Ignaz Moscheles

Stilblüte

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Ich habe heute morgen einen Satz eines Klavierkonzertes von Moscheles im Radio gehört, weiß leider nicht, welches (Frage ist schon abgeschickt). Derer gibt es ganze sieben, wie Wikipedia verraten hat.
Das Konzert hat mir sehr gut gefallen! Es war (zwar) eher seichte Musik, ein bisschen vielleicht wie Hummel oder Czerny, jedoch mit sehr hübschen Ideen. Hat mich tatsächlich auch an Mozart erinnert, vielleicht hätte er so komponiert, wenn er 70 Jahre später gestorben wäre?

Kennt sonst jemand sich mit Moscheles aus oder hat gar gute Tipps zu seiner Literatur?

Besten Dank + Gruß
Stilblüte
 
Sein bekanntestes Klavierkonzert ist wohl das g-Moll-Konzert op.58, hier wunderbar von Ponti gespielt...



Sehr hübsch ist seine Sonata mélancolique op.49



...sowie seine Etüden op.70 und op.95.

z.B:



Viele Grüße!
 
Ich habe heute morgen einen Satz eines Klavierkonzertes von Moscheles im Radio gehört, weiß leider nicht, welches (Frage ist schon abgeschickt). Derer gibt es ganze sieben, wie Wikipedia verraten hat.

Hi Style,

wie nun, wenn es das Konzert numero 8 , D-Dur, "Pastorale", op. 96 ( 1838 ) war, das Du hörtest? ( Harenberg jedenfalls meint, es gibt 8. )

Ich schreib gleich noch 2 Zitate zu Moscheles allgemein hier rein, eins aus meinem Musikgeschichtsbuch, das andere aus Harenberg. Dauert aber etwas.

LG, Olli
 
Es war (zwar) eher seichte Musik, ein bisschen vielleicht wie Hummel oder Czerny, jedoch mit sehr hübschen Ideen. Hat mich tatsächlich auch an Mozart erinnert, vielleicht hätte er so komponiert, wenn er 70 Jahre später gestorben wäre?
Warum hätte Mozart, wenn er über 100 Jahre alt geworden wäre, gegen seine sonstige Gewohnheit "(etwas) seicht" komponieren sollen? ;-)
 
Immerhin war Moscheles der Lehrer von Grieg und Draeseke. Ersterer hat sich verstärkt an heimatlichen Anregungen orientiert, letzterer war zunehmend der neudeutschen Richtung zugetan. Vor diesem Hintergrund erwies sich Moscheles als eher konservativ eingestellt - im Falle der beiden genannten Komponisten eine Position, die es eher zu überwinden galt. Möglicherweise erklärt diese Positionierung, weshalb seine Musik vergleichsweise wenig beachtet wird. Vielleicht mal ein Impuls für ein thematisch strukturiertes Konzertprogramm?

Ansonsten existiert ein "Rondo brillant" nicht nur von Weber und Mendelssohn-Bartholdy, sondern auch aus seiner Feder:



LG von Rheinkultur
 
Warum hätte Mozart, wenn er über 100 Jahre alt geworden wäre, gegen seine sonstige Gewohnheit "(etwas) seicht" komponieren sollen? ;-)
Gute Frage - "leichtgewichtig" oder "schlicht" sind eventuell etwas weniger negativ behaftete Attribute. Als Salonkomponist sah sich Moscheles mit Sicherheit nicht. In diesem Umfeld ist das "Seichte" eher beheimatet... .

LG von Rheinkultur
 
Ignaz Moscheles: 2 Zitate aus der gedruckten Musikliteratur:

1. ) Zitat aus: Die Musik: 1000 Jahre illustrierte Musikgeschichte, Eintrag Ignaz Moscheles:

Ignaz Moscheles ( 1794-1870 )
Böhmischer Pianist und Komponist. Moscheles, aus Prag stammend, war zunächst dort Schüler von
Dionys Weber und studierte später in Wien bei Albrechtsberger und Salieri Komposition. Er stand fast sein
ganzes Leben lang in dem Ruf, einer der hervorragendsten Klaviervirtuosen Europas zu sein. Seine Klavierkompositionen, z.B. das Klavierkonzert in g-Moll und die prachtvollen Etudes, wurden zu seinen Lebzeiten sehr bewundert und werden auch heute noch häufig gespielt. 1846 übernahm Moscheles auf Einladung seines Freundes Mendelssohn die Klavierklasse am 1843 gegründeten Leipziger Konservatorium. Als Pädagoge war er von vorbildlicher Gewissenhaftigkeit.
Er vertrat die Clementi-Schule und achtete auf ruhige Handhaltung - eine Spielweise, bei der es vor allem auf die Beweglichkeit der Finger ankam, während der Gebrauch der Pedale so weit wie möglich vermieden wurde.

