Erfahrungen mit Klavierunterricht

Und diese "bestimmten" Anschlagstechniken. Sind sie "Grundlegend" oder von Hand zu Hand unterschiedlich? Abgesehen von dem Greifbaren.

LG Lustknabe
 
@rolf
Auch das habe ich nicht gesagt...
 
ich darf dich zitieren:
Aber ganz ehrlich, hat einer von Euch Horowitz mal auf die Finger geschaut? Da sieht man nichts von Technik und Handgelenk, runden Fingern oder sonst einer erstrebenswerten Disziplin.
und das stimmt nicht.
Man sieht da (wenn man sich auskennt!) sehr wohl, wie bewegungstechnisch völlig korrekt Oktaven, Skalen, Akkorde etc. absolviert werden, was das Handgelenk macht, wiedie Armführung vorherrscht usw. Allerdings müssen wir dergleichen jetzt nicht ausufernd besprechen (obwohl es interessant ist), denn Horowitzens Oktaven und Doppelgriffe werden Herzton nicht bei Tempoproblemen helfen.
 
@rolf:
Also die Sache mit dem Handgelenk ist schon wahr. Locker und geschmeidig sollte es sein oder werden. Dahin (also hin zum entspannten Handgelenk und entspannten Arm) versuche ich immer wieder zurück zu kehren, zum Beispiel bei Gruppenübungen eben in der Gruppenpause.
Der Geschwindigkeitsbereich, der mir Schwierigkeiten macht, sind Sextolen (sechs Sechzehntel) ab 104 bpm aufwärts. Beide Hände unisono, im Wesentlichen pp, mit vielen Richtungswechseln, es ist ein sehr bekanntes Stück. Dann weißt Du bestimmt schon, um welches Stück es sich handelt. :musik:

Nun geht es ja nicht nur um's Tempo. Das Problem ist auch, dass ich, je höher das Tempo wird, dann immer undifferenzierter spiele und nicht mehr wirklich gestalten kann. Denn wenn man das Stück im Bereich bpm 104 bis 120 spielt, geht es ja klanglich in einen "illusionistischen" Effekt hinein: der Zuhörer erkennt keine singende Melodie mehr, sondern hört eine Art "Klangfaden" mit Konturen und Kurven, idealerweise mit Harmonien, die durchscheinen. Aber es ist nichts ganz Konkretes mehr, obwohl man noch korrekt und sauber spielen muss. Tja, diesen Übergang in der Vorstellung schafft mein Hirn irgendwie noch nicht. Wenn ich mir diesen Klangeindruck in vollem Tempo vorstelle, passiert in der Bewegungsvorstellung eben auch nichts Konkretes mehr. Da sind keine Tasten und Finger mehr, sondern eine Art Kurvenflug. Aber wenn ich den dann probiere, klappt es ja nicht, ich fliege raus. Kontrollverlust.
In diesem speziellen Fall habe ich auch ein Problem mit Gruppenübungen: am Ende wird es schnell, aber nicht musikalisch und vor allem nicht illusionistisch.


Und um den Vorwurf der Feigheit auszuräumen (Herzton redet ja gerne mal um den heißen Brei herum):
Chopin, Sonate Op. 35 b-moll, in diesem Fall geht es um den vierten Satz. Die Sonate ruht zur Zeit, schließlich will ich meinen Frust darüber nicht noch hineinüben.


Voilà, meine Probleme!
 
Chopin, Sonate Op. 35 b-moll, in diesem Fall geht es um den vierten Satz.
@Herzton
...da hast du dir aber auch ein berühmt fieses Biest ausgesucht... das Finale ist gemein und sauschwierig/heikel

wenn du da irgendeinen kleinen Abschnitt einstimmig und auf beide Hände verteilt spielst (probier´s mal) - gelingt dir, das dann so zu spielen, wie du es klanglich und tempomäßig haben willst?

probier beidhändig einen der einfacheren skalenartigen Kleinabschnitte im letzten Drittel des Finales und stell dir vor, du würdest das glissando spielen wollen

(nicht zürnen: es kann auch sein, dass op.35 für dich einfach (noch?) zu schwer ist)
 
... kleinen Abschnitt einstimmig und auf beide Hände verteilt

Die Idee ist mir noch nicht gekommen, oh Mann.
Sehr gute Idee! Denn dies dürfte eigentlich bald gelingen, es ist eine große Vereinfachung. Mit dem Ziel, die Geschwindigkeit, die dann ja wie von selbst kommt, "ertragen" zu können, nicht nervös zu werden, entspannt zu bleiben und sich auf's Hören zu konzentrieren?


Dies habe ich probiert, bevor ich mich entschied, das Biest mal eine Weile in Ruhe zu lassen (lerne viele neue Sachen, jetzt). Und es hilft sehr, gerade die Abschnitte mit vielen fiesen Richtungswechseln werden dadurch besser.
 
