Riß im Gußrahmen - was tun?

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Hallo miteienander,

vielen Dank für die Ratschläge - ich habe nicht damit gerechnet, daß ein so kleiner Riß eine so große Diskussion auslösen würde.

Ich bin mir sicher, daß der Riß schon sehr lange unbemerkt vorhanden ist und weil er sich bisher nicht unangenehm bemerkbar macht, soll er da bleiben. Nur auf 440 Hz lasse ich nicht stimmen.

Das Klavier hat einen tollen Klang und ist auch optisch bestens erhalten, es wäre schade darum, aber wenn es Probleme gibt - nebenan steht ein schöner Flügel, und somit wäre das Aus für das Klavier nicht die Katastrophe.

Also nochmal vielen Dank und einen schönen Sonntag!

LG

Pennacken
 
Ich bin mir sicher, daß der Riß schon sehr lange unbemerkt vorhanden ist und weil er sich bisher nicht unangenehm bemerkbar macht, soll er da bleiben. Nur auf 440 Hz lasse ich nicht stimmen.

Das Klavier hat einen tollen Klang und ist auch optisch bestens erhalten, es wäre schade darum, aber wenn es Probleme gibt - nebenan steht ein schöner Flügel, und somit wäre das Aus für das Klavier nicht die Katastrophe.

So soll es sein. Amen. :)
 
Als Garantieleistung müsste ich höchstens für Ersatz sorgen, welcher Flügel hat soll den Wert eines Häuschen haben...das ist geradezu lächerlich...
Und ob ich eine Reparatur annehme oder nicht, entscheidet sich von Fall zu Fall - verpflichtet bin ich dazu ja wohl kaum.
Als erfahrener Handwerker muss man auch die Eier in der Hose habe, eine Reparatur abzulehnen, wenn man weiß, dass man diese nicht durchführen kann, oder diese aus anderen Gründen nicht ausführen will....

Stimmt alles. Nichts dagegen einzuwenden.

Es gibt alte Bösendorfer mit kunstverzierten Gehäusen, die mit >250.000 USD gehandelt werden sollen, angeblich. (Aber graugrau ist alle Theorie.. das ist auch nicht meine Baustelle.)
 
Mach dich mal bissl kundig zur Schweißfachtechnik. Wozu gibt es denn dann Elektroden, mit denen man Grauguss schweißen kann, hm?
Offenbar ist Dir in meinem Post das Wort "Konstruktivschweißung" entgangen d. h. das bedeutet ein Verbot von Schweißungen im Rahmen einer Neufertigung von Graugußteilen ausgenommen der erwähnten Lunkerbeseitigung.
Damit wollte ich zum Ausdruck bringen, daß man bei einer Reparaturschweißung (die natürlich möglich ist) keine Sicherheit hat ob die Schweißstelle hält bzw. sich nicht trotz aller vorbeugenden Maßnahmen ein Riß an anderer Stelle bilden kann.

Und nun Schluß mit der Schweißereigeschichte denn die steht im konkreten Fall beim Klavier von Kollegen Pennacken sowieso nicht zur Debatte.
 
Bzüglich Gußplatte schweißen habe ich mich mal mit einem Metallbauingineur unterhalten. In Anbetracht dessen daß die Gußplatte bis zu 20t Zugkraft aushalten muß, sind wohl herkömmliche Schweißverfahren nicht erfolgsversprechend. Zwar würde würde die Schweißnaht an sich halten, jedoch sind die Schwachstellen dann neben der Schweißnaht wo es zu thermischen Unterschieden kommt.
Um eine Gußplatte erfolgreich schweißen zu können, müsse sie zu vor auf weit über 1000° erhitzt werden und nach dem Schweißvorgang langsam runterkühlen.

