Was ein Instrument beim üben bewirken kann

  • Ersteller des Themas Pianojayjay
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Wer im öffentlichen Forum schreibt, das jeder liest, und zwar vor allem Laien, die aus dem Bauch heraus fühlen, und nicht nur Fachkenner, die meinen, das aus dem Bauch heraus gefällte Geschmacksurteil wäre unseriös, sollte vielleicht mal erst mal ein paar Lebensjahre Erfahrung mitbringen, statt Komponisten, die vielleicht neue Wege bestreiten, aber damit auch oft in Orchideenecken landen, weil keiner die konstruierte "Musik" noch als Musik erlebt, sondern diese nur noch als intellektuelle Spielerei für sich selbst als besonders informierte elitär Fühlende erlebt. Serielle Musik legt doch auch keiner für sich zum Genuss auf, taugt allenfalls als Untermalung von anderen Kunstwerken . 12 Ton Musik nach festem Korsett, hört man sich mal aus Interesse an - das wars aber. Und alle Komponisten, die Herzen erreichen wollen, werden sicher nicht die Komponente des "Ergreifens" ausschließen.

Aber ich wünsche mick viel Freude, wenn er sich als Dirigent in naher Zukunft vor leeren Konzertsälen mit einem freudlosen weil gezwungenem Orchester durch konstruierte seelenlose Kompositionen ackert - wo drei Intellektuelle wegen des hohen (!) geistigen Anspruches, drei Toncluster mit dem ungewöhnlichen Tönen durch mit Klöppeln bearbeiteten Posaunen geradezu in Euphorie ekstatische Kritiken verfassen.

Was würde wohl Bach dazusagen?

Ich gebe zu, dass ich auch mit vielen neueren Strömungen der Musik so meine Probleme habe. Trotzdem würde ich mir so ein billiges Pauschalurteil niemals erlauben. Es ist nämlich nicht nur unseriös, sondern ausgesprochen dumm: was man selbst nicht versteht, kann man auch nicht bewerten. Das gilt für Musik, Literatur, Kunst und sogar für wissenschaftliche Disziplinen.

Deiner Argumentation nach hat Musik also nur dann eine Berechtigung, wenn sie aus dem Bauch heraus „gefällt“. Mit dieser Argumentation stellst du die gesamte sogenannte „ernste“ Musik in Frage - denn dem überwiegenden Teil der Menschheit gefällt diese aus dem Bauch heraus nicht - da stehen Helene Fischer, Lady Gaga etc. weit höher im Kurs. Ist Helene Fischer deshalb besser als Bach?

Dass du gerade Bach in diesem Zusammenhang als Zeugen anführst, ist ohnehin ein ganz besonders schlechter Witz - Bach war zu seiner Zeit alles andere als massenkompatibel; seine Musik galt vielen seiner Zeitgenossen als zu intellektuell und zu konstruiert. Fällt dir was auf?

Und, um mal auf den Faden zurückzukommen - da kaufen sich Leute das modernste Digi-Equipment des 21. Jahrhunderts, um dann ausschließlich Musik darauf zu spielen, die älter als 100 Jahre ist. Ein Außenstehender könnte das durchaus als ziemlich seltsam empfinden.
 
[...]12 Ton Musik nach festem Korsett[...]
Tatsächlich ist (bzw. war) dieses feste Korsett, wie Du es beschreibst, eine Revolution: Nicht mehr der willkürliche Geschmack des Einzelnen wird Gegenstand zur Themen-und Tonalitätentwicklung, sondern eine Vorgegebene, gleichmäßige Struktur oder gar der Zufall.

Ich finde das faszinierend.

Übrigens noch zum standhaften Irrglauben, Klassiker und Genies hätten aus dem Bauch komponiert:
Das ist schlichtweg nicht richtig. Ein guter Komponist benötigt zwar ein hohes Maß an musikalisches Gespür und Vorstellungsvermögen, aber der Rest ist Handwerkszeug - auch ein Maler muss mit dem Pinsel umgehen können, Farben beschreiben, mischen und spüren können.

Nicht anders ist es bei einem Komponisten mit Tönen und Klängen:-)
 
In den Streit um das richtige Instrument zum Üben will ich mich nicht einmischen, aber doch etwas zur Ehrenrettung der hier pauschal abqualifizierten Musik sagen.
Wer im öffentlichen Forum schreibt, das jeder liest, und zwar vor allem Laien, die aus dem Bauch heraus fühlen [...]

