Finger - gekrümmt oder gerade?


So wie in der Klaviergouvernanten-Pädagogik des 19. Jahrhunderts der Unsinn herumgeisterte, man solle mit häkchen- bzw. hämmerchenförmigen Fingern spielen, so geistert seit ein paar Jahrzehnten der zwar besser in den Zeitgeist passende, aber dennoch Unsinn seiende Unsinn herum, man solle sich vor allem "entspannen".

Nein, falsch. Wer mit obigem Motto spielt, der spielt allenfalls schlapp und energielos.

Man braucht zum Musizieren eine gesunde, zweckmäßige Grundspannung im Körper und einen angemessenen, mittleren Muskeltonus. Sowohl Unter-Spannung ist zu vermeiden (zu sehen öfter z.B. bei Teenie-Jungs, die wie ein Schluck Wasser in der Kurve vorm Klavier hängen und mit Labberhänden auf der Tastatur rummanschen - mit solchen Rhythmus und Exaktheit thematisieren zu müssen, kann echt eine Strafe sein...) als auch Über- bzw. Ver-Spannung (typisches Erwachsenen-Problem).
 
Das ist wohl die Kategorie von Jungs, über die mein Gitarrenlehrer damals immer geschmunzelt hat, weil sie aus Coolness-Gründen die E-Gitarre etwa in Höhe ihrer Knie baumeln haben wollten... Sowas wächst sich aber hoffentlich aus...
 
A und O jedes Spiels ist Entspannung! Die nötige Spannung wo nützlich kommt später automatisch.
"Entspannung" ist nur dann beherrschbar, wenn man mit "Anspannung" umzugehen gelernt hat. Leider geschieht dieser Lernprozess in der Praxis nicht automatisch, sondern im Wissen, wie Spannung zweckmäßig zum Einsatz gelangt. "Entspannt" heißt ganz sicher nicht "spannungslos".

Die erwähnten Extreme sind in beiden Ausprägungen in der Praxis nicht sinnvoll: Sowohl eine "klaviergouvernantenpädagogische" Überspannung als eine schlaff und energielos daher kommende Unterspannung - zweckmäßige Spannung bedeutet vielmehr, den schmalen Grat zwischen den Extremen zu erwischen.

LG von Rheinkultur
 
Das ist wohl die Kategorie von Jungs, über die mein Gitarrenlehrer damals immer geschmunzelt hat, weil sie aus Coolness-Gründen die E-Gitarre etwa in Höhe ihrer Knie baumeln haben wollten... Sowas wächst sich aber hoffentlich aus...
Diese Spielpraxis wächst sich vermutlich nicht aus, sondern wird zeitnah wegen Unzweckmäßigkeit aufgegeben... .
 

Diese "Fähigkeit" habe ich zu Schulzeiten gern zum Erstaunen und Ergruseln der Mitschüler/innen vorgeführt. Als Kind findet man es ja lustig, besonders "gelenkig" zu sein.

Ja, es gibt Fotos, leider (bzw. glücklicherweise). Alle Fotos, die in der Anfangsphase meines Wiedereinstiegs entstanden sind, zeigen diesen Defekt. Es sieht grauenhaft aus.
yikes.gif


Mir ist das Ausmaß erst auf diesen Fotos aufgefallen, zuvor hat es mich zwar mechanisch gestört, aber irgendwie gehörte es für mich ja dazu. Aus meinem "ersten Klavierleben" war mir noch erinnerlich, wie extrem störend und hinderlich sich das ausgewirkt hat, eigenartigerweise hat die damalige KL das nicht aktiv zu korrigieren versucht.

Nach dem Entsetzen über die Fotos bin ich das mit einigen parallel angewendeten Methoden angegangen (Aufbau der "richtigen" Muskulatur + konsequentes Vermeiden der Überstreckung, ich hoffe da auch ein bisschen auf altersgemäße Gelenkversteifung sowie das Verkümmern der überstreckenden Muskulatur durch Nichtbenutzen
wer.gif
), und heute ist es eigentlich ganz gut überwunden.
 
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Hallo Barratt,

das ist interessant. Danke für die Erläuterungen.. Ich frage aber zur Sicherheit lieber nochmal nach:

http://de.wikipedia.org/wiki/Hand

Du meintest doch die roten Gelenke, und nicht die blauen, oder ?

upload_2014-12-21_8-34-10.png

LG, Olli
 
@ barrat
Wurde das Phänomen abgeklärt ?
Evtl. Ehlers - Danlos Syndrom ?

LG Doc88
 
@LMG Ja klar, die roten - die blauen kann ja jeder. :lol:

@Doc88 Nein, das wurde nie in irgendeiner Weise pathologisert. Ich habe auch noch nie von diesem Syndrom gehört. Allerdings, als ich das jetzt mal rasch gegoogelt habe, kamen mir die creepy Verrenkungen aus den Fotos schon sehr bekannt vor, den Daumen im Grundgelenk um 180° zurück bis auf den Radius zu biegen, gehörte schon immer zu meinem Repertoire dazu, genau wie die komplette Hand (Handrücken auf Unterarm).
Allerdings gehen offenbar bei dem von Dir genannten Syndrom noch im weitesten Sinne Schmerzen / organische Komorbiditäten einher, die habe ich aber glücklicherweise nicht. Nur die dezent perverse Hypermobilität.

Eigentlich wollte ich den TE nur ermutigen, sein Problem aktiv anzugehen...
 
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@Barratt
Interessanterweise lassen sich oft solche "Handicaps" oft hervorragend kompensieren, wenn man
zielstrebig weiterübt.
Bei mir sind nach einem Unfall auch zwei Finger der rechten Hand verkrümmt bez. im
Endgelenk 30° von der Längsachse weggebogen.
Trotzdem hat sich die Hand in ihren Bewegungsmustern angepasst und man kann nicht die gehandicapten Finger heraushören und die Hand ist auch nicht irgendwie erkennbar langsamer .
Der Anpassungsprozeß ging bei mir von alleine ohne spezielle Übungen oder Veränderungen der Handhaltung etc.
Mußt Du beim Spielen bestimmte Besonderheiten beachten ?

LG Doc88
 
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@Doc88 Nein, ich habe nur eine zeitlang aktiv korrigiert, wenn das Mittelgelenk sich durchgedrückt hat (was in der Tat viele Bewegungen auf der Tastatur enorm behindert, da das Gelenk in der überstreckten Position quasi "einrastet" und nicht flüssig zurückzubewegen ist). Außerdem achte ich jetzt schon fast zwei Jahre darauf, die Überstreckung zu vermeiden. Vielleicht ist das schon "eingerostet". Ich traue mich aber nicht, es auszuprobieren. :heilig: Bin froh, dass mein Kleinhirn diese Bewegung erfolgreich und automatisch verweigert. :super:
 

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