Riss im Gussrahmen, was ist mein Blüthner noch wert?

Gewagte Theorie. Bei 1800°C befinden wir uns längst in der Schmelze (oberhalt Liquidustemperatur). Hier das Fe-Fe3C-Zustandsdiagramm:

Ist ja richtig, nur ein Gußrahmen eines Flügels ist keine alte Klooschüssel oder Badewanne wo stinknormaler Grauguß ausreicht - so eine Gußplatte muß 20 t Zugkraft (beim Aliquoter wahrscheinlich noch mehr) aushalten können. Hier hast Du komplexere Eisengußlegierungen (zBsp. mit Titan), welche eine wesentlich höhere Schmelztemperatur erfordern.

Viele Grüße

Styx
 
einen Vorkriegsblüthner auf 442 Hz hochzujagen ist schon etwas sträflich, insbesondere beim Alliquoter.

Hallo Styx,
das waren ja auch meine zusätzlichen Fragen, könnte die hohe Stimmung der Grund für den Riss sein, würde es dem Flügel gut tun, ihn niedriger zu stimmen?

Zu Blüthner Leipzig: Die konnten mir bisher noch nichtmal mitteilen, ob es noch technische Daten zu meinem Flügel gibt.

Grüße
 
Hallo Styx,
das waren ja auch meine zusätzlichen Fragen, könnte die hohe Stimmung der Grund für den Riss sein, würde es dem Flügel gut tun, ihn niedriger zu stimmen?

Eine Gußplatte kann durchaus durch eine zu hohe Stimmung zu Bruch gehen, ob es bei Deinem Flügel der Fall war, kann ich nicht beurteilen, das müßte ein Sachverständiger vor Ort untersuchen.
Und ja, mit einem solchen Schaden sollte das Instrument besser tiefer gestimmt sein, durch höhere Stimmungen erhöht sich die Zugkraft und belastet die Gußplatte zusätzlich.

Viele Grüße

Styx
 
Moin Jörg,
in welcher Gußplattengießerei arbeitest Du denn ? Aber wenn Du Dich schon so gut auskennst, verate mir doch mal bei welcher Schmelztemperatur eine Eisen-Titan-Kohlenstofflegierung liegt. :lol:

Lindner Klaviere sind für ihre abenteuerlichen Konstruktionen bekannt, erlebt man auch häufiger mit Alugußplatten, aber auch hier kannst koa reines Al nehmen, des ist zu weich, des biegt sich weg. Ich vermute mal diesen Al Gußplatten wurden neben C noch mit Cu legiert so daß die Legierung mehr in Richtung Aluminiumbronze geht, welche sich durch recht hohe Festigkeit auszeichnet. Man könnt natürlich Al auch mit Au legieren (wenn des mal ned so schweinstteuer wäre) - Lila Gold ist eine Legierung höhchster Festigkeit welches sich kaum noch bearbeiten läßt.
Aber zurück zur Gußplatte - natürlich gab es da in der Vorzeit auch wesentlich einfachere Konstruktionen, das geht los vom Gußschuh bis hin zu auseinandernehmbaren Gußstützen. Nur abgesehen von einer sehr viel nidrigeren Mensurberechnung (und den damit verbundenen schwächeren Ton) sind solche Instrumente etwas Wartungsintensiver was die turnusmäßigen Stimmungen anbelangt - und für eine Tonhöhe von 440Hz oder gar noch höher waren die schon garnicht konzipiert. Allerdings waren auch die älteren Vorkriegsblüthner auf eine Tonhöhe von 435 (870) Hz konstruiert, wobei die meistenteils schon noch 440Hz aushalten.
Aber Gußplattenbruch durch zu hoch stimmen; ich hatte eine Zeitlang mal einen alten generalüberholten Bechstein C in Betreuung welchen ich konstant auf 438 Hz stimmte (eine Tonhöhe wo durchaus andere Instrumente noch mitspielen könnten) - der Veranstalter bestand permanent auf eine Tonhöhe von 444 Hz, da ich mich weigerte beauftragte er dann einen anderen Kollegen welcher ihm wunschgemäß das Instrument auf 444Hz hochstimmte und dem armen Bechstein damit dem Garaus machte; die zwei mittleren Längstreben zeigten ein ähnliches Bild wie bei dem hier abgebildeten Blüthner. Das Instrument war nun selbst auf 435 Hz nicht mehr ordentlich stimmbar :cry:

Viele Grüße

Styx
 
Moin Asru,

mir fällt da noch etwas ein, ruf doch mal bei Blüthner in Leipzig an, sag ihnen die Seriennummer Deines Instrumentes, und frag mal nach ob sie vielleicht eine passende Gußplatte dafür hätten - es ist nicht auszuschließen daß sie noch alte Bestände haben.
Das wäre mir ganz neu! Ich habe noch nie von einem Tauschrahmen gehört, außer die Story von Rubinstein, der aber nicht dabei war als ihm die Platte getauscht wurde..
Du meinst also, ich könne eine Platte eines anderen Flügels oder eines vielleicht extra nach Muster angefertigten XD nehmen? Ich frage deshalb, weil da bestimmt Anfragen kommen werden. Ich hab da einen Plattenbruchflügel, der sonst ganz gut in Schuss ist und nun hab ich einen grottenschlechten gleichartigen Flügel, nur ohne Plattenbruch gekauft. Könnten sie mir bitte die Platte von dem Einen in den Anderen einbauen?
Also ich kann das nicht bzw. würde ich daran verzweifeln. Wenn Du das kannst, komme ich gerne und filme das. :-D

LG
Michael
 
Naja Micha,
mir ist jetzt auch bloß die Geschichte von Rubinstein bekannt, wobei ich des S&S durchaus zutraue, haben sich doch ihre Modelle bis heute nicht geändert - was ich selbst erlebte, in einem S&S B Baujahr so um die Jahrhundertwende schien mir eine komplett neue Mechanik darinnen, selbst der Resonanzboden machte keinen alten Eindruck.
In sofern wäre es vielleicht auch durchaus denkbar daß das Blühtner noch irgendwo eine passende Platte haben könnte...aber das ist natürlich alles hyphotetisch.
Ich weiß nur von einem einzigen Plattenbruch welchen wir mal in Berlin bei einem Grotrian beizukommen versuchten (dieser war allerdings mittig in der Längststrebe gebrochen) wir haben den mit einem Gußflunsch verschraubt und zusätzlich mit Epoxydharz verklebt - zwar war der Flügel wieder auf 440Hz stimmbar, aber es war ein unheimlicher Arbeitsaufwand, sah häßlich aus und er brauchte auch halbjährlich eine Stimmung - auch wenn der Bruch nun stabilisiert wurde, es war immer noch ein kleiner Schwachpunkt an der Stelle.

Viele Grüße

Styx
 
Da du der Einzige bist, der diese wundersame Eisen-Titan-Kohlenstoff-Legierung, die wohl in den Glutöfen des Hades gekocht und zu Platten gegossen wird, kennt, werde ich deren Schmelztemperatur wohl nur herausbekommen, wenn ich zu dir in die metallurgische Unterwelt hinabsteige und nachmesse.

och, so tief brauchst gar ned hinab zu steigen, entsprechende Titanlegierungen sind auch durchaus üblich im Werkzeug, Fahrzeug, Maschinen und Schiffsbau
:rauchen:

Viele Grüße

Styx
 
och, so tief brauchst gar ned hinab zu steigen, entsprechende Titanlegierungen sind auch durchaus üblich im Werkzeug, Fahrzeug, Maschinen und Schiffsbau

Du kannst Stahl legieren mit was immer Du willst – spätestens bei 1.600 °C ist das Zeug flüssig. Der Schmelzpunkt von Grauguss liegt sogar weit darunter – ungefähr bei 1.150 °C.

Und in Stählen wird Titan ohnehin nur als Mikrolegierungsbestandteil verwendet, mit einem Massenanteil von weniger als 0,1%. Der Schmelzpunkt des Materials ändert sich dadurch überhaupt nicht. Eine Gussstahl-Legierung mit Titan-Anteil ist mir auch nicht bekannt – wozu sollte das auch gut sein? Gussstahl lässt sich nicht umformen, und wo man besonders hohe Zugfestigkeiten braucht, ist Grauguss das völlig falsche Material.

Grüße, Jörg
 
Du kannst Stahl legieren mit was immer Du willst – spätestens bei 1.600 °C ist das Zeug flüssig. Der Schmelzpunkt von Grauguss liegt sogar weit darunter – ungefähr bei 1.150 °C.

Schon etwas seltsam - warum hat man uns dann in Materialkunde verzählt "der flüssige Grauguß würde mit einer Temperatur von 2100° in die Sandform eingebracht und langsam auf 1000° runtergekühlt werden?"
Dann hätt uns doch der Lehrkörper verarscht?

Viele Grüße

Styx
 
Schon etwas seltsam - warum hat man uns dann in Materialkunde verzählt "der flüssige Grauguß würde mit einer Temperatur von 2100° in die Sandform eingebracht und langsam auf 1000° runtergekühlt werden?"
Dann hätt uns doch der Lehrkörper verarscht?

Viele Grüße

Styx

Nein, niemand hat euch verarscht. Natürlich muss man das Material beim Gießen weit höher erhitzen als genau bis zum Schmelzpunkt, sonst würde der Guss augenblicklich erstarren, wenn er in die kalte Sandform einläuft. Außerdem muss er so lange wie möglich in der Form heiß und flüssig bleiben, damit sich ein gleichmäßiges Temperaturgefüge einstellen kann und keine Spannungsrisse beim Erkalten auftreten. Das ist ja auch der Grund, warum man das Werkstück erst nach einer Woche wieder "ausgräbt".

