Liszt h-moll Sonate vs. Dante

Gibt's hier gerade irgendein Spiel "Laien uebertrumpfen sich mit ehrgeizigen Vorhaben"? Liszt h-moll-Sonate, Rachmaninov Paganini-Variationen, Beethovens Appassionata, Brahms Trio... ja,ja wer ko der ko...wie waere es mit Ligeti-Etueden (L'escalier du diable und Desordre?) Wahrscheinlich kriege ich gerade den absoluten Neidkomplex :cry2:, aber Beehovens Pastoralsonate ist auch schoen :zunge:. Oder Johann Adolf Hasse :teufel:. Ich haette ja auch gern ein Trio, und wenn es "nur" Haydn oder Hoffmeister ist, hauptsache die Leute spielen sauber, ausdrucksvoll und wollen tatsaechlich auch ueben und nicht nur was semiprofessionell "runterreiszen" (darunter leide ich gerade).

Naja, viel Spasz und viel Geduld mit den Stuecken wuenscht
Jannis
 
Je mehr ich an der Sonate übe, umso überzeugter bin ich davon, dass ich es schaffen werde. Das hatte ich bei der Dante nicht bzw habe gemerkt, dass sie mir nicht ganz so gut liegt
 
Irgendwie glaube ich, dasz ich mich (natuerlich) nicht ganz klar ausgedrueckt habe. Sebstverstaendlich kann jeder ueben, spielen was auch immer er will, auch im Konzert. Ob dann die Hoerer weglaufen, ist eine andere Frage :teufel:. Was mich aber manchmal erstaunt, ist die ewige Diskussion unter Laien, ob etwas "machbar" ist. Es gibt einen thread ueber "machbare" Klaviertrios. Klar, sie sind alle machbar!! Sie wurden alle geschrieben, um gespielt zu werden. Es gibt auch bestimmt Menschen, die sie gespielt haben oder spielen. Die Frage ist natuerlich immer, mit welchem zeitlichen Aufwand und was dabei fuer einen potentiellen Hoerer herauskommt.
Ich kann jetzt als Laie zwei Wege gehen: (i) Moeglichst viel Musik am Klavier zu studieren, zu ueben, ohne eine gewisse Auffuehrbarkeit zu erreichen, also ohne die "Weglaufgrenze" der Hoerer hinter mir zu lassen. Ich studiere dann zu meiner Freude die Musik, erhalte tiefere Einsichten und kann sie im Konzert als Hoerer umso mehr genieszen.
(ii) Ich will die "Weglaufgrenze" hinter mir lassen. Dann ist der Aufwand fuer ein Stueck natuerlich recht hoch. Bei der h-moll-Sonate ist der Aufwand sehr hoch. Ich habe die Sonate oft beim ARD-Wettbewerb gehoert. Sie kann, obwohl die meisten Noten getroffen werden, wegen ihrer Laenge fuer die Zuhoerer eine rechte Qual sein: Wenn sie zerfaellt, wenn die klangliche Realisierung zu wuenschen uebrig laeszt, wenn sie sich nur in "Schreien" und "Fluestern" ergeht, wenn sie chaotisch gespielt ist, so dasz man den sehr komplizierten Aufbau gar nicht mehr nachvollziehen kann, wenn sie uebertrieben "bemueht", "angestrengt" gespielt wird, wenn sie einfach uebertrieben "schmalzig" in den lyrischen Stellen gespielt wird. Kurz, die "Weglaufgrenze" ist recht hoch, aber ja, machbar ist sie!
Ich musz mir leider von Kammermusikpartnern zur Zeit immer wieder anhoeren, alles sei ja machbar, aber sie spielen echt weit unter der "Weglaufgrenze" und es verbessert sich nichts. Was hilft es dann, wenn sie es fuer sich machbar halten? Es musz ja schon auch realisiert werden.

