiration behelligt werden... soll er/sie halt suchen - wenn er/sie meint, schon fündig zu sein, dann höre ich mir gerne den "Fund" an.

Aber es bringt nichts, wenn man jetzt Spiegelfechtereien über Begriffsnuancen anfängt. Hier wurde ein Klavierstück eines Kompositionsstudenten vorgestellt, und zwar in einer ziemlich guten klanglichen Darbietung des Klavierstücks (über die "filmische" Verarbeitung möchte ich lieber nichts sagen). Umrahmt quasi war diese Darbietung mit einer teils missverständlichen ("neue Musik, die viele anspricht?") captatio benevolentiae.

Zu letzterem:
nein, das ist keine "Neue Musik mit Chance auf Massenwirksamkeit"!
und nein, das ist auch keine Musik, die wie Prokovevs Suggestion oder Skrjabins Vers la Flamme trotz ihrer harmonischen Modernität aufgrund ihrer effektvollen Virtuosität punkten könnte
und nein, das ist auch keine Musik wie z.B. Glass

Wenn die Konzeption tatsächlich so banal sein sollte wie "ich will mit "modernistischen" Techniken, die schon seit gut hundert Jahren gängige Münze sind, ein Klavierstück basteln, das auch andere Hörer als nur "Klassikfreaks" begeistert", dann ist das Projekt eklatant gescheitert. Und zwar ist es an den vermeintlich altbackenen Rachmaninovregeln gescheitert (keine Klanghöhepunkte). Da kann man jetzt massenhaft Klavierstücke des 20. Jhs. anführen, die diesen Fehler nicht begehen.

Achtung! Damit will ich nicht sagen, dass das Klavierstück komplett untauglich seie - das ist es nicht! Da sind beachtliche Ideen drin - aber erstens werden sie nicht konsequent durchgearbeitet, und zweitens eignen sie sich nicht für die selbstgewählte Aufgabe (Massentauglichkeit)
 
Hey zusammen,
danke erstmal für so viel Feedback. Würde gerne auf jede Nachricht antworten, versuche es aber etwas zusammengefasst:
Einmal zum Allgemeinen Begriff: Ich finde es schwer diese Begriffe "Neue Musik" und "Zeitgenössische Musik" auseinander zu halten. Jede Musik, die gerade entsteht und nicht gerade eine Bach-Fugen-Kopie ist, entsteht in dieser Zeit, ist aber auch etwas Neues. Auch, wenn man in einem Orchesterstück hört, dass es beeinflusst von Brahms oder Mahler ist, kann trotzdem was eigenes entstehen. Diese strenge zu den Begriffen kam erst im 20 Jhdt., wo man nur nach etwas Neuem sucht. Finde ich p e r s ö n l i c h als großen Fehler, denn bisher hat man sich immer etwas älterem Bedient, gelernt, benutzt und Neues hinzugefügt. Schubert lernt von Beethoven, der von Mozart. Mozart hingegen hat in vielen Stellen viel Ähnlichkeit zu Haydn, nur dann doch durch seinen eigenen Einfluss dann doch anders und der Zeit entsprechend moderner mit oft mehr Raffinessen. Auch wenn Bachs Söhne einen neuen empfindsamen Stil erschaffen, gibt es doch immer wieder Parallelen.
Also was ich mit meiner Musik meine: Sie ist nicht unbedingt zeitgenössisch, wenn man sich die Musikentwicklung der letzten 20-30 Jahre betrachtet. Einfach aus diesem Grund, da sie zu unverständlich scheint, wenn jemand 20 Minuten gegen einen Boxsack schlägt und jeder fünfte Schlag wir mit einem zufälligen Ton auf einem Saxophon vertont. Manchmal finde ich es spannend, es gehört meines Erachtens mehr in die experementelle Richtung, wenn nicht teilweise mehr Experementalphysik, statt Musik. Ich versuche Eigenschaften von älterer Musik zu finden, die aber auf meine Weise zu verarbeiten.

