Klavier lernen mit 17

H

Hylia

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23. Dez. 2015
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Hallo :)
Also, meine Frage ist die: wie weit kann jemand der mit 17 anfaengt ernsthaft Klavier zu spielen es auf diesen Instrument schaffen? (Mit ernsthaft mein ich das man Unterricht nimmt.) Ich spiele schon ein bisschen seit ich 11 war, aber ohne KL, nicht wirklich ernst und mit großen Pausen dazwischen. Danke.
 
Legenden halten sich hartnäckig: dazu gehört: weit kommen kann nur der auf dem Klavier, der schon im Kreissaal angefangen hat, Unterricht zu nehmen, am ehesten dort wohl dann mit der Kreis-leriana..;-)
nächste Legende: Gehirnzellen erneuern sich nicht, daher sind alte Leute auch zu einer schleichenden Verblödung verurteilt.
Alles kompletter Quatsch: die Hirnforschung betont seit Jahren die bislang nie erahnte neuronale Plastizizät des Gehirns, die es auch im Alter (und damit meine ich nicht 17 Jahre) erlaubt, Vieles und Neues zu erlernen; zudem erneuern sich auch Gehirnzellen.
Der legendenhafte Unsinn ist ungeheuerlich verbreitet, und blockiert Menschen an der Entfaltung all dessen, was möglich wäre.
Und das schreibt einer, der mit 17 Jahren angefangen hat Klavier zu lernen, und 5 Jahre später Musik studiert hat. Mein' ja nur so. Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch!
 
@Hylia, ich frage mich, weshalb du von 11 bis heute "nicht wirklich ernst" gespielt hast. War es dir nicht wichtig? Mangelndes Interesse? Warum willst du jetzt "ernsthaft" spielen? Diese Fragen würde ich zuerst für mich beantworten. Ich könnte mir vorstellen, dass in den Antworten, viele weitere Antworten liegen. Egal, ob nun für dich positive oder negative Antworten.
 
Die Frage ist auch, warum du weit kommen willst, und was "weit" bedeutet. Weit genug, um jemanden zu beeindrucken? Um ein bestimmtes Stück zu spielen? Um Musik zu studieren? Um Spaß am Musizieren zu haben? Was wäre denn nun, wenn man nicht weit kommt, würdest du dann keinen Unterricht nehmen?

Die Antworten darauf kannst du dir selbst geben, wenn du folgende Fragen überdenkst:

- Wie viel Übezeit kannst und willst du täglich / wöchentlich investieren? 30 Minuten, zwei Stunden, sechs Stunden?
- Wie differenziert und geeignet ist dein Instrument, bzw. wie leicht hast du Zugang dazu und zu welchen Tageszeiten kannst du dort üben?
- Wieviel Geld bist du bereit in den Klavierunterricht zu investieren (nicht immer, aber oft sind gute Lehrer auch teurer) und wie lange / häufig hast du Unterricht?

Dazu natürlich außerdem:
- Wieviel kannst du schon? Notenlesen, Rhythmusgefühl, Musikverständnis, motorische Entwicklung, Repertoirekenntnis, Stilkenntnis?
- Wie schnell ist deine Auffassungsgabe, wie lange kannst du dich konzentrieren, wie effizient ist bereits deine Übetechnik?
- Welches Repertoire möchtest du spielen (Klassik, Jazz, Pop, Impro, Sonstiges)?

Schließlich: Wie wichtig ist dir das Klavierspielen?
Es klingt leider blöd, stimmt aber dennoch: Wenn man eine Sache wirklich will, kann man sehr viel erreichen. Ich muss den Satz gleich noch übersetzen. Eigentlich heißt das nämlich:
Wenn man eine Sache wirklich will, ist man bereit, so viel Zeit, Arbeit, Engagement, Mühe, Kreativität, Geld und sonstige Kapazitäten und Energien zu investieren, dass man sehr viel erreichen wird.
Da spreche ich aus Erfahrung.