Die Idee ist mir noch nicht gekommen, oh Mann.
Sehr gute Idee! Denn dies dürfte eigentlich bald gelingen, es ist eine große Vereinfachung. Mit dem Ziel, die Geschwindigkeit, die dann ja wie von selbst kommt, "ertragen" zu können, nicht nervös zu werden, entspannt zu bleiben und sich auf's Hören zu konzentrieren?
durchaus, aber denk noch einen Schritt weiter: keine Einzeltöne mehr, sondern Klangwellen wahrnehmen
 
Nicht zürnen: es kann auch sein, dass op.35 für dich einfach (noch?) zu schwer ist)

Klar kann das sein! Über diese Vermutung bin ich garnicht erzürnt. Schau, je schwerer ein Stück, desto länger werde ich dafür brauchen, damit mein Hirn in die Herausforderungen hineinwachsen kann. Jetzt kann ich zumindest schon einmal die Noten, habe im Kopf bis zu einem gewissen Grad eine musikalische Vorstellung und übe andere Stücke. Ich denke allerdings trotzdem regelmäßig an die ungelösten Probleme darin und habe doch schon vier neue Anregungen erhalten: Vorstellung verbessern, Vereinfachen, Glissando und Klangwellen hören/fühlen. Das nächste Mal, wenn ich erneut damit anfange, werde ich beginnen, diese Tipps umzusetzen (das ist nicht leicht!).
 
und es sind recht spezielle, denn sie haben keine hervorgehobenen Spitzentöne (!) und sie sind aus rasanten quasi-glissando Tönen gebaut - je "bewußtlos-amorpher" sie kommen, umso näher sind sie am intendierten Klang. Dieses Finale ist schon ein einzigartiges Musikstück (!!) (vergleichbare Passagen als Klangkolorit finden sich später bei Liszt, Rachmaninov, Debussy)
 
Je "bewußtlos-amorpher" sie kommen, umso näher sind sie am intendierten Klang. Dieses Finale ist schon ein einzigartiges Musikstück (!!) (vergleichbare Passagen als Klangkolorit finden sich später bei Liszt, Rachmaninov, Debussy)

Wichtig war mir, zu erfahren, ob zumindest meine musikalische Zielvorstellung passt. Aber Du hast mir auf jeden Fall die motorische Zielvorstellung klarer gemacht. Vielen Dank dafür!

Ich hatte mir die Frage gestellt, welches Stück ich üben könnte, um mich an eine hohe Geschwindigkeit zu gewöhnen. Es fällt mir ja bewegungsmäßig kein wirklich ähnliches Stück ein, ehrlich gesagt, vor allem nicht für die linke Hand. Rechts könnte man ja noch die Etüde Op. 25 Nr. 2 (und sie unisono mit links mitüben) hernehmen. Aber es ist schon vom Klangcharakter her ein ganz anderes Stück, meine ich.
Nun, jetzt lerne ich - eher zufällig - die Estampes. "Jardins sous la pluie" ist wesentlich einfacher als der biestige 4 . Satz, kommt ihm aber hinsichtlich der Flüchtigkeit und Geschwindigkeit nahe. Die Grundbewegung ist allerdings ganz anders (und deutlich einfacher). Ich bin gespannt, ob dieses Stück mir bei Chopin helfen könnte. Fällt Dir denn auch noch ein anderes nützliches Stück ein, um das Biest zu zähmen?
 

Ist die chromatische Übung von Brahms angebracht? Die ist auch unisono. Die Nr 7. Vielleicht ist die aber schon zu leicht oder fehl am Platz.

Lg lustknabe
 
Ist die chromatische Übung von Brahms angebracht? Die ist auch unisono.
Die wird sicher nicht schaden.

Aber mich verwundert etwas ganz anderes, @Herzton : ausgerechnet bei einem hochvirtuosen "Brecher" wie der Trauermarschsonate (Finale und Scherzo sind berüchtigt für ihre Tücken) erwähnst du Probleme mit dem Tempo - es gibt doch einige rasante Sachen, die im Tempo vergleichbar sind (Presto, prestissimo), aber dennoch leichter als das exotische (!) Finale. Ebenso schnelle, relativ großflächige Tonfolgen finden sich in den beiden 32stel-Var. in Beethovens 32 Var. c-Moll, da kann man, nachdem man diese beiden Var. kann, sich den Spaß gönnen, die 32stel unisono zu spielen.
erste Frage: hast du schon Sachen gespielt, die so schnell wie das Finale sind?

zweite Frage: möglicherweise sind dir rasche unisono-Passagen noch nicht so geläufig?
Da helfen die erwähnten Busoni-Studien, da ist es auch nützlich, in den unisono-Passagen von Beethovens c-Moll Konzert zu üben, danach (weil schwieriger) derartige Passagen in Ravels G-Dur Konzert (Saint-Saens g-Moll bietet auch ein paar fiese, enorm schwierig findet sich dergleichen in Tschaikowskis G-Dur Konzert)
 
Hi rolf,
Will man fundierte und zudem vernünftige Texte über Spieltechniken und Übungsweisen lesen, empfehlen sich Werner, Bernstein, Kratzert, Feinberg (letzterer leider nicht auf deutsch)
ich bin ja Büchernarr, aber es interessiert vielleicht auch andere.