Ich kann echt Deine Faszination der Sonate gut nachvollziehen. Studiere sie, liebe sie, kaempfe mit ihr, raufe Dich mit ihr zusammen, vielleicht ein Jahr, vergisz sie und grabe sie wieder aus, studiere sie nochmals, vermehre Deine Liebe, spiele sie dann einer kompetenten und ehrlichen Person vor und ueberlege vorsichtig, ob Du wirklich ueber der "Weglaufgrenze" bist. Was willst Du bitte "schaffen", die Noten zu lernen? Das ist zu wenig, viel zu wenig. Wenn Du eine faszinierende Frau liebst, hoffe ich doch, dasz Du nicht mit der Eroberung prahlst, weil Du es "geschafft" hast, sie fuer Dich zu interessieren, sondern sie wirklich liebst, nur dann wird eine gute Ehe daraus. Sonst war es nur eine Eroberung, deren Hochgefuehl sich bald schal anfuehlen wird. Die h-moll-Sonate ist kein Hochseilartistenstueck, das man "schafft" oder eben nicht. Echte Hingabe ist gefragt.
So, jetzt aber nichts fuer ungut, ich habe mir meinen Unmut, ueber das Woertchen "machbar" von der Seele geschrieben, das fuer mich so schnoede oekonomisch klingt. Du verstehst jetzt hoffentlich, warum es mich ein wenig stoert.

Faszinierende Stunden mit diesem Wunderwerk wuenscht Dir
Jannis
 
Ich hab der Sonate auch schonmal ein Jahr oder etwas mehr gewidmet. Und ich werde ihr demnächst wieder meine Aufmerksamkeit widmen.

Zusammen mit einigen Beethovensonaten gehört sie mit Sicherheit zu den faustischsten Klavierstücken überhaupt.
 
@jannis : wenn ich so ein Werk lerne, dann möchte ich es auch aufführen. Fragt sich, ob es sich lohnt so viel Zeit zu investieren wenn man irgendwann merkt, es ist doch ein oder zwei Nummern zu hoch. Das verstehe ich unter "machbar" im Rahmen meiner Möglichkeiten
 
... oder ein paar mehr Nummern zu hoch.
@Pianojayjay, ohne Deinen Ehrgeiz schmälern zu wollen: solange man ein Werk wie das 3. Scherzo von Chopin (an der Du letztes Jahr nagtest) bzw. z. B. Chopins Trauermarschsonate Op. 35 (an der ich zur Zeit erneut nage) nicht aus dem FF spielen kann, ist es wohl noch zu hoch gegriffen, so etwas aufführen zu wollen, oder? Klar, Du kannst sie ja schon einmal notenmäßig üben, dann hat man das nächste Mal schon eine gute Basis. Aber eine überzeugende Aufführung der h-moll-Sonate ist bestimmt noch weit weg, wenn nicht für die meisten schlicht unerreichbar.
Mannomann, ihr habt hier schon ein Selbstbewusstsein ...
Ich habe auch schon einen Laien mit dieser Sonate gehört. Sie hat sogar ein komplettes Klavierstudium an der Julliard School hinter sich, die gute Amateurin. Es war ein Graus!
 
... oder ein paar mehr Nummern zu hoch.
@Pianojayjay, ohne Deinen Ehrgeiz schmälern zu wollen: solange man ein Werk wie das 3. Scherzo von Chopin (an der Du letztes Jahr nagtest) bzw. z. B. Chopins Trauermarschsonate Op. 35 (an der ich zur Zeit erneut nage) nicht aus dem FF spielen kann, ist es wohl noch zu hoch gegriffen, so etwas aufführen zu wollen, oder?
sagen wir so:
wer das nicht imTempo nach langem üben kann:
l.H. Oktaven 1.png

wird mitähnlichem, was deutlich schneller ist, arge Mühe haben:
l.H. Oktaven 2.png

man kann ja unschwer anhören, was im Scherzo und dieser Sonate so vorkommt...
 
