Selbstoffenbarung beim Vorspiel

  • Ersteller des Themas JackyJoker
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Die Jüngeren unter uns kennen es vielleicht nicht, ich kann es mir an dieser Stelle also nicht verkneifen, Eugen Roth zu zitieren:

Der Kenner
Ein Mensch sitzt stolz, programmbewehrt,
In einem besseren Konzert,
Fühlt sich als Kenner überlegen –
Die anderen sind nichts dagegen.
Musik in den Gehörgang rinnt,
Der Mensch lauscht kühn verklärt und sinnt.
Kaum daß den ersten Satz sie enden,
Rauscht er schon rasend mit den Händen
Und spricht vernehmliche und kluge
Gedanken über eine Fuge
Und seufzt dann, vor Begeisterung schwach:
„Nein, wirklich himmlisch, dieser Bach!“
Sein Nachbar aber grinst abscheulich:
„Sie haben das Programm von neulich!“
Und sieh, woran er gar nicht dachte:
Man spielt heut abend Bruckners Achte.
Und jäh, wie Simson seine Kraft,
Verliert der Mensch die Kennerschaft.
 
Das klingt jetzt abstrakt, aber besser kann ich das auf die Schnelle nicht beschreiben.

Ich denke Du hast es sehr treffend beschrieben.

Deinen Beitrag habe ich mehrmals gelesen, weil er mich sehr beeindruckt und weil er meiner Ansicht nach beschreibt, wie man sich der Musik nähern sollte.

Beiträge, die mir wichtig sind, archiviere ich auf meiner Festplatte. Ich danke Dir für Deinen Beitrag, der soeben mein Archiv und beim Lesen mich bereichert hat.
 
@LMG danke für deine Erklärung!

@DonBos ich stelle mir gerade vor, wie jemand ein Atück auf deine Weise erarbeitet und dann im Klavierunterricht gesagt bekommt, dass er die Stelle "mit viieel mehr Gefühl" spielen muss.
 
@JackyJoker : Ich ruf kurz was dazwischen, vielleicht hilft es uns, zu sehen, dass mit einer Bemerkung eines Klavierlehrers "mit viiiel mehr Gefühl spielen!" das Richtige, aber auch totaler Quatsch gemeint sein kann.

Im folgenden Zitat fallen unter den Begriff "mannerisms" ( Manierismen ) alle unnötigen und exzessiven Bewegungen. Diese müssen, gemäß den Angaben des Klavierlehrers, den ich zitiere, diszipliniert werden. Das Zitat richtet sich also an KLAVIERLEHRER, also an gute und schon fertig ausgebildete Leute, ( und da Ihr alle sehr gut seid, teile ich es auch mit... )
Aber natürlich dürfen wir trotzdem nicht unflexibel und verhärtet / starr sein. Wir müssen jederzeit "explodieren" können und schlangengleiche, schnellste und effiziente, nützliche Bewegungen ausführen können.

Zitat also:

"You asked me whether I object to mannerisms. I very definitely object. The first time you try to discipline someone's excessive movements it seems to the person that his playing becomes less expressive. He expresses less, it is true, but NOT IN HIS PLAYING; he expresses less WITH HIS BODY. We should remember that we are not dancers, but pianists. I don't require that the pianist sit like a statue; we should not be tense or immobilized. We should feel comfortable and flexible. And of course some movements are necessary, such as reaching to either extreme of the keyboard.[...]"

Zitat Ende.

Meine ÜS:

"Sie fragten mich, ob ich gegen Manierismen bin. Das bin ich ganz bestimmt sehr! Das erste Mal, wenn Sie versuchen, jemandes exzessive Bewegungen zu disziplinieren, dann scheint es ihm so, dass sein Klavierspiel weniger ausdrucksvoll wird. Er drückt weniger aus, das stimmt, aber NICHT in seinem Klavierspiel; er drückt mit seinem Körper weniger aus. Wir sollten dran denken ( "uns dran erinnern" ), dass
wir keine Tänzer, sondern Pianisten sind. Für mich muss der Pianist nicht notwendigerweise wie eine Statue dasitzen; wir sollten nicht angespannt oder immobilisiert / "unbeweglich" sein. Wir sollten uns "angenehm" / "gut" / "gemütlich" und flexibel fühlen. Und natürlich sind einige Bewegungen notwendig, so wie z.B. nach weit rechts und links außen auf der Klaviatur zu langen.[...]