Viele Grüße

Styx
 
Also wenn ich hier auch mal meinen Senf dazugeben darf,
grundsätzlich kann man Guß schweißen, die Frage ist, ob es sich lohnt und erfolgversprechend ist. Es gibt zwei Möglichkeiten,
1. Gußeisenwarmschweißung, hier wird mit artgleichem Zusatzwerkstoff geschweißt, diese Art ist die erfolgversprechendste aber auch aufwendigste. Da der Temperaturanstieg wie auch die Abkühlung nicht schneller als 50K/Stunde erfolgen sollte, dauert die Schweißung rund 2 Tage. Hierzu muß der gesamte Rahmen aufgeheizt werden, das geht natürlich nicht mit dem umliegenden Holz.
2. Gußeisenkaltschweißung, hier wird mit artfremdem Zusatzwerkstoff geschweißt (Nickel-Elektroden). Kaltschweißung bedeutet, dass nicht das gesamte Bauteil erwärmt wird. Beim Schweißvorgang selber wird schon die Schmelztemperatur erreicht. Es reicht aber nicht aus, einfach die Elektroden abzuschmelzen, nach jeder Lage muß auch noch gehämmert werden um die örtlich eingebrachten Spannungen zu verringern. Dieses Verfahren beherrscht nicht jeder Schweißer, er sollte auch eine Ausbildung dazu haben (Prüfung für Gußeisen nach DVS-Richtlinie). Die Gußeisenkaltschweißung ist eher der Versuch. Eine Garantie sollte man nicht dafür übernehmen, schon gar nicht bei alten Gußrahmen, wo die Zusammensetzung mehr dem Zufall überlassen wurde. Bei neueren Gußrahmen wird diese Reparaturmethode mit Erfolg eingesetzt, da weiß man aber genau, wie der Guß beschaffen ist.
Für beide Verfahren gilt, eine vernünftige Schweißnahtvorbereitung. D.h. Abbohren des Rißendes sowie Herstellen einer Schweißnahtfuge. Einfach nur rüberbraten bringt keinen Erfolg.
Ich würde von beiden Varianten abraten. Die erste ist zu teuer, die zweite zu riskant.
Was den besagten Riß angeht, wäre die Frage, wann er denn entstanden ist. Ist es ein Schwundriß, der schon bei der Herstellung eingetreten ist? Wenn ja, hat das Klavier bisher seinen Dienst versehen und wird es auch weiterhin tun. Also alles so belassen.
Wenn nein, würde ich nicht schweißen, sondern klammern und mit Metallkleber arbeiten.
Wenn es mein Klavier wäre, würde ich die Rißenden abbohren und abwarten.
(Für 90 Jahre Klavierbau – natürlich alles nur aus metallurgischer Sicht ;))
Gruß,
Tastensucher
 
Hallo.
Nun klinke ich mich auch mal wieder in diesen spannenden Faden ein.
Ich plädiere ausdrücklich dafür, Gussplattenrisse immer, von sehr seltenen Ausnahmen abgesehen, so zu lassen wie sie sind. Kein Schweißen, kein Sonstwas.

a) Riss-Klassiker, wie z. B. die bei den Bechsteinflügel-Diskantstreben, folgen immer einem Kraftvektor, der von dem erahnbaren Vorkipp-Moment des Stimmstockes ausgeht. Sie können aber nicht durchbrechen, da sie mit ihrem regelmäßig noch intakten Anteil den Stimmstock wirksam daran hindern, vorzukippen. Ich kenne fast keine alten Bechtein-Flügel ohne mindestens einen dieser Diskantspreizenknackse, und ich kenne keinen einzigen, der deswegen Stimmhalteprobleme oder sonstige Haltbarkeitsprobleme hätte. Ich kenne auch viele andere Flügel und Klaviere mit vergleichbaren Anrissen, durch die die Stabilität nicht wirklich gemindert, u. U. sogar gefördert wird.

b) Wenn eine Strebe oben (Flügel) oder vorn (Klavier) aufbricht, dann wird sie sich, in Abhängigkeit von wachsender Spannung, weiter öffnen oder ganz durchbrechen. Eine solche Strebe, wenn sie denn unbedingt repariert werden soll, müsste so umkonstruiert oder mit Zusatzelementen gestützt werden, dass sie dem Kraftvektor nach oben/vorn nicht mehr nachgeben kann. Alles andere wäre lediglich Schwachstellen-Verschleierung und mithin eine ernstliche Anfrage an die Seriosität.

c) Ein Riss, wie der von pennacken eingangs gezeigte, sollte quasi als Sprach-Äußerung des Klavieres "gehört" und verstanden werden. Man tut sicher gut daran, z. B. die Verleimungen des Instrumentes gut im Auge zu behalten, und ggf. auch an Reparatur- und Stützmaßnahmen der Verbindungen von Stimmstock, Raste und Gehäuse zu denken. Oder eben, wie von pennacken getan, das Thema der Stimmanhebung besonders bedachtsam anzugehen. Der Riss, solange er sichtbar bleibt, wirkt dabei stets als Erinnerungsstütze. Ist ja nichts Schlechtes.

d) Generell wird es m. E. Zeit, Plattenbrüche dem Nimbus der finalen Grässlichkeit zu entheben und sachlicher Nüchternheit zuzuführen.
Ich sehe diese Skalierung, vorschlagsweise:
- Tödliche Brüche (Belastbarkeit nicht gegeben bzw. zerstört)
- Warnende Brüche (Belastbarkeit fehlerhaft, Handlungbedarf)
- Unkritische Brüche (Belastbarkeit wird ausgeglichen, kein Handlungsbedarf)

Mal sehen, ob sich hier unsere Sichtweisen aufeinander zu bewegen...