Zuletzt bearbeitet:
Das gehört aber nicht zu den schweren Stellen in der Sonate.
Doch, das gehört zu den schweren Stellen und führt direkt in eine furiose sehr schwere Stelle hinein - womit wir allerdings noch längst nicht bei den extrem heftigen Stellen sind.

wenn man noch einen Vergleich zw. dem cis-moll Scherzo und der Lisztsonate benötigt:
Doppeloktaven im Scherzo.png

das Chopinbeispiel (Takt = 120MM) ist harmlos im Vergleich mit seiner eigenen Etüde (op.25,10 die für drei Oktaven 144 fordert) - und die Etüde wird von der ersten Oktavenstelle der Sonate (Neuhaus hat interessantes über diese Stelle geschrieben) überboten:
Doppeloktaven in der Sonate.png

und dann kommen noch weit schwierigere Oktavenstellen im Verlauf der Sonate!!

zu erwähnen ist auch, dass die Sonate über sauschwierige Abschnitte ohne Oktaven verfügt!!

wer das alles nicht glauben mag, sich aber berufen fühlt, der soll halt die Sonate probieren...
 
Diese oktavstellen im scherzo fand ich total angenehm liegend. Mein Lehrer sagte ich solle ganz viel Liszt spielen, das liege mir so gut und ich solle die Sonate machen. Gibt Schlimmeres was ein Lehrer sagen kann ;)
 

Diese oktavstellen im scherzo fand ich total angenehm liegend. Mein Lehrer sagte ich solle ganz viel Liszt spielen, das liege mir so gut und ich solle die Sonate machen. Gibt Schlimmeres was ein Lehrer sagen kann ;)

Das kann und will ich natuerlich nicht beurteilen, allerdings gebe ich zu bedenken, dasz Liszt und besonders diese Sonate das Gegenteil von Entspannung der Technik bewirken kann, weil sie so athletisch ist. Man braucht Ausdauer und natuerlich auch eine gewisse (kontrollierte) Spannung, um das spielen zu koennen. Allerdings halte ich persoenlich die Sonate nicht den richtigen Ort, soetwas zu ueben. Also meiner Meinung nach sollte man auf eine sehr, sehr hohe manuelle Beherrschung des Klaviers wie selbstverstaendlich zurueckgreifen koennen, wenn man diese Sonate mit dem Ziel einer Auffuehrung studiert. D.h. dasz man die schwierigeren Chopin-Etueden eigentlich im Schlafe beherrschen sollte (Oktaven, Terzen, Sexten, op. 25 Nr. 11, op. 10 Nr. 1/2 z.B.). Es schadet bestimmt auch nicht, Beethovensonaten wie z.B. die Appassionata, op. 109,110,111 schon auf auffuehrbarem Niveau gespielt zu haben:-D. Zusaetzlich sollte man sicher Erfahrung mit Liszt haben. Sowohl mit seinen Etueden (nicht nur "Campanella", feux follets, Mazeppa sollten einem nicht zum Weglaufen bringen) als auch mit Vortragsstuecken wie vielleicht der 2ten Ballade, Mephisto-Walzer oder der Dantesonate. In der Hinsicht hast Du ja einiges "vorzuweisen": Konzert Nr. 1, Vallee d'Obermann.
Naja, so ein biszchen erstaunt mich ja Deine Haltung "was kostet die Welt?", "ich mach das jetzt einfach" schon. Einerseits bewundere ich das, da man nur gewinnen kann, wenn man etwas wenigstens wagt. Frei nach Properz "in magnis et voluisse sat est" (bei Groszem genuegt, es gewollt zu haben). Andererseits weisz ich jetzt tatsaechlich auch nicht so ganz, woher Du Deinen offenbar grenzenlosen Optimismus nimmst, "sie zu schaffen". Lautes Rufen im Walde, um die Angst nicht zu spueren, oder doch ein biszchen blind fuer die augenscheinlichen Schwierigkeiten?
Ach, waere ich doch wie Du, die Welt waere fuer mich einfacher! Ich soll fuer Freunde spielen und denke oft, dasz es viel zu schrecklich und eine Zumutung fuer sie sein wird. Es ist schwierig fuer mich, mich da durchzuringen, obwohl mir die Vorbereitung immer viel Freude macht, aber ich will niemanden quaelen und nerven. Wahrscheinlich bin ich zu oft genervt von schlechten Vorspielen...
Konkret kann ich nur sagen, lasz der Sonate Zeit, lerne sie und lasz sie reifen. Ein guter Tropfen entsteht auch nicht von heute auf morgen.
Viele Gruesze,
Jannis
 
Hey Leute,
ich kann die Aufregung irgendwie nicht nachvollziehen.