Selbst wenn das stimmen sollte, so hat der Laie nicht nur Privilegien (Welpenschutz), sondern auch Verpflichtungen, zu denen gehört, sich nicht abfällig über etwas zu äußern, wovon man als Laie nichts versteht.

Man muß die Neue Musik nicht mögen, weder reihentechnisch gebundene noch solche, die mit ungewöhnlichen Klangfarben arbeitet (hervorgerufen durch bestimmte Spielweisen). Aber dieser Musik das Daseinsrecht abzusprechen, sie als spezialistisch (Orchideen-Ecke) oder als Scharlatanerie und Kinderkram abzutun, nur weil man sie nicht versteht, ist unredlich.

Es gibt entschieden mehr Leute als Mick und mich, denen auch diese hier abfällig beurteilte Musik zu Herzen geht, die von ihr berührt werden, und niemand hat das Recht, uns diese Empfindungen abzusprechen oder darauf herumzutrampeln. Daß der Liebhaberkreis klein ist, hat nichts zu besagen: Neue Musik ist ein Subsegment im Subsegment Klassische Musik, deren Liebhaberkreis auch wieder sehr überschaubar ist im Vergleich zur Rock-/Pop-Anhängerschar. Daß diese Musik konstruiert ist, dürfte niemanden überraschen, weil das für alle gute Musik gilt: von Pérotin über Bach und Crumb bis zur Gegenwart. Daß die Schallereignisse in den Noten so exakt fixiert werden, wie es zu ihrer Wiedergabe nötig ist, kann man als Grundregel der Notationsgeschichte ansehen: Im Generalbaß-Zeitalter gab es noch einen improvisatorischen Anteil, der seitdem aus der Musik getilgt ist; andererseits gibt es auch bei Crumb & Co. immer noch Freiräume für den Interpreten.
Serielle Musik legt doch auch keiner für sich zum Genuss auf, taugt allenfalls als Untermalung von anderen Kunstwerken.

Also ich hab schon den "Marteau sans maître" auf der Autofahrt gehört - eine wunderschöne Sommermusik.
 
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Trotzdem würde ich mir so ein billiges Pauschalurteil niemals erlauben.

Das nennt man Abqualifizierung von Meinungen anderer. wo habe ich denn billig pauschaliert? Die Meinung aus dem Bauch ist nicht die meinige, sondern war Beispiel der Leser, die offensichtlich für dumm verkauft werden sollen, und gefälligst zu akzeptieren haben, wenn da einer zwar allen und jeden mit seinem Wissen zu beeindrucken sucht, aber selbst man keine Meinung sich bilden darf.

Meine Meinung ist, was unter absonderlich "toll" da aufgetischt wird, ist eine Frechheit und Verdummung und gar noch Vergleiche eines aufgeführten Crumb mit Werken von Bach, die angeblich nicht verstanden wurden von Zeitgenossen -dafür hat er aber ganz schön erfolgreich aufgeführt und gelebt!

Niemand kann von folgendem Video verlangen, dies statt Versuche eines lustlos übenden Kindes sich mit Tonerzeugungen auf dem Klavier abzureagieren, als hohe Kunst zu sehen.
 
Wer im öffentlichen Forum schreibt, das jeder liest, und zwar vor allem Laien, die aus dem Bauch heraus fühlen, und nicht nur Fachkenner, die meinen, das aus dem Bauch heraus gefällte Geschmacksurteil wäre unseriös, sollte vielleicht mal erst mal ein paar Lebensjahre Erfahrung mitbringen, statt Komponisten als Maßstab der Kompetenz zu setzen, die vielleicht neue Wege bestreiten, aber damit auch oft in Orchideenecken landen, weil keiner die konstruierte "Musik" noch als Musik erlebt, sondern diese nur noch als intellektuelle Spielerei für sich selbst als besonders informierte elitär Fühlende erlebt.

Was würde wohl Bach dazusagen?

Mir missfällt die Erwartungshaltung an einen hochmusikalischen, sehr jungen Menschen nicht, dass er gefälligst erst mal Lebenserfahrung sammeln sollte. Betrachters du das als Maßstab der Kompetenz?