Grüße, Jörg
 
Nein, niemand hat euch verarscht. Natürlich muss man das Material beim Gießen weit höher erhitzen als genau bis zum Schmelzpunkt, sonst würde der Guss augenblicklich erstarren, wenn er in die kalte Sandform einläuft. Außerdem muss er so lange wie möglich in der Form heiß und flüssig bleiben, damit sich ein gleichmäßiges Temperaturgefüge einstellen kann und keine Spannungsrisse beim Erkalten auftreten. Das ist ja auch der Grund, warum man das Werkstück erst nach einer Woche wieder "ausgräbt".

Ach so - ja, des leuchtet ein, hab ich des wohl mißinterpretiert - aber i bin ja koa Metaller ned :puh:

Ja, dann könnt des natürlich scho sein, daß die Gußplatte bei 1800° arg wabbelig wird, aber dann müßt sich ja der Bruch dann wieder von alleine zusammenfügen? Dumm nur, daß die Platte dann wohl anschließend ihre Maße geändert hat, und wohl nimmer so recht in den Flügel paßt :-D

Aber bezüglich Legierungen - so wurde mir auch zugetragen daß wohl die Gußplatten nicht aus reinem Grauguß bestehen, sondern weitere Legierungen wie zum Beispiel Titan aufweisen, insbesondere die Sowjets haben wohl entsprechende Titanlegierungen in ihren Gußplatten verschwendet - bedauerlich nur daß die Klaviere und Flügel wie "Roter Oktober usw." ansonsten nicht so berauschend waren.

Viele Grüße

Styx
 

Mir kommt es auf ersten Blick seltsam vor, dass der Flügel 12 Jahre lang seine Stimmung gehalten hat. Es ist schon möglich, dass der Flügel jetzt zur feuchten Sommerzeit wieder in der Gegend von 442 Hz ist. Wie es sonst ausschaut (Temperatur, Chorreinheit) lässt bei mir nur Vermutungen zu.

Der Riss an dieser Stelle kommt vermutlich durch eine Zugbelastung. Die Kräfte der Saiten würden den Rahmen an dieser Stelle eher auf Druck beanspruchen. Die Zugbelastung könnte durch zu große Feuchtigkeit entstanden sein, wenn sich das Holz des Rastens übermäßig dehnt und die verzogene Gussplatte eh schon unter Spannung montiert ist. Hier sind dann auch noch weitere Schäden nicht auszuschließen.

Flügel in so einem Zustand kann man guten Gewissens verschenken wenn, sie gespielt werden sollen (Schule örtliche Kneipe,...) Verkaufen guten Gewissens nur als Deko oder Möbelstück.
 
Das wäre mir ganz neu! Ich habe noch nie von einem Tauschrahmen gehört, außer die Story von Rubinstein, der aber nicht dabei war als ihm die Platte getauscht wurde..
Du meinst also, ich könne eine Platte eines anderen Flügels oder eines vielleicht extra nach Muster angefertigten XD nehmen? Ich frage deshalb, weil da bestimmt Anfragen kommen werden. Ich hab da einen Plattenbruchflügel, der sonst ganz gut in Schuss ist und nun hab ich einen grottenschlechten gleichartigen Flügel, nur ohne Plattenbruch gekauft. Könnten sie mir bitte die Platte von dem Einen in den Anderen einbauen?
Also ich kann das nicht bzw. würde ich daran verzweifeln. Wenn Du das kannst, komme ich gerne und filme das. :-D

Michael, so ganz verstehe ich das Problem jetzt nicht. Sooo unterschiedlich sollten die Platten aus einer Baureihe ja nicht sein. Nehmen wir einmal an, in der Fabrik zerstört jemand die Gussplatte durch zu hohes Hochzwicken (ist bereit mal in echt vorgekommen). Was sollte nun dagegen sprechen, eine andere Gussplatte da einzubauen? Klar ist das erneute Arbeit mit Anpassen der Platte. Aber das muss man ja eh immer machen.
 