Das Argument, dass z.b. das Sacre du printems in der Uraufführung verschmäht wurde: Es waren auch andere Zeiten. Natürlich muss man sich auf jede neue und zeitgenössische Musik einlassen und sie kann anders wirken, wenn man nur mit Barockmusik großgeworden ist (wie ich es von vielen kenne), oder Harmonisch viel einfacher Musik (meine nicht, dass diese Musik schlecht ist!), wie z.B. Pop Songs. Da kann eine neue Atonalität schon im ersten Moment verschreckend wirken. Damals aber mehr, als heute. Um 1910 als Beispiel, haben die Leute nur das gehört, was sie hören konnten. Die Livemusik. Da kann ein Sacre ein größerer Schock sein, als heutzutage etwas anderes. Auch wenn ich zB in Deutschland wohne, habe ich ein recht gutes Bild, wie die Musik in Australien, Mongolei, Südamerika (und bald vielleicht auf dem Mars) klingt. Jetzt etwas zu hören, was wirklich neu ist, ist tatsächlich schwer, aber möglich. Auch wenn es für mich ein Kompliment ist, wenn man sagt, "in deinem Orchesterstück gibt es Passagen, die ähneln wie Mahler". Trotzdem ist die Musik horizontal atonaler, bedient sich trotzdem vertikaler Akkorde, und Intervalle.

Für mich ist es keine so große Kunst, etwas zu schreiben, was nur ich verstehe. Abstrakt gesagt: Ich hatte einen Fahrradunfall, den ich nun vertone. Das sich noch drehende Rad, als ich schon auf dem Boden lag, ist mir sehr in Erinnerung geblieben, als erst 20 min später der Krankenwagen kam.
Soll ich nun 20 min mit einem Bleistift über Fahrradspeicheln schlagen, nebenbei gibt es zwei Streicher, die mit krassen Dissonanzen immer wieder mal den Schmerz umspielen und am Schluss gibt es eine Quarte als einmal Erlösung, andererseits das Symbol für den Krankenwagen? Natürlich, meine Geschichte, meine Musik, aber: kaum jemand will es hören.

Wieso wird ein Shostakovich, Prokoffiev, Strauß etc. viel mehr gespielt und gemocht, als Anton Webern, oder Cage? Weil sie trotzdem eine eigene Sprache entwickelt haben, die trotzdem verständlicher wirkt. Teilweise haben aus sie entweder aus Zwang, aber auch aus Eigeninteresse geschaut, was der Mensch noch wie aufnimmt. Finde den anderen Weg auch nicht Verkehrt, jedoch ist es nicht meiner, da ich Musik nicht für mich schreibe, sondern auch für andere.
Mit dem Klavierstück finde ich, ist es etwas an der Grenze und finde jede Kritik gut. Heißt nicht, dass ich jede direkt Umsetze, aber nach und nach macht man sich ein Bild, wo man eigene Gedanken mit dem allgemeinen Musikverständnis treffen kann. Es bleibt trotzdem ein eigener Stil. Shostakovich wurde sehr viel von Stalin vorgeschrieben und man hört fast immer nach paar Sekunden, dass es eine seiner Kompositionen ist, und kein älterer Tschaikowskij. Da wir nun heutzutage so die Möglichkeit haben, viel Meinungen und Kritik zu hören, nutze ich es auch.
Kommentare wie, das zeugt von einem mangelnden Selbstwertgefühl, man verkauft sich (oder die Musik), es ist kein eigener Stil, können von daher gespart werden. Nicht böse gemeint, mir ist es aber schon bewusst, wenn ich Leute nach Meinungen frage und setze nicht jeden Satz in die Tat um.
Wenn mir aber oft gesagt wird, man hätte gerne exponiertere Motive, mehr Ruhe etc., kann ich selber reflektieren, in wie weit es mir auch passt, oder nicht.

Ich kann auch andere Stücke, die klingen sehr nach Filmmusik, fast wie ein Hans Zimmer: https://soundcloud.com/patrickpreyss/toxicraising?in=patrickpreyss/sets/kurzthemen
Das ist aber an einem Tag gemacht, Musik, mit der ich mich persönlich befasse und sehr viel hinterfrage, dauert aber auch gerne mal ein halbes oder ganzes Jahr. Es geht nicht darum, dass man etwas kann, oder nicht, sondern den Kontakt zwischen einem selbst und dem Publikum zu erhalten.

Und danke übrigens für das Beispiel vom Schulhoff. Das bringt auch viel zu sehen, was einfach komponiert wird und man erweitert sein Repertoire. Das kannte ich noch nicht und finde es auch sehr interessant!

Vielen Dank also nochmal für all die Kritik und hoffe, dass ich mich mit der Zeit immer mehr und mehr eine Meinung und Stil finde. :)
 

Jetzt etwas zu hören, was wirklich neu ist, ist tatsächlich schwer, aber möglich.

Wenn man etwas wirklich neues schreiben wollte, bräucht man auch ein neues Tonsystem - es ist ansonsten alles schon mal irgendwo dagewesen.