Dennoch, um auch eine kleine Antwort zu geben, die so aussieht wie du sie haben willst:
Wenn man mit 17 bei 0 anfängt, wird man nicht mehr in der Carnegie Hall auftreten und auch keine Aufnahmeprüfung mehr in der Juilliard School bestehen.
Außerdem bin ich durchaus überzeugt, dass so Faktoren wie Begabung und Intelligenz existieren und eine beträchtliche Einwirkung auf das Ergebnis haben.
Man kann aber noch einen großen Teil des Klavier Solo- und Kammermusikrepertoires spielen und wird bei entsprechend investierter Zeit nach einem bis zwei Jahren Resultate erziehlen, die andere beeindrucken und bei einem selbst das Gefühl wecken, dass man jetzt guten Gewissens behaupten kann, dass man Klavierspielen kann.
 
Das Problem ist, das Begriffe wie "weit kommen", "gut Klavier spielen", "erfolgreich auf dem Instrument sein" und ähnliche Bezeichnungen völlig schwammig sind. Sie sind nicht mit offiziellen, messbaren und nachvollziehbaren Inhalten verknüpft und jeder versteht deshalb unter "erfolgreich" etwas anderes.

CW
 
Die Frage ist auch, warum du weit kommen willst, und was "weit" bedeutet. Weit genug, um jemanden zu beeindrucken? Um ein bestimmtes Stück zu spielen? Um Musik zu studieren? Um Spaß am Musizieren zu haben? Was wäre denn nun, wenn man nicht weit kommt, würdest du dann keinen Unterricht nehmen?

Die Antworten darauf kannst du dir selbst geben, wenn du folgende Fragen überdenkst:

- Wie viel Übezeit kannst und willst du täglich / wöchentlich investieren? 30 Minuten, zwei Stunden, sechs Stunden?
- Wie differenziert und geeignet ist dein Instrument, bzw. wie leicht hast du Zugang dazu und zu welchen Tageszeiten kannst du dort üben?
- Wieviel Geld bist du bereit in den Klavierunterricht zu investieren (nicht immer, aber oft sind gute Lehrer auch teurer) und wie lange / häufig hast du Unterricht?

Dazu natürlich außerdem:
- Wieviel kannst du schon? Notenlesen, Rhythmusgefühl, Musikverständnis, motorische Entwicklung, Repertoirekenntnis, Stilkenntnis?
- Wie schnell ist deine Auffassungsgabe, wie lange kannst du dich konzentrieren, wie effizient ist bereits deine Übetechnik?
- Welches Repertoire möchtest du spielen (Klassik, Jazz, Pop, Impro, Sonstiges)?

Schließlich: Wie wichtig ist dir das Klavierspielen?
Es klingt leider blöd, stimmt aber dennoch: Wenn man eine Sache wirklich will, kann man sehr viel erreichen. Ich muss den Satz gleich noch übersetzen. Eigentlich heißt das nämlich:
Wenn man eine Sache wirklich will, ist man bereit, so viel Zeit, Arbeit, Engagement, Mühe, Kreativität, Geld und sonstige Kapazitäten und Energien zu investieren, dass man sehr viel erreichen wird.
Da spreche ich aus Erfahrung.

Dennoch, um auch eine kleine Antwort zu geben, die so aussieht wie du sie haben willst:
Wenn man mit 17 bei 0 anfängt, wird man nicht mehr in der Carnegie Hall auftreten und auch keine Aufnahmeprüfung mehr in der Juilliard School bestehen.
Außerdem bin ich durchaus überzeugt, dass so Faktoren wie Begabung und Intelligenz existieren und eine beträchtliche Einwirkung auf das Ergebnis haben.
Man kann aber noch einen großen Teil des Klavier Solo- und Kammermusikrepertoires spielen und wird bei entsprechend investierter Zeit nach einem bis zwei Jahren Resultate erziehlen, die andere beeindrucken und bei einem selbst das Gefühl wecken, dass man jetzt guten Gewissens behaupten kann, dass man Klavierspielen kann.