Ein aus dem Bauchgefühl gefälltes Geschmacksurteil ist vielleicht nicht unseriös aber sicher nicht maßgeblich für die Beurteilung eines Komponisten, der neue, die Erwartungshaltung des Zuhörers ncht bedienende Werke darbietet.
 
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Ich musste mich im Abitur mit 12-Ton und serieller Musik beschäftigen. Ich mochte die Struktur, die dahinter steckt, anhören kann ich es mir bis heute nicht. Aber ich respektiere es. Es gibt aber auch zeitgenössische Komponisten, denen ich persönlich etwas abgewinnen kann. Der ein oder andere liegt mir sehr am Herzen, so dass ich versuche das ein oder andere Werk in meine Programme einzubauen. Auch ein Publikum, das hier keine Kenntnisse hat, das vielleicht auch nur selten klassische Musik hört, kann sich hierfür durchaus erwärmen, wenn es nicht Zuviel ist und man das Werk vor allem überzeugend darbietet.
 
Ich musste mich im Abitur mit 12-Ton und serieller Musik beschäftigen. Ich mochte die Struktur, die dahinter steckt, anhören kann ich es mir bis heute nicht. Aber ich respektiere es. Es gibt aber auch zeitgenössische Komponisten, denen ich persönlich etwas abgewinnen kann. Der ein oder andere liegt mir sehr am Herzen, so dass ich versuche das ein oder andere Werk in meine Programme einzubauen. Auch ein Publikum, das hier keine Kenntnisse hat, das vielleicht auch nur selten klassische Musik hört, kann sich hierfür durchaus erwärmen, wenn es nicht Zuviel ist und man das Werk vor allem überzeugend darbietet.
Zeitgenössisch ist ja nun auch nicht gleichzusetzen mit experimenteller Musik (um es mal positiv auszudrücken), es gibt zeitgenössische Werke mit unüblichen Effekten,die aber im Kontext Musik sind und nicht nur eine Reihenfolge von Effekten und clustern bilden, hinter denen sich durchaus eine logische Folge oder Reihe (im mathematischen) Sinne versteckt- welches aber auch nichts anderes als sudoku für Musiktheoretiker ist.
 
Ich habe volles Verständnis für die Irritation, die einen anfallen können,wenn man Musik außerhalb des Rahmens der eignen Hörgewohnheiten dargeboten bekommt.

Aber Musik so eng zu fassen, wie Du es tust, wird vielen (zeitgenössischen) Stücken und Komponisten nicht gerecht. Es ist nicht alles willkürlicher Lärm, und manches ist nicht besonders zugänglich, aber zu sagen, es ist deshalb keine Musik, das finde ich schade.

Zu sagen, dass man selbst nichts damit anfangen kann, kein Thema. Darüber diskutieren, prima. Aber nicht vor dem Hintergrund, etwas sei keine "Musik".
 
Tatsächlich ist (bzw. war) dieses feste Korsett, wie Du es beschreibst, eine Revolution: Nicht mehr der willkürliche Geschmack des Einzelnen wird Gegenstand zur Themen-und Tonalitätentwicklung, sondern eine Vorgegebene, gleichmäßige Struktur oder gar der Zufall.
Wobei das, was Du schreibst, für einen sich früh von der Reihentechnik lösenden Komponisten wie Cage gilt, teilweise auch für die Hauer'schen Zwölftonspiele. In der Musik, die sich auf Tonhöhenorganisation beschränkt (vulgo: Reihentechnik à la Schönberg und aller, die sich auf ihn beziehen - wobei es auch Stücke gibt, die mit weniger als zwölf Tönen auskommen), entscheidet der willkürliche Geschmack des Einzelnen immer noch über das Klangbild und das Wesen der Musik.

Wie dissonant eine Musik klingt, hängt stark von der Art der Reihenbildung ab: wie nah chromatisch benachbarte Töne in der Reihe aufeinanderfolgen. Man kann auch aus zwei Ganztonfeldern oder aus der Kombination von Diatonik und Pentatonik Reihen bilden - oder aus zwei diatonischen Feldern im Tritonusabstand, aus zwei Dur- und zwei Molldreiklängen im Ganztonabstand, aus vier übermäßigen Dreiklängen (das Hauptthema aus Liszts "Faust-Symphonie") etc. Und man kann mit ein paar satztechnischen Kniffen aus einer hochdissonanten Reihe brav-tonale Musik erzeugen.