Kratzert und Werner sind klar (Technik des Klavierspiels und Neue Methodik und Didaktik am Klavier).

Mit Bernstein meinst du da Seymour Bernstein?

Von Feinberg habe ich nur einen Artikel im Buch Notate zur Pianistik.
Von Feinberg gibt es das monumentale Werk "Pianism as an Art" in Russisch, das wohl eine Bibel der russischen Klavierschule ist. Kennst du eine Übersetzung oder Teile davon?

Gruß
 
Erste Frage: hast du schon Sachen gespielt, die so schnell wie das Finale sind?

Ich war mir sicher, dass von Dir dieser sehr berechtigte und pädagogische Einwand kommen würde!

Nunja ... was heißt gespielt? Sicher nicht so gespielt, wie Du Dir idealerweise das Ergebnis vorstellen würdest :-D. Sagen wir also: versucht? Und leider habe ich mich vor allem noch nicht systematisch durch die Chopin-Etüden gewühlt, da besteht sicher Nachholbedarf.

Nein, bei mir ist es so: grundsätzlich habe ich erstmal keine Ahnung. Ich höre ja kaum systematisch Musik (also mit Lesen des Notentextes, Einschätzung der Schwierigkeit). Dann habe ich Schulden bei meinem Notenschrank: mein Anspruch, den einmal ganz gelernt zu haben führt dazu, dass ich mir das ein oder andere Häppchen schnappe und dann ein paar Monate daran übe. Ich wusste schlichtweg nicht, dass der letzte Satz der Sonate so schwierig ist! :-( Ja und der 2. Satz ist auch schwierig aber doch etwas einfacher. Ja und der 1. Satz ist ja auch nicht so leicht. Ich bin meinem Lehrer schon dankbar, dass er mich nicht jedes Mal mit zornrotem Kopf rausschmeißt, wenn ich mal wieder mit einem solchen Stück ankomme.

Ich hatte schon einmal geschrieben: ich spiele Klavier aus Abenteuerlust, da ich ja sozusagen ein verhinderter Nordpolfahrer und Entdecker bin. Da gehört ein bisschen Scheitern schon dazu. Mich einzuschätzen fällt mir oft schwer, da jedes Stück am Anfang eigentlich gut läuft. Erst später wird's dann schwierig.

Nun wieder zum Thema: ich besitze nicht alle von Dir vorgeschlagenen Noten, aber doch einige. Jedoch die Busoni-Übungen muss ich mir tatsächlich erst besorgen. Ich werde mir eine Reihe Übungen zu diesem Thema zurechtbasteln (müssen). Vielen Dank für die Anregungen. Wenn ich dazu komme, schreibe ich noch, welche Auswahl ich getroffen habe.

Zweite Frage: möglicherweise sind dir rasche unisono-Passagen noch nicht so geläufig?

Ist das denn Deiner Meinung nach eine besondere Schwierigkeit? Ich verstehe, das gespiegelte Passagen für die Hirnmasse einfacher sind. Aber unisono finde ich nicht sooo problematisch an sich. Bei mir ist es bei unisono so: ich suche mir Fingersätze, die soweit wie möglich "komplementär" sind. Finger 1 der einen Hand entspricht Finger 5 der anderen Hand, Finger 2 entspricht Finger 4, wenn es sich um einen Bereich ohne Handversetzung handelt. Da gibt es im Hirn bei mir eine Verknüpfung: wenn rechts der 4. Finger spielt, geht links der 2. Finger runter, oder so ähnlich. Bei Skalenpassagen nehme ich meist den für die jeweilige Hand bequemsten Fingersatz. Aber bei Skalen ist das unisono-Spiel am allereinfachsten. Finde ich. :denken:
Noch ein anderes Beispiel aus der Coda der 4. Chopin-Ballade: die gebrochenen f-moll-Akkorde von oben nach unten, unisono in beiden Händen, ganz am Ende des Stücks. Ich spielte damals rechts den "geraden" Fingersatz 4321-4321-4321. Links spielte ich auch einen "geraden" Fingersatz 1234-1234-1234, auch wenn der Daumen der linken Hand oft auf schwarz spielt. Der im Henle-Heft vorgeschlagene Fingersatz 2134-2134-1234 (vermeidet den Daumen auf schwarz) ist für mein Hirn im unisono nicht geeignet. Aber ich glaube, das machen sohl die meisten Menschen so, oder?
 
Natürlich konnte ich gestern die Finger nicht davon lassen und habe ein bisschen am letzten Satz geschraubt. Was ist daran so schwierig:
- Trotz zahlreicher kurzer Richtungswechsel die, wie Du es treffend schreibst, glissando-Bewegung nicht zu unterbrechen
- bei schnellen Fingerwiederholungen (wie: schnelle Abfolge von 2121) ein Holpern zu verhindern (ich habe versucht, durch die Fingersatzauswahl diese Situationen auf ein Minimum zu beschränken, aber es lässt sich nicht ganz überall vermeiden)
- der Widerspruch zwischen Klangziel und motorischer Empfindung
- die Unmöglichkeit, das Ziel durch genaues, langsames Üben zu erreichen.
 

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