@Stilblüte: Das ein Mensch, der mit 17 anfängt Klavier zu lernen, nicht mehr in der Carnegie Hall auftritt, liegt dabei jedoch nicht etwa daran, dass er das Niveau nicht erreichen kann wegen seines Spätstarts, sondern, weil er DIESES NIVEAU ZU SPÄT erreicht, wo Karrieren längst eingespurt sein müssen.
Die 17 jährigen Starter müssen eben das, was andere 10 Jahre zuvor erarbeitet haben schlichtweg nachholen. Das aber geht. Wer also nicht mit 25 in der Carnegie spielen will, ist gut beraten an keine Legenden zu glauben (siehe mein letzter Beitrag).
 
@Stephan Ich bin mir da ehrlich gesagt nicht sicher, ob deine Vermutung stimmt. Denn ein 17-jähriger Beginner hat nur etwa 10 Jahre später angefangen als andere, unter umständen sogar noch etwas weniger. Das würde bedeuten, dass er im Durchschnitt 10 Jahre später, also mit Anfang 30, auf ein ähnliches Spielniveau kommen kann, wie andere erfolgreiche Pianisten mit Anfang 20, wenn er jeden Tag mehrere Stunden übt. Es gibt nun leider nicht so viele Fälle, wo das möglich ist, aus familiären und beruflichen Gründen, so dass man das schlecht überprüfen könnte.

Gegen die Zeit-Formel spricht auch, dass ja schon manche (Wunder-)Kinder nach nur wenigen Jahren Üben (sagen wir mal, unter 10-Jährig) dort auftreten, während andere nach vielen Jahren Übens, die etwa derselben Zeitsumme entsprechen dürfte, längst nicht so weit gekommen sind.

Als Kind lernt man doch auf eine andere Weise, zum einen, weil man charakterlich und geistig noch anders entwickelt ist als Erwachsene und das den Lernerfolg beeinflusst. Zum anderen denke ich auch, dass es durchaus mit der Entwicklung des Gehirns zusammenhängt, wie erfolgreich man wird. Ich sage nicht, dass man nicht mit 60 auch noch anfangen kann, das geht ganz sicher! Aber man kann es wohl mit dem Sprachenlernen vergleichen. Mein bald 80-Jähriger Klavierprofessor lernt auch Italienisch. Wieso auch nicht? Allerdings wird er vermutlich kein akzentfreies Sprechen mehr lernen, wie das vielleicht ein 8-Jähriger durchaus noch kann oder beinahe kann.
 
Hallo Stilblüte, im ersten Abschnitt Deines Beitrags bestätigst Du ja meine These, dass es , ich sag es mal akademisch, "extrinsische", also äußere Faktoren des Zeitmangels sind, die diese Karriere verhindern, nicht aber "intrinsische", innere Gründe, als ob diese "Aufholarbeit" dann nicht mehr möglich sei, da die sensible Phase des kindlichen Gehirns mit seiner ungeheuren Synapsenbildung ja abgeschlossen sei. Und du bestätigst diese äußeren Gründe ja auch, indem Du von familiären und beruflichen Gründen sprichst. Da stimme ich Dir völlig zu, widerlegt aber nicht meine Position.

Zum zweiten Abschnitt, und da spreche ich aus über 10 jähriger Erfahrung als Klavierlehrer: die Wunderkinder würde ich zunächst in 2 Kategorien einteilen: die echten Hochbegabten, und die Monster. Über Letztere braucht man nicht zu reden, wir kennen sie alle: kleine Kinder, die als Projektionsschirm ihrer erfolgsfixierten Eltern, das hervorzubringen haben, was den Eltern fehlt, um keinen Minderwertigkeitskomplex zu besitzen. Arme Kinder, die stundenlang zum Üben gezwungen werden, ihre Kindheit und Kindlichkeit verlieren, unter Erfolgszwang stehen, und dann wegen oft nur mäßiger Begabung robotermäßig und ohne jeden musikalischen Ausdruck Klavierwerke "hinbrettern". Diese Spezies ist häufiger in Asien anzutreffen.
Ferner: die Hochbegabten: sind derart selten, dass man sie nicht zum Paradigma nehmen kann. Habe noch nie einen hochbegabten Schüler gehabt. Mozart-Begabungen sind wohl seltener als Sechser im Lotto mit Zusatzzahl. Ein guter Berufsmusiker gehört keineswegs zwingend in die Gruppe der "Wunderkinder", sondern ist ein Mensch mit Begabung als Nährboden, und vor allem Fleiß, Disziplin und guten Nerven. Mit viel Glück, findet er dann auch noch eine angemessene Anstellung...;-)