Gruß
Martin
 
Also mir sind die Diskantspreizenrisse bei Bechstein i.d.R nur vom A Modell bekannt - der Stimmstock ist einfach etwas zu schwach ausgelegt.

Diese Aussage erstaunt mich etwas.
Die Plattenrisse ziehen sich bei Bechstein durch nahezu alle Baureihen v.A. der Jahren von etwa 1902-ca. 1915.
Die Modelle vor 1902 mit der eckigen Zarge sind nicht signifikant betroffen.
Ich bilde mir ein, dass der "A" als einziger 85-Tasten-Flügel sogar wenige betroffen ist als z.B. der B.
 
Das die 3 Ecker weniger betroffen sind liegt daran, dass diese Bauarttechnisch etwas massiver waren. Interessant wie unterschiedlich die Wahrnehmung/bzw. die Erfahrung ist. Weder bei Bechstein noch sonst habe ich viele B getroffen, L, M,C und E bzw. EN gar nicht...A aber oft....
... die gingen anscheinend in den Export :D
in Berlin blieben nur die gebrochenen A übrig :cool:

LG
Michael
 
Hallo,

könnte vielleicht noch einer der Bechsteinspezialisten die typische Rissstelle erklären oder einzeichnen, so dass ich beim nächsten Testspielen von alten Bechsteinen weiß, worauf ich achten muss?

Danke, Ka8

BechsteinAPlatteDiskant.jpg
 
Es sind also drei potenzielle Stellen. Vielen Dank 90JKB
 

Hallo h.h.,

auch hierfür danke. Ist doch wirklich interessant, dass wir auch hier nochmal eine andere Meinung haben zur Häufigkeit der Risse bei den verschiedenen Modellen.

"In my experience the cracked plate affects about 50% of all Model B, Model C and Model V grand pianos which date from the 1800s into the first couple of decades of the 1900s. Some of the Model V grands don't actually say "Model V" on them but you can spot one as it is 6ft 6in or 6ft 7in in length and has the "fishtale" style of back end instead of the more modern smooth curved cabinet design. I found that the Bechstein Model D and the Model E (larger grands) tend not to be affected quite so much. The same goes with the smaller Bechstein Model A which is also not usually cracked."
 
Schau mal hier, wenns nicht reicht, mach ich noch ein paar Bilder mehr!
 
Hab ich auch gedacht!
Bei den bekannten Rissen aus der Familie Bechstein kennt man sie wohl eher anders rum ...
 
Der Betrieb heißt Pianova, Sitz in Mülheim an der Ruhr und in Großefehn, Emsland. Einer der beiden Inhaber, Michael Sund, Klavierbaumeister, hat mir mal recht genau erklärt, was sie da tun (lassen) im Falle eines Bechstein-Rahmenrisses, und für mich, der Gussteile außer in Klavieren und Flügeln auch aus dem Maschinenbau kennt, hörte sich das kundig und schlüssig an. Anfrage bei Pianova, am besten in Mülheim beim Mick Blümke.
 
ich habe einen 180er von ca 1880, mit zwei (An)Rissen im Diskantbereich. Die sind aber stimmtechnisch völlig unproblematisch.
Grüße
Toni

Wenn die Risse stimmtechnisch unproblematisch sind, würde ich nichts ändern? Ich bin kein Klavierbauer, aber ich verdiene mit der Schweißtechnik meine Brötchen.
Ein Grundsatz beim Schweißen ist:
Die beste Schweißkonstruktion ist die, wo am wenigsten geschweißt wird.
Mit dem Schweißen bringst Du nur Spannungen und Verzug rein. Wenn der Guss von 1880 ist, kommen weitere Risiken dazu, da die Zusammensetzung des Gusses sehr unterschiedlich sein kann. Sicherlich, mit Nickelelektroden kann man fast alles schweißen, aber man muss es auch können. Im Beitrag 26 habe ich Einiges dazu geschrieben.

Gruß,
Tastensucher
 

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