Ich kann auch andere Stücke, die klingen sehr nach Filmmusik, fast wie ein Hans Zimmer: https://soundcloud.com/patrickpreyss/toxicraising?in=patrickpreyss/sets/kurzthemen
Das ist aber an einem Tag gemacht,

Dann mach doch bittschön lieber jeden Tag eines von diesen Stücken :coolguy:

Viele Grüße

Styx
 
Hallo, Patrick -

- vielen Dank für Deine ausführliche Rückmeldung. Du schreibst:

Einmal zum Allgemeinen Begriff: Ich finde es schwer diese Begriffe "Neue Musik" und "Zeitgenössische Musik" auseinander zu halten. Jede Musik, die gerade entsteht und nicht gerade eine Bach-Fugen-Kopie ist, entsteht in dieser Zeit, ist aber auch etwas Neues.

Die Notwendigkeit, das Neue in der Musik ab 1910 terminologisch abzugrenzen, bestand vor allem deshalb, weil es ja noch Komponisten gab, die im traditionellen spätromantischen Idiom weiterkomponiert haben, z.B. Schreker, Zemlinsky, Richard Strauss, Hans Pfitzner. Die beiden Letztgenannten sind 1949 verstorben und haben bis zum letzten Atemzug gearbeitet. Strauss' "Vier letzte Lieder" sind 1948 entstanden, zur selben Zeit wie Cages "Sonatas and Interludes" oder Boulez' "Livre pour quatour". Im kompositorischen Niveau gibt es keinen Unterscheid, aber doch wohl in der Ästhetik - oder?

Diese strenge zu den Begriffen kam erst im 20 Jhdt., wo man nur nach etwas Neuem sucht. Finde ich p e r s ö n l i c h als großen Fehler, denn bisher hat man sich immer etwas älterem Bedient, gelernt, benutzt und Neues hinzugefügt.

Ist aber auch falsch, was Du da sagst. Strawinsky hat viel von Debussy gelernt, Berg und Webern haben unendlich viel bei Mahler gelernt, Schönberg hat sich stark an Brahms angelehnt (hör Dir mal sein Klavierkonzert an), Boulez wiederum hat Anregungen von Schönberg und Strawinsky in sich vereint - aber alles nicht im Sinne einer Stilkopie, sondern wie von einem guten Künstler zu erwarten: verwandelt, dem eigenen Wesen dienstbar gemacht.

Also was ich mit meiner Musik meine: Sie ist nicht unbedingt zeitgenössisch, wenn man sich die Musikentwicklung der letzten 20-30 Jahre betrachtet.

Sie ist zeitgenössisch - weil jetzt entstanden -, aber nicht neu.

[...] habe ich ein recht gutes Bild, wie die Musik in Australien, Mongolei, Südamerika (und bald vielleicht auf dem Mars) klingt.

Und von letzterer mußt Du unbedingt Klangbeispiele hochladen!

Für mich ist es keine so große Kunst, etwas zu schreiben, was nur ich verstehe.

Bemüh Dich darum, gut zu komponieren, egal ob es eine Quadrupelfuge oder eine Schnulze ist. Beliebtheit beim Publikum spricht weder für noch gegen ein Musikstück.

Wieso wird ein Shostakovich, Prokoffiev, Strauß etc. viel mehr gespielt und gemocht, als Anton Webern, oder Cage?

Bitte keine Verallgemeinerungen. Nur weil Cage und Webern DICH überfordern, heißt das noch lange nicht, daß anderen diese Musik unzugänglich wäre.

[...] und hoffe, dass ich mit der Zeit immer mehr und mehr eine Meinung und Stil finde.

Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Gruß, Gomez
 
[...] und hoffe, dass ich mit der Zeit immer mehr und mehr eine Meinung und Stil finde.

Hallo @Patrick Preyss ; ich schreib mal was "Außermusikalisches":

Du bist Künstler, Du bist jung. Du bist ernsthaft und strebsam. Es ist völlig normal, dass Du suchst und irrst und wirrst. Dass Du heute meinst, eine Lösung gefunden zu haben und morgen feststellst, dass dem doch nicht so ist. Dass Dich heute dieses inspiriert und morgen jenes.
Glaub mir, das alles sind nur "Zeitfragen".
Halte Dich an Gomez' Rat
Bemüh Dich darum, gut zu komponieren, egal ob es eine Quadrupelfuge oder eine Schnulze ist. Beliebtheit beim Publikum spricht weder für noch gegen ein Musikstück.
und der Rest wird sich finden. Vertrau Dir und der Zeit.

Drücke die Daumen!
 
