Klassik vs Pop

..Was Wenders meint ist das komplette Ritual aus im Laden Stöbern, mit dem kauzigen Inhaber quatschen, die Vinylplatte heil und ohne Knicke im Cover nachhause bringen, auspacken, feierlich auflegen, entstauben, anhören und dabei andächtig das Cover anschauen (letzteres kann beliebig oft wiederholt werden). Dieses Gesamtpacket ist eine tolle Investition in Lebensqualität und wirkt mindestens genauso gut wie, Ritalin, Seroquel oder Prozac und Konsorten ....:musik:

Jaaaaa! Ich schaue heute noch ehrfurchtsvoll auf meine alten LPs, Streich oder Puste einmal ganz vorsichtig den Staub ab, halte die Platte am Rand und am Loch in der Mitte fest, wie damals.
Der kauzige Inhaber des Ladens wusste auch meist den Titel des Stücks, welches ich im Radio gehört hatte und nicht kannte und mit lalala lala, lalalalalaa vorgesungen habe mit Hilfe meines Mannes. :-D

Ich brauche einen Plattenspieler, dringend!
 
Ich glaube nicht, dass Pop-/Rockmusik früher besser war, auch wenn das in der Retrospektive so aussehen mag. Ja, "Child in Time" oder einige Beatles-Lieder waren sicher große Würfe, aber zeitgleich gab es ebensoviel flachen Pop, den man damals noch Schlager nannte. 1974 war zwar ABBAs "Waterloo" auf Platz eins, aber eben auch Mireille Mathieu mit "La Paloma, ade".

Wer lange Stücke hören möchte, wird auch heute fündig, aber natürlich nicht im Radio. Die von mir sehr verehrten Nightwish z.B. haben auf ihrem letzten Album einen 24-Minüter, "The greatest Show on Earth".

Dass Popmusik normalerweise mit im Vergleich zu klassischen Werken wenigen musikalischen Ideen auskommt, ist nichts neues, aber auch nichts schlimmes. Zu allen Zeiten gab es Musik, die mit einfachen Melodien und Rhythmen zum Mitsingen oder Tanzen animieren soll, eben der Bereich der Volks-/Folkmusik, der inzwischen von der Popmusik übernommen wurde.

Mir persönlich gefallen beide Welten, vielleicht kann man es mit Essen vergleichen: Alles hat seine Zeit und seine Berechtigung. Eine Schwarzwälder Kirschtorte ist sicherlich eine hohe Kunst und ich möchte sie nicht missen, aber es gibt Augenblicke, da ist ein Brot mit Butter und Käse eben das Richtige.
 
Klar, ein Käsebrot oder eine Portion Pommes sind völlig OK - nur das Problem ist, dass heutzutage im musikalischen Bereich die allermeisten Leute eine Schwarzwälder Kirschtorte oder ein Sternemenü überhaupt nicht mehr zu schätzen wissen und sozusagen gutes Essen als "zu hoch für mich", "unverständlich" oder "altmodisch" ablehnen. Das ist doch das Problem in der heutigen Kultur, und nicht, dass man mal Bock auf was Simples hat!
 
Ich weiß nicht, ich mag diesen Kulturpessimismus nicht. Auch zu Zeiten Bachs wurde von einem Großteil der Bevölkerung sicher nicht ausschließlich Barockmusik gehört. Um klassische Musik wirklich verstehen zu können und nicht nur als Hintergrundberieselung laufen zu lassen, braucht es Wissen, sowohl geschichtlich wie auch musiktheoretisch und sowas möchte sich eben nicht jeder aneignen, was ich auch verstehe. Wer aber anspruchsvolle Musik möchte, der findet sie auch heute noch in Hülle und Fülle.
 
Klar, ein Käsebrot oder eine Portion Pommes sind völlig OK - nur das Problem ist, dass heutzutage im musikalischen Bereich die allermeisten Leute eine Schwarzwälder Kirschtorte oder ein Sternemenü überhaupt nicht mehr zu schätzen wissen und sozusagen gutes Essen als "zu hoch für mich", "unverständlich" oder "altmodisch" ablehnen. Das ist doch das Problem in der heutigen Kultur, und nicht, dass man mal Bock auf was Simples hat!

Aber ist das wirklich ein Problem der heutigen Kultur? Oder war es nicht immer so, dass Anspruchsvolleres nur Zuspruch bei Minderheiten fand?
 
Die Leute machen heutzutage zu 50% Abitur. Sie lästern über Bildzeitung oder Justin Bieber. Die Mittel- und Oberschicht ist in D locker gebildet genug, um gute, anspruchsvolle Musik würdigen zu können. Aber durch die Sozialisation im Jugendalter sind die allermeisten so geprägt, dass sie auch im Erwachsenenalter nicht dahin finden, Musik für Erwachsene zu goutieren.
 
Da stellt sich noch die Frage, wie sieht es mit "Jazz" gegenüber Klassik. Ich selbst besitze eine Jazz-Plattensammlung von etwa 2000 LP's . Die Mehrheit meiner Bekannten können mit Jazz so gut wie nichts Anfängen, dagegen mit Klassischer Musik schon eher. Woran liegt es?
 