Und: Kindsein allein, und da wirst Du mit gewiss zustimmen, ist nicht allein qualifizierend für den Erfolg auf dem Klavier. Wieviele unlustige und sogar, ja, man glaubt es kaum, unmusikalische Kinder habe ich schon unterrichtet, und sie dann dahin gebracht, zu erkennen, dass es auch andere schöne Hobbys gibt, und keinen Grund, sich stundenlang zu quälen. Andererseits unterrichte ich Leute über 60, Anfänger, die in ihrer pianistischen Entwicklung durch die Decke gehen, was ich früher so auch nicht glauben wollte.
Die Ergebnisse der Hirnforschung kann ich zumindest vollumfänglich bestätigen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich finde das wirklich spannend. Man wird aber wohl meistens hypothetisch bleiben, weil man einen echten "Versuch" nicht finanzieren kann - dafür müsste man einem Erwachsenen etwa 10 Jahre lang ein volles Gehalt zahlen, damit er im Durchscnitt 4-6 Stunden am Tag üben kann, dazu noch eine gute musikalische Ausbildung, Unterricht und Instrument, und das am besten bei einer Handvoll Leuten, um nicht gerade jemand besonders geeigneten / ungeeigneten zu erwischen. Was käme da wohl heraus?

Mit dem "Lernen als Kind" meinte ich zur Hälfte die Disposition des Gehirns, zur anderen die des Geistes. Kinder wissen noch nicht so viel und sind deshalb erstens natürlicherweise wissbegierig, lernbegierig, ohne Scheu und voller Neugier - andererseits haben sie auch keine Vorurteile oder Bedenken sich selbst gegenüber ("Kann man mit 17 noch Klavier lernen?"), keine Erwartungen ("Kann ich noch wie Horowitz spielen lernen? Kann ich La Campanella noch lernen?"), weniger Frust, weil noch weniger Vergleich herrscht, und gleichzeitig auch weniger Stolz. Ich vermute, dass vielen Kindern erst mit etwa 10 Jahren auffällt, wie gut sie wirklich sind, oder sogar später. Natürlich gibt es Vergleiche im eigenen Umfeld, der Klasse etc., aber was das nun "international" bedeutet, merkt man nicht unbedingt. Jedenfalls war es bei mir so. (Aber ich hab auch mit 11 oder 12 meine erste E-Mail geschrieben, und YouTube gab es da auch noch nicht.) Das alles erleichtert das Lernen.

Die anatomischen Voraussetzungen sind auch relativ festgelgt, die Hände wachsen nicht mehr, und die Länge der Sehnen kann man nur recht langsam beeinflussen. Dazu - ich kenne zwei Cellospieler, die in jungen Jahren angefangen und viel geübt haben, und deren linke Hand (die die Griffe am Griffbrett greift), ist unnatürlich viel größer als die rechte!
 

Ich finde das wirklich spannend. Man wird aber wohl meistens hypothetisch bleiben, weil man einen echten "Versuch" nicht finanzieren kann - dafür müsste man einem Erwachsenen etwa 10 Jahre lang ein volles Gehalt zahlen, damit er im Durchscnitt 4-6 Stunden am Tag üben kann, dazu noch eine gute musikalische Ausbildung, Unterricht und Instrument, und das am besten bei einer Handvoll Leuten, um nicht gerade jemand besonders geeigneten / ungeeigneten zu erwischen. Was käme da wohl heraus?
Man kann von so einem "Versuch" oder Experiment guten Gewissens abraten, da im nicht unwahrscheinlichen Falle des Misserfolgs dem "Versuchskaninchen" keine Ausweichmöglichkeiten in einen nichtmusikalischen Beruf bleiben - diese Lebenszeit ist im Prinzip verloren, soweit man vom Aspekt einer "Persönlichkeitsbildung" absieht. Denkbar wäre das allenfalls bei denjenigen, die nicht auf die wirtschaftliche Absicherung durch Berufstätigkeit angewiesen sind dank Herkunft oder Heirat - mit entsprechenden Abhängigkeiten, die auch nicht gerade wünschenswert sind. Dieses Szenario ereignet sich höchst selten.