Zunächst macht man die Musik für sich selbst. Wenn man ein Stück liebt und sich damit beschäftigen will, dann kann man das tun, egal wie schwer es ist! Wenn es dann darum geht, ein Stück vorzutragen, muss man sich schon die Frage stellen, bis zu welchem Niveau man ein Stück bringt - das ist keine Frage. Ich kann die offensichtlich vorherrschende Meinung, ein Stück nur dann vortragen zu dürfen, wenn man es "perfekt" (was auch immer das heißen mag) kann, wirklich nicht verstehen. Darf ein Maler seine Bilder nicht ausstellen, nur weil vielleicht nicht alle Pinselstriche so perfekt sind wie bei Picasso? Kann man ein Kunstwerk nicht auch noch dann bewundern, wenn hier und da mal ein Tupfer daneben geht? Soll ein ambitionierter Klavierspieler die h-moll-Sonate nicht spielen, nur weil es wenige Auserwählte gibt, die genau beurteilen können, wie "gut" er sie spielt - oder eben nicht spielt?

Ich bin der Meinung, es gibt einen großen Bereich zwischen "Das ist so schlecht gespielt, dass ich weglaufe" und "Das ist gespielt wie von Kissin" (oder sonst jemand). Die von @rolf eingestellte Stelle der h-moll-Sonate ist übrigens auch für mich die "schwierigste". Ich denke aber, man kann die Sonate auch dann noch überzeugend vortragen, wenn man diese Stelle nicht in aberwitzigem Tempo spielt!

Übrigens: Was das "ökonomische Denken" angeht. Ich denke, dass das durchaus berechtigt ist! Jeder kennt sicher das Pareto-Prinzip. Natürlich kann man die Qualität des Spielens nicht in % bewerten - aber jeder, der schonmal versucht hat ein Stück bis zur "Perfektion" zu treiben, wird bemerkt haben, wie das Pareto-Prinzip zuschlägt. 100% erreicht man generell nie! Die Frage ist daher also: Schaffe ich es, in "angemessener Zeit", wenigstens bis "90%" zu kommen? Das ist eine Frage, bei der man sich häufig täuscht. Besonders als "Amateur", der eben nur 1-2 Stunden am Tag üben kann und daher nicht über die nötige Erfahrung verfügt, sollte doch darüber diskutieren dürfen, was "machbar" ist und was nicht. Ich hätte jedenfalls absolut nicht erwartet, dass ausgerechnet die von rolf zitierte Stelle so schwierig ist.

In diesem Sinne: Immer schön weiter üben, und nicht immer denken, dass man nur das spielen darf, was man "perfekt" hinbekommt! :-)
 
Ich fand die Fuge und ab Takt 642 die schwierigsten Stellen.
 
Technik hin oder her - man sollte zwar eine gute Technik haben (besonders eine gute Oktavtechnik), aber meiner Meinung nach ist das wirklich "schwere" an diesem Stück, den Bogen komplett vom Anfang bis zum Ende zu gestalten, so dass die Spannung nicht abreißt und die musikalische Entwicklung gut vermittelt wird. So ist es auch bei anderen großen Werken wie Chopins h-moll-Sonate oder Beethoven Op. 106 usw...
 