Für Schönbergs Reihen war immer eine melodische Idee der Ursprung. Berg haben an der Zwölftontechnik die "tonalen Möglichkeiten" fasziniert - eine reihentechnisch abgesicherte Rückkehr zur Tonalität. Weberns Obsession bestand darin, die kontrapunktischen Spiegelformen schon in den Verlauf der Originalreihe hineinzunehmen. Entsprechend unterschiedlich klingt die Musik.

Zur Satztechnik: Viele Komponisten (z.B. Strawinsky) haben das Verbot der Oktavverdoppelung ignoriert, was der Musik gleich zu einem ganz anderen Klang verhilft und u.U. Tonalitätsnähe erzeugt.
 
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Mein alter Musiklehrer hatte bei Yörk Höller studiert und verfügte über ein fundiertes Wissen. Er war in der Lage, uns die Thematik recht interessant zu vermitteln. Er weiß bis heute, dass es mir nicht gefallen hat, aber ich fand es trotzdem interessant. Man muss es einfach respektieren. Es gibt ja auch diese elektronische Musik, bei der dann ein Teil vom Tonband oder PC kommt. Ich finde es noch schwieriger zu hören, aber auch das sollte man respektieren
 
Manchmal kommt der Zugang auch durchs Selbermachen. Und auch grafische Notation kann man lesen und verstehen lernen :)
Ich bin heute noch froh darüber, dass ich mal einen Workshop mit Gertrud Meyer-Denkmann besuchen durfte. Da sind bei mir einige "Knoten geplatzt".

Manches ist allerdings sehr spröde und gefällt nur wenigen. Davon gibt es aber wohl in jeder Epoche entsprechende Beispiele.
 

Pauschalisiert hast Du hier:
dieser Krimskrams von Georgs Crumb ist Kinderimprovisation
aber konstruierte künstliche Musik, wo der Komponist jede einzelne Kleinigkeit festschreibt, den Pianisten/Musiker nur noch zum Bediener macht, wo ein Klangerlebnis welcher Art auch immer vor allem irritierend ist, von Genuss aber keine Rede mehr sein kann
weil keiner die konstruierte "Musik" noch als Musik erlebt, sondern diese nur noch als intellektuelle Spielerei für sich selbst als besonders informierte elitär Fühlende erlebt.
Meine Meinung ist, was unter absonderlich "toll" da aufgetischt wird, ist eine Frechheit und Verdummung und gar noch Vergleiche eines aufgeführten Crumb mit Werken von Bach, die angeblich nicht verstanden wurden von Zeitgenossen! - dafür hat er aber ganz schön erfolgreich aufgeführt und gelebt [...]
und nicht nur eine Reihenfolge von Effekten und clustern bilden, hinter denen sich durchaus eine logische Folge oder Reihe (im mathematischen) Sinne versteckt - welches aber auch nichts anderes als sudoku für Musiktheoretiker ist.
Niemand kann von folgendem Video verlangen, dies statt Versuche eines lustlos übenden Kindes sich mit Tonerzeugungen auf dem Klavier abzureagieren, als hohe Kunst zu sehen.
btw: Siehst Du auf dem Video ein lustlos übendes Kind?
 
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Das nennt man Abqualifizierung von Meinungen anderer. wo habe ich denn billig pauschaliert? Die Meinung aus dem Bauch ist nicht die meinige, sondern war Beispiel der Leser, die offensichtlich für dumm verkauft werden sollen, und gefälligst zu akzeptieren haben, wenn da einer zwar allen und jeden mit seinem Wissen zu beeindrucken sucht, aber selbst man keine Meinung sich bilden darf.

Meine Meinung ist, was unter absonderlich "toll" da aufgetischt wird, ist eine Frechheit und Verdummung und gar noch Vergleiche eines aufgeführten Crumb mit Werken von Bach, die angeblich nicht verstanden wurden von Zeitgenossen -dafür hat er aber ganz schön erfolgreich aufgeführt und gelebt!

Niemand kann von folgendem Video verlangen, dies statt Versuche eines lustlos übenden Kindes sich mit Tonerzeugungen auf dem Klavier abzureagieren, als hohe Kunst zu sehen.

Das ist doch reinste Filmusik.