Die Mehrheit meiner Bekannten können mit Jazz so gut wie nichts Anfängen, dagegen mit Klassischer Musik schon eher. Woran liegt es?

Das liegt daran, dass die Mehrzahl deiner Bekannten mit Jazz nichts anfangen können.

Wenn Du deine Bekannten aus den Besuchern des Jazz Festival in Montreux akquirieren würdest, hättest Du vielleicht Bekannte, die mit klassischer Musik so gut wie nichts anfangen können.

Alles Geschmackssache.
 
Nicht nur Geschmackssache, sondern auch Hörgewohnheit im Wandel der Zeit. Damals (30er-40Jahre) besuchten Jugendliche vorwiegend Jazz Club, heute sind es Pop-Konzerte.
 

Ich muss zugeben, dass ich Banause auch im Auto immer gleich den Sender wechsel, wenn bei BR Klassik auf einmal zu Jazz umgeschwenkt wird.
 
Wer keine Ahnung hat, assoziiert mit Jazz entweder alte dicke schwarze Männer mit Trompeten oder entrückete Free-Jazz-Nerds, die schwer erträglichen Krach produzieren. Beides ist uncool und unatraktiv, auch wenn es mit der Wahrheit fast nichts zu tun hat...
 
Nee, die Wahrheit sind dicke, ältere, SPD wählende weiße Männer mit Vollbart, Westen und Hüten, die per Fußstampfen einzählen und notdürftig "St. James Infirmary" spielen.

Oder junge, dünne Typen mit Bart und Hornbrille, die 7/8-Vamps spielen und "ironische" Instrumente (Melodica, Casio-Keyboard etc.) benutzen sowie "Jazz studieren", aber keinen vernünftigen Blues spielen können und für "Green Dolphin Street" die "iRealB"-App auf ihrem Telefon anschmeißen müssen.

Außerdem gibt es noch so mittelalte Typen, die zwar tatsächlich gut spielen, die aber niemanden interessieren, weil man entweder junges Talent oder ein Marketingfuchs oder gut aussehend oder eine schon erstaunlich alte Legende sein muss.
 
Ich muss zugeben, dass ich Banause auch im Auto immer gleich den Sender wechsel, wenn bei BR Klassik auf einmal zu Jazz umgeschwenkt wird.
jepp!

ach, mir ist gerade danach, was ganz furchtbar böses, fieses, arrogantes und gewiß irgnorantes mitzuteilen:
zwischen Beethoven, Skrjabin und Strawinski wirkt Jazz einfach nur flach und seicht
zwischen den aktuellen "Charts" wirkt Jazz einfach nur deplaziert

mir ist schleierhaft, warum die Radiofuzzis Jazz immer in ihre zunehmend verflachenden "Klassikprogramme" reinpressen - besser wäre, wenn es "klassik"programme, Jazzprogramme und eben aktuelle "Charts" gäbe (ja, und auch "Hausfrauen"sender mit ABBA & Co. und natürlich auch Dorfhock/Volksmusikprogramme mit Blanco, Roberto und irgendwelchen Alpenheimatterzetts)
:-D:-D:-D:-D
 
Zitat von Rolf:
mir ist schleierhaft, warum die Radiofuzzis Jazz immer in ihre zunehmend verflachenden "Klassikprogramme" reinpressen
Na so schleierhaft kann es Dir nicht sein. :-)
Aber Du hast Recht und ich bin froh, genau drei Sender gefunden zu haben, die sich treu bleiben. Kultur, Jazz und Rock, alle drei regional aus Berlin/Brandenburg.
Das deutschlandweite "Klassikradio" kann ich schon lange nicht mehr hören.
 
Jazz gibt dem Klassikradio, für manchen Hörer, noch mehr den Schein des "Anspruchs". Da sitzt man dann da, und denkt sich: Oh, ja.... Das ist also Jazz, aha, wuuuunderbaaaar....
(wobei es in diesem Genre himmelweite Unterschiede gibt, aber der im Klassikradio dargebotene Jazz zu 99% die Qualität der dargebotenen klassischen Werke hat)



:-)
 
Zumindest in Deutschland waren Jazz Clubs in den 30er-40er Jahren nicht ganz so angesagt. Dafür aber schmissige Marschmusik ...
Die waren bei manchen Jugendlichen z.B. in Hamburg sogar sehr angesagt, ich sag nur Swing Jugend

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Swing-Jugend

und ich werde nie verstehen wie man auf eine Arroganz solz sein kann, die Jazz als minderwertig gegenüber Klassik sieht.
Mozart würde wahrscheinlich heututage auf den Klassikbetrieb ins Bett scheißen, dass es kracht und alle hochgebildeten Klassikliebhaber in ihren Kleidern und Anzügen angewidert auslachen.

Wobei glaube ich dieser Dünkel bei der wirklichen Elite im Klassikbetrieb gar nicht vorhanden ist, nur bei denen, die es nicht wirklich geschafft haben.
 
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