In diesem Sinne: Immer schön weiter üben, und nicht immer denken, dass man nur das spielen darf, was man "perfekt" hinbekommt! :-)

Das finde ich schon auch, aber ich habe generell vielmehr Hemmungen und bin mir selbst gegenueber viel kritischer als @Pianojayjay eingestellt, weil ich fuerchte, Leute zu langweilen oder zu nerven. Wie gesagt, ich bewundere Euer Selbstbewusztsein, dasz sich hier (einige?) sagen: "Ich lerne das Ding und trage es auch vor, selbst dann, wenn es vielleicht nicht so gut gelingen mag." Wobei der zweite Halbsatz wohl erst gar nicht als Moeglichkeit in Betracht gezogen wird. Andererseits ist das bei der h-moll Sonate doch auch irgendwie eine Provokation ob des immensen zu treibenden Aufwandes. Wenn die Sonate jetzt ein Thomas Yu ankuendigte, glaubte ich sofort an eine ueberzeugende Auffuehrung (er hat Rach 3 sehr respektabel beim Pariser Laienwettbewerb (grands amateurs) gespielt), aber in dem Fall glaube ich mich zu erinnern, dasz das dritte Chopinscherzo als sehr arbeitsintensiv bezeichnet wurde. Irgendwie ist es dann schon eine legitime Frage, wie das dann bei der h-moll Sonate werden soll. Das sind ungefaehr fuenf solche Scherzi ohne Pause hintereinander bei noch hoeheren manuellen Anforderungen :dizzy:. Wenn jetzt anscheinend dieses Scherzo Angstgegner war ("Aber ich habe unglaublich gearbeitet, ich habe mir das 3. scherzo erarbeitet, vor dem ich immer Schiss hatte" Zitat aus @Pianojayjay 's Beitrag in einem anderen Faden) und man dann noch diese Aussage liest: "Als ich mit dem Stück begonnen habe hätte ich nicht gedacht, dass es so schwer ist." und @rolf 's Uebetipp zu den Oktaven dazu liest und man auch die Oktaven im Ohr hat, dann, puh ... also ich bewundere tatsaechlich das entsprechende Selbstbewusztsein. Ganz ehrlich und ohne jede Ironie.
Das liegt natuerlich auch am Lehrer. Obwohl ich die Dantesonate und Les-Adieux seiner Aussage nach anscheinend sehr respektabel gespielt habe, meinte er, Appassionata oder die spaeten Beethovensonaten seien zu schwierig, Liszt h-moll hielte er fuer ein voellig ueberzogenes Unterfangen. Und zwar hauptsaechlich der Laenge und des oben erwaehnten groszen Atems wegen. Er ist einfach recht "zurueckhaltend" in der Hinsicht.
Der Vorteil: Mein kleines Publikum hat anscheinend das Ende noch nie verzweifelt herbeigesehnt. Insofern schuetzt mich mein Lehrer da auch.
Ich kann aber wirklich nicht verstehen, wie jemand die Dante-Sonate schwieriger als die h-moll-Sonate finden kann. Das ist objektiv gesehen nicht haltbar.
Ich kann aber verstehen, dasz die Musik der Dante-Sonate vielleicht weniger zugaenglich und nicht so "schoen" ist.
Jannis
 
Die von @rolf eingestellte Stelle der h-moll-Sonate ist übrigens auch für mich die "schwierigste".
...die paar Notenbeispiele, an denen ich den manuellen Unterschied zwischen den Doppeloktaven im 3. Chopinscherzo und der Lisztsonate gezeigt habe, sind noch lange nicht die technisch schwierigsten Abschnitte der Sonate...
Ich denke aber, man kann die Sonate auch dann noch überzeugend vortragen, wenn man diese Stelle nicht in aberwitzigem Tempo spielt!
Was die gezeigten Notenbeispiele aus der Sonate betrifft, so sind diese im Rahmen des Haupttempos, also Allegro energico. Der Notentext sieht keine Verlangsamung vor, mit anderen Worten: die gezeigten Oktavenstellen haben im Tempo zu bleiben. Allegro energico ist nicht aberwitzig, aber auch nicht behäbig. (Hinzu kommt, dass derartige Stellen üblicherweise ein wenig stretto gespielt werden)
Aberwitziges Tempo findet sich durchaus gegen Ende der Sonate: die Abschnitte Presto - Prestissimo sind ja berühmt genug:
Prestissimo.png
Der Sonate selber und dem Zuhörer ist es egal, ob sie vom Weihnachtsmann oder vom Profi, vom Christkindlein oder vom Amateur, von Putin oder Merkel gespielt wird - aber der Sonate und dem Zuhörer ist es nicht egal, wenn das Prestissimo kein Prestissimo ist. Und gegen Liszts Vorschriften wie Stretta quasi Presto - Presto - Prestissimo hilft kein herumdenken, keine schöne Worte machen etc.