Allen anderen mit professionellen Ambitionen als Pianist muss dieser Beruf nach einigen Jahren eine Existenzgrundlage ermöglichen. Das ist bei siebzehnjährigen Spätanfängern nicht gänzlich ausgeschlossen - aber mit jedem zusätzlichen Moment vergangener Lebenszeit wird der Überlebenskampf am Markt immer härter und schwieriger, da sich zunehmend jüngere Mitbewerber mit einschlägiger Biographie um dieselben beruflichen Positionen bemühen. Freilich kann man auf professionellen musikalischen Betätigungsfeldern agieren, auf denen die Konkurrenzsituation etwas weniger ungünstig als etwa bei reinen Konzertsolisten ist. Dort aber sind zusätzliche künstlerische, pädagogische oder organisatorische Qualifikationen erforderlich, die an die Stelle mancher technisch-musikalischer Inhalte treten und den Verdrängungswettbewerb nicht wesentlich erleichtern.

Anders sieht es im nichtprofessionellen Bereich aus, wenn man mit dem Klavierspielen kein Geld verdienen muss. Da man "Erfolg" relativ definieren kann, ist ein Beginn in jedem Lebensalter möglich, ohne dass man auf Fortschritte und verbessertes Leistungsvermögen verzichten braucht. Allerdings gibt es kein Zeitschema, das man pauschal auf jedes Einstiegsalter beziehen kann nach der Vorgabe, jeder erreiche nach so und so vielen Jahren Ausbildungszeit den gleichen Leistungsstand, da das Leistungsvermögen von zu vielen Faktoren stark beeinflussbar ist, auf die man nun mal keinen uneingeschränkten Zugriff hat.

Die 17 jährigen Starter müssen eben das, was andere 10 Jahre zuvor erarbeitet haben schlichtweg nachholen. Das aber geht. Wer also nicht mit 25 in der Carnegie spielen will, ist gut beraten an keine Legenden zu glauben (siehe mein letzter Beitrag).
Das eine schließt das andere nicht zwingend aus. Du wirst aber aus eigenem Erleben heraus bestätigen können, dass der Kampf gegen die Uhr, auf der die eigene und fremde Lebenszeit angezeigt wird, verdammt hart sein kann, zumal man gegen Glaubenssätze wie diese ankämpfen muss, dass ab einem bestimmten Lebensalter für bestimmte Karriereziele "der Zug abgefahren" sei. Wer das über Jahre wegstecken kann, muss sehr zäh und willensstark bei der Sache bleiben können. Rahmenbedingungen bei der Erstellung dieses Fadens lauten in Stichworten: Mit elf Jahren erstmals am Instrument, "ein bisschen" gespielt, kein Unterricht, "nicht wirklich ernst und mit großen Pausen dazwischen". Da müssten Zähigkeit und Willensstärke fast aus dem Nichts heraus entstehen, denn die zitierten Stichworte besagen exakt das Gegenteil. Und ein "ernsthaft" vollzogener Einstieg geht weit darüber hinaus, einfach nur Klavierunterricht zu nehmen und dann zu hoffen, dass alles andere von selbst kommt.

LG von Rheinkultur
 
Wenn ich hier meine Meinung dazu geben darf:

Die größte Schwierigkeit besteht meines Erachtens darin, dass man zu Anfang der Reise (etwa mit dem Ziel in mittelfristiger Zukunft sowas wie Schubert Impromptus oder Mozart Sonaten spielen zu können) noch keine Vorstellung davon hat, was man dafür lernen muss. Das, was man über das Klavierspielen glaubt zu wissen, muss, bis man am Ziel ist, 10x umgeschmissen und revidiert werden.
Ich spiele Klavier, seit ich 10 Jahre alt bin und ich lerne immer noch viel neues darüber: wie man richtig übt, wie man phrasiert, technische Dinge, ... Es ist auch ein riesengroßer Schritt von gelesenen, zur Kenntnis genommenen Wahrheiten zu selbst begriffenen, echten Erkenntnissen derselben Wahrheiten. Das kann Monate und Jahre länger dauern.