Für mich ist es keine so große Kunst, etwas zu schreiben, was nur ich verstehe.
ich bin guter Dinge, dass das so ziemlich jeder kann ;-)
Abstrakt gesagt: Ich hatte einen Fahrradunfall, den ich nun vertone. Das sich noch drehende Rad, als ich schon auf dem Boden lag, ist mir sehr in Erinnerung geblieben, als erst 20 min später der Krankenwagen kam.
Soll ich nun 20 min mit einem Bleistift über Fahrradspeicheln schlagen, nebenbei gibt es zwei Streicher, die mit krassen Dissonanzen immer wieder mal den Schmerz umspielen und am Schluss gibt es eine Quarte als einmal Erlösung, andererseits das Symbol für den Krankenwagen? Natürlich, meine Geschichte, meine Musik, aber: kaum jemand will es hören.
Das kann ich nachvollziehen! Ich würde ebenfalls keine Fahrradunfall-Musik hören wollen, egal ob für Streichquartett oder Triangelduo :-D
 
Komisch, dass Du ausgerechnet einen Fahrradunfall als Beispiel wählst, um zu untermauern, dass keiner hören will, was nur Du verstehst.

Ich weiß ja nicht, wie es bei Dir so ist, aber ich habe durchaus gelegentlich Erlebnisse, die weniger schlimm sind als ein Fahrradunfall, und die bei einer Vertonung auch deutlich "zugänglicher" klingen würden...

Oder ist das so'n Neue-Musik-Axiom, dass, wenn man schon Begebenheiten als programmatische Anregung nimmt, diese wenigstens richtig schön scheiße sein müssen, damit das dann auch alles ernst genug rüberkommt? :-D
 
Etwas offtopic:
Natürlich gehört der Selbstzweifel zum Lebensalltag eines Künstlers, so wie das Gegenteil: der Größenwahn, und beide können - je nachdem - berechtigt sein. Größenwahn bedeutet die für einen Künstler unverzichtbare Autosuggestion, mit seinem Werk die Welt aus den Angeln zu heben. Aber solange man das nicht weiß, solange man glaubt, das Werk wäre vielleicht im Papierkorb besser aufgehoben, sollte man nicht an die Öffentlichkeit gehen. Man zeigt das Stück Freunden, auf deren Urteil Verlaß ist (also nicht von Unkenntnis oder konkurrenzbedingter Ranküne geprägt); man spielt es im engsten Kreise vor. Aber in diesem Stadium gibt man es keinem Pianisten zum Einspielen und läd es auch nicht hoch.
Ich finde diese Gedanken interessant; ich bin mir jedoch nicht sicher, ob ich sie so teilen kann, denn dazu ist mir folgendes eingefallen:
Kafka hat Teile seines Werks engen Freunden vorgelesen und nur sehr wenig veröffentlicht. Er war von Selbstzweifeln geplagt. Erst nach seinem Tod wurde beispielsweise der Prozess, ein Fragment, und weitere Werke von seinem Freund Max Brod veröffentlicht. Gegen den jedenfalls geäußerten Willen Kafkas, dass alles verbrannt werden sollte - ob Kafka das wirklich wollte, ist nicht bekannt. Der Prozess ist ein Jahrhundertwerk.
 
Vielen Dank für die Rückmeldung!

Kafka hat Teile seines Werks engen Freunden vorgelesen und nur sehr wenig veröffentlicht.

Kafka hat seine Texte im Freundeskreis vorgelesen und ist dabei nach dem Zeugnis seiner Freunde oft in lautes Gelächter ausgebrochen. Er empfand seine Texte offenbar als komisch, und das Bewußtsein für diese Komik haben wir uns - verzerrt durch den Bierernst der existentialistischen Kafka-Nachkriegsrezeption - erst neu erobern müssen.

Mein Eindruck: Über seine künstlerische Bedeutung war Kafka sich im Klaren. Warum sonst hat er sich abends hingesetzt, nach der lästigen Brotarbeit in einer bescheuerten Versicherungsgesellschaft, um an Romanmanuskripten zu feilen, auf die kein Verleger wartete?

Erst nach seinem Tod wurde beispielsweise der Prozess, ein Fragment, und weitere Werke von seinem Freund Max Brod veröffentlicht. Gegen den jedenfalls geäußerten Willen Kafkas, dass alles verbrannt werden sollte - ob Kafka das wirklich wollte, ist nicht bekannt.

Es gibt ja auch die Theorie, daß der Schriftsteller Max Brod da etwas mißverstanden hat: Er sollte Kafkas Texte drucken lassen und seine eigenen verbrennen...
 
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