... a prospos Stretta quasi Presto:
Stretta quasi Presto.png
dieses Notenbeispiel ist aus besagter Stretta quasi Presto: es ist verdammt schwieriger als die Notenbeispiele in den vorangegangenen Beiträge! (Man gönne sich einen Blick in den Notentext, man höre sich an, wie Rubinstein, Gilels, Horowitz, Pollini, Zimerman, Ogdon das spielen)

Nochmal ganz deutlich, um eventuelle Missverständnisse auszuräumen:
1. es ist völlig egal, wer die Sonate spielt
2. es ist nicht egal, wie die Tempogestaltung gemacht wird (Notentext)
3. wer die Presto-Abschnitte nicht schneller als das Allegro energico hinkriegen kann, dann aber trotzdem vor die Leute damit tritt, der macht sich damit lächerlich - und zwar genau so, wie der Anfänger, der die 32stel in der Elise zu langsam in Relation zum restlichen Stück spielt.

Wenn man die Sonate angeht, muss man sicherstellen, dass man die vorkommenden technischen Schwierigkeiten*) auf angemessene Weise bewältigen kann. Was die Oktaventechnik betrifft, so befindet sich die Sonate am oberen Ende der Fahnenstange - das muss man wissen. Und man kann vorher ausprobieren, ob man Chopins Oktaven in op.25 Nr.10 im vorgeschriebenen Tempo (Halbe = 72, Oktaven in Achteltriolen) gewachsen ist. Erst wenn man diese Etüde im Tempo kann, hat man vielleicht Chancen, die Oktavenstellen der Sonate halbwegs angemessen zu schaffen.

(die anderen grausigen Abschnitte vielleicht ein andermal)

________________
*) übrigens sind die berühmten Oktavenstellen nicht die einzigen großen manuellen Schwierigkeiten dieses ultraharten Brechers, da gibt es noch einige gänzlich andere Abschnitte, die berühmt-berüchtigt und gefürchtet sind.
 
@rolf Ich gebe dir zu 100% Recht. Ein Allegro energico muss ein Allegro energico bleiben. Aber was genau ein Allegro energico ist, ist auch Ermessenssache - sonst würde jeder Pianist die Sonate genau gleich schnell spielen. Worauf ich hinaus wollte ist: 2 Schläge auf dem Metronom weniger können für einen "Amateur" (was auch immer das sein mag) durchaus eine immense Reduktion im Aufwand bedeuten und trotzdem immernoch ein "Allegro energico" oder ein Prestissimo oder sonstiges sein. Sicherlich muss man dann aber alles, was in dem entsprechenden Tempo steht, langsamer spielen und nicht nur die schwierigen Stellen. Das ist manchmal ein schwieriger Spagat.
 
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Die h-moll-Sonate ist kein Hochseilartistenstueck, das man "schafft" oder eben nicht. Echte Hingabe ist gefragt.
Ich finde, darum geht es. Nach einem Konzert, an dessen Ende die h-moll Sonate stand, sagte beim Autogrammeschreiben der Interpret, Alfred Brendel, nachdem er sich höflich für Komplimente bedankt hatte, zu uns: "Analysieren sie dieses Stück mal, da ist keine Note zuviel."
 
Vielleicht geht es manchem stillem Mitleser wie mir - welche Aufnahme zeigt die Imposanz und die Vehemenz des Werks in seiner Bewältigung - mag sein es gibt bessere Aufnahmen, bessere Interpretationen, aber diese zeigt mit dem Blick über die Schulter die Spannung und Kraft gerade zu Beginn (man achte auf Oktavrepetitionen bei ca. 3:00) und für mich hält der Pianist auch die Spannung .....

upload_2016-3-3_19-11-8.png



Hier noch eine andere Aufnahme vom gleichen Pianisten.
 
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