Die Folgerung daraus lautet für mich: Man braucht kontinuierliche sehr, sehr gute Anleitung.

lg marcus
 
Also, meine Frage ist die: wie weit kann jemand der mit 17 anfaengt ernsthaft Klavier zu spielen es auf diesen Instrument schaffen? (Mit ernsthaft mein ich das man Unterricht nimmt.) Ich spiele schon ein bisschen seit ich 11 war, aber ohne KL, nicht wirklich ernst und mit großen Pausen dazwischen.

Die Frage ist dermaßen unpräzise gestellt, dass man sie überhaupt nicht beantworten kann.

Was meinst Du mit "wie weit kann jemand [...] es auf diesen Instrument schaffen"? Meinst Du damit einen bestimmten pianistischen Zielbereich (Literatur, Schwierigkeitsgrad)? Da wäre die Dich ungemein weiterbringende Antwort: Kommt drauf an! Günstigstenfalls (falls alle dazu erforderlichen Paradigmen erfüllt werden): Vermutlich grenzenlos.
Meinst Du damit Studium, eine bestimmte Karriere, Bühnenerfolge o.ä.? Dazu wurde hier schon einiges geschrieben - der Zeitfaktor spricht eher dagegen.
 
Ich finde das wirklich spannend. Man wird aber wohl meistens hypothetisch bleiben, weil man einen echten "Versuch" nicht finanzieren kann - dafür müsste man einem Erwachsenen etwa 10 Jahre lang ein volles Gehalt zahlen, damit er im Durchscnitt 4-6 Stunden am Tag üben kann, dazu noch eine gute musikalische Ausbildung, Unterricht und Instrument, und das am besten bei einer Handvoll Leuten, um nicht gerade jemand besonders geeigneten / ungeeigneten zu erwischen. Was käme da wohl heraus?

Mit dem "Lernen als Kind" meinte ich zur Hälfte die Disposition des Gehirns, zur anderen die des Geistes. Kinder wissen noch nicht so viel und sind deshalb erstens natürlicherweise wissbegierig, lernbegierig, ohne Scheu und voller Neugier - andererseits haben sie auch keine Vorurteile oder Bedenken sich selbst gegenüber ("Kann man mit 17 noch Klavier lernen?"), keine Erwartungen ("Kann ich noch wie Horowitz spielen lernen? Kann ich La Campanella noch lernen?"), weniger Frust, weil noch weniger Vergleich herrscht, und gleichzeitig auch weniger Stolz. Ich vermute, dass vielen Kindern erst mit etwa 10 Jahren auffällt, wie gut sie wirklich sind, oder sogar später. Natürlich gibt es Vergleiche im eigenen Umfeld, der Klasse etc., aber was das nun "international" bedeutet, merkt man nicht unbedingt. Jedenfalls war es bei mir so. (Aber ich hab auch mit 11 oder 12 meine erste E-Mail geschrieben, und YouTube gab es da auch noch nicht.) Das alles erleichtert das Lernen.

Die anatomischen Voraussetzungen sind auch relativ festgelgt, die Hände wachsen nicht mehr, und die Länge der Sehnen kann man nur recht langsam beeinflussen. Dazu - ich kenne zwei Cellospieler, die in jungen Jahren angefangen und viel geübt haben, und deren linke Hand (die die Griffe am Griffbrett greift), ist unnatürlich viel größer als die rechte!
Hallo Stilblüte, Deine Differenzierung zwischen Gehirn und Geist gefällt mir sehr gut. Genau hier setze ich an:
der Geist , das falsche Denken, die falschen "Glaubenssätze", haben sich bei Erwachenen oftmals zu tief eingespurt. Es sind genau diese Zweifel, ob man noch jung genug sei, oder es sind übertriebene Erwartungshaltungen, nach einem Jahr Klavier Beethoven-Sonaten spielen zu können/müssen, oder auch, der tödliche Glaubenssatz "Ich darf keine Fehler machen", die zu Blockaden führen. Wenn der Unterricht aber diese falschen geistigen Dispositionen aufzulösen vermag, ist der Weg frei, da es vom hirnorganischen Aspekt her keine Einwände gibt. Lange Rede, kurzer Sinn: hier besteht völliger Konsens zwischen uns.
 