2. ) Zitat aus: Harenberg Klaviermusikführer, Eintrag Ignaz Moscheles:

Ignaz Moscheles ( * 23. 5. 1794 Prag, + 10. 3. 1870 Leipzig )

Das Leben dieses bedeutenden Virtuosen, Dirigenten, Lehrers und Komponisten spielte sich vorwiegend in vier Musikmetropolen ab: Prag, Wien, London und Leipzig. Vater Moscheles, ein Prager Tuchhändler, spielte Gitarre und sang; er vermittelte dem Sohn erste prägende musikalische Eindrücke. Ab dem siebten Lebensjahr erhielt Ignaz Moscheles in Prag Unterricht von Dionys Weber, 14-jährig ging er nach Wien zu Johann Georg Albrechtsberger und Antonio Salieri. Hier wurde er auch mit Ludwig van Beethoven bekannt.

Schon in Wien, wo er bis 1820 blieb, galt Moscheles als gesuchter Klavierlehrer. Anschließend unternahm er bis 1825 mehrere Europa-Tourneen, die ihn u.a. nach Prag ( 1823 / 24 ) und Berlin führten, wo er 1824 den jungen Mendelssohn kennenlernte, den er unterwies und mit dem er sich anfreundete. Ab 1825 lebte er als Professor der Königlichen Musikakademie in London. Als Privatlehrer war Moscheles so begehrt, dass er das doppelte Stundenhonorar wie ( der als teuer bekannte ) Muzio Clementi forderte.

Zu seinen zahlreichen Londoner Schülern gehörte u.a. Sigismund Thalberg. Der Philharmonischen Gesellschaft London war Moscheles als Mitglied des Direktoriums und 1821-46 als Dirigent verbunden. ALs Pianist veranstaltete er 1836-40 "Historische Soireen für Klaviermusik", bei denen er - teilweise auf dem Cembalo - u.a. Musik von Domenico Scarlatti und Johann Sebastian Bach vorstellte.

Moscheles war ein aufmerksamer Zeitgenosse, der sich intensiv mit dem Musikleben um ihn herum beschäftigte ( nachzulesen in seiner Autobiographie ) . In Wien besuchte er den kranken Beethoven, in London stand er 1826 am Sterbebett Carl Maria von Webers. In Paris spielte er zusammen mit Frederic Chopin vor dem Bürgerkönig Louis Philippe. Als der führende Pariser Klavierbauer Sebastien Erard seine mechanische Neuentwicklung, die "doppelte Auslösung", öffentlich vorstellen wollte, wandte er sich für ein fachmännisches Gutachten zuerst an Moscheles. Und als Freund Mendelssohn einen Leiter für die Klavierabteilung seines 1843 gegründeten Konservatoriums suchte, fragte er 1846 den 15 Jahre Älteren, der dem Ruf folgte und so in Leipzig über den beachtlichen Zeitraum eines Vierteljahrhunderts lehrte und lebte.

Hier hatte u.a. auch der junge Grieg bei ihm Unterricht, der sich an ihn erinnerte:
"Er konnte wunderschön spielen. Besonders subtil war sein Vortrag von Beethoven, den er vergötterte."

Für sein Idol Beethoven setzte sich Moscheles auf vielfältige Weise ein: Hatte er noch in Wien den ersten Klavierauszug zu "Fidelio" angefertigt, so stellte er 1832 dem Londoner Publikum die "Missa Solemnis" vor und übersetzte 1841 Schindlers Beethoven-Biographie ins Englische.

Moscheles hatte einen untrüglichen Instinkt für den richtigen Ort und den richtigen Zeitpunkt. So hatte er sich 1815 während des Wiener Kongresses vor einem fürstlichen Publikum den Ruf eines "Fürsten des Klaviers" erspielt, nicht zuletzt mit seinen "Variationen auf den Alexandermarsch" ( gemeint war der russische Zar Alexander I. als einer der Sieger über Napoleon ).

Klaviermusik:

Als Pianist und Komponist verkörperte Moscheles den Übergang von der späten Klassik zur Generation eines Schumann, Chopin und Liszt, die sich sämtlich von ihm inspirieren ließen, ihn in ihrer Klangsprache freilich schon bald auch schon hinter sich ließen. Er wusste das und erhob keinen künstlerischen Führungsanspruch mehr, als der Nachwuchs seinen Siegeszug antrat.

Innerhalb seines Gesamtwerkes dominiert ähnlich wie bei Chopin das Klavier; so waren es auch diese Kompositionen, die Moscheles bekannt und populär machten. Besonders gilt das für die beiden Konzerte g-Moll op. 60 von 1820 ( hier knüpfen Chopin und Liszt an ) und namentlich das "Concert pathetique" c-Moll op. 93 von 1835 / 36, in dem die thematische Verzahnung der Sätze bereits auf das ( einsätzige ) A-Dur-Konzert von Liszt hinweist.
Bei Moscheles lassen sich 3 Perioden unterscheiden:
Während der ersten orientierte er sich anfangs an Mozart, Clementi und Hummel. Doch schon der 20-jährige griff die von Beethoven vorgegebene Sonatenform auf und entwickelte sie eigenständig weiter. So gehören in diese Anfangsphase als Hauptwerke seine 5 Klaviersonaten ( 1810 - 22 ) , von denen die originellste letzte durch ihre Chromatik auffällt.