Das ich im übrigen bei der Auseinandersetzung @Gomez de Riquet Recht gebe, hätte der wohl auch nicht gedacht ;)
 
Das könnte man dann aber auch zu jeder col legno-Vorschrift sagen. Eigentlich schon zu jedem pizzicato ...

Da sehe ich schon noch einen Unterschied. Im Barock gab es durchaus personelle Überschneidungen bei Herstellern und Spielern von Lauten und von Streichinstrumenten. Eine Geige auch mal zu zupfen liegt da nahe und ist ja auch spieltechnisch / musikalisch durchaus bereichernd einsetzbar. Bei "col legno" sehe ich das schon weniger - mir ist diese Anweisung seit meiner Geigenzeit in den 1960-er-Jahren geläufig, aber in der Literatur noch nie begegnet.
Den Flügel als Harfe zu verwenden, ist mit Pizzicato nicht vergleichbar.
Jeder Harfinist wird bestätigen, dass die Spielhaltung am Flügel nicht zum bequemen, flüssigen Spiel taugt.
Was Crumb macht, ist aus meiner Sicht eine Extravaganz, wie es sie in der Literatur immer mal wieder gegeben hat, vor allem zur Erzielung von theatralischen Effekten und Höhepunkten. Ich denke da z.B. an die Kindersymphonie von Leopold Mozart, an die Ambosse im Rheingold oder an den Holzhammer in Mahlers 6. Symphonie, auch der Schlussakkord von Ives' 2. Symphonie mit der kleinen Sekunde gehört in diese Kategorie.
In Sachen Bühnen-Performance fallen mir da auch Exzesse von bekannten Rock-Leadgitarristen ein, die als Höhepunkt ihrer Show ihr Instrument geschrottet haben.
Sollte ich einmal in einer Original-Partitur auf die Anweisung "destroy your instrument now" stoßen, erlaube ich mir das genau so zu ignorieren, wie ich manche barocke Verzierung weglasse, weil ein modernes Klavier einfach einen intensiveren Ton und viel mehr Sustain hat.

Grüße
Manfred
 
Da sehe ich schon noch einen Unterschied. Im Barock gab es durchaus personelle Überschneidungen bei Herstellern und Spielern von Lauten und von Streichinstrumenten. Eine Geige auch mal zu zupfen liegt da nahe und ist ja auch spieltechnisch / musikalisch durchaus bereichernd einsetzbar. Bei "col legno" sehe ich das schon weniger - mir ist diese Anweisung seit meiner Geigenzeit in den 1960-er-Jahren geläufig, aber in der Literatur noch nie begegnet.
Den Flügel als Harfe zu verwenden, ist mit Pizzicato nicht vergleichbar.
Jeder Harfinist wird bestätigen, dass die Spielhaltung am Flügel nicht zum bequemen, flüssigen Spiel taugt.
Was Crumb macht, ist aus meiner Sicht eine Extravaganz, wie es sie in der Literatur immer mal wieder gegeben hat, vor allem zur Erzielung von theatralischen Effekten und Höhepunkten. Ich denke da z.B. an die Kindersymphonie von Leopold Mozart, an die Ambosse im Rheingold oder an den Holzhammer in Mahlers 6. Symphonie, auch der Schlussakkord von Ives' 2. Symphonie mit der kleinen Sekunde gehört in diese Kategorie.
In Sachen Bühnen-Performance fallen mir da auch Exzesse von bekannten Rock-Leadgitarristen ein, die als Höhepunkt ihrer Show ihr Instrument geschrottet haben.
Sollte ich einmal in einer Original-Partitur auf die Anweisung "destroy your instrument now" stoßen, erlaube ich mir das genau so zu ignorieren, wie ich manche barocke Verzierung weglasse, weil ein modernes Klavier einfach einen intensiveren Ton und viel mehr Sustain hat.

Grüße
Manfred

Ist doch schon alt





 
Na, also das con sordino- und das col legno-Spiel wie auch das Spiel am Frosch hat eine Verfremdung oder Denaturierung des Tons zur Folge, genauso der Dämpfereinsatz bei Blasinstrumenten, und all das ist rein logisch nicht zu unterscheiden vom Klavierspiel auf den Saiten oder von einer Präparierung der Klaviersaiten, bei der die Tonhöhe unverändert bleibt. Daß es das eine musikgeschichtlich schon ein bißchen länger gibt als das andere, hat nichts zu besagen.