Michael, so ganz verstehe ich das Problem jetzt nicht. Sooo unterschiedlich sollten die Platten aus einer Baureihe ja nicht sein. Nehmen wir einmal an, in der Fabrik zerstört jemand die Gussplatte durch zu hohes Hochzwicken (ist bereit mal in echt vorgekommen). Was sollte nun dagegen sprechen, eine andere Gussplatte da einzubauen? Klar ist das erneute Arbeit mit Anpassen der Platte. Aber das muss man ja eh immer machen.
Es gibt keine zwei gleichen Rahmen, wie es keine zwei gleichen Stückchen Holz gibt. Jeder Rahmen ist anders "verworfen" je nach Lagerung. Und selbst wenn sie am gleichen Tag gegossen und ähnlich gelagert wurden gibt es Differenzen von locker 5 mm und mehr in der Verwerfung. Und wenn der Rahmen dann auch noch händisch gebohrt wurde, kann man von weiteren Differenzen bei den Bohrlöchern ausgehen. Wenn man beispielsweise eine Platte für eine Resonanzbodenreparatur heraus schraubt, kommen die Schrauben auf eine Schablone, damit später jede wieder in ihr angestammtes Loch findet. Das macht man nicht aus Jux, sondern weil sie nur dort genau passend sind, auch wenn alles sehr ähnlich ausschaut. Die Stege werden von Werk aus genau nach Maß dieser speziellen Platte gehobelt. Dazu wird der Rahmen eingebaut und fest verschraubt, dann Maß genommen. Wenn man später eine andere einbaut, ist man vielleicht irgendwo in Timbukto mit dem Stegmaß. Selbiges gilt für die Rahmenauflage und auch mit dem Stimmstock. Sollte man die Arbeit doch irgendwie vernünftig hin bekommen, so hat man Glück gehabt und die Konstruktionen waren unterstützend für die Arbeit. Bei einem Blüthner hat man eher Pech gehabt..

LG
Michael

P.S. Nennt mir eine Firma, bei der man eine Platte bestellen kann!
 
Ich könnt mir vorstellen daß diese Firma auch Aufträge annehmen täte: http://www.rexze.de/index.htm
Einfach mal anfragen.

Viele Grüße

Styx
Neubau... Ich könnte einen alten Rahmen her nehmen und drum herum ein neues Instrument aufbauen. Das ginge einfacher..
Doch um was gehts hier? Man kann keinen Rahmen bestellen als Ersatzteil. Wie gesagt, das wäre auch höchst unlogisch, so wie Klavierbau nun mal funktioniert. Kein Rahmen passt ins nächste Instrument, wie ich schon beschrieben habe. Vielleicht die computergesteurten in CNC-Fräsen bearbeiteten Dinger - und selbst da zweifle ich dran.
Es passt auch keine Mechanik ins nächste Instrument. Gehe mal zu Steinway, lass Dir von einem B Flügel die Mechanik ausbauen und versuche sie im nächsten B Flügel einzuschieben und dann zu musizieren. Das ist alles Handarbeit! Natürlich könnte man eine andere Mechanik einbauen, ABER die passt dann wieder in kein anderes Instrument.

LG
Michael
 
Gehe mal zu Steinway, lass Dir von einem B Flügel die Mechanik ausbauen und versuche sie im nächsten B Flügel einzuschieben und dann zu musizieren.

Ein ähnliches Gerücht kursiert "S&S wechsle komplett alte Mechaniken einfach gegen komplett neue Mechaniken aus" - fänd ich bemerkenswert, geht nämlich bei anderen Flügeln nicht. Ich bin allerdings auch eher geneigt zu denken, daß die neue Mechanik vor Ort am alten Instrument montiert wird. Was ich mir allerdings vorstellen kann, daß S&S für ihre Instrumente durchaus passende Gußplatten hätten. im Gegensatz zu anderen Herstellern bauen sie ja nicht den Rim um die akustische Anlage drum rum, sondern umgekehrt, was für mich den Schluß mutmaßen läßt, daß die Gußplatten schon alle identische Maße haben müßten.

Natürlich meinte ich auch nicht daß man bei der mir angegebenen Fabrik sich einfach mal eine fertige Gußplatte bestellt, das kann natürlich nichts werden, jedoch könnte man vielleicht eine nach den vorgegebenen Maßen anfertigen lassen - frag mich aber jetzt bittschön ned was die Sache kost :lol:

Viele Grüße

Styx
 
...
Es passt auch keine Mechanik ins nächste Instrument. Gehe mal zu Steinway, lass Dir von einem B Flügel die Mechanik ausbauen und versuche sie im nächsten B Flügel einzuschieben und dann zu musizieren. Das ist alles Handarbeit! Natürlich könnte man eine andere Mechanik einbauen, ABER die passt dann wieder in kein anderes Instrument.

LG
Michael

Hi,

Wie verhält es sich dann mit Krystian Zimmerman, der angeblich nur noch die Mechanik
des Flügels mitführt, weil der amerikanische Zoll seinen Flügel mal wegen verdächtigen chemischen Gerüchen geschrottet hat?
Gerücht, oder ist das dann was anderes?
Siehe z.B.:
http://www.tagesanzeiger.ch/kultur/...en-Fluegel-in-die-Luft-fliegen/story/29723145

Grüße,
André
 

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