Es sind genau diese Zweifel, ob man noch jung genug sei, oder es sind übertriebene Erwartungshaltungen, nach einem Jahr Klavier Beethoven-Sonaten spielen zu können/müssen, oder auch, der tödliche Glaubenssatz "Ich darf keine Fehler machen", die zu Blockaden führen. Wenn der Unterricht aber diese falschen geistigen Dispositionen aufzulösen vermag, ist der Weg frei, da es vom hirnorganischen Aspekt her keine Einwände gibt.
Noch besser wäre es freilich, wenn die "falschen geistigen Dispositionen" vor Unterrichtsbeginn auf Schülerseite nicht zu tief verankert sind: Die Auffassung, es sei sowieso alles zu spät und der Zug sei längst ohne einen abgefahren, führt vermutlich eher zur grundsätzlichen Entscheidung gegen Unterricht.

LG von Rheinkultur
 
Stimmt vollkommen, Rheinkultur, witzigerweise nehmen auch solche Leute dann oft ambivalenterweise Unterricht.
Vielleicht zweifeln sie im Letzten dann doch an dieser "inneren Überzeugung"...
der Rest zeigt sich dann im Verlauf der Zeit...
 
Die Frage ist dermaßen unpräzise gestellt, dass man sie überhaupt nicht beantworten kann.
Vermutlich weiß die Person, die die Frage gestellt hat, selbst nicht so recht, wo sie eigentlich hin will. Dafür spricht die eigene Aussage, sich jahrelang nur unregelmäßig und wenig ambitioniert mit dem Instrument beschäftigt zu haben. Dazu kommt die Tatsache, dass erst zögerlich eine solche Frage gestellt wird anstatt unter fachkundiger Anleitung mit dem Musizieren aktiv zu beginnen. Man sagt bildhaft, dass der Appetit beim Essen kommt. Mit elf Jahren erstmals am Instrument zu sitzen und mit siebzehn Jahren diese Frage zu stellen bedeutet, ein halbes Dutzend Jahre lang nicht auf den Geschmack gekommen zu sein. Die Einstellung zur Sache ist vermutlich noch wichtiger als das Lebensalter in Zahlen:



Das gilt auch fürs Klavier lernen.

LG von Rheinkultur
 
Hallo Rheinkultur, grundsätzlich teile ich Deine kritische Haltung dazu.
Es könnte natürlich ein auslösendes Moment dazu gegeben haben: der Besuch eines Klavierkonzertes, z.B.
Bleibt natürlich immer zu fragen, ob solche plötzlichen Motivationen nicht Strohfeuer sind, die erlischen, sobald es an die eigentliche Arbeit geht. Aber wer wollte das im Vorhinein wissen?
 
Stimmt vollkommen, Rheinkultur, witzigerweise nehmen auch solche Leute dann oft ambivalenterweise Unterricht.
Vielleicht zweifeln sie im Letzten dann doch an dieser "inneren Überzeugung"...
der Rest zeigt sich dann im Verlauf der Zeit...
Und im Verlauf der Zeit kristallisieren sich zwei Gruppen innerhalb der Schülerschaft heraus: Entweder verwandelt sich das anfängliche Zaudern in ein klares Ja zum Musizieren oder die halbherzige Grundeinstellung führt bei Rückschlägen, Widerständen und Niederlagen dazu, das Spielen früher oder später wieder aufzugeben. Ich wünsche der Person, die diesen Faden eröffnet hat, die nötige Kraft, sich für ersteres zu entscheiden. Dann kann man ab dem Lebensjahr Siebzehn noch allerhand am Instrument erreichen und beim Musizieren gerade dann eine Menge Freude haben, wenn man damit kein Geld um jeden Preis verdienen muss.

LG von Rheinkultur
 

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