In der Neueren Musik (nach 1945) wimmelt es von solchen Spielanweisungen, ganz zu schweigen von Spielweisen oder Präparierungen, bei denen die Tonhöhe mikrotonal verändert wird - bis hin zum Geräusch, und Komponisten wie Lachenmann arbeiten mit solchen Klängen nicht, um einen theatralischen Showeffekt zu erzielen; vielmehr sind diese Klänge für sie eine Art Materialgrundlage.
 
Das nennt man Abqualifizierung von Meinungen anderer. wo habe ich denn billig pauschaliert? Die Meinung aus dem Bauch ist nicht die meinige, sondern war Beispiel der Leser, die offensichtlich für dumm verkauft werden sollen, und gefälligst zu akzeptieren haben, wenn da einer zwar allen und jeden mit seinem Wissen zu beeindrucken sucht, aber selbst man keine Meinung sich bilden darf.

Die Pauschalurteile hat @Gomez de Riquet freundlicherweise schon zusammengetragen. Aber wo habe ich gesagt, dass du dir keine Meinung bilden darfst? Die Betonung liegt dabei auf "bilden" - und dazu gehört, dass man die Sachen kennt und versteht, über die man urteilt. Davon bist du weit entfernt - du verwechselst Meinung mit Vorurteil.

Meine Meinung ist, was unter absonderlich "toll" da aufgetischt wird, ist eine Frechheit und Verdummung und gar noch Vergleiche eines aufgeführten Crumb mit Werken von Bach, die angeblich nicht verstanden wurden von Zeitgenossen -dafür hat er aber ganz schön erfolgreich aufgeführt und gelebt!

Und wie kommst du zu dieser Meinung? Hast du jemals mit dem Komponisten George Crumb in irgendeiner Form auseinandergesetzt? Ganz sicher nicht. Du verstehst ihn nicht, aber ist das seine Schuld? Wenn ich in der Schule einen mathematischen Beweis nicht verstehe - liegt das dann am Beweis oder vielleicht doch an mir?

Bach war übrigens nur in bescheidenem Rahmen erfolgreich. Als Thomaskantor war er nur zweite Wahl, und was seinen Ruhm anging, lag er weit hinter Kollegen wie Telemann, Händel oder auch seinen Söhnen Carl Philipp Emanual und Johann Christian zurück. Aber was ist das überhaupt für ein Kriterium? George Crumb ist - das sei nur nebenbei bemerkt - mit seiner Musik Millionär geworden.

Niemand kann von folgendem Video verlangen, dies statt Versuche eines lustlos übenden Kindes sich mit Tonerzeugungen auf dem Klavier abzureagieren, als hohe Kunst zu sehen.


Einem Video ist es wohl ziemlich egal, was man von ihm verlangt. Aber die Christmas-Suite ist ein wunderbares, tief emotionales Werk, das ich mehrfach - mit großem Erfolg - aufgeführt habe. Seriell ist daran übrigens gar nichts, es gibt gewisse Bezüge zu Messiaens "Vingt regards". Aber die sind für dich vermutlich auch nur Kindergestümper.
 
Da sehe ich schon noch einen Unterschied. Im Barock gab es durchaus personelle Überschneidungen bei Herstellern und Spielern von Lauten und von Streichinstrumenten. Eine Geige auch mal zu zupfen liegt da nahe und ist ja auch spieltechnisch / musikalisch durchaus bereichernd einsetzbar. Bei "col legno" sehe ich das schon weniger - mir ist diese Anweisung seit meiner Geigenzeit in den 1960-er-Jahren geläufig, aber in der Literatur noch nie begegnet.

Col legno kommt schon im 17. Jahrhundert vereinzelt vor - bekanntere Stellen sind aber das A-Dur-Violinkonzert von Mozart (in der "türkischen" Episode des Finales spielen Celli und Bässe coll'arco al roverscio, was dasselbe bedeutet) oder auch das Finale des 2. Chopin-Konzertes.
 