Ab 1820 folgten 8 Klavierkonzerte und 2 Orchesterwerke ( Sinfonie C-Dur, Ouvertüre "Jeanne d'Arc" ). Mit der Übernahme des Leipziger Lehramtes verlagerte sich die kompositorische Aktivität dann auf das Gebiet des Klavierliedes.

Während er einerseits dem Zeitgeschmack huldigte und auch klingende Kommentare zum politischen Zeitgeschehen nicht verschmähte ( ohne freilich Anspruch und Niveau preiszugeben ) - die "Alexander-Variationen" gehören zum Besten aus seiner Feder, verstand er es, eine ursprünglich rein technische Form wie die der Etüde dergestalt mit Ausdruck und Inhalt zu erfüllen, dass sie wie Charakter- oder Stimmungsbilder wirkten ( worauf auch die programmatischen Überschriften deuten ) . Hier wurde Moscheles zum Vorbild für Schumann.

Werke werden in Auswahl genannt, aber online dürfte es ausführliche Werkeverzeichnisse bzgl. Moscheles geben, z.B. in den weiterführenden Links im Wikipedia-Eintrag, daher führe ich die Harenberg-Auswahlliste nicht auf.

Hinzuzufügen wäre evtl., dass Chopin die 3 "gesonderten" Etüden "3 Nouvelles Etudes" für die "Methode des Methodes", ein 3-bändiges Unterrichtswerk von Moscheles und Francois-Joseph Fetis, beisteuerte. Auch andere Komponisten schrieben Stücke für dieses Unterrichtswerk ( Liszt, Mendelssohn, Thalberg ).

LG, Olli
 
Die Konzerte wurden von Howard Shelley bei Hyperion komplett aufgenommen. Piers Lane hat seine Etüden eingespielt, es gibt so viele schöne Miniaturen von ihm....
 
Ich habe schon einiges von Moscheles gespielt, und finde das nicht "seicht".
 
Vielen Dank für eure Infos.
Ich meinte "seicht" auch nicht negativ, sondern eher im Kontrast zu mancher düsterer Komposition von Schubert oder auch Mozart. Ich habs ja nur einmal gehört und nur mit halbem Ohr zugehört, und es kam mir jedenfalls eher beschwingt, heiter, fröhlich, spritzig-virtuos vor. Liszts Gnomenreigen ist auch in diesem Sinne "seicht" oder manche Polonaisen, Walzer, Mazurken, Etüden von Chopin, das heißt nicht, dass es weniger gute Musik ist.
 

Duden? Steilvorlage für den gespielten Witzzzz von heute, ausnahmsweise mal nicht versaut, viel Vergnügen!

Empört fragt der Rechtsanwalt den Klassenlehrer seines Sohnes: "Warum muss mein Sohn im Fach Deutsch dauernd Strafarbeiten machen?" - Antwortet der Lehrer: "Das hängt mit dem Rechtsstreit zusammen." - "Was denn für ein Rechtsstreit?!" - "Der Rechtsstreit in Sachen Wöllner kontra Duden...!"
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LG von Rheinkultur
 
Ja rolf das kann ja zutreffen, wenn man mit "der Tiefe" die Dramatik oder Abgründigkeit meint, die ein Rachmaninov, Schubert oder Beethoven haben und die ich in diesem Klavierkonzert eben nicht gehört habe.

Um mal bei deinen plakativen Beispielen zu bleiben: Betreffend die Wassertiefe im Babybecken ist "seicht" eine ausgesprochen positive Eigenschaft...
 
Um mal bei deinen plakativen Beispielen zu bleiben:
welche plakativen Beispiele?
seicht bedeutet
1. zunächst flach, untief
2. in übertragenem Sinn bedeutet seicht abwertend banal, flach

...wenn du das Adjektiv flach bei der Beschreibung irgendeiner Musik verwendest, dann gehen deine Adressaten zunächst davon aus, dass du das Adjektiv in einer der beiden üblichen und verständlichen Bedeutungen verwendest (in welcher, das lässt sicham Kontext erkennen) --- denn niemand kann wissen, dass in deinem Privatgebrauch seicht die Bedeutung "nicht so dramatisch wie Rachmaninov oder Beethoven" hat...

übrigens trifft in beiden üblichen Bedeutungen wie auch in deiner privaten "seicht" aufden Gnomenreigen nicht zu :-)
 
Die freundliche Antwort von BR-Klassik:
Es handelte sich um:

Konzert für Klavier und Orchester Nr. 5 C-Dur, op. 87
3. Satz: Allegro vivace

:-)
 
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