____

Was der Kernpunkt ist, ist m.E., dass nicht verwechselt werden sollte "unnötiger Ausdruck des Körpers" mit "Ausdruck im Klavierspiel, für den der genannte unnötige Ausdruck des Körpers ( exzessive Bewegungen ) N I C H T notwendig ist."

Leider werden aber meiner Ansicht nach, wie schon gesagt, bei vielen Klavierspielern solche exzessiven Bewegungen geradezu herangezüchtet. Dazu ein klares : VETO , zumindest von mir. Sowas dient nur zur unterschwelligen Beeinflussung möglicherweise bewertender Instanzen, es macht den Klavierspieler zum Subjekt von Wünschen und zum nicht selbstbestimmten Instrument.

LG, Olli
 
@DonBos ich stelle mir gerade vor, wie jemand ein Atück auf deine Weise erarbeitet und dann im Klavierunterricht gesagt bekommt, dass er die Stelle "mit viieel mehr Gefühl" spielen muss.
Meine Klavierlehrerin hat zwar auch manchmal die Phrase "mehr Gefühl" benutzt, aber die nie ohne Erläuterung stehen gelassen. "Mehr Gefühl" lässt sich nämlich definitiv immer konkreter beschreiben. Das hat dann je nach dem hervorzurufenden "Gefühl" etwas mit Zieltönen zu tun, oder mit leichten Temposchwankungen, mit der Ausgewogenheit der Stimmen, mit klarerer Herausarbeitung von Phrasenenden und Anfängen oder mit mehr oder weniger gut gelungenem legato/portato/staccato. Oder mit etwas ganz anderem. Aber: "zu wenig Gefühl" heißt eigentlich doch viel eher: "falscher oder unpassender Klang". Und wo der unpassende Klang herkommt, muss dann eben analysiert werden - was nicht immer wirklich einfach ist, aber prinzipiell schaffbar.
 
Schade, dass ich nicht schon früher an dieser Unterhaltung teilhaben konnte.
Im Moment frage ich mich, warum ich (und mit mir auch andere, ich weiß von einige , denen das auch furchtbar unangenehm war) das alles nicht wie hier beschrieben wahrgenommen habe (fehlende Reife, fehlende ausführliche Erklärung vom Klavierlehrer?), sondern tatsächlich als Selbstoffenbarung, als Darlegung meiner Person, so dass ich mich regelrecht weigerte, diese Stücke zu spielen.

Zusatz: das müsst ihr mir aber nicht erklären. Es ist schon lange er, heute ist alles gut und ich denke selbst noch ein bisschen nach.
 
mal ein anderer Ansatz: egal ob vor 100, 15 oder 0 Jahren, wenn in den Noten con gran esspressione, con summa passione, esspressivo steht, dann sind damit durchaus bekannte tradierte Bedeutungen gemeint, und sie beziehen sich auf die so darzustellende Musik, nicht auf ihren Interpreten.
Wenn also irgendeine Musik erkennbar beim Hörer als dolente, doloroso etc. ankommt, dann ist das ok - zwei Fehlschlüsse aber wären, dass Hörer meint, der Spieler habe gerade Magenkrämpfe, oder dass der Spieler meint, der Hörer würde ihm Magenkrämpfe attestieren, weil die Musik gerade doloroso klingt.
 
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Wenn also irgendeine Musik erkennbar beim Hörer als dolente, doloroso etc. ankommt, dann ist das ok - zwei Fehlschlüsse aber wären, dass Hörer meint, der Spieler habe gerade Magenkrämpfe, oder dass der Spieler meint, der Hörer würde ihm Magenkrämpfe attestieren, weil die Musik gerade doloroso klingt.

Bitte ziehen in Betlacht was gesagt hätte Detective Sidney Wang in belühmte Film "eine Leiche zum Desselt":

"Bitte ziehen in Betlacht Intelligenzquotient von Hölel und Spielel: Fehlschluss Nummel dlei dann:
Klavielspielel tun so als ob haben Magenklampf, abel spielen dennoch nicht dololoso - tlotzdem Hölel denkt, Spiel ist dololoso! Das Falsch. Spielel von außen gefüllt mit keinem Gefühl - spielen nul innen dololoso fül Hölel. das lichtig."

:-D:-D:-D

LG, Lionel Twain.
 

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