Zur modernen Musik:
Manche sollten aber ggf. aufpassen, sich nicht selbst eine Falle zu stellen.
Wenn man es zum guten Ton zählt, auf der einen Seite auf TEY herumzuhacken und überhaupt dieses nicht positiv gemeinte Clavio-Kürzel zu prägen, wenn man Lady Gaga und co als schlimmes Trauma aburteilt - ja dann sollte man sich die Höhe seiner Teppichkunte gut überlegen, von der man über Leute urteilt, welche mit anderen Musikrichtungen ebenfalls nix anfangen können. Toleranz einfordern und nicht tolerant sein ist ein schwieriger Spagat.

Nun können die einen sicher musiktheoretisch begründen, warum das Eine, mit dem wahrscheinlich selbst bei Zwangseinflößung weniger als 1% der Bevölkerung etwas anfangen können, künstlerisch wertvoll ist und das andere eben Schrott.
Andererseits ist es eben vielleicht doch sehr schwierig einen Hit zu schreiben, den viele Menschen gut finden. Nach meinem letzten Infostand ist die Weltformel dazu noch nicht gefunden - jedenfalls für Leute wie Ed Sheran oder Lady Gaga, die sich selbst durchkämpfen mussten und normalerweise nicht mal am Pförtner eines Musiklabels vorbeigekommen wären. Das muss man ja auch mal anerkennen?!

Zum Instrument:
Ich finde es ansonsten eher witzig an solchen Sachen festzumachen, ob ein Digi oder Flügel besser geeignet sei. Wenn ich mir überlege, was ein Digi alles kann - mal eben auf Knopfdruck Stimmungen ändern, Spreizung, Temperament, Resonanzstärke und -Länge, Halleffekte etc. pp. - bei neuerer Modellierung findet man da nicht so schnell ein Ende.
OK, man kann nicht auf den Chips rumklöppeln um dadurch sonderlich sinnvolle Effekte zu kreieren, aha - total relevant. Jeder muss für sich definieren, was er braucht. Beim Klang hat der Flügel Vorfahrt, das ist doch letztlich relevant. Alles andere wirkt schnell konstruiert und absurd.
 
Nun können die einen sicher musiktheoretisch begründen, warum das Eine, mit dem wahrscheinlich selbst bei Zwangseinflößung weniger als 1% der Bevölkerung etwas anfangen können, künstlerisch wertvoll ist und das andere eben Schrott.

Exakt - mit dem richtigen Phrasenschatz könnte man jeden nur auf dem Papier stimmigen Avantgarde-Käse eines letztrangigen Darmstadt-/Donaueschingen-Mitläufers in den Himmel loben und jeden guten Song daneben als kulturindustriellen Kack denunzieren. Aber die Zeiten sind - Gottlob! - vorbei, in denen das so ohne weiteres ging. Den Umschlag von Moderne in Modernismus hat schon der große Stichwortgeber, Adorno, konstantieren müssen, und wenn man Adorno dazu hätte bringen können, seine kaum analytisch zu nennende Betrachtung der späten Kurt-Weill-Songs (aus dessen Broadwaymusical-Zeit) auf das Phänomen Popsong zu übertragen, dann hätte er Deinen Worten zugestimmt:

Andererseits ist es eben vielleicht doch sehr schwierig einen Hit zu schreiben, den viele Menschen gut finden. Nach meinem letzten Infostand ist die Weltformel dazu noch nicht gefunden - jedenfalls für Leute wie Ed Sheran oder Lady Gaga, die sich selbst durchkämpfen mussten und normalerweise nicht mal am Pförtner eines Musiklabels vorbeigekommen wären. Das muss man ja auch mal anerkennen?!

Es läßt sich allerdings analytisch zeigen, worin sich Tiersen, Yiruma und Einaudi von anderen Easy-Listening-Größen unterscheiden. Tiersen ist der gröbste Pfuscher, der sich mit wenigen Dudelphrasen à la Philipp Glas begnügt, zu einer ebenfalls sehr einfallslosen Begleitung. In aufsteigender Reihe folgt Yiruma, dessen Musik halt an einer gewissen Kontrastarmut leidet. Der Beste ist zweifellos Einaudi. Er hat wirklich prägnante Einfälle; seine Stücke sind nur - bei identischem Material - einfach zu lang, was aber kein Problem ist, weil man ja nach dem ersten Drittel aufhören kann. - Es ist wirklich eine Kunst, und ich ziehe meinen Hut vor jedem prägnant und abwechslungsreich komponierten, dabei eingängigen Song, der auch nach x-maligem Hören noch nicht verbraucht wirkt.
 
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